Wenn die Europameisterschaft vorbei ist, nähert sich für Österreich wieder der Ernst des Fußballalltags. Leicht wir die Saison für die Europacup-qualifizierten Mannschaften nicht, wie ein erster Blick auf die Setzlisten von Champions League und Europa League verraten. Der Ausfall von Sturm Graz und Austria Wien wiegt schwer auf dem Aufwärtskurs des österreichischen UEFA-Koeffizienten.
Die gute Nachricht: Champions League
Red Bull Salzburg wird auf jeden Fall bis inklusive der letzten Qualifikationsrunde gesetzt sein. Sofern man dorthin kommt (schlimmstenfalls warten in der dritten Runde Teams wie AEK Limassol (CYP) oder NK Maribor (SLO)), stammt der aktuell zu erwartende letzte Gegner vor der Gruppenphase aus dem Quintett Dinamo Zagreb (CRO), Partizan Belgrad (SRB), CFR Cluj (ROM), MSK Zilina (SVK) und Helsingborg IF (SWE). Schlimmer kommt es für den österreichischen Meister sicher nicht.
In der Gruppenphase wären die Salzburger natürlich in Topf 4 gereiht (in der EL wohl Topf 2). Das würde sich nur dann ändern, wenn in der Qualifikation sechs der folgenden acht Teams ausscheiden würden: Dynamo Kiew, FC Basel, Panathinaikos Athen, RSC Anderlecht, Spartak Moskau, FC Kopenhagen, Celtic Glasgow und BATE Borisow.
Amüsantes Detail am Rande: Der österreichische Meister Salzburg (29.2650) startet in die Saison mit einem fast drei Mal so hohen UEFA-Koeffizienten, wie der französische (Montpellier – 11.8350) und einem nahezu ebenso hohen wie der deutsche (Dortmund – 31.037). Der Unterschied: Dortmund und Montpellier sind fix qualifiziert. (Daten)
Die schlechte Nachricht: Europa League
Vizemeister SK Rapid Wien (12.265) hat den besten Koeffizienten der drei startenden Teams. Für die Hütteldorfer reicht das möglicherweise nur in der dritten Runde zu einer Setzung. Neun Teams vor ihnen müssten bis zur vierten Runde ausscheiden, damit dort nicht ein ganz schwerer Brocken wartet. Das Erreichen der Gruppenphase wäre nach aktuellem Stand deshalb eine Überraschung. Von der Papierform her wäre man dort das schwächste Team im niedrigsten Topf.
Für Cupsieger SV Ried (6.765) und die Admira Wacker (5.265) sind die Aussichten natürlich noch düsterer. In der zweiten Runde gehört man zwar noch zum unteren Mittelfeld der gesetzten „Creme de la Creme“, aber soweit absehbar sind beide Mannschaften schon in Runde 3 nicht mehr gesetzt und können dort deshalb schon auf Kaliber wie Liverpool, Inter, Twente, Bilbao und Marseille treffen (die dann in der vierten Runde Rapid zugelost werden könnten). (Daten)
Chance auf leichte Verbesserung in der UEFA Fünf-Jahres-Wertung
Obwohl die Chancen auf die CL-Gruppenphase eines österreichischen Meisters so gut wie lange nicht mehr stehen, wird es für Österreich ganz schwer, in der Fünf-Jahres-Rangliste signifikant weiter nach vorne zu rücken. Der Grund ist, wenn man so möchte, das Scheitern von Sturm Graz und Austria Wien in der nationalen Qualifikation. Diese beiden Teams hätten dank ihrer vergangenen, erfolgreichen Europapokalsaisonen wesentlich bessere Setzwerte mitgebracht und demnach größere Chancen auf einfachere Gegner und mehr Punkte gehabt.
Die Punkte, die erreicht werden, werden weiterhin durch vier geteilt, aber nur zwei Teams haben reale Chancen welche einzufahren. In dieser Saison verliert Österreich nur 3.200 Punkte aus der Saison 2007/8. Diesen bescheidenen Wert zu verteidigen (und für die nächsten fünf Jahre in der Wertung zu fixieren) benötigt also 12.800 Klubpunkte. Das ist realistisch. Es setzt voraus, dass die EL-Starter zumindest ihre „Pflicht“ erfüllen (was zwei Outs in Runde 3 und eines in Runde 4 beinhaltet). Erreicht Salzburg zusätzlich die CL-Gruppenphase (=1 Punkt für Österreich!) oder landet in der EL-Gruppenphase eine ähnlich gute Saison wie im abgelaufenen Jahr (8.4250) (oder besser: 2009/10 (14.8750)), könnte Österreich den Koeffizienten sogar ein wenig aufbessern und über 4, vielleicht 5 Punkte anschreiben.
3.5 bis 6 Punkte wären demnach eine ordentliche bis gute europäische Saison der Bundesligisten. Alles andere dürfte man als höchst erfreuliche Überraschung werten. Platz 12 im Klubranking scheint angesichts dessen plumpe Träumerei. Den 13. bis 15. Platz (und damit den fünften Startplatz, der kommenden Saison hierzulande erstmals wieder vergeben werden kann) gegenüber den Konkurrenten Dänemark, Schweiz Zypern, Israel und Schottland zu verteidigen (die teilweise mit dieser Saison aber mehr Punkte verlieren), ist ein realistisches Ziel. (Daten)
Die Konkurrenz
BELGIEN hat 5 Starter und bekommt dementsprechend die Landespunkte durch 5 geteilt. Verliert nach dieser Saison 4.500 Punkte. Das sind 1.300 mehr als Österreich. Muss 4.775 Punkte Polster auf Österreich erreichen, um vorne zu bleiben.
Meister Anderlecht ist bis in die vierte Qualirunde der CL gesetzt und sollte die Gruppenphase als Topf 3-vielleicht-2-Team erreichen. Für Vize Brügge sieht es schlechter in Sachen CL aus. Das Team ist schon in Runde 3 ungesetzt, sollte aber keine Probleme haben die EL-Gruppenphase zu erreichen. Dort könnte viel belgische Präsenz entstehen. Lokeren hat zwar einen schlechten Koeffizienten, steigt aber erst in Runde 4 ein und müsste nur einmal überraschen. Genk sollte die Gruppenphase erreichen. Gent hat ähnliche Chancen wie Rapid, läge in Runde 4 einen Setzrang (ungesetzt) vor den Hütteldorfern.
Tendenz gegenüber Österreich: Wird keine Probleme haben, den Abstand zu halten.
Die TÜRKEI hat 5 Starter und bekommt dementsprechend die Landespunkte gefünftelt. Verliert nach dieser Saison 9.750 Punkte. Das sind 6.650 mehr als Österreich. Muss 2.700 Punkte mehr im Vergleich zu Österreich erreichen, um vorne zu bleiben.
Es könnte eine gute türkische Europasaison werden. Galatasaray ist fix in der CL-Gruppenphase und dort wahrscheinlich in Topf 3. Vize Fenerbahce muss in der vierten Runde hoffen, unter die Gesetzten zu rutschen. Trabzonspor, Besiktas und Bursaspor sollten allesamt die Europa League Gruppenphase schaffen können. Nur letztere müssen ein wenig um die Setzung in EL-Qualirunde 4 zittern.
Tendenz gegenüber Österreich: Die Türken haben gute Chancen, den Abstand zu vergrößern.
DÄNEMARK hat 5 Starter und bekommt dementsprechend die Landespunkte durch 5 geteilt. Verliert nach dieser Saison 5.125 Punkte. Das sind 2.975 mehr als Österreich. Muss 0.725 Punkte mehr als Österreich erreichen, um nicht überholt zu werden.
Spannende Zeiten für die Dänen. Man ist gerade aus den Top 12 rausgerutscht, könnte mit etwas Glück aber trotzdem zwei Mannschaften in die Champions League bringen. In diesem Jahr hat man noch einen fixen CL-Vertreter. Durch den überraschenden Meistertitel des FC Nordsjaelland hat ein Team diesen und die dazugehörigen vier Qualifikationspunkte eingesackt, mit dem man nicht unbedingt rechnen konnte. In der CL werden nicht zu viele Punkte dazu kommen. Für die könnte der in der Meisterschaft gestolperte FC Kopenhagen sorgen. Er wird es im Nicht-Meister-Weg nicht leicht haben, aber zumindest in allen Qualirunden gesetztn sein. In der Europa League droht dafür ein ähnlicher Totalausfall wie bei Österreich. Traditionsklubs wie Bröndby, Odense oder Alborg haben gepatzt und den Europazug verpasst. Die stattdessen qualifizierten Vereine haben ähnliche Koeffizienten wie Admira und Ried, starten in Qualirunde 2, 3 und 4.
Tendenz gegenüber Österreich: Enge Sache, die österreichische Chance lebt.
Die SCHWEIZ hat 4 Starter und bekommt dementsprechend die Landespunkte geviertelt. Verliert nach dieser Saison 6.250 Punkte. Das sind 3.050 mehr als bei Österreich. Muss 2.575 Punkte mehr als Österreich machen, um vorne zu sein.
Der FC Basel ist durchgesetzt. Ob der Meister die CL erreicht, hängt wohl vor allem von einem einigermaßen brauchbaren Transfersommer ab – etwa vom Verbleib von Leuten wie Dragovic und dem Ersatz für Kicker wie Shaqiri. Sollte man scheitern, wäre man ein großer Name in der EL. Dort haben die Young Boys Bern beste Chancen auf die Gruppenphase. Die Koeffizients-Ärmlinge Luzern und Servette Genfe werden es hingegen schwer haben.
Tendenz gegenüber Österreich: Österreich sollte knapp vorbeiziehen können.
ZYPERN hat 4 Starter und bekommt dementsprechend die Landespunkte durch 4 geteilt. Verliert nach dieser Saison 2.666 Punkte. Das sind 0.534 mehr als bei Österreich. Muss 0.292 Punkte mehr als Österreich erreichen, um vorne zu sein.
Das Jahr 1 nach dem APOEL-Nikosia-Wunder wird ein schwieriges. Meister Limassol wird es wohl sogar schwer haben, in die Europa League-Gruppenphase vorzustoßen. Cupsieger Omonia Nikosia hat ähnlich schlechte Karten. APOEL Nikosia wird dort hingegen wahrscheinlich als Topf 2-Team einziehen. Anorthosis Famagusta könnte folgen und in Topf 3 landen. Ob diese Klubs wieder überperformen, wird die Richtung in der Fünfjahreswertung vorgeben.
Tendenz gegenüber Österreich: Zwischen enger Sache und zypriotischem Rückfall.
ISRAEL hat vier Starter und bekommt dementsprechend die Landespunkte durch vier geteilt. Verliert nach dieser Saison 2.375 Punkte. Das sind 0,825 weniger als bei Österreich. Muss 3.500 Punkte mehr erreichen, um vor Österreich zu laden.
Schon einmal von Hapoel Kiryat Shmona, Bnei Yehuda und Maccabi Netanya gehört? Nein? Keine Schande, denn alle drei laufen in der UEFA-Wertung praktisch unter „Niemandsland“. Ersteres Team ist aber sogar Meister und ebenso wie die anderen beiden könnte es nur mit großen Überraschungen die Europa League-Gruppenphase erreichen. Dort muss man allerdings mit Hapoel Tel-Aviv rechnen. Die in den letzten Jahren starke Mannschaft steigt gesetzt in EL-Qualirunde 4 ein.
Tendenz gegenüber Österreich: Selbst wenn die Saison ziemlich gut für die Israelis läuft, sollte der Abstand eher gleich bleiben.
SCHOTTLAND hat fünf Starter und bekommt dementsprechend die Landespunkte durch fünf geteilt. Verliert nach dieser Saison 10.250 Punkte. Das sind 7,5 mehr als bei Österreich. Muss 12.234 Punkte mehr als Österreich erreichen, um sich zu behaupten.
Die Rangers sind als Serienmeister Pleite und spielen trotz zweitem Platz nicht mit. Meister Celtic feiert gerade auch nicht seine besten Zeiten. Gesetzt sind die Glasgower allerdings in jeder CL-Runde, was die Hearts, Dundee und St. Johnstone nicht von sich behaupten dürfen. Alle Hoffnung des Landes ruht abermals auf den Kleeblättern.
Tendenz gegenüber Österreich: Keine Chance für die Schotten.
Kein Leiberl im Ranking-Wettbewerb mit Österreich dürften auch RUMÄNIEN (Verlust starker Saisonen und 5 Starter von denen nicht viele die EL erreichen dürften) und TSCHECHIEN (zuviel Rückstand, Verlust einer besseren Saison und nur zwei Teams haben reelle Chancen auf die EL-Gruppenphase) haben.
Fazit
Obwohl die österreichische Saison keine breite Teilnahme am internationalen Herbst verspricht, stehen die Chancen dank Meister Salzburg gar nicht so schlecht, dass Österreich den fünften Startplatz halten kann. Der Grund liegt darin, dass so ziemlich alle dafür relevanten Konkurrenznationen schwierige Phasen durchleben. An sich wäre das eine gute Phase, um mit eine starken Saison einen Polster für kommende Jahre zu schaffen, aber für die restlichen qualifizierten Teams wird es schwer, das zu erreichen. Das ist freilich nicht ihre Schuld. Für sie muss das Motto sein, das Optimum herauszuholen und den eigenen Koeffizienten für die Zukunft zu verbessern (wo eben selbst eine Rückkehr der „Big 4“ noch Platz für einen fünften Europa-Mitstreiter lassen würde).
Es dürfte aus österreichischer Sicht ein Herbst werden, in der alle Hoffnung und Aufmerksamkeit auf Salzburg (und ein bisschen auf Losglück für Rapid) liegt. Nur schwer patzen dürfen die Mozartstädter auf keinen Fall, sonst droht in bitterer Absturz.