Ballverliebt https://ballverliebt.eu Fußball. Fußball. Fußball. Wed, 18 Dec 2024 21:01:46 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.7.1 Didi Constantini ist gestorben. Ein Blick zurück. https://ballverliebt.eu/2024/12/18/didi-constantini-ist-gestorben-ein-blick-zurueck/ https://ballverliebt.eu/2024/12/18/didi-constantini-ist-gestorben-ein-blick-zurueck/#respond Wed, 18 Dec 2024 21:01:42 +0000 Ex-ÖFB-Teamchef Didi Constantini ist nach langer Demenz-Erkrankung im Alter von 69 gestorben. Die Ballverliebt-Crew blickt auf die Zeit und Lage des österreichischen Fußballs in seiner Ära zurück.

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Oliwia Woś: „Wir waren einfach… zu positiv!“ https://ballverliebt.eu/2024/12/06/oliwia-wos-wir-waren-einfach-zu-positiv/ https://ballverliebt.eu/2024/12/06/oliwia-wos-wir-waren-einfach-zu-positiv/#respond Fri, 06 Dec 2024 13:34:12 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=20954 Oliwia Woś: „Wir waren einfach… zu positiv!“ weiterlesen ]]> Von den 22 Spielerinnen, die bei den beiden Playoff-Spielen zur Frauen-EM zwischen Polen und Österreich in den Startformationen gestanden sind, spielte keine einzige ihren Liga-Fußball in Polen und nur eine in Österreich. Dafür zwei in Italien, je drei in Spanien, Frankreich und England – und acht in Deutschland.

Und zwei sind sogar in Deutschland aufgewachsen: Polens Sechser Tanja Pawollek, die aus dem Frankfurter Umland kommt – und die polnische Innenverteidigerin Oliwia Woś. Sie ist in Olesno in Oberschlesien geboren, aber in Witten aufgewachsen, dort wo auch Alexandra Popp herkommt, zwischen Essen und Dortmund. Ein Ruhrpott-Kind.

Dank ihr ist Witten auch nach dem Ende der Nationalteam-Karriere von Popp bei der kommenden EM vertreten. Ballverliebt hat sich nach der überraschend geschafften Qualifikation gegen Österreich mit der 1,82 Meter großen und 25 Jahre alten Woś – die nach ihrem Studium der Liberal Arts & Sciences an der University of Indiana 2022 zum FC Zürich gegangen ist, nun beim FC Basel unter Trainerin Kim Kulig spielt – unterhalten.

 
 
 
 
 
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Ein Beitrag geteilt von Oliwia Woś (@oliwiawos)

Aus der Kabine hört’s man ja lautstark, bei euch ist Party angesagt. Was bedeutet die erstmalige EM-Teilnahme für den Frauenfußball in Polen?

Für uns ist das enorm. Wir konnten nur träumen, aber wir haben so doll geträumt, dass es irgendwann wahr wurde. Das ist einfach krass.

Du bist nach dem Spiel im Kabinengang gestanden, hast Marie Höbinger und Viktoria Pinther getröstet…

Wir haben alle zusammen Fußball gespielt in Zürich, ich, Viki und Marie. Als klar wurde, dass wir gegeneinander spielen und dass das ein All-In-Spiel ist, haben wir uns direkt gesagt: „So das ist eigentlich voll Scheiße, dass es entweder oder wird“, und wir nicht alle zur EM können. Aber ja, am Ende isses Fußball und, keine Ahnung… ich liebe die beiden über alles. Wir haben unseren Special Bond und der wird auch nicht weggehen und ich glaube, am Ende des Tages, ist das halt Fußball.

Nach dem 1:3 gegen Österreich im Frühjahr 2024 hat eure Trainerin Nina Patalon gesagt: Wir können über Phasen mithalten, zahlen aber den Preis dafür, dass Österreich auf diesem Niveau routinierter ist. Davon war jetzt nichts mehr zu sehen. Wie ging das?

Ich weiß nicht, was passiert ist. Vielleicht hat es die Situation des K.o.-Spiels ausgemacht. Bei uns hat man schon gespürt, dass wir auf jeden Fall bei der EM dabei sein können. Wir haben unsere Zeit gebraucht und wir haben alle so sehr gehofft dass es wir sind und… ja, jetzt sind es einfach wir. Und ich glaub wir waren einfach… zu positiv!

Zu positiv? Das muss ich mir merken.

Ja, zu positiv ist einfach das geilste was es gibt… ich bin einfach happy.

Das Spiel hier in Wien hat sich phasenweise angefühlt wie ein polnisches Heimspiel, oder?

Für mich ja. Unsere Fans, das ist wirklich unglaublich. Auch in Gdańsk beim Hinspiel, wie sie da 7.000 zusammen bekommen haben und einfach gesungen haben und mitgefiebert. Das zeigt schon auch diese Breite, die jetzt auch langsam in Polen kommt.

Und ihr seid jetzt dann auch sichtbar in Polen, bei der EM, das kann ja auch einen Schub geben, das die Mädels sehen: Das ist nicht nur Deutschland und USA, Frauenfußball geht in Polen auch.

Wir sind – wenn es um die Liga geht – nicht da wo andere Ligen sind, da sind wir schon hinten. Aber der Weg von uns Spielerinnen beim Nationalteam, die wir in Deutschland oder in Frankreich oder Spanien spielen zeigt doch, dass wir es können. Wir haben Ewa Pajor in Barcelona, eine unglaubliche Spielerin einfach. Wir haben eine super Keeperin, Kinga Szimek, generell einen super Kader. Und auch die jungen Spielerinnen, die gehen jetzt immer mehr ins Ausland und das ist einfach geil. Und das macht uns auch happy, dass wir nicht nur mit einer starken Elf spielen können, sondern auch elf dahinter, wir können auch wechseln.

Und das ist ja oft der Unterschied – wie bei Slowenien, die mit Österreich jeweils eine Stunde mithalten haben können, aber von der Bank nicht mehr die Qualität nachkommen konnte.

Stimmt, wir haben Konkurrenzkampf bis zum Ende auf jeder Position und das ist krass zu sehen. Und das ist geil, de dadurch werde auch ich ja besser, weißt du? Ich hab ’ne Paulina Dudek noch in der Verteidigung, eine der geilsten Spielerinnen die es gibt!

Und du spielst Innenverteidigung mit einer 17-Jährigen vom FC Barcelona, Emilia Szymczak.

Ja genau! Was gibt es besseres? Deswegen freu ich mich enorm auf dieses Kapitel mit Polen.

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Playoff-Pleite gegen Polen: Mia san verdammte Scheiße net dabei https://ballverliebt.eu/2024/12/05/playoff-pleite-polen-fuhrmann-osterreich-frauen/ https://ballverliebt.eu/2024/12/05/playoff-pleite-polen-fuhrmann-osterreich-frauen/#comments Thu, 05 Dec 2024 14:19:59 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=20889 Playoff-Pleite gegen Polen: Mia san verdammte Scheiße net dabei weiterlesen ]]> Glasige Augen, wohin Oliwia Woś am Eingang des Spielertunnels auch blickte. Die über 1,80m große polnische Innenverteidigerin verteile Umarmungen – an Marie Höbinger und Viktoria Pinther, mit denen sie beim FC Zürich gemeinsam Schweizermeister geworden war. Und an Tanja Pawollek, ihre eigene Teamkollegin, die Rotz und Wasser heulte – völlig überwältigt davon, dass sich Polen erstmals für eine Frauen-EM qualifiziert hatte.

Und Österreich? Vor fast auf den Tag genau einem Jahr gab Manuela Zinsberger feixend den Satz „Mir san verdammte Scheiße zweiter Platz“ zu Protokoll, nachdem Österreich eben diesen mit einem 2:1 gegen Norwegen in der Nations-League-Gruppe fixiert hatte. The future was looking bright, doch mit Blick auf die EM gilt nach den beiden 0:1-Niederlagen im entscheidenden Playoff-Duell gegen Polen: Mia san verdammte Scheiße net dabei.

Wirklich schlechte Karten?

Das Kartenspiel „Cabo“ ist eine Mischung aus Strategie- und Glücksspiel, darin dem Fußball nicht ganz unähnlich. Es geht darum, seine vier Karten – von denen man zu Beginn allerdings nur zwei kennt – reihum so lange mit Karten vom Deck zu tauschen, bis man glaubt, einen Vorteil gegenüber den Gegnern zu haben. Jeder kann jederzeit die Spielrunde für beendet erklären, wenn dann tatsächlich die optimalen Karten hat, gewinnt. Dieses Spiel steht bei den ÖFB-Frauen gerade hoch im Kurs.

Im Fußball ist ein Match erst aus, wenn es aus ist. Aber Österreich hätte zu keinem Zeitpunkt der 193 Minuten und 30 Sekunden in den beiden Matches gegen Polen „Stop The Count“ (oder eben „Cabo!“) postulieren können, hätten sie es dürfen, um mit dem bestehenden Ergebnis zur EM in die Schweiz zu fahren.

Teamchefin Irene Fuhrmann hatte wiederholt über den Modus gestöhnt, dass es ein ziemlich enger Flaschenhals für die Direktqualifikation war (acht Teams) und sich alle anderen durch zwei Playoff-Runden quälen mussten. Nur: In der Qualifikation für die EM 2022 war es zwingend notwendig, einen Punkt gegen Frankreich zu holen UND alle anderen Spiele zu gewinnen, um gerade noch eines der damals zwölf Fix-Tickets zu ergattern. Nun brauchte es Siege gegen, bei allem Respekt, Slowenien und Polen.

Ist das wirklich schwieriger? Hat Österreich tatsächlich schlechte Handkarten gezogen?

Das 0:1 in Danzig

Wie schon beim 3:1 gegen Polen in Altach im Juli wurde beim Hinspiel in der Danziger EM-Arena versucht, die Flügelspielerinnen steil zu schicken. Damals war es gut gelungen, Dunst und Purtscheller zu finden und diese ihre Vorteile in Eins-gegen-Eins-Situationen ausspielen zu lassen. Das gelang in Danzig nur bedingt: Auch wenn man Dunst durch die Schnittstelle zwischen Zieniewicz und dem bei Barcelona ausgebildeten Abwehr-Talent Szymczak immer wieder fand, oft spielte sich Dunst fest.

An Purtscheller auf der rechten Angriffsseite lief das Spiel komplett vorbei, Schasching bemühte sich, war auf ungewohnter Position als RV aber längst nicht so reibungslos eingebunden wie noch in den Spielen gegen Slowenien. Durch das von Achcińska, Kamczyk und Pawollek verdichtete Zentrum gab es keinen Weg nach vorne; Marie Höbinger musste sich viel fallen lassen oder ausweichen. Die Strafraumbesetzung war unzureichend, Passoptionen mit Tempoverschleppung verbunden. „Es lag auch an den Bewegungen ohne Ball“, erkannte Fuhrmann: „Welches Angebot geben wir unserer Mitspielerin mit Ball?“

Im Rückwärtsgang konnte man zwei gute polnische Chancen nicht verhindern, aber im Ganzen hielt man Pajor gut aus dem Spiel heraus und potenzielle Kontersituationen wurden durch das österreichische Gegenpressing zumeist neutralisiert. Die erste Hälfte in Danzig war nicht besonders anregend, doch das 0:0 stellte einen akzeptablen Zwischenstand dar. Nach dem Seitenwechsel degenerierte das österreichische Spiel aber rasch. Was war geschehen?

Polen übernimmt das Ruder

Polen hatte Puntigam und Zadrazil vor der Pause die konstruktiven Passoptionen genommen, das österreichische Mittelfeld-Zentrum selbst aber noch weitgehend in Ruhe gelassen. In der zweiten Halbzeit nahmen Kamczyk und Achcińska das routinierte Duo im Mittelkreis in Manndeckung. Statt selbst Gegnerdruck ausüben zu können, sah sich Österreich diesem nun selbst ausgesetzt, der letzte Rest von Konstruktivität entwich.

Wer immer am Ball war, hatte sofort zwei Polinnen auf den Zehen stehen; Georgieva produzierte vermehrt Fehlpässe, auch Kirchberger wirkte zunehmend gehetzt. Schasching bewahrte noch am ehesten die Ruhe, entschärfte mit guter Positionierung ihres Körpers im Zweikampf die eine oder andere Situation. Es wäre auch in der 57. Minute hilfreich gewesen, wenn entweder Zadrazil, Kirchberger oder Höbinger die nach einem Puntigam-Fehlpass enteilende Kamczyk am Mittelkreis entschärft hätte, anstatt mitzulaufen. So konnte Kamczyk ungehindert den Steilpass auf Pajor spielen, die auf Padillla querlegte. Georgievas Rettungsversuch vor der Linie kam zu spät.

In der Folge rückte die österreichische Abwehlinie auf, Polen ging Passempfängerinnen an – ein solcher Fehlpass in der Spieleröffnung der weit aufrerückten Kirchberger resultierte in der 65. Minute in einem Gegenstoß über Pajor, die nur die Stange traf. So blieb Österreich am Leben, warf in der Schlussphase alles nach vorne, aber ein durchschlagender Abschluss war nicht mehr dabei.

Das 0:1 in Wien

„Mehr Aktivität, mehr Überzeugung“, forderte Furhmann vor dem Rückspiel. Nach einer wackeligen Startphase – in der Padilla und Kamczyk in der 8. Minute die polnische Führung auf dem Fuß gehabt haben, aber an Zinsberger scheiterten – war die Aktivität absolut da. Polen stand relativ tief, verstand es aber nicht, zwischen den Linien zuzumachen. Marie Höbinger machte sich dort oft anspielbar und hatte dann Zeit, sich schnell aufzudrehen. Gleichzeitig waren sie und Eileen Campbell extrem fleißig im Anlaufen, sie unterbanden einen geregelten Aufbau bei den spielerisch ohnehin limitierten Polinnen vollends. Im Kampf um zweite Bälle hatte Österreich zumeist die Nase vorne.

Und doch: Echte Torchancen gab es nicht besonders viele. Fuhrmann machte dafür vor allem die Entscheidungsfindung als Problemfeld aus: „Wenn wir den Ball hinter die Kette spielen können, oder scharf an die erste Stange – dann spielen wir den Ball nicht. Oder: Wie spielen ihn, dort ist aber keine Abnehmerin für den Pass. Oder: Der Pass ist nicht gut genug. An diesen drei Dingen hat es meiner Meinung nach gelegen.“

Das heißt aber eben auch: Da waren im Angriffsdrittel nicht alle mit dem selben Playbook unterwegs.

Bemüht, aber struktur- und kopflos

Gegen Ende der ersten Halbzeit knickte Barbara Dunst das Knie weg, das Kreuzband ist gerissen, das Jahr 2025 für die Flügelspielerin von Eintracht Frankfurt vermutlich verloren. Statt ihr kam Julia Hickelsberger, an der grundsätzlichen Gemengelage änderte sich aber nichts: Man versuchte ohne Dunst noch mehr, eher mit „Irgendwie“ als mit durchdachtem Spiel, die Kugel ins Angriffsdrittel zu bekommen – auf Höbi zum Weiterleiten, auf Purtscheller zum Leute ausdribbeln, auf Hickelsberger, wenn da drüben mal ein bisschen Raum war.

Polen sprintete situativ mal dazwischen, die ballführende Österreicherin an, zumeist aber war Absorbieren des Druckes angesagt. Die ÖFB-Frauen versuchten es, wollten, taten, arbeiteten. Aber es fehlte die Klarheit in den Aktionen, die Laufwege, aufeinander abgestimmtes Verhalten. Viel Kopf durch die Wand. Wenig, womit man Kinga Szemik im polnischen Tor wirklich prüfen konnte. Und dann, tief in der Nachspielzeit, fiel das Tor – aber nicht vorne zur Verlängerung, sondern hinten zur Entscheidung.

Ein Ballverlust bei einem Einwurf am eigenen Sechzehner, Pajor sagte Danke, das war’s. „Czas na nasza historię“, stand auf den polischen T-Shirts zum Erfolg, „Zeit für unsere Geschichte“. Jene bei der EM 2025 in der Schweiz wird ohne Österreich geschrieben werden.

Und jetzt? Ursachenforschung ist angesagt

Vor zwei Jahren haben die ÖFB-Frauen eine mögliche WM-Teilnahme in der ersten der zwei europäischen Playoff-Runden in Schottland versenkt. Aber 2022 war ein starkes Jahr – es gab überragende Matches gegen die Schweiz (3:0) und Rumänien (6:1), Siege gegen Nordirland in WM-Quali (3:1) und EM-Gruppenphase (2:0) und natürlich das geniale 1:0 im Spiel um den EM-Viertelfinaleinzug gegen Norwegen. Nach dem Horror von Hampden kam man zu einem verdienten Auswärtssieg in Italien.

Glasgow konnte man als Ausrutscher abtun, ohne die Chance, es im Rückspiel auszubügeln, weil es keines gab. Den Dämpfer von Danzig und die verpasste Wende von Wien nicht. Hier kulminierte viel Negativ-Entwicklung hinein.

Fortschritte im Ballbesitz?

„Wir wissen, dass wir es besser können, aber wir müssen es auch auf den Platz bringen“, hatte Fuhrmann vor dem Rückspiel gesagt. Aber: Wie oft in den letzten neun Monaten gelang das? Die erste halbe Stunde in Linz gegen Deutschland war richtig stark, das Heimspiel gegen Polen im Juli war solide und erwachsen. Aber die Spiele gegen Island waren ernüchternd (daheim) bzw. richtig schlecht (auswärts), in Deutschland war man naiv. Gegen Slowenien war viel Krampf dabei, der Gegner aber zu schwach, um es nützen.

Vor einem Jahr konstatierte man, in der Nations-League-Gruppe Fortschritte im Ballbesitz gemacht zu haben. Wo waren die hin? Die hohe Fehlpassquote im Aufbau zog sich wie ein roter Faden durch 2024, damit tat man sich schwer, konstruktiv ins Angriffsdrittel zu kommen.

In diesem Jahr gab es 18 Tore, davon resultierten vier aus Elfmetern, vier aus Standards und zwei aus schweren individuellen Schnitzern der Gegner, dazu bekam man ein Eigentor vom Gegner geschenkt. Es gab ein Weitschusstor, zwei aus Pressing-Ballgewinnen im Angriffsdrittel, einen Konter – und drei herausgespielte Treffer, wovon einer wahrscheinlich gar kein Tor war (das zwischenzeitliche 2:1 in Polen im Frühjahr, wo der Ball die Linie vermutlich nicht überquert hatte).

Nach großen Fortschritten im Ballbesitz sieht diese Bilanz ja eher nicht aus.

Formschwächen und Verletzungen – ja, eh

Vor einem Jahr schwammen viele Österreicherinnen auf einer Form-Welle, jetzt nicht. Eileen Campbell agiert als hängende Spitze im 4-4-1-1 von Freiburg in diesem Herbst bemüht, aber unglücklich und Annabel Schasching muss im Zentrum die Arbeit für drei Leute verrichten. Beim 1. FC Köln, nach zehn Spielen sieglos Vorletzter, ist Celina Degen zwar Kapitänin, aber oft verletzt. Laura Feiersinger schwimmt unauffällig im Mittelfeld-Zentrum mit, Billa kann sich nicht in Szene setzen. Essen regressiert mit Lilli Purtscheller nach der starken Vorsaison wieder zur Mitte, hat seit fünf Spielen kein Tor mehr erzielt. Dazu kommt die Kreuzband-Verletzung von Bayern-Linksverteidigerin Katharina Naschenweng, welche die Optionen auf den Flügeln ziemlich minimiert.

Bei Arsenal hat Manuela Zinsberger ihren Stammplatz an die niederländische Team-Keeperin Daphne van Domselaar verloren, für Laura Wienroither – die auch 18 Monate nach ihrem Kreuzbandriss nicht ganz sorgenfrei ist – wird es realistischerweise kaum noch einen Weg zurück ins Team geben. In Liverpool ist Marie Höbinger immer noch mit weitem Abstand die beste Torschuss-Vorbereiterin ihres Teams, allerdings mit einem weniger als halb so hohen xA-Wert als in ihrer überragenden letzten Saison. Sarah Puntigam war bei Houston in der NWSL Stammkraft, beendete die Saison (in der Orlando mit Altstar Marta und Stürmerin Barbra Banda das Finale gegen Washington 1:0 gewann) aber als Letzter.

„Jeder Trainer wünscht sich 23 Spielerinnen, die in ihren Klubs Leistungsträger sind und dabei alle top performen“, sagte Fuhrmann nach dem Rückspiel, „das ist derzeit nicht gegeben und das ist ein Puzzleteil von vielen.“

Generationswechsel gebremst, nichts ausprobiert

Der Nations-League-Herbst 2023 war der Praxistest für die Verjüngung, die nach der EM 2022 und dem WM-Playoff-Aus in Schottland eingeleitet wurde. Eileen Campbell hat sich etabliert und Nici Billa aus dem Team gespielt, Lilli Purtscheller machte das im Laufe des Herbstes mit Laura Feiersinger – im entscheidenden Spiel gegen Norwegen war die junge Tirolerin erstmals statt der routinierten Salzburgerin in der Startformation und spielte grandios.

Im Herbst 23 gab es mutige Personalentscheidungen von Fuhrmann. Celina Degen bekam nach einem Horror-Frühjahr mit wenig Spielpraxis in Köln das volle Vertrauen in der Innenverteidigung – und zahlte mit Leistung zurück. Fuhrmann stellte das System um, schob Höbinger von der Acht auf die Position der hängenden Spitze – das funktionierte prächtig, obwohl es eine ganz andere Rolle ist, als sie in im 5-3-2 von Liverpool spielt. „Dort bin ich mehr in die erste Phase des Spielaufbaus involviert, muss das gegnerische Pressing brechen“, erklärt Höbinger, „im Nationalteam steht in meiner Rolle viel mehr das Offensivspiel und die Kontersituationen im Vordergrund, und den Ball nach vorne zu tragen.“

2024 passierte diesbezüglich nichts mehr. Sarah Puntigam spielte ein mäßiges Frühjahr und einen wackeligen Herbst, aber Annabel Schasching – in Freiburg mit großer Verantwortung ausgestattet und sehr gereift – durfte in den zehn Pflichtspielen des Jahres nur zweimal eine zweite Halbzeit im Zentrum spielen, eine davon beim da schon längst kaputten Spiel in Deutschland. Bevor sie im Herbst in den vier Playoff-Matches als RV aushelfen musste, war Schasching niemals in einer Pflichtspiel-Startelf gestanden.

Fuhrmann vollzog nur noch personelle Wechsel, die ihr von äußeren Umständen aufgezwungen wurden. Nach dem Auswärts-3:0 in Slowenien hätte es es im Rückspiel Startelf-Chancen für andere gegeben. Aber „es wäre größte Gefahr zu glauben, mit dem 3:0 wäre eh alles erledigt. Dann kommen wir nicht weiter“, sagte Fuhrmann am Tag vorm Rückspiel.

Lust am Siegen wich der Furcht vorm Misserfolg

Mädl, Ojukwu, D’Angelo und Torhüterin El Sherif aus jenem U-20-Team, das zuvor ins WM-Achtelfinale gekommen war, standen bei den Slowenien-Matches im Aufgebot. Mädl war angeschlagen letztlich nicht matchfit, Ojukwu und D’Angelo schon – ihre Debüts bekam sie aber nicht. Es spielte die volle Einserpanier und die Verteidigerinnen Magerl und Croatto, die unter ihrem neuen Coach in Leipzig vermehrt Minuten bekommen (vor allem Magerl), wurden in der Schlussphase beim Stand von 2:0 eingewechselt. Es wirkte dieses Jahr zunehmend so, als würde Fuhrmanns Gespür für mutige Änderungen vom schieren Ergebnisdruck in die Schranken gewiesen.

Gegner wie Polen (alle sechs Gruppenspiele verloren!) oder Slowenien (letztes Jahr in die 3. Liga der Nations League abgestiegen!), wurden öffentlich unnötig starkgeredet. Es ist glaubhaft, gegen die großen Namen wie Frankreich oder Norwegen die Außenseiterrolle zu betonen und dann frech nach oben zu boxen. Es ist aber kleinmütig, bei Polen und Slowenien nicht zu sagen: Wir sind Österreich, waren 2017, 2022 und 2023 dreimal unter den Top-8 in Europa, es ist selbstverständlich unser Anspruch, unsere Autorität auf diese Kontrahenten auszuüben und wir zeigen denen, wer hier das Sagen hat, nämlich wir. Punkt.

„Ein 2:0 auswärts, das würde ich nehmen“, gab Barbara Dunst vor den Polen-Spielen ihre Ambition preis. Fuhrmann strich hingegen heraus, dass Polen einige Spielerinnen bei richtig guten Klubs hat.

The end of the line?

Die Pressekonferenz am Tag vor dem Polen-Rückspiel war inhaltlich insofern bemerkenswert, als Fuhrmann hier offen die Kritik in den Raum stellte, dass der ÖFB nicht genug getan habe, um das entscheidende Heimspiel zu promoten. Es waren dann nur 3.200 Leute da, darunter viele Polen, die sich auch bemerkbar machten. „Für mich hat sich’s angefühlt wie ein Heimspiel“, bestätigte Oliwia Woś. Vor allem aber war bemerkenswert, was man eher wahrnahm als hörte. Es waren Angriffe aus einer defensiven Position heraus. Körpersprache, Mimik, Wortwahl: Versuche, den Druck zu kanalisieren.

Irgendwie das Ding drüber nudeln, damit Luft verschaffen. Es ist das selbe Henne-Ei-Problem wie von ihr nach dem Match angesprochen: „Wir hatten Erfolg, daraus resultierten Investitionen. Da ist jetzt aber womöglich ein Moment, von dem aus wieder investiert werden muss, um wieder Erfolg zu haben. Von nichts kommt nichts.“ Manpower auch zwischen den Lehrgängen, etwa – die Co-Trainer Michael Zulehner und Michael Brownlow sind eigentlich von der SV Ried bzw. der Burschen-Akademie in St. Pölten.

Die Erfolge der letzten zehn Jahre ließen in Österreich eine gewisse Erwartungshaltung entstehen, die 2024 eindeutig nicht erfüllt wurde. Daraus erwächst auch die Kritik an Fuhrmann. Leise hochblubbernd nach den taktischen Fehlleistungen in Reykjavík und Hannover, unüberhörbar nach den Pleiten gegen Polen.

„Man will den Vergleich ja irgendwie gar nicht anstellen, aber im Männerfußball wäre die Konsequenz, dass der Teamchef mit diesem Leistungsnachweis gehen muss“, formulierte es Georg Sohler bei 90minuten. „Der Elefant im Raum ist die Frage nach der Zukunft von Irene Fuhrmann als Teamchefin“, Karoline Krause-Sandner im Kurier. „Eine EM-Qualifikation ist kein Selbstläufer, als elftbeste UEFA-Nation muss sie für Österreich allerdings der Anspruch sein. Ob Fuhrmann, seit Sommer 2020 im Amt, noch einmal für frischen Schwung sorgen kann?“, fragt Die Presse in Person von Senta Wintner.

Und auch prominente ehemalige Nationalspielerinnen stärken Fuhrmann nicht mehr den Rücken. „Man macht die Gegnerinnen stark. Man kann schon ein Spiel nicht gut spielen, aber das zieht sich über viele Partien“, so Austria-Sportchefin Lisa Makas bei 90minuten, „wir wissen ja, wie das Fußballgeschäft funktioniert. Da sitzt das Trainerteam immer am kürzesten Ast.“ Und Viktoria Schnaderbeck sagt im Standard-Interview bei Moritz Ettlinger: „Mir fehlt eine ganz klare Philosophie. Wer sind die Schlüsselspielerinnen und wer die Führungsspielerinnen? Wer übernimmt Verantwortung? Ich sehe derzeit nicht, wer in diese Rollen schlüpfen soll, wenn die erfahrenen Spielerinnen weg sind. Da braucht es vom Trainerteam eine klare Strategie und Leadership.“

Ob sie selbst bleiben möchte, konnte und/oder wollte Fuhrmann nach dem Aus gegen Polen nicht Sagen, „und es gibt ja auch noch einen Arbeitgeber, der da was zu sagen hat.“ Wie man die handelnden Personen beim Arbeitgeber in den letzten Jahren kennen und einschätzen gelernt hat, gilt wahrscheinlich: Wenn Irene geht, dann geht sie selbst – Sportchef Schöttel ist nicht der Typ, der Leute rausschmeißt. Fuhrmann wirkte nach dem Aus gegen Polen leer und die demonstrativen Lobeshymnen, die ihr der Vertreter vom ORF-Radio nach der PK am Rückweg durch die Mixed Zone umhängte, quittierte sie mit einem peinlich berührten Lächeln.

Die Zukunft steht vor der Tür

Viel Zeit vor den nächsten Spielen bleibt nicht, schon im Februar beginnt die neue Ausgabe der Nations League, Österreich bekommt es dort wieder mit Deutschland zu tun, dazu warten die Niederlande und Schottland. Es gilt, möglichst die Klasse zu halten, um in der Qualifikation für die WM 2025 in Brasilien nicht in eine schlechtere Ausgangslage zu rutschen.

Und von unten kommt durchaus was nach. Die erwähnte U-20, die bei der WM in Kolumbien im Achtelfinale war, sowieso. Die U-19 hat ihre EM-Quali-Vorrunde als Gruppensieger vor Serbien und Tschechien beendet und peilt ebenso eine Endrunden-Teilnahme an wie die U-17, die beinahe die große Sensation in Spanien geschafft hätte. Man presste und konterte Spanien aus, führte bereits 3:1 – einem 35-Meter-Heber von Valentina Pötzl inklusive – und kassierte in der Nachspielzeit noch das 3:3. „Das beste Ballbesitz-Team im europäischen Juniorinnen-Fußball hat gegen das beste Pressing-Team im europäischen Juniorinnen-Fußball gespielt“, sagte Trainer Patrick Haidbauer danach.

Katharina Moser ist bei der Austria mit ihren 16 Jahren schon mehr oder weniger Stammkraft auf der Sechs, vor der IV mit Kirchberger und Wenninger. Alessia Pamminger ist die Einser-Stürmerin bei Red-Bull-Kooperationsklub Bergheim. Österreich braucht jedes Jahr zumindest ein bis zwei junge Spielerinnen, die sich im Erwachsenenbereich durchsetzen, um die immer noch relativ dünne Personaldecke aufrecht erhalten zu können. Aktuell sieht es danach aus, dass das vorerst gelingen sollte.

Karten ziehen, bitte

Wie beim eingangs erwähnten Kartenspiel ist man aber auch hier gezwungen, da und dort mal ins Risiko zu gehen und eine Karte auszutauschen, die man eigentlich nicht tauschen will – obwohl das auf Sicht wahrscheinlich nötig ist. Man weiß nicht, ob jeder Move eine gute Idee ist. Der Vorteil vom Fußball gegenüber „Cabo“ ist: Hier kann man sich die Spielerinnen Woche für Woche ansehen, bei jedem Einsatz. Kann mit ihnen kommunizieren, mal da und mal dort einsetzen. Im Kartenspiel darf man hin und wieder einen Blick auf eine Karte werfen.

Der 2024 unterbrochene Umbau sieht nach dem Fehlschlag, der dieses Jahr darstellt, seiner Fortsetzung entgehen. Dafür ist Weitsicht nötig, ein genauer Plan, eine klare Strategie. Mit Geduld, aber auch mit unangenehmen Entscheidungen. Was man im Kartenspiel vom Deck zieht, ist pure Glückssache. Im Fußball ist viel mehr Einfluss möglich. Einen großen Vorteil hat „Cabo“ aber gegenüber dem Fußball:

Die Karten können sich nicht das Kreuzband reißen. Gute Besserung, Barbara Dunst.

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Der ÖFB und sein Team: Gut gemeint und doch auf die Nase gefallen https://ballverliebt.eu/2024/11/19/nations-league-ofb-slowenien-kasachstan-rangnick-mitterdorfer-gartner/ https://ballverliebt.eu/2024/11/19/nations-league-ofb-slowenien-kasachstan-rangnick-mitterdorfer-gartner/#respond Tue, 19 Nov 2024 15:13:01 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=20837 Der ÖFB und sein Team: Gut gemeint und doch auf die Nase gefallen weiterlesen ]]> Nein, nötig wäre das nicht gewesen. Ist es wirklich ein sportliches Drama? Naja. Österreich hat in den Schlussminuten des Heimspiels gegen Slowenien noch den Sieg hergeschenkt und mit dem 1:1 den Direktaufstieg in die A-Gruppe der Nations League verpasst. Verschmerzbar, es gibt ja eh noch das Aufstiegsplayoff, und selbst wenn man in der B-Gruppe bleiben sollte – eigentlich wurscht. Der erste Topf für die WM-Quali ist sich gerade noch ausgegangen, das ist sicher wichtiger.

Aber die beiden abschließenden Spiele der vierten Nations League sind aus österreichischer Sicht ein Spiegelbild des Krawalls im ÖFB, der eben nicht hinter den Kulissen stattfindet, sondern auf dem Altar der Öffentlichkeit.

Klare Parallelen

Das Team erledigte einen potenziell unangenehmen Job beim 2:0 in Kasachstan ohne Drama. Dann, in einem voller Erwartung ausverkauften Happel-Stadion, ist man gegen Slowenien voll auf Kurs, kommt aber vor der Ziellinie ins Straucheln und fällt auf die Nase, wird für seine Versäumnisse bestraft.

Im Präsidium war davor die von Präsident Klaus Mitterdorfer angestrebte Strukturreform durchgegangen, alles sah eigentlich fein und zukunftsträchtig aus: Ein CEO, dazu ein Abteilungsleiter Sport (Peter Schöttel) und ein Finanz-Chef, also die Neuhold-Rolle. Als mögliche Geschäftsführer kursierten zunächst der aktuelle Bundesliga-Vorstand Christian Ebenbauer – dem im Frühjahr potenziell unangenehme Verhandlungen zum neuen TV-Vertrag ins Haus stehen – und der international bestens vernetzte ehemalige Bundesliga-Vorstand Georg Pangl, nun auch die von Mitterdorfer vorgeschlagene ehemalige Postbus-Chefin Silvia Kaupa-Götzl.

Und dann zerbröselt die Stimmung in schlechter Kommunikation und den verbalen Giftpfeilen, die sich die Beteiligten über die Medien gegenseitig zuwerfen: Die Mannschaft für Neuhold. Gartner gegen Rangnick („Man muss aufpassen, wo er hingaloppiert“). Alaba gegen Gartner (der verletzte Kapitän bezichtigt NÖFV-Präsidenten, unterstützt von OÖ-Präsident Götschhofer, bezüglich der von Gartner verbreiteten angeblichen Streik-Drohung der Spieler nun offen der Lüge). Mitterdorfer kann nur noch versuchen, die Brände auszutreten.

Wir erleben die größten Chaos-Tage im ÖFB seit dem Winter 2001/02, als Beppo Mauhart irgendwie einen Präsidenten Frank Stronach verhindern wollte und gleichzeitig ein neuer Teamchef gesucht wurde

Das 2:0 in Kasachstan

Dabei hat ja allgemein gefallen, was die Repräsentanten des ÖFB in diesem Jahr auf dem Rasen gezeigt haben, ach ja, Fußball wurde ja auch gespielt. Dem EM-Katerfrühstück im September (nur 1:1 in Slowenien, 1:2-Niederlage in Oslo) folgte die schwungvolle Auferstehung im September (4:0 gegen Kasachstan, gar 5:1 gegen Norwegen). Die Rechnung war klar: Zwei Siege in den letzten zwei Spielen, und Österreich ist Gruppensieger.

Der Flug ist lang, das Wetter kalt, das Stadion nicht mal halbvoll und der Gegner kann unangenehm sein – aber Österreich war in Kasachstan von der ersten Minute an da. Wie schon beim souveränen 4:0 in Linz war das ÖFB-Team wieder wach im Pressing, man ließ die Kasachen kaum Zeit am Ball und wenn die Hausherren doch mal am österreichischen Strafraum waren – wie in der 10. Minute – wirkte das so „hui, wir sind im Angriffsdrittel, ähm…. was mach ma jetzt? Na, versuch du was! Was? Keine Ahnung…“

Der kasachische Block ließ sich relativ leicht mittels Überladungen ins Zentrum ziehen, wodurch Posch extrem viel Raum zum Aufrücken hatte, zudem waren die beiden Ketten alles andere als kompakt – der einrückende Romano Schmid machte sich dort immer wieder anspielbar. Das 1:0 nach einer Viertelstunde wurde genau über so einen Pass rechts neben den in die Mitte geschobenen kasachischen Block vorgetragen, vor dem 2:0 versprach Marotchkin der Ball, was ihn zu einer Notbremse zwang. Der Freistoß saß, Kasachstan war einer weniger, das Match entschieden.

Österreich blieb griffig und giftig und die Kasachen (dann im 4-4-1) rissen den Zwischenlinienraum noch weiter auf, das war ein richtiger Ozean. Das ÖFB-Team bearbeitete diesen nach Belieben hätte bis zur Halbzeit schon auf 5:0 stellen können und nach nach dem Seitenwechsel gab es zwei, drei gute Aktionen, die jedoch nicht mit einem Tor endeten. So ab der 60. Minute wurde immer noch vorne draufgegangen, im eigenen Aufbau von hinten entwich jedoch das Tempo und die Bereitschaft zu Risikopässen. Das Spiel schlief ein wenig ein und plätscherte dem Endstand von 2:0 entgegen.

Das 1:1 gegen Slowenien

Da sich Norwegen am Donnerstag in Slowenien durchgesetzt hatte, brauchte Österreich auch im abschließenden Heimspiel gegen die Slowenen einen Sieg für Platz eins in der Gruppe und den direkten Aufstieg. Die Gäste überließen erwartungsgemäß dem ÖFB-Team den Ball und störte die Eröffnung.

Das sah in der Praxis so aus, dass die Stürmer Šeško und Vipotnik das österreichische ZM in den Deckungsschatten stellte und Timi-Max Elšnik aus dem Mittelfeld aufrückend und die österreichische IV anlaufend einen Eröffnungspass provizierte. Das in den schwarzen Trikots zum 50. Jubiläum der Kooperation mit Puma spielende ÖFB-Team löste diese Situationen zwar gefahrlos auf, situativ kippte Seiwald dafür ab. Es gelang aber nicht, etwa durch den entstehenden Raum zwischen Gnezda-Čerin und Mlakar hindurch nach vorne zu kommen.

Österreich vermied Risikopässe und achtete darauf, möglichst nicht in billige Ballverluste zu laufen. Wie in Kasachstan verdichtete man im Zentrum, Slowenien gab aber längst nicht so bereitwillig die Außenbahnen her. Die beste Route zum Tor ergab sich für Österreich, wenn man Slowenien aufgerückt erwischte – wie eben beim 1:0 nach einer halben Stunde. Ein Konter gegen Slowenien im eigenen Stadion, wenn sich die Gelegenheit ergibt, muss man sie auch nützen.

Allerdings: Das Bemühen, sich in den Zwischenlinienraum zu arbeiten und dort durch zu kommen, zeitigte ebenso immer wieder Erfolg. In der 33. Minute, als es aber knapp abseits war. In der 35. Minute, als Oblak gegen Baumgartner parierte. Wie Sabitzer, der in der 61. Minute aus aussichtsreicher Position zum Abschluss kam. Wie in der 64. Minute, als Sabitzer verzog. Defensiv schaffet es Österreich gleichzeitig, Šeško nie Tempo aufnehmen zu lassen.

Es war sicher nicht jene ultimative Glanzleistung, als die es Rangnick nach dem Spiel am ORF-Mikro zu verkaufen versuchte (was auch sicher eher als Signal und nicht als Analyse zu werten war), aber eine professionelle und konzentrierte, seriöse Darbietung, der einzig das Tor zur Entscheidung gefehlt hat. Erst, als nach 70 Minuten die Intensität kräftebedingt nachließ, konnte sich Slowenien etwas mehr ins Spiel einbringen. Matjaž Kek brachte einen neuen Flügelspieler, Rangnick beließ die Startformation hingegen bis kurz vor Schluss auf dem Feld.

Ohne neue Impulse und vor allem ohne frische Beine war es Österreich nun kaum mehr möglich, offensive Akzente zu setzen. Es ging darum, zumindest das 1:0 über die Zeit zu bringen. Bis Österreich in der 81. Minute einmal das slowenische Anlaufen nicht gut auflöste, Pentz‘ Befreiungsschlag beim Gegner landete und via Karničnik der völlig freie Gnezda-Čerin bedient wurde, der zum 1:1 abdrückte. Der Sieg war verspielt, damit der Gruppensieg.

We seem to have a knack for miscommunication…

Norwegen gewann gegen Kasachstan 5:0 und staubte diesen ab. Ärgerlich aber nicht tragisch. Also wieder Vorhang auf für das Bühnenstück im ÖFB. Komische Oper? Schicksalsschwangere Tragödie? Oder gar eine Farce?

Mitterdorfer jedenfalls hat eben im Oktober die Strukturreform durchgebracht, das geht nicht ohne zerschlagenes Porzellan. Wenn die Fraktion der üblichen Verdächtigen im Präsidium beleidigt ist, soll das so sein, es gibt wahrlich Schlimmeres. Es sollte wohl keinen offensichtlichen Sieger im seit Jahren tobenden Machtkampf zwischen Generalsekretär Thomas Hollerer und Wirtschafts-Vorstand Bernhard Neuhold geben (zumal Neuhold eine Rolle beim Aus von Gerhard Milletich gespielt hatte), dann müssen halt beide gehen – vom Blick von außen: nachvollziehbar. Dass sich Trainerstab und Mannschaft dabei öffentlich für den als umgänglich und professionell geltenden Neuhold in den Kugelhagel warfen, war aus ihrer Sicht notwendig, entsprechend verständlich war die verschnupfte Reaktion auf dessen Ausbootung. Fünf seiner sechs Monate Kündigungsfrist sind noch übrig.

Dass davor über Monate die Kommunikation zwischen Mitterdorfer und Rangnick zusammengebrochen war bzw. sein soll, sickerte erst nach der entscheidenden Präsidiumssitzung am 18. Oktober durch. Ein Eigentor von Mitterdorfer: Bei der Präsidiumssitzung im August war Rangnick dabei und dort forderte er weitere Schritte in Richtung Professionalisierung des vor allem auf Entscheider-Ebene immer noch ziemlich kleinmütig aufgestellten ÖFB. Die Blockadehaltung vor allem von NÖFV-Präsident Johann Gartner, der diese gerne und oft öffentlich vertritt, kann Mitterdorfer nicht entgangen sein. Umso fahrlässiger, dass er den starken und öffentlich überaus beliebten Teamchef für seine Pläne nicht näher an sich band, sondern im Gegenteil durch (kolportierten) fehlenden Kontakt von sich weg schob.

…that stabbed us in the back this time.

Nun ist Mitterdorfer, der als Macher und Reformer in die ÖFB-Geschichte eingehen hätte können, in einer Lose-Lose-Situation: Er hat das Präsidium UND die Mannschaft verloren. Und ein Sicherheit vermittelndes Signal an die Angestellten der ÖFB-Geschäftsstelle – wo sehr viele „Team Neuhold“ waren und nur sehr wenige „Team Hollerer“ – war die Vorgehensweise eher auch nicht.

„Wenn ich in meiner Teamchef-Zeit zu Präsident Mauhart gesagt habe, ich brauche dieses oder jenes, konnte ich mich darauf verlassen, dass er sich darum kümmert“, sagte Herbert Prohaska im ORF, angesprochen auf die öffentlich beleuchteten Bruchlinien innerhalb des ÖFB. Nun verband Beppo Mauhart mit Prohaska eine Nibelungentreue, wie sie wohl kein ÖFB-Präsident jemals mit einem der 27 anderen Teamchefs hatte. Die Machtfülle von Mauhart und die Strukturen innerhalb des Verbandes waren in den 1990ern aber noch anders als das Standing von Klaus Mitterdorfer im heillos zerstrittenen ÖFB-Präsidium.

Is this the end of the line?

Eine mögliche vorzeitige Vertragsverlängerung von Rangnick über die WM-Kampagne für 2026 hinaus wurde intern, wie kolportiert, seit Monaten auf Eis gelegt. Der Teamchef selbst tat das in seiner PK-Rede vor dem Flug nach Kasachstan aber ohnehin als nicht besonders pressierendes Thema ab – wird das WM-Ticket verpasst, wäre er sowieso von sich aus weg. Übrigens: Rangnick ist schon jetzt der viertälteste Teamchef der ÖFB-Geschichte (nach Brückner, Baric und Happel).

Rangnick wird jedoch eine Verlängerung über 2026 hinaus, dieses Urteil lässt seine bisherige Vita zu, auch von der Art und Weise abhängig machen, wie sich das Umfeld im ÖFB in den kommenden anderthalb Jahren entwickelt. Auf einen unprofessionellen Jahrmarkt der Eitelkeiten hat er keine Lust und mit dem muss er sich jetzt schon seit zweieinhalb Jahren herumschlagen.

Fraglos schwebte das Damoklesschwert eines schnellen Rangnick-Abgangs über der Abstimmung über die Struktur-Reform am 18. Oktober. Die nötige Zustimmung mit Zwei-Drittel-Mehrheit (die einzige, mit der aus seiner Sicht nicht gegebenen Zuständigkeit des Präsidiums für so eine Reform begründeten Gegenstimme kam von Josef Geisler aus Tirol, der sich im TT-Interview aber als Unterstützer des Teams in der Causa Neuhold präsentierte; Salzburg und Oberösterreich enthielten sich) wohl auch deshalb zustande, weil niemand derjenige sein wollte, der von mit Mistgabeln bewaffneten Nationalteam-Fans für eine Rangnick-Flucht ans Kreuz genagelt wird.

Dass einige von ihnen 2017 im Zuge der Ruttensteiner- und Koller-Entsorgung sogar vom ORF als Dorftrottel an die Öffentlichkeit gezerrt und als Karrieristen mit bestenfalls beiläufigem Sinn für die tatsächlichen Interessen des heimischen Spitzenfußballs gebrandmarkt wurden, haben die Landespräsidenten nicht vergessen. Es hat ihnen nicht gefallen.

Hinzu kommt: Mehrheitlich handelt es sich um Langzeit-Präsidenten, die nicht mehr lange in ihrem Amt sein werden. Götschhofer und Bartosch (beide 66) sowie Lumper (62) sind in Oberösterreich, der Steiermark und Vorarlberg in ihren letzten Amtsperioden, sie gelten aber ohnehin als unverdächtig, was persönliches Machtstreben angeht. Salzburgs Ewig-Landeschef Herbert Hübel (66) hat sich vor zwei Monaten zurückgezogen, Geisler (69) hat seine letzte, bis 2028 laufende Amtszeit begonnen. Dieses Quintett wird die reduzierte Rolle der Landes-Chefs im ÖFB-Präsidium nicht mehr betreffen.

Sedlacek (69) hat sich dafür in Wien erst letztes Jahr in eine vierte Amtszeit wählen lassen und Gartner (73), im Jahr 2002 (!) erstmals NÖFV-Präsident, kann sich eine weitere Amtsperiode durchaus vorstellen.

Noch nicht lange amtieren Mitterdorfers Nachfolger in Kärnten, Jurist Martin Mutz (51), Salzburgs Übergangs-Chef Wolfgang Zingerle (65) sowie Georg Pangl (59) im Burgenland. Dieser macht keinen Hehl daraus, das Amt des ÖFB-Präsidenten anzustreben – aber nur hauptamtlich. Ob sich das bis zur nächsten Wahl in einem halben Jahr ausgeht? Zweifelhaft. So viel Reform auf einmal, und der ÖFB ist ein verkrustetes Schlachtschiff, kein agiles Startup.

Cos that would be a crime!

Wo bei alledem die Mannschaft selbst steht? Nun, sie steht vor Aufstiegsspielen für die A-Liga der Nations League (am 22. November wird einer aus dem Quartett Belgien, Serbien, Ungarn, Schottland zugelost) und vor einer WM-Qualifikation, die man als Team aus Topf 1 in Angriff nehmen wird.

Das heißt: Frankreich, Spanien, England, Deutschland, Portugal, Italien, Niederlande, Belgien, Kroatien, Dänemark und die Schweiz kommen als Gegner nicht in Frage. Die zwölf Gruppensieger fahren direkt zur WM nach Nordamerika, die Zweiten müssen in ein zweistufiges Playoff. Keine Frage: Die Voraussetzungen, sich erstmals seit 1998 für eine WM-Endrunde zu qualifizieren, sind so gut wie in den letzten sieben Turnieren vermutlich nie.

Bleibt nur zu hoffen, dass sich durch den verbandsinternen Wirbel nicht Umwälzungen ergeben, welche diesem Ziel Knüppel zwischen die Beide werfen.

Cos that would be a crime.

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3:0 und 2:1 über Slowenien, aber zufrieden ist niemand https://ballverliebt.eu/2024/10/30/osterreich-slowenien-frauen-puntigam/ https://ballverliebt.eu/2024/10/30/osterreich-slowenien-frauen-puntigam/#respond Wed, 30 Oct 2024 10:03:42 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=20783 3:0 und 2:1 über Slowenien, aber zufrieden ist niemand weiterlesen ]]> „Schee hostas eineg’schoben!“ Was auffällig war, als Manuela Zinsberger mit einem gewohnt lautstarken Zwischenruf die nebenan zu ihren beiden Elfmeter-Toren interviewte Sarah Puntigam sichtlich aus dem Redefluss riss? Es fiel auf, dass es überhaupt auffiel. Österreichs Frauen haben nach dem 3:0 in Koper ein 2:1 in Ried nachgelegt, Slowenien in der ersten der beiden EM-Playoff-Runden pflichtgemäß eliminiert. Mehr aber auch nicht. Es gab keinerlei feixende Jubelstimmung.

Auch nicht erleichtertes Aufatmen. Mehr ein professionelles Registrieren von Pflichtsiegen in Spielen, die beim Zusehen echt keinen Spaß gemacht haben und auch den Spielerinnen selbst nur bedingt Freude an ihrem Tun bereitet hat. „Wir haben uns das Leben auch selber schwer gemacht“, sprach Jubilarin Sarah Puntigam nach ihrem 150. Länderspiel die vielen Unsauberkeiten im Passspiel an. „Es ist schon eine Aufgabe, in solchen Spielen mental fokussiert zu bleiben“, bestätigte Marie Höbinger.

Martin Lang legte sich im Gespräch mit den Beteiligten voll ins Zeug, um in den O-Tönen für Ö3 positive Stimmung vermittelt zu bekommen – mehr als ein „Ja, aber“ bekam er einfach nicht zurück. „Ja, aber war auch Pflichtaufgabe“, sprach Sarah Zadrazil. „Ja, aber wir hätten noch mehr machen können und wenn wir gegen Polen nicht hundert Prozent da sind, werden die uns bestrafen“, kündigte Marie Höbinger an. Und Irene Fuhrmann war sogar ziemlich offensiv unzufrieden. „Ja, aber die vielen Ballverluste kann ich mir im Moment nicht erklären und das müssen wir definitiv besser machen, wenn wir gegen Polen bestehen wollen“, und ihr finsterer Blick untermauerte die Aussage der Teamchefin.

An selber Stelle, in Ried, redete man sich im Mai mantra-artig stark, nachdem es mit einer eher dünnen Leistung ein sogar etwas schmeichelhaftes 1:1 gegen Island gegeben hatte. Wir kriegen das schon hin auswärts in Island in ein paar Tagen, unter Druck sind wir gut, passt schon. Davon war diesmal überhaupt nichts zu spüren, die Erinnerung an den Reinfall von Reykjavík und die leeren Worthülsen von damals war lehrreich.

Das 3:0 im Hinspiel in Koper

„Wir erwarten Slowenien sehr aggressiv und mit viel Willen“, gab Marie Höbinger schon vor dem Hinspiel zu Protokoll und das war im ausgesprochen spärlich besetzten Stadion von Koper dann auch tatsächlich so. Allerdings in den Details nicht ganz in der Art und Weise, wie man das kommen gesehen hat. Die Österreicherinnen wurden eins-auf-eins angelaufen. „Da haben wir uns zu lange nicht angepasst“, war Sarah Puntigam danach selbstkritisch.

Im slowenischen 4-4-2 wurden damit nämlich zwar die Wege ins Zentrum für Österreich aufgemacht, diese Räume wurden aber kaum bespielt – und wenn, verdichteten dort Čonč und Korošec sehr rasch. „Das hätten Sarah und ich mehr mit spielerischen Mitteln lösen können, als wir es getan haben“, reflektierte Sarah Zadrazil ihre Rolle und die von Sarah Puntigam.

Österreich brachte die Positionierungen in der Absicherung nicht korrekt hin, Slowenien verzeichnete zahlreiche Ballgewinne. Nur wenn Österreich das Passtempo und die Passgenauigkeit über mehrere Stationen hinweg hochhalten konnte, zwang man Slowenien zum nachlaufen. Das gelang aber zu selten.

Wie überhaupt zu den vielen durch das slowenische Pressing erzwungenen Ballverlusten noch einige unerzwungene dazukamen, die durch die generelle Gemengelage im Spiel dann noch mehr auffielen. Da spielte mal Georgieva fast an der Mittellinie einen Fünf-Peter-Pass in slowenische Beine. Abschläge von Zinsberger kamen nicht oft gewinnbringend an und die zweiten Bälle waren zumeist Beute der Sloweninnen. Barbara Dunst auf der linken Seite, gewohnt umtriebig, aber bei ihr wechseln sich starke Tage internationaler Klasse auch mal mit solchen ab, wo die Entscheidungen am Ball nicht zur Situation passen und einfach nichts gelingen will. Das war so einer.

Nach einer Stunde geht’s dann schnell

Und dann macht sie in der 69. Minute doch das 1:0, die Baba, und es war ihr letzter Ballkontakt. Österreich hatte sich am Riemen gerissen, die Fehlpässe eingedämmt und Slowenien mehr rausgelockt und hatte erkannt, wie man das Zentrum bespielen muss. „Die Kadertiefe ist oft ein Thema gegen uns, wenn wir gegen stärkere Teams spielen“, hatte Fuhrmann schon im Vorfeld gesagt, „das sollte jetzt umgekehrt gegen Slowenien für uns sprechen“. Und das tat es.

Slowenien hat die personellen Möglichkeiten, eine patente erste Elf aufzubieten, aber wenn nach einer Stunde die Kräfte schwinden, gibt es keine gleichwertigen Alternativen, die von der Bank kommen können. Man hatte sich müdegelaufen, räumte Österreich zunehmend mehr Platz ein und das nützten die ÖFB-Frauen. Nach Dunsts 1:0 fielen innerhalb von ein paar Minuten das 2:0 (Elfmeter von Puntigam) und das 3:0, bei dem man via Campbell hinter die bis zur Mittellinie aufgerückte slowenische Kette lief und Purtscheller nur noch den Fuß hinhalten musste.

Nur das Resultat machte glücklich

Happy war man nur mit dem Ergebnis von 3:0. „Klar ist, dass es zu viele unerzwungene Fehler im Spiel mit dem Ball gab, durch die wir uns in die Bredouille gebracht haben und so einen aggressiven Gegner noch stärker gemacht haben“, brummte Irene Fuhrmann, „ich gehe davon aus, dass die mentale Komponente eine Rolle gespielt hat, weil wir uns auch selbst als Favoriten gesehen haben und da muss man dann auch liefern. In unserer Struktur gegen den Ball waren wir nicht schnell genug, nicht sauber genug und diese letzten Prozentpunkte von der Intensität her haben wir vermissen lassen.“

Einerseits. Andererseits waren auch andere als klare Favoriten eingeschätzte Teams in den Hinspielen dieser ersten Playoff-Runde nicht gut – Belgien spielte nur 0:0 in Griechenland, Finnland kam gegen Montenegro zu einem mageren 1:0. Wales, direkter Wiederaufsteiger in die A-Gruppe der Nations League, verlor sogar bei der Slowakei, die beinahe in die C-Gruppe abgestiegen wäre. „Und wenn ich das sehe, denk ich mir schon, Irene, da geht’s nur ums Ergebnis. Aber wir haben halt schon den Anspruch auch schönen Fußball zu spielen.“

Übrigens: Sie alle kamen noch weiter, Belgien und Finnland fuhren danach 5:0-Heimsiege ein, Wales brauchte gegen die Slowakei allerdings die Verlängerung.

Das 2:1 im Rückspiel in Ried

Mit einer personellen Änderung (Billa statt Campbell, die im Training Kreislaufprobleme hatte) ging Österreich ins Rückspiel, aber mit deutlich mehr inhaltlichen Änderungen. Zum einen wurde von Beginn an darauf geachtet, das Tempo hoch zu halten, mit frühen Vertikalpässen das slowenischen Pressing ins Leere laufen zu lassen und in die Schnittstellen der rasch hoch aufrückenden slowenischen Abwehr zu kommen. In den ersten zehn Minuten kam Österreich so zwei-, dreimal in den Rücken der Kette und hätte eigentlich zwingend in Führung gehen müssen.

Dazu wurden aus dem 4-4-1-1 gegen die slowenische Eröffnung ein 4-3-1-2 mit Zadrazil, die ganz weit hoch schob. Damit lähmte man Slowenien: Die beiden Sechser im 4-4-2 waren im Deckungsschatten und die Außenverteidigerinnen schoben so hoch, dass sie sich selbst aus dem Spiel nahmen. „Das haben wir so gemacht, weil Sarah [Puntigam] und ich im Zentrum heute komplett zugedeckt waren“, erklärte Sarah Zadrazil die Maßnahme, „und so konnten wir gut einige Male hinter die Kette kommen“. War also in der Form gar nicht explizit geplant? Zum Teil, so die Bayern-Legionärin: „Bei langem Ball wollen wir eine Staffelung haben, damit wir gut für die zweiten Bälle positioniert sind. Dann hat es sich einfach oft ergeben, dass ich durchlaufe, weil eben Slowenien sehr hoch gestanden ist.“

Schnell vermittelte Slowenien den Eindruck, ein nach dem Hinspiel gebrochenes Team zu sein, dass dieses Rückspiel halt über sich ergehen lässt. Vor lauter hinterherlaufen kam man nicht zum Anlaufen der österreichischen Ballführenden. Nach einer Viertelstunde aber schaltete Österreich mehrere Gänge zurück. Zadrazil: „Ich find’s okay, dass man sagt: Jetzt auch mal ein bissi mehr Kontrolle und nicht nur lange Bälle, weil und das einfach mehr Spielkontrolle gibt.“

Zadrazil zog sich also weiter zurück, bei Ballgewinnen wurde eher gesichert als umgeschaltet, vor allem nachdem Slowenien doch ein paarmal effektvoll scharf hoch angelaufen war. Aus der Partie entwich jegliches Tempo, nachdem auch Lana Golob zweimal länger behandelt und dann auch ausgewechselt werden musste. „Diese vielen Unterbrechungen haben uns sicher ein wenig aus dem Rhythmus gebracht“, meinte Kapitänin Sarah Puntigam nach ihrem 150. Länderspiel.

Die unbedrängten Fehlpässe wurden in diese Phase nicht nur mehr, sondern überstiegen gefühlt die Quote aus dem Hinspiel noch. Es wurde ein ziemlich fahriger Kick, der niemanden der immerhin 2.600 Zuseher in irgend einer Weise unterhielt oder gar von den Sitzen riss. Zwischen der 17. Minute und dem Ende der ersten Halbzeit gab es keinen nennenswerten österreichischen Torschuss, Slowenien wirkte gefährlicher.

Billa mit Problemen, Vorteile in Hälfte zwei

Neben vielen anderen Aspekten hat Österreich hier auch Eileen Campbell gefehlt. Es tat schon fast weh, Nici Billa zuzusehen, wie eine Halbzeit lang das Spiel an ihr vorbeizieht. Es ist über ein Jahr her, dass sie zuletzt von Beginn an in einem Pflichtspiel am Feld war und zwei Jahre, dass sie zuletzt im Nationalteam getroffen hat und sie wirkte wie ein Fremdkörper. Die Laufwege passten nicht, ihre Passrouten passten nicht, sie war kaum involviert. Als sich Golob und Meršnik gegenseitig behinderten und Billa frei durch war, passte der Winkel nicht, der Angriff versandete. Für die zweite Halbzeit wurde Billa ausgewechselt.

„Wir brauchen alle“, ließ Sarah Puntigam, ganz Kapitänin, aber nichts über ihre Teamkollegin kommen, die auch nach ihrem Wechsel von Hoffenheim nach Köln nicht wirklich in Schwung gekommen ist, „es ist unsere Aufgabe als Team, auch diejenigen zu unterstützen, bei denen es vielleicht nicht so gut läuft.“

Für die zweite Halbzeit jedenfalls spielte Viktoria Pinther statt ihr und Julia Hickelsberger am Flügel statt Dunst, Österreich hielt hinten vermehrt den Ball, lockte Slowenien heraus und brachte dann den langen Ball in Richtung der schnellen Außenspielerinnen Hickelsberger und Purtscheller; im Zentrum werden Pressing-Situationen vermehrt mit Dribblings aufgelöst. Österreich bekam damit wieder vermehrt Zugriff, nach einer Stunde rempelte SKN-Routinier Mateja Zver im Strafraum die flinke Lilli Purtscheller um, Elfmeter, Puntigam zum 1:0. Zwölf Minuten später räumte die auf der Linie starke, aber bei Flanken arg unsichere Torhüterin Meršnik komplett sinnlos Hickelsberger ab, wieder Elfmeter, wieder Puntigam zum 2:0.

Slowenien hatte längst nicht mehr die körperlichen Mittel, um dagegen zu halten, die spielerischen sowieso nicht, Konter wurden schlecht ausgespielt. Ein Elfmeter in der Nachspielzeit (war’s wirklich einer? Naja.) ermöglichte Frankfurt-Legionärin Prašnikar noch den Ehrentreffer. Im Grunde – wurscht. Trainer Kolman, der verletzungsbedingt auf Italien-Legionärinnen Eržen und Kramžar verzichten musste, gab sich dennoch zufrieden und sah die beiden Matches als „Beweis, dass wir zumindest über weite Phasen in einem Spiel mit echt guten Teams mithalten können.“ Ja, eh. Bis nach einer Stunde halt gewechselt werden muss.

Die Jubilarin und ihre frustrierende Saison

Als erste Österreicherin erreichte Sarah Puntigam in Ried die Marke von 150 Länderspiel-Einsätzen. „Ich freue mich jedes Mal, wenn ich zum Team reise, aber auch, wenn ich bei meinem Klub in Houston bin“, strahlt die Steirerin – menschlich passt es da wie dort. Sportlich war 2024 aber nicht herausragend. In der harzigen EM-Quali im Frühjahr war auch sie nicht immer in Top-Form und die demnächst beendete Saison bei Houston Dash war ein Desaster, der Playoff-Zug war für Houston schon früh abgefahren und entsprechend ist man mit einem Zuschauer-Schnitt von 6.000 auch in dieser Wertung Liga-Schlusslicht.

Ein Spiel vor Ende der Regular Season ist Houston Letzter, vor allem Spielgestaltung und Torabschluss waren die Schwachpunkte, dazu kam jede Menge Unruhe im Umfeld. Der im Winter installierte Trainer Fran Alonso geriet früh in die sportliche Kritik, Ende Juni fuhr er mal „aus gesundheitlichen Gründen“, wie es hieß, nicht zu einem Auswärtsspiel mit. Er kam nie wieder, was genau los war, erfuhren auch die Spielerinnen nie. Zwei Tage vor Ende der Transferzeit wurde dann noch Managerin Alex Singer entlassen. „Ein ganz unglücklicher Zeitpunkt“, stöhnt Puntigam.

Erst vor vier Wochen wurde die Trennung von Alonso offiziell, das Jahr für Houston war ein chaotischer Clusterfuck. Im April gab es einige vielversprechende Neuverpflichtungen, die in der Unruhe kaum Impact hatten. „Ich und einige andere Stammkräfte haben uns aber zum Verein committed, unsere Verträge verlängert“, so Puntigam, deren neues Arbeitspapier bis Ende 2026 läuft. „So lange bin ich also auf jeden Fall noch aktiv. Und ein halbes Jahr später wäre eine WM“, äugt die kürzlich 32 Jahre alt gewordene Kapitänin auf die Endrunde in Brasilien.

Als sie beim Algarve Cup 2009 erstmals für Österreich spielte, bei einem 2:1 über Wales, war die Frauenfußball-Welt noch eine ganz andere. Punti war damals mit einem ganzen Schwung weiterer junger Spielerinnen – Kristler, Entner, Rappold und Walzl – erstmals dabei und hatte als 16-Jährige schon mit eineinhalb Jahren Bundesliga in den Beinen. Die Partien an der Algarve waren die ersten Testspiele überhaupt nach über sechs Jahren, in dieser Zeit hatte das Team ausschließlich EM- und WM-Qualispiele ausgetragen, also vier bis fünf Spiele im Jahr.

15 Jahre, 150 Länderspiele, ein EM-Semifinale und ein EM-Viertelfinale später, nach Stationen in der Schweiz (Kriens), Deutschland (Bayern, Freiburg, Köln) und Frankreich (Montpellier), lebt Puntigam – seit 2022 mit ihrer Genessee verheiratet – in einer Frauenfußball-Welt, die sich dramatisch verändert hat. Professioneller, athletischer, schneller. Leistungssportlerin eben, sieben Mal im Jahr von Texas nach Österreich und wieder zurück. Und doch: Volle Bodenhaftung.

Wer erlebt hat, wie es damals war, bleibt davon geprägt.

Kader Österreich beim Algarve Cup 2009: Tor: Anna-Carina Kristler (20 Jahre, FC St. Veit, 0 Länderspiele/0 Tore), Birgit Leitner (27, Bayern/GER, 22/0), Jasmin Pfeiler (24, Neulengbach, 0/0). Abwehr: Kathrin Entner (20, Neulengbach, 0/0), Susanna Gahleitner (24, Ardagger, 8/0), Marlies Hanschitz (22, Innsbruck, 12/2), Susi Höller (19, Sindelfingen/GER 2, 3/0), Kathrin Höllmüller (22, Ardagger, 6/0), Mariella Rappold (21, LUV Graz, 0/0), Carina Wenninger (18, Bayern II/GER 3, 6/0). Mittelteld: Doris Adamovics (22, Innsbruck, 2/0), Nina Aigner (28, Bayern, 34/6), Isabella Berger (19, Landhaus, 4/0), Sarah Puntigam (16, LUV Graz, 0/0), Viktoria Schnaderbeck (18, Bayern II/GER 3, 3/0), Lisi Tieber (18, Landhaus, 3/1). Angriff: Nina Burger (21, Neulengbach, 15/8), Marion Gröbner (23, Landhaus, 12/0), Katrin Walzl (21, Landhaus, 0/0). Teamchef Ernst Weber (60).

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Die Aktivität ist zurück: Österreich siegt 4:0 und 5:1 https://ballverliebt.eu/2024/10/18/osterreich-norwegen-kasachstan-nations-league/ https://ballverliebt.eu/2024/10/18/osterreich-norwegen-kasachstan-nations-league/#comments Fri, 18 Oct 2024 21:27:52 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=20738 Die Aktivität ist zurück: Österreich siegt 4:0 und 5:1 weiterlesen ]]> „Wenn man so gar nichts von seinen Stärken zeigt, obwohl alle Gelegenheiten dafür da gewesen wären, ist das nicht gut.“ Die ersten beiden, sehr schaumgebremsten und auch vom Resultat her unbefriedigenden Länderspielen nach der EM, hinterließen etwas Ratlosigkeit: Negativer Ausreißer oder doch mehr?

Das 4:0 gegen Kasachstan und das 5:1 gegen Norwegen – und hierbei vor allem die Art und Weise des Auftritts, nicht nur die nackten Zahlen – stellten nun klar: Die Enttäuschungen vom September zeigten nicht das neue, blutleere Gesicht des EM-Achtelfinalisten. Sie bleiben aber das Mahnmal dafür, wie das ÖFB-Team aussieht, wenn die geistige Bereitschaft für das aufwändige Spiel nicht zu hundert Prozent gegeben ist.

Das 4:0 gegen Kasachstan

Der Wille, den gehemmten Eindruck vom September zu revidieren, war schon in den ersten Minuten des Matches gegen Kasachstan zu erkennen. Die Probleme, sich gegen tief stehende Gegner durchzukombinieren, sind bekannt – nicht zuletzt ganz frappant zu sehen gewesen im EM-Achtelfinale gegen die Türkei – und das ÖFB-Team hatte sich einen Plan zurechtgelegt, wie es sich gar nicht erst auf endlos-brotlose Ballstaffetten einlassen muss.

„Der beste Spielmacher war das Gegenpressing“, sagte Teamchef Ralf Rangnick nach dem Spiel und das war auch genau so gemeint. Österreich schlug immer wieder die Bälle vor das kasachische Tor bzw. in die grobe Richtung der Sturmspitzen. Gar nicht so sehr, um die Pässe direkt an den Mann zu bringen, sondern vor allem, um den Bällen nachzupressen und sie sofort zu erobern, weil die technisch recht limitierten kasachischen Verteidiger wenig damit anzufangen wussten und auch sofort ein Schwarm von Österreichern über sie herfiel.

Zudem gab man mit diesen Bällen dem unsicheren Torhüter Igor Shatsky die Möglichkeit, Fehler zu machen und Österreich holte auf diese Weise auch einen Eckball nach dem anderen heraus – alleine in der ersten Halbzeit waren es acht, am Ende des Spiels hieß die Eckenbilanz 14:3 für die Hausherren.

Es waren vielleicht nicht explizit absichtliche Ballverluste, um das Gegenpressing auszulösen, aber es ging schon deutlich in diese Richtung.

Leistung für die innere Hygiene

Das 1:0 durch Baumgartner fiel justament aus einer jener Situationen, in denen Kasachstan den Ball hinten gegen das scharfe österreichische Pressing nicht schnell genug und schon gar nicht kontrolliert nach vorne gebracht hat und den Gästen kam es überhaupt nicht gelegen, dass man eben nicht in Ruhe den Strafraum verbarrikadieren konnte. Kasachstan kam nie wirklich in die von Stanislav Tcherchessov gewünschte und etwa beim 0:0 gegen Norwegen und danach auch beim knappen 0:1 gegen Slowenien in anständiger Qualität gezeigte, eigene Spielweise.

Nach der Pause fielen auch die Tore, um innerhalb kürzester Zeit mit dem 2:0 und dem 3:0 alles klar zu machen, am Ende hieß es 4:0 und das war natürlich auch in der Höhe absolut korrekt. Dass man gegen Kasachstan gewinnen würde (und das auch muss), stand nie ernsthaft zur Debatte, es ging aber in der Tat mehr um das „Wie“ als um das „Was“. Gelingt es, wieder ein willigeres, aktiveres Gesicht zu zeigen als im September?

Die klare Antwort war „Ja!“ und damit versicherte man sich auch selbst, dass es kein grundsätzliches Problem war vor allem beim Spiel in Oslo, sondern eine mentale Blockade, entstanden aus den psychischen Nachwirkungen des zu frühen EM-Aus und den spezifischen Umständen des Spiels (Norwegens lange Bälle, die man nicht verteidigt bekam und das Doppelmühle-Spiel, das Sørloth und Ødegård mit Prass veranstalteten).

Das 5:1 gegen Norwegen

Der klare Sieg gegen Kasachstan war schön, aber es wurde auch deutlich, dass dieses Team das eindeutig schwächste der Gruppe ist. Wie soll man also gegen Norwegen jene Problemfelder umgehen, die in Oslo so schlagend wurden – sprich: Wie kann Österreich das eigene Spiel aufziehen, ohne Norwegen wieder ins offene Messer zu laufen?

Einer der größten Faktoren waren die Pressingauslöser. Es wurden die norwegischen Innenverteidiger vor allem dann mit Macht angelaufen, wenn sie mit dem Rücken zum Spielgeschehen standen – also nicht unmittelbar die Gefahr eines langen norwegischen Passes bestand. Wenn die Gäste es schafften, diese erste Welle zu überspielen – wie in der 6. Minute – hatten sie im Zentrum sofort Platz, was gleich mit einem Pfostenschuss von Håland bestraft wurde.

Oder – wenn doch ein langer Ball in Richtung des österreichischen Sechserraumes geflogen kam – verdichtete Österreich so rasch in dieser Zone, dass Norwegen eben nicht ungehindert die zweiten Bälle aufsammeln konnten. Dazu ging das ÖFB-Team wiederum früh durch Arnautovic in Führung, Baumgartner hatte ausnahmsweise zu viel Platz im norwegischen Zwischenlinienraum gehabt, konnte quasi ungehindert vor das Tor, ähnlich wie schon beim 1:0 gegen Kasachstan.

Österreich war danach sehr bemüht, die Kontrolle über das Spiel zu etablieren, indem Ballbesitzphasen ausgedehnt wurden – auch gegen das Anlaufen der Norweger. Im Zweifel mal ein Rückpass, jeder Ballführende hatte immer eine Exit-Option. Zwischen der 20. und der 25. Minute gab es eine Phase von 41 Pässen, nur von einem norwegischen Befreiungsschlag unterbrochen, die in einem Torschuss von Baumgartner mündete. Es folgte eine weitere Ballbesitzphase mit 27 Pässen. Zwischen 21:15 und 25:15 Minuten Spielzeit gab es nur drei norwegische Ballkontakte: der erwähnte Befreiungsschlag sowie danach Torhüter Nyland und Pedersen, der den Ball dann wegdrosch.

Norwegen mit untauglichen Mitteln

Norwegen machte den Zwischenlinienraum zu und verdichtete dort extrem, wenn Österreich da rein wollte. Da macht die Gestaltung zäh und zwang Österreich auf die Flügel – mit der Führung im Rücken hatte das ÖFB-Team aber keine Veranlassung, das mit aller Macht verhindern zu wollen. Zudem hatte Norwegen versucht, durch ein Hochschieben von Thorsby die österreichische Eröffnung zu behindern. Aber weil sich Seiwald (gegebenenfalls auch Laimer) zurückfallen ließ und Österreich so aus einer Dreierkette eröffnete, hatte das für Norwegen nicht den erhofften Effekt.

Der aus einem Freistoß resultierende 1:1-Ausgleich kurz vor der Pause – Pentz war auf der Linie geklebt – kam aus dem Nichts, sollte sich aber dank des reichlich ungeschickten Elfmeter-Fouls von Hanche-Olsen wenige Sekunden Beginn der zweiten Halbzeit nicht als nachhaltige Spaßbremse erweisen. Damit war Norwegen wieder gezwungen, selbst mehr zu tun, nun fiel das Fehlen von Martin Ødegaard so richtig ins Gewicht: Das Mittelfeld-Zentrum war kreativ tot, Linksaußen Nusa war vor der Pause kaum involviert und nach einer Stunde ausgewechselt; der wuchtige Ryerson hatte mit dem wuseligen Mwene große Probleme und Håland hing wie Sørloth in der Luft.

Österreich hingegen ging weiter drauf. Posch bedrängte nach einer Stunde Møller-Wolfe an der norwegischen Torlinie so sehr, dass letzterer einen Eckball hergab – der landete zum 3:1 im Netz. Wenig später behauptete der sehr fleißige Arnautovic, wie schon zuvor in vielen Situationen, von drei Norwegern bedrängt im Zehnerraum den Ball, erlaubte den Mitspielern das Aufrücken und er bediente Sabitzer, der schließlich das 4:1 assistierte.

Norwegen wusste nicht so recht, ob man das Ergebnis aufzuhübschen trachten sollte oder doch das 1:4 verwalten, und schon fing man sich aus einem Konter das 1:5. Vor allem Flanken aus dem Halbfeld auf die zweite Stange erwiesen sich als für Norwegen kaum zu verteidigen.

Wenn alles passt, ist es immer noch gut

Die norwegischen Medien übergossen ihr Team mit einer Lawine der Kritik. Knut Espen Svegaarden etwa, Beatwriter des norwegischen Teams für die größte Boulevard-Zeitung VG, sprach gar von der „katastrophalsten, peinlichsten Halbzeit Norwegens in meinen 40 Jahren als Sportjournalist“. Besonders bitter, weil Norwegen ja vor gerade mal einem Monat in Oslo auf Augenhöhe mit Österreich agiert habe und sogar gewonnen hat.

Aber war das da wirklich so? „Das sind wir“, betonte Marko Arnautovic nach dem 5:1 von Linz ins ORF-Mikro. Das in Oslo im September, das war nur ein Schatten des österreichischen Teams. Norwegen sah damals auf Augenhöhe aus, weil Österreich wirklich schlecht war, vermutlich das schlechteste Spiel der bisherigen Amtszeit von Ralf Rangnick abgeliefert hat. Das von Linz, das ist der tatsächliche Leistungsunterschied. Vielleicht nicht vier Tore, das war auch situationsabhängig. Aber spielt Österreich, was Österreich kann, kann Norwegen nicht mal hinschnuppern.

Die Art und Weise, wie Österreich diese beiden Spiele absolviert hat ist beruhigend. Die Ergebnisse sowieso. Aber, auch wenn ein 4:0 und ein 5:1 natürlich ein super Statement sind – hier ging es um das Selbstverständnis und um die Erkenntnis: Wenn die passende Strategie ordentlich umgesetzt wird, ist Österreich zu stark für die Gegner im B-Zug der Nations League. Wenn es aber nicht passt – der Gegner einen am falschen Fuß erwischt, das unglückliche EM-Aus noch im Hinterkopf ist, kein Druck ausgeübt wird – geht es eben auch gegen die Truppen aus dem B-Zug der Nations League schief.

Österreich hat den Gruppensieg nun in der eigenen Hand, Siege in Astana sowie in Wien gegen Slowenien reichen fix zum direkten Wiederaufstieg in die A-Gruppe. Spielt man so wie in den beiden Oktober-Matches, gelingt das. Spielt man so wie im September, eher nicht.

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Jürgen Klopp bei Red Bull, Österreich in der Nations League https://ballverliebt.eu/2024/10/09/juergen-klopp-bei-red-bull-oesterreich-in-der-nations-league/ https://ballverliebt.eu/2024/10/09/juergen-klopp-bei-red-bull-oesterreich-in-der-nations-league/#respond Wed, 09 Oct 2024 20:27:39 +0000 Jürgen Klopp ist ab Jänner 2025 bei Red Bull als neuer globaler Sportdirektor. Was ist davon zu halten? Und was erwarten wir uns von Österreich in der Nations League? Tom und Philipp diskutieren und urteilen.

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Abenteuer Kolumbien: Österreich bei der U-20-WM https://ballverliebt.eu/2024/09/20/osterreich-u20-wm-kolumbien-frauen-2024/ https://ballverliebt.eu/2024/09/20/osterreich-u20-wm-kolumbien-frauen-2024/#respond Fri, 20 Sep 2024 14:32:28 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=20188 Abenteuer Kolumbien: Österreich bei der U-20-WM weiterlesen ]]> Der Zug, der Zug, der Zug hat keine Bremsen? Naja, irgendwann ist man nach einigen Party-Polonaisen durch die Katakomben mit dem Mallorca-Hit aus der Boombox doch auf eine Truppe geprallt, die besser war. Nicht nur ein bisschen, die U-20-Mädels waren in ihrem WM-Achtelfinale gegen den späteren Weltmeister Nordkorea schon einigermaßen mittellos, vor allem in Unterzahl und Rückstand. Nur: Wir reden hier von einem WM-Achtelfinale. Noch nie hatte ein österreichisches Frauen-Team überhaupt bei einer WM spielen können.

Als U-17 haben sie ihre komplette EM samt Qualifikation an Corona verloren. Als U-19 dann: Siege gegen England, Deutschland, Italien, den späteren WM-Halbfinalisten Niederlande. Und als U-20 gab es das 6:0 im Playoff gegen Island sowie Erfolge gegen Ghana und Neuseeland bei der WM selbst.

They’ve come a long way. Wie viele von ihnen den nächsten Schritt schaffen werden?

Rückblende

8. Oktober 2020, ein Donnerstag: Österreichs Männer gewinnen einen Test gegen Griechenland 2:1, die Corona-Kommission erhöht die Zahl der auf der Corona-Ampel auf orange gestellten Bezirke auf 33 – und die 2004er, der neue U-17-Jahrgang der ÖFB-Frauen, absolvieren ihr erstes Spiel. Ein Test in Au in der Schweiz, kaum mehr als einen Kilometer von Lustenau entfernt gleich hinter der Grenze, 1:2 verloren. Coronabedingt sollte es das einzige offizielle Match dieses Teams bleiben.

12. September 2024, wieder ein Donnerstag: Österreich rüstet sich in der Aussicht auf anhaltenden Starkregen für das zu befürchtende Hochwasser, Formel-1-Designer Adrian Newey macht seinen Wechsel zu Aston Martin offiziell. Und die 2004er, mittlerweile der U-20-Jahrgang der ÖFB-Frauen, spielen nicht in der Vorarlberger Nachbarschaft, sondern am anderen Ende der Welt, in Kolumbien. Es ist das WM-Achtelfinale, es geht gegen Nordkorea verloren.

Wobei, was heißt „2004er“? Nur neun der 21 Spielerinnen im Kader sind tatsächlich im Jahr 2004 geboren. Bei sieben von ihnen steht 2005 auf der Geburtsurkunde, bei vier 2006 und bei Greta Spinn sogar 2007. Als die Burschen damals in Kanada ins WM-Halbfinale gekommen sind, lag die fünf Monate alte Greta in einem Bettchen in Steinach am Brenner und hatte noch keine Ahnung davon, was ein Fußball überhaupt ist. „Wir können nicht mit Spielerinnen aus einem Geburtsjahrgang ein ganzes, auf diesem Niveau konkurrenzfähiges Team aufstellen. Dafür fehlt einfach die Breite“, erklärt Teamchef Markus Hackl – Irene Fuhrmanns Co-Trainer hat das Team im Sommer kurzfristig übernommen.

2:1 gegen Ghana

Die Höhenlage war ein Thema, der Jet-Lag auch, ebenso wie das für Verdauungsprobleme sorgende kolumbianische Wasser – dagegen konnte auch der mitgebrachte Koch Roland Trappmeier nichts ausrichten. Es gab ein 1:0 in einem Test gegen Venezuela, ebenfalls WM-Teilnehmer, danach war man ob der 2.500 Meter Seehöhe schon einigermaßen kaputt. „Es war wichtig, eine ganze Woche vor dem ersten Spiel vor Ort zu sein, um uns zu akklimatisieren“, so Hackl, „aber es ist klar: Da kannst nicht 90 Minuten lang marschieren. Du musst dir im Spiel deine Ruhepausen nehmen.“

Auftaktgegner war Ghana, unterfordert qualifiziert gegen Guinea-Bissau, Eswatini und Senegal und dem ÖFB stand kaum brauchbares Video-Material zur Verfügung, um wirklich zu wissen, was auf einen zukommt. Auf dem Feld in Bogotá stand dann zunächst ein Gegner, der Abstand hielt, Räume hergab und vom gut strukturierten Angriffs- und Gegenpressing der jungen Österreicherinnen komplett überfordert war. Nach einer halben Stunde führte Österreich 1:0 durch Hannah Fankhauser, es hätte auch schon 3:0 stehen können.

Dann verstand Ghana, dass man Österreich einschüchtern kann, wenn man körperlich reingeht, und das tat Ghana dann auch – durchaus fies zuweilen. Die ÖFB-Juniorinnen stellten Versuche, hinten rauszuspielen, komplett ein, bekamen aber keine Ruhe und keine Kontrolle mehr in das Spiel, Mariella El Sherif musste mehrmals eingreifen. Nach 70 Minuten verwertete Nicole Ojukwu einen Elfmeter zum 2:0, es blieb aber eine Zitterei. Von Zehnerin Stella Nyamekye angetrieben, drängte Ghana, kam in der Nachspielzeit noch zum Anschlusstreffer, aber Österreich brachte den knappen Sieg drüber.

Ghanas Trainer Yusif Barsigi stöhnte danach, man habe die erste halbe Stunde verschlafen und dann die Chancen für einen verdienten Punkt nicht genützt, und man kann ihm nicht widersprechen. In Österreich war dafür die Erleichterung groß, weil man wusste: Jetzt kann mit dem erklärten Ziel Achtelfinale eigentlich nicht mehr viel schief gehen.

Wie ein Vereinsteam

Schon unter Hackls Vorgänger Hannes Spilka, der im Juli nach offenkundig gravierenden internen Vorkommnissen vom Posten entfernt worden war, war die Spielweise des Teams sehr österreichisch gewesen. Das heißt: Scharfes Angriffspressing, durchdachte Struktur hinter der ersten Welle, über Jahre hinweg eingedrillt. Wie Rangnicks Herren bei der EM spielen auch die ÖFB-Juniorinnen praktisch wie ein Vereinsteam, weil man in der Akademie in St. Pölten über Jahre hinweg täglich miteinander trainiert.

Im allerersten Testspiel als U-19 hat dieses Team auswärts in England gewonnen. Zugegeben, von diesem englischen Jahrgang haben es seither nur drei zu regelmäßigen WSL-Einsätzen gebracht (Man-City-Torhüterin Keating, Liverpool-Talent Parry und Layzell, die mit Bristol abgestiegen ist) und von den dreien war nur Layzell hier mit dabei, es entpuppte sich also nicht gerade als Super-Jahrgang und die jungen Lionesses scheiterten dann in der EM-Quali auch deutlich gegen Spanien. Aber ein Sieg in England ist ein Sieg in England.

Das Überstehen der ersten Quali-Phase ist für Österreich stets eine Formsache, in der Eliterunde braucht es für das EM-Ticket aber den Gruppensieg. Nach lockeren Siegen gegen Bosnien und Griechenland brauchte es gegen Italien, Gruppenkopf und Gastgeber des Mini-Turniers, zumindest einen Punkt. Nach knapp einer Stunde rammte Ojukwu einen 35-Meter-Schuss zum 1:0 ins Tor, in der 80. Minute machte Aistleitner den Deckel drauf, Italien schaffte nur noch den Anschlusstreffer – genau wie Ghana beim WM-Auftakt anderthalb Jahre später.

3:1 gegen Neuseeland

Die Ferns hatten ihr Auftaktspiel gegen Japan mit 0:7 verloren und auch gegen das aggressive Anlaufen von Österreich war Neuseeland zunächst überfordert. Es gelang Österreich zwar nicht, nach den hohen Ballgewinnen direkt zu gefährlichen Abschlüssen zu kommen, aber auch die im Angriffsdrittel provozierten Freistöße reichten völlig aus. Vienna-Verteidigerin Sarah Gutmann hielt zweimal den Kopf hin und nach einer Viertelstunde stand es 2:0 für Österreich.

Wenn es leicht geht und der Gegner es erlaubt, wird schon versucht, auch kontrolliert von hinten heraus zu spielen. Zumeist war aber der lange Ball von der Innenverteidigung auf die Mittelfeld-Außen zu sehen, um die Kugel entweder selbst festzumachen oder auf den zweiten Ball zu pressen. Das ähnelte sehr der Spielweise, mit der Japan bei der WM 2011 viele Gegner vor große Schwierigkeiten stellte und letztlich Weltmeister wurde. Minus natürlich der Stärke im Passspiel.

Neuseeland stellte dann wie Ghana vermehrt den Körper rein, Österreich reagierte mit noch mehr langen Bällen und Zweikämpfen. Schön war das Spiel nicht und Neuseeland bekam kurz vor der Halbzeit sogar per Elfmeter die Chance, das Spiel wieder aufzumachen, aber El Sherif parierte gegen Pijnenberg. Halb durch die zweite Halbzeit bekamen die ÖFB-Juniorinnen einen Konter mal schön strukturiert durch das Zentrum nach vorne gespielt, schon schlug es ein, 3:0 durch Mädl. Der Ehrentreffer durch Milly Clegg, die schon bei Olympia als Joker bei Neuseelands A-Team dabei gewesen ist, war nur noch Ergebniskosmetik.

Herausspielen? Eher vermeiden

Eine auffällige Eigenheit war eben, dass es möglichst vermieden wurde, aus der Abwehr heraus zu spielen. Rukavina und Ojukwu im Mittelfeld-Zentrum waren primär Abfangjäger vor der Abwehr, weniger kreative Elemente, obwohl zumindest Ojukwu das durchaus könnte. Warum? Das Zauberwort heißt Risikominimierung. Grundsätzlich hat man auch unter Spilka schon eher auf Angriffspressing gesetzt als auf kontrollierten Aufbau, dennoch war dieser schon mehr als in Spurenelementen zu sehen gewesen. Doch dann kam der Auftakt zur U-19-EM vor einem Jahr.

Schon in der ersten Quali-Phase im Herbst 2022 war man auf Deutschland getroffen, ging dort nach einer halben Minute in Führung und konnte sich dann aufs Halten verlegen, 2:1 gewinnen. Bei der EM in Belgien aber lief man nach starken ersten 20 Minuten erst ins 0:1 und dann, kaum eine Minute später, landete ein Aufbaupass von Lainie Fuchs genau bei der Gegenspielerin, zack, 0:2. Kurz darauf eine ähnliche Situation, beinahe das 0:3 – die Österreicherinnen waren mental durch, bis zur Halbzeit hatten sie vier Gegentore gefangen, am Ende hieß es 0:6.

„Die Devise war, sehr einfach zu spielen, um zu verhindern, dass wir uns mit Fehlpässen im Verteidigungsdrittel selbst in Schwierigkeiten bringen“, erklärt Hackl.

0:2 gegen Japan

Vor dem letzten Gruppenspiel ging es sowohl für Japan als auch für Österreich, die eben beide ihre ersten zwei Spiele gewonnen hatten und damit schon fix im Achtelfinale waren, nur noch um die Platzierung. Beide Trainer wechselten ihre Teams kräftig durch, Michihisa Kano hatte nur fünf Stammkräfte aus den ersten beiden Spielen auf dem Feld, Markus Hackl tauschte auch viermal.

„Ich habe in diesem Altersbereich selten ein Team gesehen, dass dermaßen ballsicher ist“, war Hackl von Japan beeindruckt. Japan ging es ohne den letzten Punch an, erlaubte Österreich in den ersten 20 Minuten sogar eine ausgeglichene Ballbesitz-Bilanz, aber Japan war natürlich mit der Kugel wesentlich produktiver und zielgerichteter als Österreich. Wann immer die Japanerinnen das Tempo anzogen und ein paar schnelle Pässe aneinander reihten, brannte es. Mariella El Sherif musste einige Male in höchster Not eingreifen, am Ende gewann Japan mit 2:0. „Man verliert nie gerne“, brummte Isabell Schneiderbauer danach, die aber auch betonte, wie wendig die Gegenspielerinnen waren.

Japan ließ Erfolge gegen Nigeria, Titelverteidiger Spanien und das letzte verbliebene europäische Team aus den Niederlanden folgen, erreichte Finale. Hackl sagt klar: „Japan ist fußballerisch das mit Abstand beste Team bei diesem Turnier!“

Die Sache mit der Challenge beim VAR

Bei Diskussionen um den VAR wird immer wieder der Vorschlag ins Feld geführt, man sollte doch den Trainern die Möglichkeit geben, eine Entscheidung zu challengen – ähnlich wie wenn ein NFL-Trainer den Referees das rote Tuch vor die Füße wirft. Bei dieser U-20-WM der Frauen wurde das tatsächlich probiert: Jeder Teamchef hatte zweimal im Match die Möglichkeit, eine Entscheidung überprüfen zu lassen. Der Elfmeter, der Österreich gegen Ghana das 2:0 ermöglicht hat, ist über genau so eine Intervention von Markus Hackl erst zugesprochen worden.

„Ich find’s grundsätzlich eine gute Idee“, bilanziert Hackl, der auch mit der einen oder anderen Challenge abgeblitzt ist, das gehört dazu. Er schränkt aber ein: „Die Kommunikation muss besser werden!“ Zum einen für TV-Zuseher, denn sehr oft – wenn es sich nicht um eine klare Sache handelt – hat man nicht wirklich eine Ahnung, was gerade passiert.

Dummerweise schien das zum anderen auch auf Referees und Trainer zuzutreffen, bei einigen Schiedsrichterinnen fehlte es zudem einfach am fließenden Englisch – ein Armutszeugnis eigentlich, auf diesem Niveau. So wollte Hackl im Achtelfinale beim 1:3 überprüfen lassen, ob beim nordkoreanischen Freistoß alles korrekt war („Aus unserer Sicht stand die Koreanerin, die beim Freistoß angespielt wurde, direkt bei unserer Mauer, sie hätte aber einen Meter Abstand haben müssen – für uns war das Tor irregulär!“).

Die chilenische Unparteiische bzw. ihre Assistentin haben aber nicht verstanden, was Hackl ihnen sagen will, und überprüften nur auf Abseits. Das war es nicht, das hat aber auch keiner behauptet.

2:5 gegen Nordkorea

Der nordkoreanische Trainer Ri Song-Ho wollte derweil das zwischenzeitliche österreichische Tor zum 1:1 überprüfen lassen, das nach einem Freistoß gefallen war. Minutenlang diskutierte er via seiner Dolmetscherin mit der vierten Offiziellen. Warum, blieb für den TV-Zuseher auch hier im Dunklen. Hackl klärt auf: „Er wollte das Foul zum Freistoß überprüfen lassen, nachdem wir das Tor gemacht haben.“ Erstens war das aber natürlich zu spät und zweitens ist ein Freistoß schon mal grundsätzlich nicht überprüfbar, selbst wenn man rechtzeitig reklamiert hätte.

Beide Szenen waren aber eher Randnotizen, weil Nordkorea einfach zu gut war. Einmal kurz die Hüfte gedreht, schon lief das österreichische Pressing ins Leere. Schnell im Kopf, schnell in den Beinen, perfekt aufeinander eingestellt – so wie Nordkorea in besten Zeiten halt spielt, und traditionell ist Nordkorea eine absolut nennenswerte Frauenfußball-Nation. Gleich nach drei Minuten ließ sich Österreich von einem kurz abgespielten Eckball überrumpeln, es gelang rasch der Ausgleich, dann beging Nicole Ojukwu eine Dummheit.

Nach einem taktischen Foul – das sie nehmen hatte müssen – wollte sie in Richtung Ball laufen, die Schiedsrichterin stand im Weg, Ojukwu schubste sie ein wenig zur Seite. Dione Rissios war davon nicht begeistert, pfiff energisch und hielt Ojukwu ihre zweite gelbe Karte unter die Nase. Durch den neu zu organisierenden Sechserraum bereitete Nordkorea wenig später das 2:1 vor, nach dem Seitenwechsel folgte das 3:1 aus jenem kurz abgespielten Freistoß, den Hackl vergeblich an den VAR schicken wollte.

Eine koreanische Verteidigerin verlängerte wenig später einen eigentlich harmlosen 45-Meter-Freistoß ins eigene Tor, aber dennoch: In Unterzahl und mit Rückstand war für ein österreichisches Team, das schon zuvor nur mit größter Mühe irgendwie drangeblieben war, nichts mehr zu machen. Ein Solo von Chae Un-Young sorgte für das 4:2, ehe sich Gutmann in der Nachspielzeit von der eingewechselten Park Mi-Ryong düpieren ließ.

Nach dem 5:2 gegen Österreich gewann Nordkorea noch 1:0 gegen Brasilien und dann im Halbfinale auch 1:0 gegen das US-Team und im Endspiel 1:0 gegene mit Japan. Österreich hat zwei Spiele bei dieser WM verloren. Genau gegen die beiden Finalisten.

Wer ist Österreich?

Es ist die erste WM-Teilnahme auf jeglicher Ebene für ein österreichisches Frauen-Team überhaupt gewesen. Ja, man hat „nur“ auf dem Umweg Playoff, mit dem 6:0 gegen Island, das Ticket gelöst und die Chance hat sich auch nur deshalb ergeben, weil die FIFA das Turnier vor zehn Monaten kurzfristig von 16 auf 24 Teilnehmer erweitert und sich damit ein fünfter Startplatz für Europa ergeben hat. Nur, eben: Fünf. Das war ein verdammt enger Flaschenhals und Frauenfußball-Großmächte wie Schweden oder England, aber auch Dänemark haben es eben nicht geschafft.

Die andere Seite ist natürlich: Wenn man schon einen der wenigen europäischen Startplätze hat, ist ein Einzug ins Achtelfinale natürlich Pflicht. Das hat Österreich souverän geschafft. Und wer sind diese österreichischen Spielerinnen nun?

Torhüterin Mariella El Sherif aus Hartberg, im Sommer von Sturm Graz zum deutschen Aufsteiger Jena gewechselt, ist extrem sprungstark, ist sehr gut mit dem Ball am Fuß und hat starke Reflexe, ist aber für eine Torhüterin ziemlich klein. Nicole Ojukwu, einst von Nina Burger zur Vienna geholt, hat im Mittelfeld-Zentrum ein unglaubliches Gespür für die Situation, kann ein Spiel lesen, räumt defensiv viel auf, kann gut anpressen und ihre Standards sind gefürchtet. Sie ist aber nicht besonders schnell und sie wird in Freiburg nun ein wenig an körperlicher Robustheit zulegen müssen. Valentina Mädl, schlacksige Stürmerin aus Mönchhof, kommt beim SKN St. Pölten eher von der Seite, viel Talent, aber zuletzt auch einige Verletzungen. Die drei sind mal die ersten Kandidaten auf einen A-Einsatz in nicht allzu ferner Zukunft.

Maggy Rukavina führt im Zentrum die wichtigen Zweikämpfe und gibt den Ball unspektakulär ab, ein wenig wie früher Julian Baumgartlinger. Chiara D’Angelo, in Abwesenheit von Lainie Fuchs Kapitänin, hat sich ein Jahr in Hoffenheim versucht, es hat nicht funktioniert, ist nun zum SKN gegangen. Sie hat trotz gesundheitlicher Probleme im Vorfeld ein gutes Turnier gemacht und hat ein paar Tage nach der Rückkehr beim 3:0 im Europacup-Playoff für den SKN gegen Mura Murska Sobota eine Stunde gespielt; ihre jüngere Schwester Theresa ist im neuen U-19-Jahrgang dran. Die Schwestern Laura und Greta Spinn sind nun beide beim Red-Bull-Kooperationsklub Bergheim, gerade bei Greta muss man die Entwicklung noch abwarten.

Tatjana Weiß, eher Typ Kante, hat die Leitung in der Abwehr von Fuchs übernommen. Jovana Cavic hat ein gutes Gespür für das Rausrücken, aber wohl ein bisschen zu wenig Körper. Isabell Schneiderbauer spielt, wenn es was Abzuräumen gibt und Sarah Gutmann hat sich mit einer ansprechenden Saison bei Vizemeister Vienna noch einen Platz im Zug ohne Bremsen gesichert. So ehrlich muss man aber sein, die Abwehr und der erste Pass gehören auf diesem Level nicht zu den Prunkstücken dieses Teams.

Eines Teams, dem auch einige gefehlt haben, die in den letzten zwei Jahren eine große Rolle gespielt haben. Die Wienerin Lainie Fuchs natürlich, Kapitänin und Abwehrchefin, die sich nach ihrer Rückkehr aus der US-College-Liga im Winter das Kreuzband gerissen hat. Stürmerin Isabel Aistleitner aus Marchtrenk, die normalerweise immer zentral vorne gespielt hat, auch verletzt. Wie Linda Natter aus Mellau, riesiges Jahr 2023 für Altach an der Seite von Eileen Campbell gespielt, dann auch Kreuzbandriss. Amelie Roduner, Pressingmaschine aus dem Montafon, deren unermüdliches Anlaufen gegen Holland bei der U-19-EM einen großen Beitrag zum 1:0-Sieg geleistet hat – auch sie hat weite Teile der letzten Saison in der 2. Mannschaft von Bayern München verletzungsbedingt verpasst.

Wie weit sind die Spielerinnen?

Als Dominik Thalhammer 2011 übernahm, waren Schnaderbeck und Wenninger 20 Jahre alt, Makas war 19, Feiersinger, Zadrazil und Puntigam waren 18, Hanshaw (damals noch Aschauer) und Kirchberger erst 17 – Nina Burger, die älteste der Generation, die zusammen wachsen sollte, war 24 Jahre alt. Die Truppe, die damals Dänemark besiegte und bis ins EM-Playoff gegen Russland kam, war also im Grunde eine frisierte U-20, die halt auf „echte“, sprich ältere, Nationalteams losgelassen worden ist. Die paar, die so im Alter von Burger waren – Marlies Hanschitz, Susi Höller, Marion Gröbner – waren ab 2013 nicht mehr dabei.

Die aktuelle U-20 wird seit fünf Jahren in der Akademie körperlich und taktisch auf den Fußball der Großen vorbereitet. Es ist natürlich ein Äpfel-Birnen-Vergleich, weil die ganze Frauenfußball-Welt in den letzten 15 Jahren dramatische Entwicklungsschritte genommen hat, aber: Ist diese Truppe also nicht eigentlich schon weiter als es die Aufbau-Generation Anfang der 10er-Jahre mit dem gleichen Alter war?

Das muss man differenziert beurteilen, sagt Viktoria Schnaderbeck: „Wir sind damals früh, mit 16 oder 17 Jahren, ins Ausland gegangen, haben große Veränderungen auf uns genommen und in ganz jungen Jahren schon deutsche Bundesliga gespielt. Gerade was die persönliche Reife angeht, war das sicher eine ganz andere Liga als jetzt.“ Die Etablierung der 2011 gestarteten ÖFB-Akademie war ein Meilenstein, der für die damals jungen Mädchen zu spät kam.

Denn die andere Seite ist: „Die Mädels jetzt haben Akademie, dadurch schon ganz jung einen anderen Bezug zu Taktik und Fitness, haben Athletiktrainer, viel bessere trainingswissenschaftliche Gegebenheiten. Das mussten wir uns damals nach bestem Wissen und Gewissen selbst erarbeiten“, so Schnaderbeck, die sich erinnert: „Vor 2011 mit Ernst Weber, da war sportlich und von den Bedingungen, von der Professionalität, eine andere Liga wie danach bei Thalhammer. Der hat 2011 erstmal anfangen müssen: Was heißt kompakt sein, im Verbund arbeiten, defensiv stabil sein. Da ist sicher vom taktischen Wissen, physischen Wissen, trainingswissenschaftlichen Gegebenheiten, jetzt viel mehr da als damals, als wir in dem Alter waren.“

Nicht viel liegen gelassen

Andere Teams sehen solche Turniere auch als Bühne für die zwei, drei echten Kandidaten auf eine große Karriere – etwa Ally Sentnor bei den USA, die schon ihre zweite U-20-WM gespielt hat, Priscila bei Brasilien, oder Olivia Smith bei Kanada. Bei der letzten WM vor zwei Jahren glänzten Salma Paralluelo und Olivia Moultrie, 2018 Aitana Bonmatí und Georgia Stanway und Hinata Miyazawa. Dieses österreichische Team ist hingegen tatsächlich ein Team, es ist mehr als die Summe seiner Einzelteile.

Das ist gut, weil so möglich war, Defizite in der individuellen Qualität durch taktische Geschlossenheit auszugleichen. Das heißt aber andererseits, dass eben jene individuelle Qualität, die für den nächsten, entscheidenden Schritt in den Erwachsenenfußball benötigt wird, womöglich fehlt. Von den 2007er-Burschen, die in Kanada ins Halbfinale gekommen sind, haben ungewöhnlich viele den Durchbruch geschafft: Prödl und Harnik, Junuzovic und Kavlak vor allem aber auch Suttner und Okotie, Hoffer, Madl und Lukse haben A-Einsätze vorzuweisen.

Ob auch bei den 2024er-Mädels neun künftige A-Nationalspielerinnen dabei sind? Machen wir mal ein Fragezeichen dahinter. Fix ist dafür, dass der ÖFB mit diesem Jahrgang das Maximum herausgeholt hat. Von den 14 Pflichtspielen war nur ein einziges dabei, wo man ein potenziell mögliches bessere Resultat liegen gelassen hat – das war das 3:3 bei der EM im letzten Gruppenspiel gegen Belgien. Und selbst da hätte ein Sieg nicht mehr zum Halbfinal-Einzug gereicht, weil das Parallelspiel ein für Österreich ungünstiges Ergebnis gebracht hat. Allenfalls noch das 1:1 in der Qualifikation gegen die Ukraine, das änderte aber nichts am Gruppensieg.

Einige Testspiele gingen resultatsmäßig daneben (gegen Dänemark, Portugal, Finnland, zweimal gegen Brasilien, dazu nur 0:0 gegen Marokko), aber wenn es in Pflichtspielen wichtig war, war das Team da. „Das 0:6 wird schon morgen beim Frühstück abgehakt sein“, war Spilka nach dem Debakel zum EM-Auftakt überzeugt. Er sollte recht behalten: Es folgte das 1:0 gegen die Niederlande, Tor von Mädl nach Eckball, bei dem natürlich auch Glück dabei war. Und natürlich war die Truppe bei der 6:0-Verprügelung von Island, dem anderen EM-Gruppendritten, im Entscheidungsspiel um die WM-Teilnahme sowas von bereit.

Und jetzt?

Die 2004 geborenen Spielerinnen müssen sich jetzt im Erwachsenenfußball etablieren. El Sherif ist schon nach Deutschland gegangen, D’Angelo ist wieder zurück gekommen. Bei Weiß und Holl (Neulengbach) Schneiderbauer, Cavic und Seidl (alle Vienna) könnte das ein zu großer Schritt sein, ihre Klubkolleginnen Natter (eine 2005er) und Fuchs sowie die von der Vienna zum SKN gewechselte Aistleitner müssen erstmal ihre Knie auskurieren. Wirnsberger ist seit längerem Stammkraft bei Sturm Graz, Keutz ist das noch nicht.

Für die 2005 geborenen Spielerinnen geht es darum, sich jetzt für einen Wechsel ins Ausland zu positionieren. Mädl (St. Pölten) wird das, Verletzungsfreiheit vorausgesetzt, hinbekommen. Rukavina ist im Vienna-Zentrum Nachfolgerin der nach Deutschland transferierten Ojukwu, das könnte gut passen. Die Torhüterinnen Rusek (Neulengbach) und Schönwetter (Back-up bei der Vienna) haben vermutlich weniger Chancen, ins Ausland zu kommen, als die gleichaltrige Austria-Keeperin Larissa Haidner, der ihr Handgelenk ein Jahr gekostet hat. Purtscher kämpft um regelmäßige Einsätze bei Altach, Laura Spinn ist quasi der Premium-Zugang von Bergheim mit Blick auf eine Red-Bull-Zukunft. Sie haben die U-19-EM in diesem Jahr durch einen unnötigen Selbstfaller gegen Irland in der Qualifikation versenkt.

Die 2006er können ihre WM-Erfahrungen in den neuen U-19-Jahrgang mitnehmen. Fankhauser (Vienna) ist praktisch aus dem Nichts zur WM-Stammkraft geworden, ebenso Gutmann (ebenfalls Vienna). Sisic geht in der Rasselbande von Kleinmünchen/Blau-Weiß Linz schon als Routinier durch und Ziletkina, die im letzten Jahr ihren Körper ordentlich aufmagaziniert hat, wird im Austria-Angriff ihre Chancen bekommen.

Und Greta Spinn, die letzte Saison noch U-17 gespielt hat, darf man durchaus als Indikator betrachten, was bei Red Bull passiert. Sie ist wie ihre Altersgenossinnen Valentina Illinger (die auch schon im WM-Großkader war und den Cut knapp nicht geschafft hat, Stürmerin im Team und Linksverteidigerin beim Verein) und Tina Krassnig diese Saison neu beim Salzburger Klub. „Und man erkennt in Bergheim auch schon deutlich die taktische Handschrift von Red Bull, mehr als noch letzte Saison“, bestätigt Hackl.

Der 2006er-Jahrgang gilt von der Breite her als ziemlich dünn. Wie sieht es mit den kommenden aus, Trainer? „Der 2007er ist nicht viel stärker“, sagt Hackl, der nun permanent die U-19-Teams trainieren wird, „aber der 2008er schon, von der Quantität der vielversprechenden Spielerinnen.“ Das kann durchaus schon der Einfluss von Red Bull sein.

Anmerkung: In der ersten Version dieses Artikels stand Nordkorea als „Finalist“. Nach dem Endspiel und dem 1:0-Sieg Nordkoreas gegen Japan wurden die entsprechenden Stellen gemäß des Ausgangs des Finales adaptiert

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Fehlstart in die Nations League: Warnschuss beim Erwartungs-Management https://ballverliebt.eu/2024/09/12/fehlstart-nations-league-osterreich-slowenien-norwegen/ https://ballverliebt.eu/2024/09/12/fehlstart-nations-league-osterreich-slowenien-norwegen/#comments Thu, 12 Sep 2024 05:48:30 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=20474 Fehlstart in die Nations League: Warnschuss beim Erwartungs-Management weiterlesen ]]> Ein eher unglückliches 1:2 gegen die Türkei hat die EM früher als nötig beendet. Grundsätzlich war die EM okay, doch der Start in die Nations League ging völlig in die Hose, man kann’s schon als Blamage werten. Aber immerhin: Nach dem 1:4 gegen Georgen hat Tschechien durch einen 3:2-Sieg über die Ukraine die Kurve noch bekommen, wie es scheint.

Zugegeben, das war jetzt ein eher plumper Kunstgriff zum Einstieg. Die reinen Resultate sagen nicht immer alles aus. „Der Optimismus ist gekommen, um zu bleiben“, hieß es an dieser Stelle nach Österreichs knappen Achtelfinal-Aus gegen die Türkei, und: „Anders als in der Vergangenheit passen Zielsetzung und Leistungen nun tatsächlich zueinander“, weswegen „der bei Niederlagen in großen Spielen sonst immer einsetzende typisch österreichische Fundamental-Fatalismus längst nicht so ausgeprägt ist“, wie man das von früher kennt.

Und nun fängt die Post-EM-Zeit mit einem 1:1 in Slowenien und einer 1:2-Niederlage in Norwegen an. Und in beiden Spielen wäre ein Sieg auch nicht verdient gewesen. Resultate sagen nicht immer alles aus, nein. Aber besser als die Resultate waren die Leistungen Österreichs ja auch nicht.

Ganz andere Spiele als bei der EM

Wie wichtig ist diese Nations League für Österreich? Sportlich gesehen: nicht besonders. Natürlich sollte man aus einer Gruppe mit Slowenien, Norwegen und Kasachstan als Stärkster hervorgehen, aber selbst wenn nicht: Auch als Zweiter spielt man Aufstiegs-Playoff und wenn man in der B-Liga bleibt, macht das in Wahrheit auch keinen echten Unterschied.

Sehr wohl wichtig ist dieser Herbst aber, was das Erwartungs-Management angeht. Es ist kein Geheimnis, dass Österreich seine größten Schwächen gegen Mittelklasse-Teams hat, die dem ÖFB-Team die Bürde der Spielgestaltung überlassen – vor allem, wenn Österreich nicht früh in Führung geht. Vor diesem Nations-League-Start ist die Mannschaft in nur zwei der acht Spiele im Jahr 2024 nicht innerhalb der ersten Minuten nach Anpfiff in Führung gegangen. Beide Spiele, gegen Frankreich und die Türkei, wurden verloren.

Was mit „Erwartungs-Management“ gemeint ist? Nun: Spielt man so wie Österreich unter Rangnick, mutig und nach vorne verteidigend, sind das die Zutaten für kompetitive Matches gegen starke Kontrahenten – siehe Niederlande, Frankreich, Deutschland, Italien. Verweigert der Gegner aber einen eigenen Aufbau, wird es schwierig. Siehe Polen, siehe Türkei, siehe Slowenien. In diesem Herbst stehen praktisch nur solche Spiele an.

Das 1:1 in Ljubljana

Das Ziel ist, die vor und bei der EM entstandene Euphorie mitzunehmen in diesen Herbst und darüber hinaus. Die Kunst ist, umzuschalten: Vom Pressing-Fußball, den die Gegner nicht zulassen, auf einen Aufbau-Fußball, den Österreich einfach nicht besonders gut kann.

Das Angriffspressing ist zudem nicht immer sinnvoll anwendbar. Slowenien, im gewohnten 4-4-2, kann solche Situationen ideal auflösen, weil einfach der lange Ball auf den schnellen Stürmer Benjamin Šeško kommt. Das ist von Haus aus der Einser-Move, da braucht man die Slowenen – bei der EM ohne Niederlage im Elfmeterschießen des Achtelfinales gescheitert – nicht auch noch dazu einladen, so wohl der Gedankengang.

Also gab es ein solches Anlaufen der slowenischen Innenverteidigung auch nicht und darum sah das österreichische Spiel auch so statisch, so passiv aus. Rangnick drehte sein Mittelfeld-Zentrum um, ließ ein 4-1-4-1 spielen, womit Laimer und Sabitzer direkt auf Gnezda-Čerin und Elšnik standen, die beiden slowenischen Sechser schnell scharf anlaufen lassend. In der Theorie.

In der Praxis nämlich drehten die Slowenen den Spieß um, agierten sehr mannorientiert. Sie rissen ihren Block dadurch Löcher, welche die Österreicher aber nicht fanden. In den ersten 20 Minuten war der Ballbesitz tatsächlich bei 50:50 ausgeglichen. Erst nach dem Ausgleich – Laimer ist seinem Bewacher entwischt und Mwene hat einen super Pass in den freien Raum gespielt – etablierte Österreich den Ballbesitz. In der restlichen Spielzeit sollte er über 70 Prozent betragen, insgesamt waren es am Ende 61 Prozent.

Die Slowenen verstanden es jedoch weiterhin sehr gut, die Österreicher im Mittelfeld zu hetzen und eben nicht – wie es gegen die Türkei möglich war – in aller Seelenruhe den Ball hin und her zu schieben, auf dass sich eine Lücke auftun möge. Die Slowenen gaben diese zwar her, gleichzeitig verhinderten sie durch ihre mannorientierte Spielweise, dass die Österreicher diese auch bespielen konnten – weil auch die Laufwege dort hinein nicht genommen wurden.

Die Folge war, dass sich auch nach der Pause nie ein echter Spielfluss entwickeln konnte, kaum zielgerichtete Angriffsaktionen. Die Punkteteilung entsprach durchaus den gezeigten Leistungen.

Das 1:2 in Oslo

Norwegen hat höhere individuelle Qualität als Slowenien, hat aber in der jüngeren Vergangenheit nicht als Team funktioniert, schon gar nicht als kreatives – erstaunlich, hat man doch einen Martin Ødegård in seinen Reihen. Der Plan gegen ein Norwegen im gewohnten, statischen 4-1-4-1 wäre wohl recht simpel gewesen: Gib Ødegård einen Kettenhund (Seiwald etwa), lenke die norwegischen Angriffe auf die Außen und verzettle sie in Zweikämpfen. So hat es Kasachstan gemacht und ein 0:0 runterverteidigt.

Gegen Österreich hat es Ståle Solbakken aber anders angelegt. Er stellte ein 4-4-2 auf, in dem Ødegård nicht auf der Acht, sondern auf der rechten Seite spielte – und zwar nicht entlang der Linie, sondern halb eingerückt. Dafür wich der zweite Stürmer Sørloth, normalerweise im Team links außen daheim, immer wieder auf diese Seite aus. Damit nahmen die beiden Alexander Prass in die Doppelmühle und der Neo-Hoffenheim-Legionär zeigte rasch Wirkung.

Prass in der Doppelmühle, Seiwald hängt in der Luft

Er produzierte Fehlpässe und wusste oft nicht, ob er sich nun zu Sørloth oder zu Ødegård orientieren sollte. Seiwald war zu weit innen, um zu helfen und wenn Lienhart mit Sørloth rausrückte, um Prass zu unterstützen, bestand wiederum die Gefahr, Håland zu viel Raum zu gewähren. Gleichzeitig fehlte es Österreich nach vorne an den Ideen: Dadurch, dass Ødegård (normal rechter Achter) und Myhre (normal linker Achter) beide die nominellen Außen waren, hatte Seiwald im Zentrum niemanden zum anpressen und im Aufbau ist Seiwald nun mal nicht besonders hilfreich.

Nach etwa 20 Minuten tauschte Rangnick die Positionierungen von Sabitzer und Laimer, danach etablierte man mehr Kontrolle im Zentrum und man vermied es auch, Pässe auf die aufrückenden Außen zu spielen – vor allem Mwene wurde zuvor dort gut isoliert. Die verstärkte Konzentration auf die zentralen Kanäle tat Österreich gut und auch, wenn man nicht gut Tempo aufnehmen konnte, war das 1:1 doch korrekt.

Viel zu passiv

Womöglich in Erwartung einer österreichischen Reaktion ging Solbakken für die zweite Hälfte wieder auf ein 4-1-4-1, mit Ødegård zurück auf der Acht und mit Dribbler Nusa neu auf der linken Seite. Norwegen schob die Ketten relativ nahe zusammen und brachte die Bälle direkt von hinten auf die Flügel, womit Ødegård schon vor seiner verletzungsbedingten Auswechslung nach einer Stunde nicht mehr allzu involviert war. Sehr wohl aber musste sich Österreich erst recht wieder neu orientieren und Mwene, der gegen Nusa am Rande der gelb-roten Karte wandelte, zwang Rangnick zu einem eher nicht geplanten Wechsel.

Es war ähnlich wie gegen Slowenien: Österreich traute sich die Innenverteidiger aus Sorge um die langen Bälle auf Sørloth und Nusa nicht anlaufen. Die Pressing-Trigger waren die Pässe auf die Außenverteidiger, hier schauten aber bestenfalls österreichische Einwürfe heraus, während die Innenverteidiger unbehelligt blieben, sogar bis ins Mittelfeld aufrücken konnten und selbst dort sind die Österreicher nicht in die Zweikämpfe gekommen.

Und dann steht Håland zehn Minuten vor Schluss halt einmal um eineinhalb Zentimeter nicht im Abseits, peng, verloren.

Wieder mehr „Underdog-Fußball“?

Alaba, Schlager, Gregoritsch, Danso, Kalajdzic, Trauner, Lainer, Entrup – natürlich ist die Liste der fehlenden Alternativen lang. „Wir müssen solche Spiele wie ein Underdog spielen und nicht wie ein vermeintlicher Favorit“, meinte Ralf Rangnick nach der Niederlage in Oslo. Gemeint hat er damit die Konsequenz im Anlaufen und den Willen, den Kampf anzunehmen.

Aber man ist ja Frankreich auch hoch angegangen, obwohl im Rücken der Pressinglinie ein Kylian Mbappé gelauert hat. So gesehen ist es nicht ganz verständlich, warum man nun – vor allem in der zweiten Hälfte gegen Norwegen – eben nicht anläuft. Norwegen hatte immerhin 45 Prozent Ballbesitz, und zwar in beiden Spielhälften, es ist also keineswegs so, dass die nur hinten zugemacht und gehofft hätten, dass Österreich mit dem Ball nichts einfällt.

Schuss vor den Bug

Slowenien war mit seinen Mannorientierungen zäh und die Räume, die man gehabt hätte, unkonventionell. Aber gegen Norwegen war es einfach nur zu passiv, zu zurückhaltend, ja, zu feig. „Nun ist Österreich natürlich kein europäisches Spitzenteam, zählt realistischerweise auch nicht zu den Top-8, aber man stellt sehr wohl gehobene Mittelklasse dar“, konstatierten wir Anfang Juli, und: „Dass es noch viel weiter nach oben geht, ist kaum darstellbar, […] aber den Status im Bereich des Rennens um den „Best Of The Rest“ zu halten, darf ein legitimer und realistischer Anspruch sein.“

Das ist er auch immer noch. Das Remis in Slowenien und die Niederlage in Norwegen ändern nichts daran. Sie tun im großen Ganzen auch nicht besonders weh, weil sie (noch) keine Konsequenzen haben. Sehr wohl aber sind sie ein klarer Schuss vor den Bug: Es ist das eine, Probleme bei der Lösungsfindung gegen destruktive, strikt defensive Teams zu haben, die sich hinten einbunkern, wie die Türkei in Leipzig.

Es ist auch verschmerzbar, wenn der Gegner ungut ist, wenig zulässt, auch selbst aggressiv ist und es versteht, die österreichischen Stärken einzudämmen und die Schwächen zu verstärken. Ein 1:1 in Slowenien ist keine Tragik und das wurde auch so eingeordnet. Der Bauchfleck in Norwegen zeigte aber: Wenn man so gar nichts von seinen Stärken zeigt, obwohl alle Gelegenheiten dafür da gewesen wären – wie in der zweiten Hälfte – ist das nicht gut.

Es ist ein Schuss vor den Bug. Die Spiele werden nicht unkomplizierter, Kasachstan wird sich in Linz mit Teamchef Stanislav Tchertchessov in einem 5-2-3 tief verteidigen, da heißt’s Bretter bohren. Danach im Heimspiel gegen Norwegen aber wird sich Österreich nicht noch einmal so zurückhaltend präsentieren dürfen, sonst schlägt das mit dem Erwartungs-Management dann eben doch wieder in Fatalismus um.

Denn Zielsetzung und Leistung haben – anders als bei der EM – nun zum Nations-League-Start nämlich definitiv nicht zusammen gepasst.

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Stabilisiert, durchgebrunzt, ausgelaugt: Das seltsame Pariser Olympia-Turnier https://ballverliebt.eu/2024/08/23/review-olympia-paris-2024/ https://ballverliebt.eu/2024/08/23/review-olympia-paris-2024/#respond Fri, 23 Aug 2024 15:26:10 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=20409 Stabilisiert, durchgebrunzt, ausgelaugt: Das seltsame Pariser Olympia-Turnier weiterlesen ]]> Rekordsieger USA holt das Gold, der kommende WM-Ausrichter Brasilien das Silber und Vize-Europameister Deutschland Bronze. Das Ergebnis dieses Olympischen Frauenfußball-Turniers ist klar, sonst aber nicht besonders viel – selbst bei den Top-3. Konnten wir vor drei Jahren bei Tokio von einem großartigen und wilden Turnier sprechen, das viele Narrative für das neue Jahrzehnt aufsetzt, muss nach Paris 2024 konstatiert werden:

Diese Olympischen Spiele haben mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet.

Ein seltsames Treppchen

Denn schon alleine diese Top-3 geben sin seltsames Bild ab. Wären sie alle im Viertelfinale gescheitert, niemandem wäre das ungewöhnlich vorgekommen. Emma Hayes, neue US-Teamchefin, hatte seit Amtsübernahme genau vier Testspiele, allesamt gegen unterlegene Kontrahenten. Brasilien schlingert seit mehr als einem Jahrzehnt ohne Spielidee anonym von einer Enttäuschung zu nächsten. Und Deutschland? Ein Team ohne Identität, die über „wir nudeln uns irgendwie über die nächste Hürde drüber“ hinaus ginge, weil der Interims-Teamchef nur gekommen ist, um die Mannschaft zu verwalten, bis sein längst feststehender Nachfolger das Steuer übernimmt.

Auf der anderen Seite steht ein Weltmeister Spanien, der die Spiele wie gewohnt mit dem Ball am Fuß absolvierte, aber die nötige Intensität vermissen ließ und im Halbfinale auch noch lächerliche Abwehrfehler beging. Ein Gastgeber Frankreich, der Kontrolle will und in entscheidenden Phasen doch nur Panik und innere Zerrissenheit offenbarte. Ein japanisches Team, dem nach einer Stunde stets die Präzision in der Ausführung abhanden kam. Australien, hinten löchrig und nach vorne fahrig, schon in der Vorrunde gescheitert, einem absurden 6:5 gegen Sambia inklusive.

Und, naja, die Drohnen-Spione aus Kanada – trotz sechs Punkten Abzug und kräftig Wirbel in die K.o.-Runde eingezogen und dort gegen Deutschland eigentlich das bessere Team.

Wie die Causa Kanada das Turnier erklärt

Wohl kaum ein Team verkörperte das Olympia-Turnier von Paris 2024 besser als eben Kanada. Kurz vor dem ersten Spiel wurden zwei kanadische Staff-Mitglieder erwischt, wie sie mit Drohnen-Kameras das Training von Auftaktgegner Neuseeland filmten. Es wurde schnell klar: Trainerin Bev Priestman, unter der Kanada 2021 wohlgemerkt Olympiasieger wurde, baut schon lange auf solche Praktiken. Der Verband tat überrascht und entrüstet, trennte sich von Priestman und Co-Trainer Andy Spence übernahm.

Die FIFA als organisierender Dachverband zog Kanada sechs Punkte ab, womit ein Vorrunden-Aus vorgezeichnet war. Doch Kanada besiegte nach Neuseeland auch Frankreich und Kolumbien und stand am Ende sogar als Gruppenzweiter im Viertelfinale. Hier kamen zwei Dinge zusammen: Zum einen das psychologische Element – Gabby Carle und Evelyne Viens sprachen nach dem Turnier offen über die zuvor negative Stimmung, die Fehlerkultur unter Priestman und dass ihre Abwesenheit „befreiend“ gewesen wäre.

Und zum anderen kam die grundsätzliche Dynamik des Turniers den kanadischen Stärken durchaus entgegen: Wer sich wohl fühlte, den Ball nicht zu haben, war am Ende zumeist im Vorteil – sofern man sich nicht plump hinten einbunkerte, sondern den spielgestaltenden Gegner früh störte und es gleichzeitig schaffte, Spielerinnen rasch und mutig vor den Ball zu bekommen und auch eine gewisse Quirligkeit beim eigeninitiativen Weg ins Angriffsdrittel an den Tag legte. Brasilien hat das ebenso mit stetig wachsender Freude gemacht, Kolumbien ging es ähnlich an.

Von 40 auf 60 Pflichtspiele von 2012 auf 2024

Dabei merkte man diesem Olympia-Turnier noch mehr als den vergangenen Ausgaben an, welche besonderen Umstände hier herrschen. Sechs Spiele in 18 Tagen für die Finalisten (bzw. in 17 Tagen für Spanien und Deutschland, die das Bronze-Spiel bestritten), und dass mit einer Kadergröße von 20 Feldspielerinnen, von denen nur 16 pro Match am Spielberichtsbogen sein dürfen).

Was nun in Frankreich anders war als in Japan 2021, in Brasilien 2016 oder Großbritannien 2012? Nun – die Saison davor ist nun wesentlich intensiver. Das betrifft nicht nur die Intensität, die aufgrund der dramatisch verbesserten Trainingsmöglichkeiten nun im Gegensatz zu damals möglich ist. Sondern auch die schiere Anzahl der Pflichtspiele.

Zum Vergleich: Der Europacup-Sieger von 2012, Olympique Lyon, spielte in der Saison vor Olympia in London 34 Pflichtspiele, dazu kamen sechs Bewerbsspiele des französischen Nationalteams. Für den Europacup-Sieger von 2024, den FC Barcelona, kamen alleine auf Vereins-Ebene 46 Pflichtspiele zusammen – plus 14 des spanischen Nationalteams seit dem WM-Triumph Mitte August letzten Jahres.

Kein Wunder, dass die Spielerinnen von europäischen Spitzenteams ausgebrannt wirkten.

USA: Un-Amerikanisch zur Goldmedaille

Das US-Team hatte den Vorteil, keine euroäische Saison in den Beidnen zu haben: Die NWSL spielt im Kalenderjahr, die Saison hat im März begonnen, davor gab’s vier Monate Pause. Man war geistig frischer und Neo-Teamchefin Emma Hayes war kaum zur Rotation gezwungen. Neun Leute spielten das Turnier de facto durch, nur Davidson und Sonnett hinten bzw. Lavelle und Albert in der Offensive wechselten ein wenig durch.

Wer geglaubt hatte, Hayes hätte in der kurzen Zeit im Amt – sie hat die Saison noch als Chelsea-Trainerin beendet – kaum etwas ausrichten können, durfte beim zweiten Turnierspiel – dem 4:1 gegen Deutschland – erstaunt sein. Aus dem 4-2-3-1 wurde im eigenen Aufbau nämlich hinten eine Dreierkette geformt (Fox, Girma, Davidson/Sonnett), davor standen Horan und Coffey im Zentrum. Rodman rechts und Dunn links agierten als Wing-Backs, schoben hoch – es wurde ein 3-2-5.

Damit löste Hayes mehrere Probleme. Zum einen war mit dem 3-2-Aufbau sichergestellt, dass Ballzirkulation im eigenen Ballbesitz da ist, mit der man Gegner in gewisse Räume locken kann, ohne sofort den vertikalen Pass zu suchen – diese Vorhersehbarkeit war unter Vorgänger Andonovski ein großes Problem gewesen. Zum anderen ist mit dieser 3-2-Staffelung gewährleistet, dass die Tiefe abgesichert ist, sollte ein Vorwärtspass misslingen oder der Gegner einen Konter fahren wollen.

Vorne sorgten Sophia Smith (die gerade im ersten Deutschland-Spiel schlicht nicht zu verteidigen war), Mallory Swanson (die gegenüber ihren wechselhaften Jugend-Jahren gereift ist) und Trinity Rodman (deren Schwäche im Passspiel sie manchmal isolierte, ihre Dribblings brachten aber oft Gefahr) für Wirbel. Den Ball flüssig von aus dem ZM nach vorne zu bekommen, war zuweilen aber ein Problem. Die Spielweise des USWNT war sehr un-amerikanisch: Geduldig im Aufbau, ohne Hektik, auch nicht immer in hohem Tempo und möglichst nicht mit langen Bällen – weil es vorne keine Kanten gibt, die sie sichern.

Es war sehr kontrolliert, sehr ökonomisch. Hinten war dicht (zwei Gegentore in sechs Spielen, davon eines bedeutungslos in der Nachspielzeit) und dann reicht es halt, vorne einmal durchzukommen, und sei es in der Verlängerung – wie im Viertelfinale gegen Japan und im Halbfinale gegen Deutschland. Und auch das Finale gegen Brasilien wurde ja mit 1:0 gewonnen.

Brasilien: Super Stimmung und starker Underdog-Fußball

Das US-Team hat unter Hayes eine sehr brauchbare Basis gelegt, um die nächsten Schritte in eine fußballerisch-inhaltliche Erneuerung zu gehen, noch dazu dekoriert mit Gold. Man kann davon ausgehen, dass die USA in drei Jahren bei der nächsten WM natürlich wieder ein seriöser Titelkandidat sein wird. Das Silber von Brasilien ist hingegen komplett aus dem Nichts gekommen und was das für die Heim-WM 2027 aussagt, ist kaum zu beurteilen.

Beim ersten Spiel konnte einem schon Angst und Bange werden. Gegen Nigeria, als Brasilien zum eigenen Aufbau gezwungen war, standen hinten vier Verteidigerinnen, ganz vorne vier Stürmerinnen und dazwischen zwei Sechser im Deckungsschatten. Es gab einen 1:0-Sieg, aber sowas von dreckig, sowas von nicht anzusehen, sowas von vorsintflutlich – ein katastrophal übler Primitiv-Kick war das. Wo war das flotte Team hin, das im Frühjahr sehenswert ins Finale des Gold-Cups gekommen war?

Das Glück von Brasilien war, ab da nicht mehr selbst gestalten zu müssen. Japan hatte man am Haken, ehe man in der Nachspielzeit noch einen Elfer und ein 35-Meter-Tor zur 1:2-Niederlage kassierte; Spanien frustrierte man mit einem ultra-defensiven 5-4-1 (bzw. einem 5-4-0 nach Martas Ausschluss) zumindest 70 Minuten lang. Man ließ Frankreich im Viertelfinale keinen Rhythmus aufnehmen und schlug spät zum 1:0 zu, ehe man im Semifinale wiederum gegen Spanien einfach eiskalt die Fehler nützte und durch das erlahmte Gegenpressing durchkonterte.

Im Finale gegen die USA agierte Brasilien furchtlos, ließ eine Stunde lang wiederum das Ballkontroll-Spiel des Gegners nicht zu, nach dem 0:1 fehlte aber die Klasse. Sei’s drum: Das von Arthur Elias in dem einen Jahr seit seiner Amtsübernahme radikal umgebaute Team hat den Underdog-Fußball schon mal sehr gut drauf, das ist eine gute Basis, für eine erfolgreiche Heim-WM 2027 wird’s aber noch ein wenig mehr brauchen.

Besonders auffällig war bei Brasilien aber etwas, was es in dieser Form wohl seit den Tagen eines Wilsinho 1999 nicht mehr gegeben hat: Eine grandiose interne Stimmung. Wie sich Spielerinnen, Trainer und Staff gegenseitig geherzt haben, mit strahlenden Augen, echt und voller Begeisterung: Was für ein krasser Gegensatz etwa zum eiskalten Gegeneinander der Spanierinnen mit Ex-Trainer Jorge Vilda, aber auch bei Brasilien selbst zur schroffen Pia Sundhage, zum grummeligen Vadão, aber auch zu Kleiton Lima, der kürzlich unter Missbrauchsvorwürfen als Trainer der Frauen vom FC Santos zurückgetreten ist.

Marta war es auch in ihrem unverhofften vierten großen Endspiel (nach Olympia 2004, WM 2007 und Olympia 2008) nicht vergönnt, einen globalen Titel zu holen, dieser blieb Brasiliens Frauen weiterhin verwehrt. Die Grande Dame selbst, nach ihrem Kung-Fu-Tritt in der letzten Gruppenpartie zwei Matches gesperrt und im Finale zunächst auf der Bank, verabschiedet sich aber vom ersten Team seit über einem Jahrzehnt, das ernsthaft Hoffnung auf eine gute Zukunft bietet.

Deutschland, Spanien, Frankreich: Zwischen innerer Hygiene und spielerischer Unsauberkeit

Für Weltmeister Spanien und Gastgeber Frankreich zählte nur eine Medaille, idealerweise Gold. Deutschland war nach einem Jahr voller Selbstzweifel froh, überhaupt dabei zu sein – und genau dieses deutsche Team war es letztlich, dass eine Medaille holte. Bronze glänzt für den DFB tatsächlich fast wie Gold, weil zwar alle auf ein gutes Abschneiden hofften, aber niemand wirklich mit einer Medaille gerechnet hatte.

Deutschland hat nichts besonders gemacht – man war diszipliniert im mannschaftstaktischen Umschalten beider Richtungen. Das deutsche Team hat im eigenen Aufbau nicht allzu viel Kreativität gezeigt, auch weil eine Lena Oberdorf auf der Sechs, die ein Spiel wenn nötig von hinten ein wenig in die Hand nehmen kann, mit einem Kreuzbandriss gefehlt hat. Alex Popp, die bis auf ein Spiel (das bedeutungslose letzte Gruppenspiel gegen Sambia) tatsächlich hinter Nüsken im defensiven Mittelfeld-Zentrum gespielt hat, hat nicht viel kaputt gemacht, viel gebracht aber auch nicht.

Man nützte die Chancen gegen Australien cool, es kam Deutschland entgegen, dass den Tillies noch weniger einfiel. Man fand beim (etwas zu hohen) 1:4 gegen die USA keinen Zugriff auf das Zentrum und musste sich im Viertelfinale gegen Kanada mit viel Nachlaufen ins Elferschießen retten. Das Halbfinale (wo man das US-Team viel besser kontrollierte als im Gruppenspiel) und das Bronze-Spiel (wo man Spanien den Ball überließ, auch das nötige Glück hatte) waren vernünftige Darbietungen, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Ann-Katrin Berger hielt gegen Spanien in der Nachspielzeit noch einen Elfmeter von Putellas, damit war Bronze sicher.

Dieser Erfolg ist ein schöner Bonus für Deutschland, womit die „Mission Innere Hygiene“ von Interims-Trainer Horst Hrubesch ein voller Erfolg war: Nach den zwischenmenschlich eher unerquicklichen Jahren unter Martina Voss-Tecklenburg kommen nun wieder alle gerne zum Nationalteam und obendrein gab es auch noch einen zählbaren Erfolg. Nun übernimmt Christian Wück, der letztes Jahr die deutschen U-17-Burschen zum WM-Titel geführt hat.

Hrubesch war zehn Monate Bundestrainer, für Hervé Renard endet die Amtszeit als Sélectionneur von Frankreich nach 16 Monaten. Sportlich war sie mit den Viertelfinal-Niederlagen bei der WM 2023 und nun bei Olympia 2024 nichts Besonderes, dem Final-Einzug in der Nations League zum Trotz. Konnte man das WM-Aus im Elfmeterschießen gegen Australien auch als Pech abtun, nach recht guten Leistungen zuvor, hat sich nun das Aus gegen Brasilien mit einer wackeligen Gruppenphase schon ein wenig abgezeichnet.

Zwar zog man Kolumbien zum Auftakt mit Leichtigkeit durch das Stadion und führte auch in der Höhe verdient schon 3:0, aber zwei schnelle Gegentore aus dem Nichts brachten das ganze Gebilde höllisch zum Einstürzen. Man zitterte den Sieg über die Zeit, gegen Kanada war es aber ähnlich: Man war nicht überragend, aber gut genug, kassierte nach einer Stunde das Tor zum 1:1-Ausgleich und schien danach nicht zu wissen, ob man auf Sieg spielen oder den Punkt absichern soll und machte letztlich weder noch, verlor in der Nachspielzeit 1:2.

War es die lange Saison? Der Druck des Heim-Turniers, dem Frankreich schon 2019 nicht standgehalten hat? Hervé Renard gab unablässig Anweisungen, über die Außen-Mikros gut zu hören, aber seinem Team fehlte der Zusammenhang, die Passgenauigkeit, es spielten – wenn es eng wurde – nicht alle vom selben Notenblatt. Im Viertelfinale bohrte Brasilien genau das an, nervte Frankreich, war giftig und griffig und erzielte gegen Ende tatsächlich das siegbringende Tor zum 1:0.

Renard redete die Enttäuschung klein, „für mich ist es mir egal, ich habe schon genug gewonnen und verloren“, was ein wenig kalt wirkt. Auf dem Feld hat er Frankreich weder weiter gebracht noch schlechter gemacht, aber er hat – wie Hrubesch – viel von der Toxizität seiner Vorgängerin rausgenommen. Wer Frankreich in die EM nächstes Jahr in der Schweiz führt, ist noch unklar, ebenso wie vieles andere. Amandine Henry spielte kaum eine Rolle (sie war Renard wohl zu wenig robust, wird kolportiert), Eugenie Le Sommer ebenso; Wendie Renard kommt in die Jahre.

In Frankreich wird moniert, dass der Spielwitz der frühen 10er-Jahre, als man unter Bruno Bini in die Weltspitze schoss, einer athletischen Funktionalität gewichen sei, und das ist nicht von der Hand zu weisen. Die defensiven Außenpositionen sind ein Problem (Bacha und Karchaoui haben klare defensive Schwächen, De Almeida offensive), von der Sechs kommen zu wenige Impulse. Die Generation mit Nécib, Abily und Laura George hat nix gewonnen. Die Generation mit Henry, Le Sommer und Renard hat auch nix gewonnen. Soll der neue Trainer mit ihnen auch 2025 noch in die EM gehen oder im Gegenteil ein neues Kapitel, eventuell auch stilistisch, aufschlagen?

Auch der Weltmeister geht mit leeren Händen aus dem Turnier. Spanien war im letzten Jahr fraglos das beste Team der Frauenfußball-Welt, aber auch hier galt: Ganz auf der Höhe war die Truppe bei Olympia nicht. Der Ballbesitz war immer noch sicher, man spielte sich in gewohnter Manier die Bälle zu. Aber es fehlte die Durchschlagskraft nach vorne, es fehlte die Intensität im Gegenpressing – und damit wurden die Schwächen in der Abwehr ohne Mapi León doch aufgedeckt.

Sie ist die letzte von „Las 15“, den Streikführern unter Jorge Vilda, die auch ein Jahr nach seinem Abgang eine Rückkehr ins Nationalteam verweigert. In der Vorrunde schien das noch kein echtes Problem zu sein: Japan verlor nach einer scharfen ersten Halbzeit die Ordnung und Spanien gelang mit einem 2:1-Sieg die Revanche für das Vorrunden-0:4 bei der WM letztes Jahr. Gegen Nigeria hatte man gefühlt 96 Prozent Ballbesitz (tatsächlich waren es 77), man brauchte aber einen späten Freistoß zum 1:0-Sieg. Und gegen ein mit allen Feldspielerinnen verteidigendes Brasilien dauerte es auch über 70 Minuten, bis man in Führung ging.

Benefit of Hindsight: Hätte Spanien danach in der K.o.-Runde überzeugender performt, wäre die Gruppenphase als kraftschonender Aufgalopp wahrgenommen worden. Die giftigen Konter eines griffigen kolumbianischen Teams brachte Spanien im Viertelfinale aber schon an den Rand des frühen Aus, es stand lange 0:2, erst in der Nachspielzeit rettete sich Spanien in die Verlängerung, gewann dann das Elfmeterschießen. Die hanebüchene Implosion von Marseille, das 2:4 gegen Brasilien mit wirklich lächerlichen Schnitzern in der Abwehr, beendete aber jeden Anspruch auf eine Bestätigung des WM-Titels. Zumal das Resultat noch besser aussieht, als das Spiel war: Brasilien vergab noch zahllose gute Chancen, das erste spanische Tor fiel erst in der 85. Minute.

Am Ende gab es nicht mal Bronze, weil man Deutschland im kleinen Finale nicht mal aus einem Elfmeter ein Tor schießen konnte. Was war los? Kein einziger Gegner erlaubte es der schnellen Paralluelo, ihr Tempo auszuspielen, die Strafraumbesetzung war dadurch kaum vorhanden. Und die Abwehr, die sich schon in Nations League und EM-Quali zuweilen als löchrig erwiesen hat, ist nun mal nicht das Prunkstück.

Enttäuschend? Ja, keine Frage. Grund zur Panik? Erstmal nein, denn auch bei Spanien gilt: In den elf Monaten unter Montse Tomé ist einiges an zerbrochenem Porzellan wieder gekittet worden. Dass es sehr viele Ungenauigkeiten gab, die auf geistige Müdigkeit schließen lassen, ist für den neuen FC-Barcelona-Trainer Pere Romeu aber ein Einstandsgeschenk, auf das er gerne verzichtet hätte.

Kanada: Dank Skandal von mentalen Fesseln befreit

Der Sieger von 2021 hatte seine eigene, ganz spezielle Stunde Null. Nach dem Wirbel um die (erst) Suspendierung und (dann) Entsorgung von Trainerin Bev Priestman kam Kanada im emotionalen Ausnahmezustand zu einem 2:1-Sieg gegen Neuseeland, man wirkte nur körperlich anwesend und gewann auch wegen einer taktischen Dummheit der früh in Führung gegangenen Ferns. Dann kam einen Tag vor dem zweiten Spiel auch noch der Sechs-Punkte-Abzug dazu – und es passierte etwas erstaunliches.

Gabby Carle und Evelyne Viens berichteten nach dem Turnier nicht nur von einer Jetzt-Erst-Recht-Stimmung, sondern vor allem von einem Gefühl der Befreiung. Priestman hat wohl mit Vorlieben auf Fehlern und Schwächen ihres Teams herumgehackt und im Team ein Gefühl der Angst vor Fehlern geschaffen – so versteht man die biedere Langweiligkeit, die Kanada in den letzten Jahren versprüht hat und womöglich auch die widerstandslose Implosion gegen Australien vor einem Jahr, als man mit einem 0:4-Debakel aus der WM-Vorrunde gekickt worden ist.

Andy Spence aber, der zunächst mal interimistisch das Trainer-Amt übernommen hat, verbreitete sofort eine positive Atmosphäre nach dem Motto „Zeigt, was du kannst“. Im Wissen, Frankreich besiegen zu müssen, taute man nach einer Stunde merklich auf, suchte seine Chance und gewann tatsächlich noch. Einen Sieg gegen Kolumbien später stand Kanada im Viertelfinale und spielte dort auch Deutschland, je länger das Spiel lief, immer mehr an die Wand. Im Elfmeterschießen endete die Reise dann.

Diese Transformation innerhalb von kaum mehr als einer Woche – von einem Paria der Frauenfußball-Welt zu einem immer mitreißender wirkenden Team, mit dem man mitfieberte – ist ziemlich einzigartig. Dem Schwung dieser Ausnahmesituation in etwas Längerfristiges mitzunehmen, wird eine Herausforderung sein, denn immer noch leidet der Verband unter Geldnot und für Kanada steht nun lange kein ernsthaftes Turnier mehr an. Nächstes Jahr startet mal die neue, eigene Liga.

Japan und Kolumbien: Guter Eindruck mit Schwachpunkten

Die Nadeshiko war letztes Jahr bei der WM der Liebling der neutralen Zuseher aufgestiegen: Unglaublich gut aufeinander abgestimmt, extrem clever, schnell im Kopf und flink mit den Beinen; im entscheidenden Moment fehlte die routinierte Abgeklärtheit. Nun waren all diese Elemente wieder zu sehen: Japan presste Spanien an und sorgte beim Weltmeister für Bauchweh, stellte Brasilien vor nahezu unlösbare Aufgaben. Allerdings: Jeweils nur eine Stunde lang.

Denn Japan, wo längst auch das Gros der Truppe in den europäischen Top-Ligen spielt, schien für dieses vor allem im Kopf sehr anstrengende Spiel nie mehr Luft als eine Stunde zu haben. Dann wurde die Intensität geringer, die Laufwege ungenauer und die Kontrolle über das Spiel ging verlustig. Gegen Spanien verlor man noch, gegen Brasilien musste eine Willensleistung her, ehe man gegen ein harmloses Nigeria schon zur Pause hoch genug führte, um den Sieg noch zu gefährden.

Im Viertelfinale gegen die USA stellte man sich ganz tief rein, ließ das kontrollierte US-Spiel über sich ergehen und baute darauf, dass man den Amis keine Lücke anbot. Die Momente, in denen man das Spiel ein wenig an sich reißen hätte können, ließ Japan passiv verstreichen und in der Verlängerung schlug es dann halt doch noch ein. Für Japan war dieses olympische Turnier ein Bestätigung dessen, dass man mit cleverem Spiel jedes Team der Welt fordern kann – dass aber, wenn es hart auf hart kommt, in einer K.o.-Partie gegen ein routiniertes Team doch der Killerinstinkt (noch?) fehlt. Der japanische Verband jedenfalls ist nicht überzeugt davon, dass Futoshi Ikeda diese Fähigkeiten vermitteln kann, und verweigerte ihm die Vertragsverlängerung.

Kolumbien war letztes Jahr im WM-Viertelfinale, jetzt im Olympia-Viertelfinale und dort war man drauf und dran, Spanien aus dem Turnier zu kegeln. Was war dieses Turnier für Kolumbien: Der endgültige Durchbruch als Team, das an ein Semifinale anklopft oder ist man doch nur ein Team der zweiten Reihe, dass einen Großen nerven kann, wenn alles passt – aber nicht wirklich eine Mannschaft, die ernsthaft behaupten kann, schon fast zu den Großen zu gehören?

Denn, nüchtern betrachtet, hat Kolumbien ein einziges Spiel gewonnen und das war ein nie gefährdeter, aber eben auch pflichtgemäßer 2:0-Erfolg über Neuseeland. Ja, man sorgte bei Frankreich für Panik – aber erst, nachdem man schon 0:3 im Rückstand lang. Ja, man hielt gegen Kanada mit – verlor aber dennoch. Kolumbien hat eine unspektakuläre, aber solide Defensive und eine flinke Offensivabteilung, hat mit Caicedo ein technisch ungemein versiertes Wunderkind in den eigenen Reihen. Dank der vielseitigen Catalina Usme – die am Flügel, ganz vorne und auch auf der Sechs spielte – konnte man sich auch um die Zwei-Spiele-Sperre von Chelsea-Stürmerin Mayra Ramírez herumschummeln.

Wenn es bei Kolumbien läuft, lauft das Bällchen schnell, zu schnell definitiv für Neuseeland, im Umschalten auch zu schnell für ein etwas hühnerhaufig gestaffeltes Spanien an diesem Tag. Aber Kolumbien fehlt einfach massiv die Kadertiefe. Ab dem zweiten, spätestens dem dritten Wechsel ist das Leistungsgefälle schon massiv. Als Spanien in der Nachspielzeit zum 2:2 ausglich, war eigentlich schon klar, dass Kolumbien in einer Verlängerung nichts mehr zuzusetzen hat.

Aber hey, wenn man bedenkt, dass man nach der verpassten WM-Quali für 2019 Sorge haben musste, dass Kolumbien in der Bedeutungslosigkeit versinkt, sind das ja Luxusprobleme. Man kann angesichts des Auftritts im Viertelfinale mit Optimismus aus diesem Olympia-Turnier rausgehen.

Australien und Neuseeland: Eine 6:5-Achterbahn mit Folgen und ein Team ohne jede Offensiv-Qualität

Welche Spiele werden von diesem Turnier in Erinnerung bleiben? Man muss ehrlich sein, es sind nicht viele. DAS Spiel des Turniers – und ein Spiel, auf das man noch lange verweisen wird – war natürlich das komplett absurde 6:5 von Australien gegen Sambia. Sechs zu fünf.

Zum Auftakt lief der Halbfinalist von Olympia 2021 und Heim-WM 2023 in ein 0:3 gegen Deutschland, früh im Rückstand und dann kein Mittel gefunden, nicht gut, aber kein existenzielles Drama. Dann aber ließ Tony Gustavsson seine langsame Abwehr gegen die gefürchtet schnellen sambischen Konterstürmerinnen tief stehen, während der Rest vorne ein Spiel zu gestalten versuchte. Und man kassierte ein Gegentor nach dem anderen.

Nach 40 Sekunden versuchte Banda halb aus der Not einen Schuss aus 30 Metern, traf genau, 0:1. Schlechte Restverteidigung bei einem Kundananji-Konter, 1:2. Arnold vertut sich bei einer Ecke, Banda trifft per Drehschuss aus seltsamem Winkel, 1:3. Hunt drischt den Ball beim Klärungsversuch genau Banda auf den Körper, die kann sich gegen das Tor gar nicht wehren, 2:4. Kundananji völlig frei bei Freistoß, 2:5. Der Gag war, dass Australien Chancen am laufenden Band hatte, aber ein bescheuertes Tor nach dem anderen fing. Man schob danach die Abwehr weiter nach vorne, gab weniger Räume her und nützte doch noch ein paar Möglichkeiten, gewann 6:5, aber der Schaden war angerichtet.

Tabellarisch, weil man einen höheren Sieg gebraucht hätte, um als Dritter mit drei Punkten durchzuschleichen. Vor allem aber im Kopf. Verschreckt und verschüchtert bibberte man sich ins Match gegen die USA, ultra-defensiv in einem 5-4-1, und man kam nicht mal aus dem Schneckenhaus, als man nach dem Rückstand eigentlich ein Remis jagen hätte müssen. Sang- und klanglos schied Australien aus und so endet nach vier Jahren die im Ganzen dennoch sehr erfolgreiche Ära des schwedischen Tillies-Trainers. Dieser Misserfolg – ohne die verletzte Stürmerin Sam Kerr, die halt nicht zu ersetzen ist – ist ärgerlich, sollte aber den ungemein positiven Einfluss Gustavssons auf das australische Team nicht vergessen lassen.

Der ozeanische Nachbar und WM-Co-Gastgeber Neuseeland hätte einem mental zerzausten kanadischen Team zum Start beinahe einen Punkt abgetrotzt, aber was folgte, war dann doch wieder, was man von Neuseeland gewohnt ist. Die Ferns kommen auf einen Expected-Goals-Wert von 0,7 – in allen drei Gruppenspielen addiert, wohlgemerkt.

Michael Mayne, der die nach internen Vorkommnissen suspendierte Teamchefin Jitka Klimková ersetzte, hat eine Defensive auf durchaus vorzeigbarem, durchschnittlich-gutem internationalen Niveau zur Verfügung: Anständige Mittelklasse, durchaus auf der Höhe – xGA von 1,8 pro Spiel, immerhin Platz acht im Turnier. Aber davor ist halt einfach überhaupt nichts da. Aus dem Mittelfeld kommt schon nichts Brauchbares in die gegnerische Hälfte, geschweige denn ins Angriffsdrittel – und selbst wenn, sind die zur Verfügung stehenden Stürmerinnen international nicht mal zweitklassig.

Dass man damit sogar zwei Tore geschafft hat – einmal nach einer Ecke, einmal ein Weitschuss nach Einwurf – ist aller Ehren wert. Aber wenn man früher das Gefühl hatte, es wäre mit Leuten wie Wilkinson, Hassett, Percival, Riley und Erceg ein wenig mehr im Team drin, wenn es sich nur trauen würde, ist die traurige Wahrheit ein Jahr nach der Heim-WM: Für mehr als sich nicht zu blamieren reicht die Substanz einfach nicht.

Nigeria und Sambia: Sechs Spiele, sechs Niederlagen, aber hier stehen andere Dinge im Fokus

Drei afrikanische Teams waren letztes Jahr im WM-Achtelfinale. Nigeria hatte Kanada eliminiert, Südafrika hatte Italien nach Hause geschickt und für Marokko war ein Erfolg gegen Kolumbien entscheidend. Nun bei Olympia heißt die bittere Wahrheit für das afrikanische Duo: Kein einziger Punktgewinn und niemand war an einem Überstehen der Vorrunde auch nur nahe dran.

Unterhaltsamer war Sambia, keine Frage. Barbara Banda und Rachel Kundananji, für die die US-Profiklubs aus Orlando und San Jose ein Vermögen bezahlt haben, sorgten zumindest bei Australien schon mit ihrer schieren Anwesenheit für Angst und Schrecken. Gegen die Matildas machte man aus sehr wenig ziemlich viel, musste aber froh sein, „nur“ sechs Gegentreffer bekommen zu haben, und nicht zehn oder zwölf. Denn diese Abwehr, ojemine, das hat mit internationalem Format so gar nichts zu tun.

Gegen das defensiv-stabile US-Mittelfeld kam Sambia kaum aus der eigenen Abwehr heraus und Deutschland hatte man spätestens nach dem zweiten Gegentreffer nichts mehr entgegen zu setzen. Stamm-Torhüterin Hazel Nali ist mit Kreuzbandriss out, Vertreterin Ngamo Musole griff diverse Male daneben. Auch ihren Vorderleuten ging es rasch mal zu schnell. Sambia sammelte in den drei Matches einen Expected-Goals-Against-Wert von sagenhaften 12,0 (!!!) an – fast doppelt so viel wie das Team mit der zweitschlechtesten Abwehr.

Das Team aus Nigeria hat seine Schwächen im Vorwärtsgang. Zum Auftakt gegen Brasilien durfte man sich ein wenig als unglücklich betrachten, aber ausnützen konnte man die offenbarten Räume zwischen den brasilianischen Linien auch nicht – 0:1. Gegen Spanien verbarrikadierte man 85 Minuten lang eisern den eigenen Strafraum, schoss nur einmal ernsthaft auf das Tor, fing sich dann ein Freistoß-Gegentor.

Ein Weiterkommen war da eh schon nicht mehr realistisch, es setzte noch ein 1:3 gegen Japan, was soll’s. Beide afrikanischen Teams waren (gemeinsam mit Neuseeland) im vierten Topf, da hat man es halt nur mit objektiv besseren Teams zu tun. Wir können darüber reden, dass Nigeria ja schon eigentlich eine gewisse Qualität auch vor der Abwehr hat, aber afrikanische Teams muss man halt leider immer noch mit anderen Gesichtspunkten beurteilen als andere.

Denn während in Kanada eine Bev Priestman sofort eliminiert wurde, in der NWSL (oft zu spät, aber doch) übergriffige Trainer ihre Jobs los sind, in Spanien nach dem WM-Titel den Männerbünden im Verband ihr Verhalten um die Ohren geflogen ist und Klimková in Neuseeland suspendiert wurde, ist in Sambia der Lustmolch Bruce Mwape halt immer noch Trainer. Nicht mal, dass die französischen Behörden ihm bis zur letzten Minute das Visum verweigerten und er keinen privaten Kontakt zum Team haben durfte, war für den sambischen Verband ein Entlassungsgrund. In sambischen Medien wird Mwapes Ablöse gefordert – aber nicht wegen der ihm zur Last gelegten sexuellen Übergriffe, sondern weil man das Spiel gegen Australien noch verloren hat.

Und bei Nigeria kann man selbstverständlich über die (oft allzu) vorsichtige Spielweise von Waldrum sprechen und das Fehlen von eingespielten Angriffszügen und den Unterschied, den es im Spielweise, Positionierung und Passrouten gibt, wenn die Weltklasse-Konterspielerin Oshoala am Feld ist oder nicht. Nur: Waldrum war in den letzten Jahren eben auch die Lebensversicherung für das Team in Form eines Schutzschildes gegen den nigerianischen Verband, der dem Frauen-Team bei jeder Gelegenheit Knüppel in die Speichen schiebt, strukturell ebenso wie finanziell.

Waldrum ist erfolgreich Trainer in Amerika, beim Universitäts-Team von Pittsburgh, er ist auf den Job in Nigeria in keinster Weise angewiesen. Die Spielerinnen sind aber darauf angewiesen, das ein starker, resilienter und dickhäutiger Trainer ihnen den Rücken gegen die internen Querschüsse frei hält – ob das Angriffsspiel nun klappt oder nicht, ist leider eher zweitrangig.

Bitte mehr Teams und größere Kader, bitte weniger Nachspielzeit

Die Aufnahme des Frauenfußballs ins olympische Programm 1996 hat dem Sport eine entscheidende Glaubwürdigkeit verliehen, bis heute ist der Stellenwert eines Olympiasieges sehr hoch. Diskussionen, ob der Sport im Zeichen der fünf Ringe eine Zukunft hat, sind also überzogen. Allerdings: Über die Form kann, soll, muss man reden.

Die FIFA will das Turnier sehr wohl erweitern, von 12 auf 16 Teams (wie bei den U-23-Männern) und auf mehr als 18 Spielerinnen im Kernkader. Das IOC blockt diese beiderseitig sinnvolle Vergrößerung mit dem „da könnten das andere ja auch wollen“ kategorisch ab. Die fußballerische Qualität ist durch den extrem engen Terminplan (der ja verständlich ist) längst nicht so hoch wie bei einer WM. Da das Turnier in der öffentlichen Wahrnehmung unter 328 anderen Medaillen-Entscheidungen eher untergeht, ist ein „das ist keine Werbung für den Sport“ kein echtes Argument.

Aber man würde sich schon wünschen, dass ein Finalist nicht im Endspiel eine verletzte Spielerin einwechseln muss, weil sonst einfach niemand mehr da ist. Brasilien ist das so ergangen. Brasilien war auch der größte Leidtragende der alle Rahmen sprengenden Nachspielzeiten, welche die FIFA bei ihren Matches sehen will. Im Schnitt dauerten die 26 Partien nämlich 103 Minuten und 30 Sekunden.

Bei fünf der acht Spiele mit der meisten Nachspielzeit war Brasilien beteiligt. Der Vergleich mit der diesbezüglich sehr angenehmen EM verdeutlichte einmal mehr, was für ein kompletter Blödsinn das mit den Ewig-Nachspielzeiten ist – gerade bei einem Turnier mit so wenig Regenerationszeit und so kleinen Kadern. Das Gruppenspiel zwischen Brasilien und Spanien bekam 10 Minuten in der ersten und 19 Minuten in der zweiten Hälfte obendrauf.

Seriously, was soll das.

So geht es weiter

In Europa ist im Sommer 2025 die EM in der Schweiz, im Oktober und November werden die zwei Playoffrunden dafür gespielt. Österreich trifft zunächst auf Slowenien und im (wahrscheinlichen) Erfolgsfall in Entscheidungsspielen vermutlich auf Polen.

Afrika wird im kommenden Sommer, parallel zur EM, jene Kontinentalmeisterschaft nachholen, die eigentlich für 2024 geplant war, für die man aber in diesem Jahr keinen Platz im Kalender gefunden hat. Auch in Südamerika geht zeitgleich die Copa América Femenina über die Bühne, und zwar in Brasilien quasi als Testlauf für die WM 2027. Letztmals soll dieses danach zweijährig ausgetragene Event gleichzeitig die WM-Quali sein, für 2031 will die Conmebol auf eine eigene Quali wie bei den Männern umstellen.

Im Sommer 2027 steigt eben die WM in Brasilien und um die nächste Goldmedaille geht’s dann im Rahmen der Spiele von Los Angeles 2028 – allerdings nicht verteilt im ganzen Land, sondern beschränkt auf Kalifornien. Ob dann schon 16 statt 12 Teams mitmachen dürfen? Lieber nicht drauf wetten.

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