Napoli ist das Überraschungsteam dieser Saison in der Serie A – aber zum Gipfel bei Tabellenführer Milan tauchten sie irgendwie nicht auf. Nervös, fahrig, ungenau – und nach einem dämlichen Handelfmeter brach Napoli volleds ein. Womit man Milan zu einem großen Schritt in Richtung Titel verholfen hat.
Die Neapolitaner, die fehlende Qualität mit viel Hirnschmalz und einer in Europa unüblichen Formation (3-4-2-1) ausglichen, spielten schlicht und ergreifend eine unterirdisch schlechte Partie – aber Milan-Coach Max Allegi hatte auch die richtigen Antworten auf das vor allem in Italien unkonventionelle Napoli-System gefunden.
Für die schlimme Leistung der Süditaliener, vier Tage nach dem Aus in der Europa League (das schon gezeigt hat, dass sie kein wirkliches Spitzenteam stellen), kann auch das Fehlen des gesperrten Lavezzi nicht als Erklärung herhalten. Mascara, der für den Argentinier spielte, versuchte viel und war noch einer der weniger schlechten im Dress von Napoli. Ein Totalausfall war indes Marek Hamsik – er ist das Offensiv-Hirn seiner Mannschaft, er hätte die Löcher, die Milan durchaus anbot, sehen und ausnützen müssen. Stattdessen versteckte er sich komplett.
Milan-Coach Max Allegri stellte sein Team im gewohnten italienischen 4-3-1-2 auf, die Medien nennen das im Falle Milans gerne „4-3-Fantasia“ – weil Zehner Robinho und die beiden nominellen Stürmer Pato und Ibrahimovic sich sehr frei bewegen können, viel rochieren und sich so auch in der Grafik nur andeutungsweise darstellen lassen.
Milan hält auf Flügel dagegen
Das große Plus von Napoli gegenüber vielen Konkurrenten in der Serie A ist ein funktionierendes Flügelspiel: Durch die Dreierkette hinten (die diesmal wieder in der Stammbesetzung Campagnaro, Cannavaro, Aronica spielte) können die Flügelverteidiger Dossena (links) und Maggio (rechts) die bei vielen Gegnern ohnehin nur notdürftig besetzten Flanken dominieren. Allegri hielt dagegen, indem er nicht nur Abate und Jankulovski viel nach vorne schickte, sondern auch die Mittelfeldspieler auf den Halbpositionen zur Unterstützung nach außen schickte. So sah sich Dossena plötzlich Abate UND Gattuso entgegen; bzw. war (der komplett indisponierte) Maggio gegen Jankulovski und Flamini komplett auf verlorenem Posten.
Das funktionierte, weil es vor allem Hamsik und auch Gargano (der deutlich höher agierte als sein Nebenmann Pazienza, der sich ganz offensichtlich um Robinho kümmern sollte) es nicht schafften, mit Tempo in den Rücken von Flamini bzw. Gattuso zu kommen. Und wenn doch, räumte der fast immer sehr, sehr tief stehende Van Bommel bzw. die nach außen driftenden Innenverteidiger Nesta und Thiago Silva ab. So war das Offensivtrio der Neapolitaner komplett abgemeldet.
Napoli bringt sich selbst auf die Verliererstraße
Dass es mit einem torlosen Remis in die Halbzeitpause ging, lag daran, dass die Defensive von Napoli der mit Abstand beste Mannschaftsteil war. Ansonsten wirkte das Team von Walter Mazzarri fahrig (Hamsik), hypernervös (z.B. Maggio), und konnte Abbiati im Milan-Tor nicht ein einziges Mal prüfen. Endgültig auf die Verliererstraße brachte sein Team aber Abwehrspieler Salvatore Aronica mit einem eher dämlichen bzw. unglücklichen Handspiel kurz nach Wiederanpfiff. Zlatan Ibrahimovic jedenfalls nahm das Geschenk dankend an und stellte per Elfer auf 1:0.
Womit das Spiel schon vorentschieden war. Denn die zuvor schon schwachen Neapolitaner brachen nun komplett in sich zusammen. Kaum noch ein Pass kam an, schon gar nicht die 50-Meter-Versuche, die sich in dieser Phase dramatisch häuften. Im Grunde zeigten nur zwei Mann bei Napoli Normalform bzw. vollen Einsatz: Torhüter Morgan de Sanctis, der in dieser Phase einige gute Chancen vereiteln konnte; und Trainer Walter Mazzarri, den die Nicht-Leistung seiner Mannschaft an der Seitenlinie zur Verzweiflung trieb.
Allegri hatte indes Kevin-Prince Boateng für den etwas verspielten Robinho eingewechselt, und der Deutsch-Ghanae brachte mit seiner deutlich bulligeren und kräftigeren Spielweise nun auch echte körperliche Präsenz in das Offensiv-Spiel bei Milan. Der Lohn: Sein Tor zur endgültigen Entscheidung. Nach einem Konter gegen die recht weit aufgerückte Napoli-Hintermannschaft fand Patos Stanglpass Boateng, der musste nur noch den Fuß hinhalten.
Und keine zwei Minuten später erzielte Pato selbst nach einem erneuten Konter gegen eine erneut sehr weit aufgerückte Hintermannschaft mit einem wunderschönen Schlenzer von der Strafraumgrenze nicht nur den 3:0-Endstand, sondern machte dies mit dem schönsten Tor des Tages.
Fazit: Napoli enttäuscht auf der ganzen Linie
Milan zeigte eine ordentliche Leistung, aber sicherlich nicht mehr – das generelle Niveau der Partie war eher schwach und hält keinem Vergleich etwa mit dem Spiel Bayern-Dortmund stand und zeigte ganz deutlich, warum die Serie A ihren vierten Champions-League-Platz nun endgültig an die deutsche Bundesliga verloren hat. Die italienische Meisterschaft ist derzeit schlicht und ergreifend nicht besonders gut.
So kann sich Milan über einen Sieg freuen, der sie ein großes Stück näher an den ersten Scudetto seit sieben Jahren bringt. Aber sie sind dafür trotz ihrer nicht unintelligenten Reaktion auf das sonst so dominante Flügelspiel der Gegner nicht nur selbst dafür verantwortlich. Einen erheblichen Teil hat nämlich die Mannschaft von Napoli beigetragen, die ganz einfach ein grottenschlechtes Spiel abgeliefert hat.
So einfach ist Fußball manchmal
(phe)