Japan, das Arsenal Asiens

War Alberto Zaccheroni in letzter Zeit bei Arséne Wenger hospitieren? Eine Frage, die sich aufdrängt. Denn die von Zac trainierten Japaner spielen wie eine Blaupause der Gunners: Hohes Tempo, extremes Rochieren, und sogar die Positionierung der Spieler erinnerte beim 2:1 über Syrien an Arsenal.

Japan – Syrien 2:1 (1:0)

Japan - Syrien 2:1

Valeriu Tita, rumänischer Teamchef der Syrer, hatte sich seine Aufstellung gut überlegt. Er ließ Spielgestalter Malki draußen, stellte auf ein 4-1-4-1 um, um möglichst überall im defensiven Mittelfeld und der Abwehr den jeweils ballführenden Japaner doppeln zu können. Grundsätzlich eine gute Idee, eine richtige Maßnahme. Dabei gab es nur einen Haken.

Den Syrern ging das alles viel zu schnell.

Das Tempo, welches die Japaner in der ersten Viertelstunde an den Tag legten, war atemberaubend. Die Syrer rannten sich die Lungen aus ihren Leibern, um halbwegs die Löcher zu stopfen, in die ihre Gegenspieler permanent reinstießen. Und dennoch spielten die von Alberto Zaccheroni trainierten Japaner Katz und Maus. Und zwar in einer Spielweise und einer Formation, die frappant an das Arsenal von Arséne Wenger erinnert. Auch Zaccheroni lässt seine Mannschaft in einem sehr flüssigen 4-2-3-1 auflaufen. Mit Yasuhito Endo hat er einen eher zurückhängenden Sechser, der zuerst absichert, und erst dann nach vorne schaut. Mit dem grandios aufspielenden Kapitän Makoto Hasebe hat er einen zweiten Sechser, der eigentlich ein Achter ist, mit enormem Vorwärtsdrang, tollem Auge in der Spieleröffnung, der eigentliche Spielgestalter, der oftmals auch in die Mittelfeldreihe oder dafür stößt. Zwei wie etwa Alex Song und Jack Wilshere.

In der offensiven Dreierreihe wird rochiert, was das Zeug hält. Gestartet ist Kagawa links, Honda zentral und Matsui in der Mitte – eine solche Zuordnung verliert aber blitzartig ihre Gültigkeit. Da taucht Matsui schon mal auf der ganz anderen Seite auf, Kagawa in der Mitte oder gar als Sturmspitze, Honda mal zurückhängend, mal auf die Seiten, dann wieder ganz vorne. Fàbregas, Nasri, Rosický und Konsorten lassen grüßen. Und vorne? Dort rennt sich Ryoichi Maeda die Füße wund, lässt sich zurückfallen, geht auf die Seite (bevorzugt die linke), und macht all das, was bei Arsenal einen Robin van Persie ausmacht.

Einziges Manko: Die Tore…

Vom Toreschießen mal abgesehen. Das ist nämlich das große Manko der Japaner – es fehlt der Vollstrecker, der dann auch wirklich mal die Tore macht. Und dennoch wussten die ja eigentlich recht gut eingestellten Syrer nicht, wie sie dem Wirbel Herr werden sollten. Da wurde schon mal Linksverteidiger Sabagh nach innen gezogen und Makoto Hasebe (!) stieß mit vollem Tempo in die riesige freie Zone zwischen Strafraum und Eckfahne und konnte ungehindert flanken. Was den syrischen Kapitän Ali Dyab wahnsinnig machte und ihn zu einen spontanen Standpauke an seine Nebenleute trieb.

Erst, als der ganz große Anfangsschwung nach etwa 20 Minuten etwas nachließ, kamen die Syrer hinten ein wenig zum Durchschnaufen. Die Japaner ließen es von da an ein kleines bisschen ruhiger angehen – was aber immer noch locker reichte, um die Partie komplett im Griff zu haben. Und als die Syrer einmal zu oft die Übersicht vor dem eigenen Tor verloren hatte, drückte Hasebe von der Strafraumgrenze zum längst überfälligen 1:0 ab, mit dem auch die Seiten gewechselt wurden.

Anderes Spiel nach der Pause

Was diese Mannschaft aus Japan allerdings nicht kann: Diese Spielweise über 90 Minuten durchziehen. Was sich schon zum Ende der ersten Hälfte angedeutet hatte – nämlich körperliche Abnutzungserscheinungen, die dem temporeichen Anfang geschuldet waren – verstärkte sich in nach dem Seitenwechsel natürlich. Und das wurde dann auch noch verschärft durch eine geschickte Umstellung von Valeriu Tita: Er brachte statt Aouad mit Al-Khatib nun doch einen zentralen offensiven Mittelfeldspieler. Die Folge: Makoto Hasebe konnte nun nicht mehr so frei von allen Defensivpflichten vorne herum turnen, sondern war vermehrt in seiner Rolle als Sechser gefragt.

Somit waren die Offensivleute ein wenig vom Nachschub abgeschnitten. Außerdem agierten die Syrer nun wesentlich aggressiver, gingen die Gegenspieler früher an und brachen so den Rhythmus der Japaner zusätzlich. So kamen die Außenseiter, die ja schon die Saudis mit 1:0 geschlagen hatten, immer besser ins Spiel und den Japanern gelang es nun nicht mehr so recht, die frecher werdenden Syrer zu kontrollieren.

Nun war das Spiel zwar nicht mehr annähernd so ansehnlich wie vor dem Seitenwechsel, aber dafür umso offener. Nach etwa einer Stunde nahm Titu dann auch den wenig effektiven Solo-Stürmer Al-Zeno aus dem Spiel und brachte einen zweiten offensiven Mittelfeldspieler – jenen Senharib Malki, der gegen die Saudis eine so tolle Partie gespielt hatte. Nun hatten Endo und Hasebe endgültig keine Gelegenheit mehr, sich noch vorne einzuschalten. Und dann wurde es richtig turbulent.

Hektische Schlussphase

In der 70. Minute entschied der iranische Schiedsrichter auf Strafstoß für Syrien. Torhüter Kawashima hatte Malki im Strafraum von den Beinen geholt. Unstrittig. Aber war Malki nicht zehn, fünfzehn Meter im Abseits gestanden? Die Frage, an der sich die japanischen Gemüter erhitzten. Die Antwort: Grundsätzlich ja – aber der Ball kam mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von Yasuyuki Konno. Und damit kein Abseits – und die rote Karte für Kawashima obendrein. Es dauerte fünf Minuten, ehe Al-Khatib den Strafstoß ausführen konnte und souverän zum nach dem Verlauf der zweiten Hälfte gar nicht mehr unverdienten 1:1 verwandelte.

Für Ersatztorhüter Nishikawa musste Sturmspitze Maeda den Platz verlassen. Die Japaner stellten nun auf ein 4-4-1 um, in dem Keisuke Honda die hängende Spitze gab. Und bevor sich die Favoriten groß Gedanken machen konnten, ob sie nun mit einem Mann weniger auf Ergebnis halten spielen sollten (gefährlich, weil dann ein Sieg gegen die Saudis am letzten Spieltag Pflicht wäre) oder doch riskieren sollten (auf die reale Gefahr hin, das Spiel noch zu verlieren), drehte sich das Blatt wieder zu Gunsten der Japaner.

Der für Kagawa eingewechselte Okazaki wurde von Dyab und Deka in Gemeinschaftsarbeit niedergerungen, Schiri Torky zögerte zu Recht keine Sekunde, und Honda zitterte den Elfmeter in der 81. Minute zur 2:1-Führung ins Tor. Die Syrer setzten nun natürlich alles auf eine Karte – mit Al-Khatib, Malki und auch Ayan warteten nun drei Spieler in vorderster Front auf Zuspiele, mit Al-Agha kam statt den müden Jahad Al-Hussain ein frischer Mann für die rechte Seite.

Doch anstatt an Toren auszugleichen, glichen die Syrer mit der Anzahl der Spieler aus. Denn in der hektischen, sechsminütigen Nachspielzeit holte sich Linksverteidiger Sabagh erst Gelb für ein Foul an der Strafraumgrenze ab, dann Gelb-Rot, weil er zu früh aus der Mauer gestürmt war…

Fazit: Japan zeigt alles – von Dominanz bis Widerstandskraft

Was für ein Spiel. In der ersten Hälfte waren die Japaner drückend überlegen und hätten da schon für klare Verhältnisse sorgen müssen. Weil sie das nicht taten, in der zweiten Hälfte ermüdeten und das von den Syrern geschickt ausgenützt wurde, wäre das Spiel beinahe noch verloren gegangen. Syrien hat wie gegen die Saudis tapfer gekämpft und in der zweiten Halbzeit wiederhum eine sehr ansprechende Leistung gezeigt. Bitter nur: Trotz den Sieges gegen die Saudis reicht ein Remis im letzten Gruppenspiel gegen Jordanien nicht zum Viertelfinale…

Dort ist auch Japan noch nicht, wiewohl da für ein Aus schon einiges zusammen kommen müsste. Gegen die gegenüber dem Turnierstart wiedererstarkten, aber schon ausgeschiedenen Saudis wird für den Gruppensieg ein Sieg hermüssen, Zittern ums Weiterkommen wäre nur bei einer Niederlage angesagt. Generell muss man aber sagen: Wer so spielen kann wie in der ersten Halbzeit, und solche Partien noch gewinnen kann, wie in der zweiten Halbzeit, dem ist alles zuzutrauen.

Wenn schon Arsenal selbst keine Titel holt, dann doch vielleicht ein Team, das fast genauso spielt.

(phe)

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.