Mit einer Galavorstellung im letzten Test vor ihrer EM-Premiere holten sich die ÖFB-Frauen noch einmal so richtig Selbstvertrauen: Der amtierende Europameisterschaft-Halbfinalist Dänemark war absolut chancenlos, der 4:2-Sieg Österreich sieht noch deutlich knapper aus, als er war.
Nach diversen Tests mit einer defensiven Spielanlage (bzw. einem Spiel, wo ihnen der Spielverlauf diesen aufgezwungen hat) agierten die ÖFB-Frauen in diesem letzten Probegalopp vor der ersten EM-Teilnahme wieder mal im Vollpressing-Modus. Dänemark war sichtlich überrascht und hatte nichts, aber auch überhaupt nichts entgegen zu setzen.
Die volle Pressing-Maschine
Natürlich kam Österreich diesmal der Spielverlauf (1:0 nach nur 34 Sekunden) zu Pass, aber auch danach ließ man Dänemark keine Luft zum Atmen. Jeder Versuch, hinten raus zu spielen, wurde von Österreicherinnen verhindert, die pressten wie wild.
Besonders gut machten es die ÖFB-Frauen, im den Rücken von Däninnen zu pressen, die den Ball mit dem Gesicht zum eigenen Tor annehmen wollen. Christiansen und Jensen sahen den Ballverlust oft nicht einmal kommen. Und war der Ball gewonnen, ging es sofort in die seitlichen Schnittstellen der dänischen Dreierkette – und eben nicht blind auf das Tor zu.
Die Folge waren eine ganze Fülle an besten Chancen, die Österreich allerdings allesamt liegen ließ. Dies ist – trotz des überzeugenden Sieges – wohl der größte Kritikpunkt.
Me, a Dane, while watching this first half between Austria and Denmark: pic.twitter.com/lud6WPsRkC
— Katja Kragelund (@applessquabble) 6. Juli 2017
Nur kurze Ruhephase
Nach dem Gegentor zum 1:1, das nach 22 Minuten eher aus heiterem Himmel gefallen war, wurde kurzzeitig umgestellt: Sarah Puntigam ging zurück zwischen LV Aschauer und IV Wenninger, wodurch sich ein 5-4-1 ergab. In dieser Phase zog sich Österreich ein wenig zurück und ließ Dänemark kommen, aber nicht sinnvoll in den Strafraum eindringen.
Es war dies aber im Grunde die einzige Phase im Spiel, in der Österreich das dänische Team ein wenig in Ruhe ließ. Auch in den letzten Minuten vor dem Seitenwechsel schaltete Österreich wieder einen Gang nach oben. Und: Weiterhin gelang es Österreich exzellent, das Prunkstück des dänischen Teams komplett aus dem Spiel zu nehmen: Pernille Harder vom deutschen Double-Sieger Wolfsburg und Nadia Nadim von US-Topklub Portland Thorns waren überhaupt nicht im Spiel. Das umsichtige Stellungsspiel und das gute Antizipieren der dänischen Angriffswege funktionierte annähernd perfekt.
Viele dänische Ballverluste provoziert
In den 20 Minuten nach der Pause ging Österreich wiederum Vollgaspressing, Dänemark drosch nur noch blind die Bälle hinten raus, dafür bearbeitete Österreich weiterhin die Schnittstellen der Dreierkette, dass diese auch komplett durch den Wind war. Und in dieser Phase ging es dann auch schnell: Billa erzielte das 2:1, Zadrazil das 3:1 und eine Co-Produktion von Zadradzils Ferse und Nadims verunglücktem Rettungsversuch besorgte das 4:1.
Österreich provozierte weiterhin viele Ballverluste, schaltete schnell um, war gedankenschneller und hörte auch nach Foulspielen nicht auf, sondern stand sofort wieder da, ehe eine Dänin auch nur in der Nähe des Balls war. Daran änderten auch die Umstellungen bei Dänemark nichts – die als Supertalent gehandelte Maja Kildemoes fügte sich im Mittelfeld-Zentrum nahtlos in die gehetzte Grundstimmung im dänischen Team ein.
Als in der letzten halben Stunde mit Stina Larsen eine zusätzliche Stürmerin kam, konnte Dänemark ein bisschen für Entlastung sorgen, aber weiterhin blieb Österreich das gefährlichere Team. Dass Dänemark am Ende noch noch ein zweites Tor erzielte, war nur noch Resultatskosmetik.
Fazit: Reife Leistung. Sehr reife Leistung
Das eigentlich Wahnsinnige an diesem 4:2-Sieg ist, dass es genauso gut 7:2 oder 8:2 hätte ausgehen können, so viele gute Chancen hatte Österreich – alleine dreimal holzten die ÖFB-Frauen ans Aluminium. Dänemarks Torfrau Stine Petersen war ein ständiger Unsicherheitsfaktor und konnte überhaupt keine Ruhe vermitteln.
Österreich hingegen spielte, als hätte es den Einbruch in der zweiten Hälfte in England und den Horrorstart in Holland nie gegeben. Es war ein absolutes Statement in Richtung der Gruppengegner Schweiz und Island. Es war absolut reif, fast durchgehend hoch konzentriert, extrem diszipliniert, aggressiv in der genau richtigen Dosierung – und man hat Dänemark nie das Gefühl gegeben, dass sie irgendwie noch zurück in dieses Spiel hätten kommen können.
Es ist ein Spiel, das für die EM übermütig machen könnte – wenn man aber die Mentalität im Team kennt und die Art und Weise, wie auch das Trainerteam mit der Mannschaft umgeht, weiß man: Diese Gefahr besteht nicht. Die EM aber kann auf jeden Fall kommen.