Blamage, Peinlichkeit, Banktrotterklärung – wie auch immer man das Ausscheiden von Meister Salzburg gegen den Fußballzwerg aus Luxemburg nennen will, Fakt ist: Die Bullen haben sich das früheste europäische Aus der Klub-Geschichte komplett selbst zuzuschreiben. Weil dem Auftritt neben vielen anderen Aspekten vor allem eines fehlte: Professionalität.
Es trifft den österreichischen Fußball in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen. Landskrona 1990. Die Schmach von Riga 1995. Der Kegelabend von Valencia 1999. Das Trauerspiel von Tiraspol 2003. Und vor zwei Jahren waren sieben von jenen Salzburgern, die sich diesmal gegen Dudelange blamiert haben, schon in Tórshavn live dabei.
Tempo? Gab’s nicht.
Drei Tage nach dem wirklich starken Auftritt bei Sturm Graz fehlte es den Bullen eigentlich an allem. Am auffälligsten war aber wohl die völlige Abwesenheit jeglichen Tempos. Pressing, wie es noch gegen Sturm ein äußerst probates Mittel war, konnte man in diesem Spiel nicht einsetzen – gegen wen auch. Die Luxemburger hatten ja kaum einmal den Ball, sondern waren darauf bedacht, sicher zu stehen und vor allem die Mitte zuzumachen.
Die Salzburger schoben sich nur bedächtig den Ball hin und her. Wer nicht gerade am Ball war, bewegte sich auch nicht – oft lief der Pass-Empfänger erst los, wenn der Pass schon geschlagen war und er merkte, dass er wohl als Ziel des Passes gedacht war. Was es den Luxemburgern nicht gerade schwer machte. Was zudem Soriano gegen Sturm noch hervorragend machte, also mit unberechenbaren Laufwegen Löcher zu reißen, gelang Maierhofer überhaupt nicht. Die Luxemburger wussten, dass sie von Maierhofer keine außergewöhnlichen Laufwege zu befürchten hatten und beschränkten sich erfolgreich darauf, den Langen zu nerven.
Breite? Gab’s nicht.
Das extrem statische und extrem langsame Aufbauspiel wurde zudem von einem weiteren, elementaren Fehler begleitet: Nicht vorhandener Breite im Spiel. Die Salzburger Außenverteidiger Schwegler und Ulmer standen nicht hoch genug und kamen auch viel zu selten mit Tempo nach vorne, um die Abwehr der Luxemburger auseinander zu ziehen und so für die schnellen Spieler im Mittelfeld Räume zu schaffen. Außerdem deutete Teigl zwar ein zwei Szenen an, dass er Dudelange-RV Bryan Melisse problemlos davonlaufen kann. Dieser allzu offensichtliche Vorteil wurde aber nie mehr konsequent angebohrt.
Doch selbst wenn ein Salzburger auf den Flügeln mal wirklich nach vorne ging, wurde er nicht ins Spiel eingebunden. Alles klumpte sich im Zentrum zusammen, wo Sechser Jean-Sébastien Legros Salzburg-Zehner Hierländer zuweilen in Manndeckung nahm und die restlichen Verteidiger die ohnehin schon engen Räume, in die sich die Bullen hinein manövrierten, problemlos noch enger machen konnten.
So kannten sich die Salzburger entweder 25 Meter vor dem Tor fest, oder sie schoben sich die Kugel so lange knapp vor der Mittellinie hin und her, bis einer die Geduld verlor und einen langen Ball nach vorne drosch. Der seinen Abnehmer praktisch nie fand.
Defensive Sicherheit? Gab’s nicht.
Wenn man schon nach vorne nichts zusammen bringt, sollte man zumindest hinten nichts anbrennen lassen. Gelang dem österreichischen Meister aber auch nicht. Denn Ulmer und vor allem Schwegler standen zwar nicht hoch genug, um nach vorne eine Relevanz zu haben. Eine Umschaltbewegung nach Ballverlust war, besonders auffällig bei Schwegler, aber nicht zu erkennen. Immer wieder lief Benzouien und Da Mota (vor allem ersterer, die beiden rochierten immer wieder) im Rücken der Außenverteidiger davon. Wie etwa beim 1:0.
Desolat, unterirdisch, katastrophal – man kann sich für den Rechtsverteidiger aus der Schweiz ein Wort aussuchen. Trainer Schmidt muss sich vorwerfen lassen, Schwegler 75 Minuten lang (!) auf dem Feld belassen zu haben. Nur: Deutlich besser machte auch Ulmer seine Sache nicht. Nach vorne war er ähnlich wirkungslos wie Schwegler, nach hinten ähnlich anfällig. Wie er sich beim zweiten Gegentor austanzen ließ, geht eigentlich gar nicht.
Adäquates Zweikampfverhalten? Gab’s nicht.
Wie sehr die Salzburger offenbar trotz der 0:1-Niederlage im Hinspiel glaubten, mit Larifari-Fußball noch weiter zu kommen, wurde durch das Zweikampfverhalten deutlich. Denn ein solchen gab es de facto nicht: Es wurde immer ein Sicherheitsabstand zum Gegenspieler eingehalten, es gab vor allem gegen den Ball praktisch niemanden, der mal ein 1-gegen-1 annahm. Das war geradezu eine Einladung an die Luxemburger (wiewohl in der Start-Elf nur vier solche waren, neben fünf Franzosen, einem Belgier und einem Marokkaner), ihre Chance zu suchen.
Und auch zu nützen. Das Tor zum 1:0 war ein blitzsauberer Konter in den Rücken der aufgerückten Defensive, beim 2:2 ließen sich Ulmer und Hinteregger etwas gar billig austanzen und dem 3:2, an sich ein wunderschöner Weitschuss, ging ein komplett unqualifizierter Befreiungsschlag von Schwegler nach einer Ecke voraus.
Schwächen beim Gegner nützen? Gab’s nicht.
Dabei war schon vorher immer wieder offensichtlich geworden, dass man es hier wahrlich mit keiner Wundermannschaft zu tun hatte. Den Platz, den man den im Rücken von Dudelange-RV Prempeh (wann gab’s das im Spiel sonst? Nie!) entwischten Jantscher beim 1:1 gewährte, ebenso wie das eher schleißige Verteidigen des Eckballs zum 2:1 (das regulär war, angelegter kann ein Arm nicht sein). All diese offensichtlichen Schwächen wurden in keinster Weise ausgenützt.
Stefan Maierhofer (dessen auf außerst unbeholfene Art und Weise vermurkste Torchance vor der Pause als Symbolbild herhalten kann) musste angeschlagen in der Kabine bleiben, er wäre aber nach einer wirklich grausigen Partie ohnehin fällig gewesen. Christoph Leitgeb konnte überhaupt keine Akzente setzen. Jantscher und Teigl turnten viel zu viel in der Mitte herum.
Kühler Kopf, wenn er nötig gewesen wäre? Gab’s nicht.
Dass man tatsächlich ausscheiden könnte, schien die Mannschaft erst nach dem 2:3 tatsächlich begriffen zu haben. Erst da ging man endlich auf die zuvor verschmähten Außenbahnen ein, machte das allerdings nicht besonders gut: Denn zwischen dem Spieler, der an der Seitenlinie den Ball hatte und der nächsten Anspielstation standen zuweilen drei Luxemburger, die einen sinnvollen Ausgang der Situation verhinderten.
Auch der wirklich selten dämliche Ausschluss von Sofian Benzouien änderte am Spiel nichts. Logisch: Weil sie wussten, dass sie sich zwei Gegentore erlauben konnten, zogen sich die Luxemburger nach ihrer 3:2-Führung endgültig zurück und warteten, dass die Zeit vergeht. Natürlich wurde in einem tief stehenden 4-4-1 weiter verteidigt.
Bei den Salzburgern ging Innenverteidiger Hinteregger nun zum für Maierhofer eingewechselten Cristiano in die Spitze, flankert von Jantscher und Teigl, mit Zárate (war für Leitgeb gekommen) etwas dahinter. Planvollen Aufbau und kühlen Kopf suchte man bei den Bullen aber weiterhin vergeblich. Genauso wie es immer noch nicht gelang, Löcher in den Abwehrverbund der Luxemburger zu reißen – wie auch, wenn sich alles im Strafraum zusammen zieht.
Und trotz der miserablen Leistung war nach einem Elfertor und einem Zárate-Tor nach ausnahmsweise gut herausgespielter Aktion der Aufstieg für Salzburg noch zum Greifen nahe. Über zehn Minuten hatte man für ein Tor Zeit. Aber die Brechstange führte nicht mehr zum Erfolg: Zu ungenau blieben die Pässe, zu unkoordiniert das Angriffsspiel. Zu harmlos die ganze Mannschaft.
Fazit: Eine Frage der Professionalität
Letztlich, und das ist das eigentlich Traurige an der ganze Sache, stehen die Luxemburger nicht unverdient in der nächsten Runde. Nicht, weil sie die besseren Fußballer gehabt hätten. Aber sie haben es geschafft, ihr ganzes Leistungsvermögen abzurufen und zweimal am Tag X voll da zu sein. Obwohl das eine Truppe aus Amateuren ist: Das ist ein Zeichen von Professionalität.
Die den Salzburgern gefehlt hat. Wohl schon im verlorenen Hinspiel, von dem ja nichts zu sehen war. Aber vor allem im Rückspiel. Denn wenn man sich schon bei einem individuell ganz deutlich unterlegenen Team ein 0:1 im Hinspiel abholt, muss man wenigstens im Rückspiel danach trachten, die Verhältnisse gerade zu rücken. Doch genau das passierte nicht. Im Gegenteil: Die Körpersprache, der Einsatzwille, das ultra-langsame Aufbauspiel – das alles sagte: Wir sind eigentlich besser und das wird schon gehen. Ganz wurscht, wie wenig wir zeigen.
Wenn man so will, passt es durchaus zur generell schrecklichen letzten Saison, dass sich ihr Meister auf diese Art und Weise aus dem europäischen Geschäft verabschiedet. Spätestens jetzt werden auch Roger Schmidt und Ralf Rangnick erkannt haben, dass sie mit der Mannschaft an zwei Fronten arbeiten muss:
Zum einen an der Einstellung gegen einen an sich klar schwächeren Gegner. Und zum anderen an einem funktionierenden Konzept, einen tief stehenden Gegner ohne Panik zu knacken. Denn die Konkurrenz in der Bundesliga hat dieses Spiel ohne Zweifel mit gehobenem Interesse verfolgt.
(phe)