Dortmund macht den Deckel drauf

Die letzten wilden Träumer sind nun auch aufgewacht: Wer auch immer glaubte, die Bayern hätten im deutschen Titelrennen noch eine Chance, wurde von der mit 22,3 Jahren jüngsten Dortmund-Elf der Bundesliga-Geschichte eindrucksvoll eines besseren belehrt. Nach dem 3:1-Sieg steht der Titel für den BVB de facto fest.

Bayern München - Borussia Dortmund 1:3

Gegenüber dem 1:0-Sieg bei Inter kehrte Luiz Gustavo wieder auf die Position des Linksverteidigers zurück – Van Gaal nahm diesmal keinen gegnerischen Zehner aus, den es in Manndeckung zu nehmen gab. Das hieß, dass Pranjic in die Zentrale zurückkehrte – und zwar nicht als Sechser, sondern als recht hoch stehender Achter. Die Absicht dahinter war vermutlich, den Platz ausnützen, denn Sven Bender – der bei Dortmund üblicherweise auf der halbrechten Position defensiver steht als Nuri Sahin.

Aber Sahin und Bender wechselten die Plätze oftmals – so stand Pranjic zumeist gegen Sahin, während Bender viel Platz vor ihm hatte. Das nützte dieser natürlich aus und zog immer wieder mit Tempo auf Schweinsteiger zu. Womit dieser nicht nur Robert Lewandowski zu beobachten hatte, sondern sich auch noch mit Bender herumschlagen musste. Das verschaffte Dortmund einen signifikanten Vorteil in der Mittelfeldzentrale.

Konkurrenz auf den Flügeln

Hinzu kam, dass der überlegene Tabellenführer aus Dortmund, anders als Inter Mailand, selbst über ein hervorragendes Flügelspiel verfügt und nicht nur mit eigenen Angriffen, sondern auch mit hervorragender Defensiv-Arbeit Ribéry und Robben ziemlich aus dem Spiel nahm. Die beiden sahen sich, wann immer sie am Ball waren, sofort mit mindestens zwei Gegenspielern konfrontiert; oftmals sogar mit noch mehr. All das, und das für die Borussia so typische sehr hoch beginnende und aggressive Pressing führte dazu, dass die Bayern nicht zu einem geordneten Spielaufbau kamen.

So musste Dortmund nur noch warten, bis sich durch das harte Pressing Fehler bei den Bayern und damit eigene Chancen ergaben, und schon in der 9. Minute war es so weit: Schweinsteiger wurde sah zwei Mann aus verschiedenen Richtungen auf sich zustürzen, verstolperte den Ball, und Großkreutz brauchte nur noch Barrios bedienen – das 1:0. Die Bayern reagierten, indem sie sich selbst weiter nach vorne schoben, und kamen nach einer Eckball-Serie durch einen Kopfball von Luiz Gustavo (Piszczek hatte das Nachsehen) schnell zum Ausgleich.

Schweini zwischen den Stühlen

Aber die Borussia ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und erzielte durch einen überfallsartigen Konter, abgeschlossen von einem sensationellen Heber von Nuri Sahin, sofort wieder die erneute Führung. In der Folge tauschten Bender und Sahin dann doch immer mal wieder die Plätze, ohne aber, dass die Bayern darauf reagierten – so hatte der türksiche Spielgestalter unerhoffte Freiheiten.

Und weil Sahin in der Offensive noch stärker ist als Sven Bender, saß Schweinsteiger in einer ähnlichen Zwickmühle wie das defensive Mittelfeld von Leverkusen bei deren Heimpleite gegen Dortmund: Angesichts der Tatsache, dass Lewandowski als Zehner deutlich höher spielt als Götze (oder im Herbst Kagawa) das tat, konnte Schweinsteiger nicht nach vorne rücken, um Sahin früher zu empfangen. So aber gewährte er Sahin den Platz, den er bei Kontern immer wieder ausnützte. So überließ Dortmund den Bayern zwar den Ball, hatte aber selbst die deutlicheren Chancen, noch vor dem Seitenwechsel für die Vorentscheidung zu sorgen.

Van Gaal behebt Kardinalproblem nicht

In der Pause wechselte Louis van Gaal zwar – er behob aber nicht das Problem im Mittelfeld, sondern ersetzte den formschwachen Badstuber durch Breno. In der Zentrale blieb alles beim Alten – und somit auch das Spiel: Schweinsteiger stand zu tief und konnte nichts ausrichten, die Flügel blieben unter Kontrolle und Pranjic konnte als Achter weiterhin keine Akzente setzen. Deshalb setzte Van Gaal in der 57. Minute auf ein neues Pferd auf der Pranjic-Position: Toni Kroos kam für Luiz Gustavo, Pranjic ging nach links hinten.

Ob diese Maßnahme wirklich gegriffen hätte, ist allerdings hypotetisch, denn in der 60. Minute versenkte ausgerechnet Mats Hummels, der bei den Bayern nie eine reaslistische Chance hatte, einen Eckball zum 3:1 gegen seinen Ex-Klub. Was für Dortmund aber beileibe kein Anlass war, sich zurückzulehnen

Klopp zieht die Daumenschraube an

Im Gegenteil: Nun folgte eine neue Welle extremsten Pressings im Mittelfeld, dass die Bayern gar nicht erst auf die Idee kommen sollten, zu glauben, es wäre noch etwas möglich. Zudem kam etwa 20 Minuten vor Schluss Jakub Blaszczykowski für Sturmspitze Barrios. Aber nicht, wie man erwarten hätte können, für die Flügel – nein, der Pole übernahm erst einmal die Position von Barrios ganz vorne. Er sollte dort allerdings weniger für Torgefahr sorgen, sondern schlicht auf alles pressen, was sich bewegte. Klopp zog somit die Daumenschraube an: 3:1 voran beim vermeintlich stärksten Konkurrenten, aber nix da mit mal locker nach Hause spielen.

Die Bayern kamen erst in den letzten Minuten wieder etwas besser zur Geltung, als Antonio da Silva für den vor allem in der Defensivarbeit gegen Robben so starken Großkreutz als Zehner kam; Blaszczykowski ging nun doch auf den Flügel und Lewandowski nach vorne. Dadurch, und durch die am Ende offensichtlich nachlassenden Kräfte der Borussia, kamen die Bayern in der Schlussphase doch noch zu einigen Chancen, vornehmlich aus Weitschüssen. Dass Weidenfeller-Ersatz Langerak aber seine erste echte Prüfung erst in der 74. Minute zu bestehen hatte (gegen Gomez), spricht Bände – und ist ein klares Indiz dafür, dass Dortmund hochverdient gewonnen hat.

Fazit: Raumaufteilung war der Schlüssel

Der Schlüssel zum Sieg für Dortmund war die geschicktere Raumaufteilung in der Zentrale. Einer aus dem Duo Bender/Sahin hatte gegen den von Lewandowski nach hinten gedrückten Schweinsteiger immer Platz, um mit Tempo Richtung Bayern-Tor zu ziehen. Außerdem gewann die Borussia die Duelle auf den Flanken – und das heftige Pressing gab den Bayern den Rest.

Mit dieser wahrhaft meisterliche Vorstellung hat Borussia Dortmund nun zwar noch nicht rechnerisch, aber de facto den Deckel auf den ersten Meistertitel seit neun Jahren gemacht. Zehn Spiele vor Schluss hat der BVB nun 12 Punkte auf Leverkusen und gar 16 Zähler auf die Bayern Vorsprung, und beide Teams haben Klopp und Co. bereits auswärts besiegt.

Da geht nichts mehr schief.

(phe)

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.