Das große Ziel heißt Schweden: Zum Start in die EM-Quali für die Euro2013 im Norden Europas traf das ÖFB-Frauen-Nationalteam auf den wohl direkten Konkurrenten um den Playoff-Platz Tschechien. Der Ausgleich von Kapitänin Marlies Hanschitz, bei dem sie sich eine heftig blutende Nase geholt hatte, rettete Österreich das wichtige 1:1.
Nach der WM ist vor der EM – das gilt natürlich auch bei den Frauen. Nach der medial so breit gespielten Weltmeisterschaft in Deutschland, bei der sich Japan erstmals den Titel holen konnte, startet nun die Qualifikation für die Euro2013 in Schweden, mit dem selben Modus wie beiden Männern: Gruppensieger und bester Zweiter fix dabei, die restlichen Zweiten spielen Playoff. Und genau dieser zweite Platz ist das Traumziel der ÖFB-Auswahl, bei der Dominik Thalhammer (der das Amt vom verstorbenen Ernst Weber übernommen hat) in seine erste Quali als Teamchef startet.
Denn Gruppenfavorit Dänemark wird wohl für alle unantastbar bleiben. Dahinter streiten sich Tschechien (Topf 2), Österreich (Topf 3) und Portugal (Topf 4) um den Playoff-Platz. Armenien wird normalerweise acht vernichtende Niederlagen einstecken, die erste gab’s im Parallelspiel mit dem 0:8 gegen Portugal. Diese Konstellation heißt auch: Schon in diesem ersten Spiel ist verlieren eigentlich verboten; wenn man ein ernsthaftes Wort um den zweiten Platz mitreden will, darf man das Heimspiel (im oberösterreichischen Vöcklabruck ausgetragen) gegen das Topf-2-Team nicht ohne Punktgewinn absolvieren.
Flexible Formation
Dominik Thalhammer setzte auf ein recht klassisches 4-4-2, in dem sechs Deutschland-Legionärinnen in der Startelf standen. Deutlich komplizierter stellte sich das System seines tschechischen Gegenübers Vladimír Hruška dar. Seine Grundformation war zwar auch ein 4-4-2, aber hier verschob die Abwehrkette so weit, dass das mitunter schwer nach einer Dreierkette (Sedláčková, Pincová, Vyštejnová) aussah, in der Mocová und Krůzová die Wing-Backs gaben.
So schafften es die Tschechinnen, die Flanken defensiv gut zu kontrollieren und im Zentrum gegen das ÖFB-Sturmduo Burger/Fischer immer Überzahl zu haben. Hinzu kam, dass sich Lucie Martínková, an sich im Angriff aufgestellt, auf den linken Flügel orientierte, um vor dem linken De-facto-Wingback einerseits abzusichern und sich andererseits als Anspielstation anzubieten.
Aus dieser Formation heraus entwickelten die Tschechinnen die größte Gefahr. Weil es bei Österreich nicht funktionierte, die Flanken defensiv gegenseitig abzusichern: Gingen Hanschitz und Gröbner mit nach vorne, fühlte sich weder die jeweilige Innenverteidigerin noch der Sechser für die Absicherung zuständig. So gelang es den Tschechinnen nach Ballgewinn immer wieder, schnell in den Rücken der Außenvertedigerinnen zu kommen; vor allem Voňková stellte das ÖFB-Team hier vor große Probleme. Ihre extrem knapp vor das Tor gezogenen Flanken sorgten immer wieder für Zittern.
Höheres Tempo bei Tschechien
Das selbe Problem ergab sich auch, wenn Hanschitz und Gröbner gegen den Ball einrückten – da waren die österreichischen Mittelfeld-Außen Feiersinger und Ruiss oft nachlässig, wodurch auch hier die Tschechinnen immer wieder bis zur Grundlinie durchgehen konnten.
Das Team aus Tschechien war in der ersten Halbzeit nicht um Klassen besser, aber das höhere Tempo und die größere Passgenauigkeit hatte der leichte Favorit durchaus auf seiner Seite; ein Tor für den Gegner schien immer ein wenig wahrscheinlicher als eines vom ÖFB-Team. Am nähesten zur Torerfolg kam Tschechien bei einem Schuss der (sonst in der Vorwärtsbewegung äußerst zurückhaltenden) Linksverteidigerin Petra Vyštejnová, die aus 20 Metern das Aluminium traf. Die Österreicherinnen durften mit dem Pausenstand von 0:0 nicht unglücklich sein.
Mehr Mut nach dem Seitenwechsel
Das Problem im Spiel nach vorne beim österreichischen Team war nicht nur die geschickte Abwehrarbeit des Gegners, sondern auch, dass bei Ballgewinn in der eigenen Hälfte die beiden Angreiferinnen vorne ein zu großes Loch zum Mittelfeld rissen und so oft nur mit langen Bällen anspielbar waren. So war es kaum gelungen, sich schnell vorne festsetzen zu können und eine eventuelle Unordnung zu nützen.
Das war nach der Pause besser: Nicht nur, das das zentrale Mittelfeld-Duo von Bayern München, Prohaska und Schnaderbeck, weiter aufrückte und ihre tschechischen Gegenspielerinnen in der Spielfeldmitte mehr unter Druck setzten, zudem ließ sich eine der beiden Stürmerinnen etwas fallen. So wurde Pincová herausgezogen, während sich Sedláčková und Vyštejnová um die vorne verblibenene Spielerin kümmerten. So waren die Flanken immer offener, was allerdings nicht konsequent genug ausgenützt wurde.
Billiges Gegentor, blutige Antwort
Was nicht nicht änderte, war das Preisgeben von Platz im Rücken der Außenspielerinnen. Das hatte aber mit dem Tor, mit dem Tschechien in Führung ging, letztlich nichts zu tun: Das war ein eigentlich nicht besonders gefährlicher Freistoß von der Seitenlinie, den ÖFB-Torfrau Kristler völlig falsch berechnete, sodass der Ball über ihre Fäuste hinweg ins Tor hüpfte.
Schon die Entscheidung gegen die bemüht, aber nicht besonders torgefährlichen Österreicherinnen? Nein – denn nur fünf Minuten später wurde ausgerechnet Kapitänin Marlies Hanschitz, die defensiv so ihre Probleme hatte, zur blutigen Heldin. Bei einem Freistoß von der rechten Seite stürzte sie sich ohne Rücksicht auf Verluste ins Getümmel – dort stocherte sie nicht nur den Ball zum Ausgleich über die Linie, sondern holte sich dabei auch noch eine heftig blutende Nase. Das sah wild aus – ihr an sich weißes Trikot war etwa so rot wie das der Tschechinnen, als sie abtransportiert wurde. „Des woas wert“, meinte sie im Interview nach dem Spiel.
Österreich mit deutlich mehr Kraftreserven
Statt ihr kam Kathrin Entner in die Partie; sie übernahm die rechte Abwehrseite, dafür wechselte Marion Gröbner auf links. Im Nachhinein betrachtet kein schlechter Zug, denn nun war endlich der Rückraum verbotene Zone für die Flügelspielerinnen aus Tschechien. Außerdem ließen bei den Gästen die Kräfte deutlich mehr nach als beim Team aus Österreich – somit konnte das Spiel in der letzten halben Stunde besser kontrolliert werden als davor.
Volles Risiko ging Dominik Thalhammer verständlicherweise aber nicht – er brachte mit Lisa Makas vom starken Aufsteiger Spratzern eine neue Stürmerin für Ines Ruiss, dafür übernahm Melanie Fischer die Planstelle im linken Mittelfeld. Die Wechsel von Vladimír Hruška orientierten sich eher am konditionellen Zustand seiner Mannschaft. Das hieß: Jene Spielerinnen, die durch ihre Laufarbeit am wichtigsten für das Spiel ihres Teams gewesen waren, mussten weichen. Also die komplette rechte Seite mit Mocová und Voňková, sowie die fleißige, aber glücklose Stürmerin Divišova.
Was der Gefährlichkeit der Mannschaft natürlich nicht besonders zuträglich war. So hatte Neulengbachs Torschützenkönigin Nina Burger – und auch in den ersten vier Spielen der laufenden Saison war sie schon elfmal erfolgreich – sogar noch die Chance auf den Sieg. Aber auch das 1:1 ist gemessen an der Ausgangsposition, zumal zwei Wochen nach einem 0:4-Debakel im letzten Test gegen die Slowakei, ein sehr ordentliches Ergebnis.
Fazit: Tschechien mit mehr Qualität, Österreich mit mehr Kraft
Die Favoritinnen aus unserem nördlichen Nachbarland zeigten sich eine Stunde lang als etwas besseres Team, das nicht nur mit guter Technik, sondern auch mit der etwas eigenwilligen Abwehrstrategie gut gefahren ist, wenig zugelassen hat und selbst vor allem über die Außenbahnen immer wieder für einiges an Zittern in der österreichischen Defensive gesorgt hat.
Zwei Punkte sprachen in diesem Spiel aber für Österreich: Zum einen die Tatsache, dass man sich nach dem bitteren Rückstand nicht hängen ließ und der bessere konditionelle Zustand der Mannschaft. Und auch ein wenig Glück, dass die große Schwachstelle – das Verteidigen der Außenbahnen – zwar durchaus angebohrt, aber nicht bestraft wurde. Immerhin: Der Worst Case, also eine Heimniederlage gegen direkten Konkurrenten zum Start, was wohl schon das Ende der Quali-Hoffnungen bedeutet hätte, wurde abgewendet.
So haben die kommenden Spiele noch ernsthaften Wettkampfcharakter, wiewohl die Ergebnisse der beiden nächsten Partien wohl schon so gut wie feststehen. Alles andere als eine Niederlage in Dänemark (22. Oktober) und ein Kantersieg gegen Armenien (am 26. Oktober in Bruck an der Mur) wäre eine Sensation. Ehe es im November zum Auswärtsspiel nach Portugal geht.
(phe)
Stimmen zum Spiel
Dominik Thalhammer, ÖFB-Teamchef: „Das Ergebnis ist okay, obwohl am Ende sogar noch etwas mehr möglich gewesen wäre. Aber es ist für diese junge Mannschaft extrem wichtig, Erfolgserlebnisse wie dieses oder das 1:1 gegen Nigeria vor der WM zu haben. Erfreulich war, dass wir uns nach dem Rückstand nicht so hängen gelassen haben wir im letzten Test gegen die Slowakei. Da hat unsere Team-Psychologin gute Arbeit geleistet!“
Vladimír Hruška, Tschechiens Teamchef: „Ich bin nicht zufrieden, weil wir hier eigentlich schon einen Sieg eingeplant gehabt hätten. Jetzt wird es umso schwerer, Dänemark womöglich unter Druck zu setzten. Darum werden wir uns jetzt darauf konzentrieren müssen, zumindest den zweiten Platz in der Gruppe abzusichern.“
Die Teams:
Österreich: Anna-Carina Kristler (23, St. Veit) – Marion Gröbner (25, Herford/Ger), Susanna Höller (22, Sindelfingen/Ger), Carina Wenninger (20, Bayern München), Marlies Hanschitz (25, St. Veit) – Laura Feiersinger (18, Bayern München), Viktoria Schnaderbeck (20, Bayern München), Nadine Prohaska (21, Bayern München), Ines Ruiss (23, Neulengbach) – Melanie Fischer (25, Innsbruck), Nina Burger (23, Neulengbach). Wechsel: Kathrin Entner (23, Neulengbach) für Hanschitz (64.). Lisa Makas (19, Spratzern) für Ruiss (73.). Teamchef Dominik Thalhammer.
Tschechien: Petra Taušová (27, Slavia Prag) – Iva Mocová (31, Sparta Prag), Jana Sedláčková (18, Sparta Prag), Veronika Pincová (21, Slavia Prag), Petra Vyštejnová (20, Sparta Prag) – Lucie Voňková (19, Slavia Prag), Klára Cahynová (18, Slovácko), Irena Martínková (25, Sparta Prag), Marcela Krůzová (21, Slavia Prag) – Lucie Martínková (25, Sparta Prag), Petra Divišová (26, Slavia Prag). Wechsel: Tereza Kožárová (19, Sparta Prag) für Divišova (78.). Markéta Ringelová (22, Sparta Prag) für Voňková (81.). Adéla Odehnalová (21, Slavia Prag) für Mocová (85.). Teamchef Vladimír Hruška.