Mourinhos schlimmste Demütigung

El Clásico, eine enge Partie? Pah! Der FC Barcelona schickt Real Madrid mit einem auch in der Höhe absolut verdienten 5:0 aus dem Camp Nou. Egal, was Mourinho versucht hat, die Blaugrana hatte darauf die passende Antwort. „The Special One“ wurde noch nie dermaßen ausmanövriert.

FC Barcelona - Real Madrid 5:0

Nicht wenige erwartete Real defensiv, ähnlich wie es Mourinho im April im Rückspiel des CL-Semifinale mit Inter im Camp Nou erfolgreich versucht hatte. Die Madrilenen liefen im üblichen 4-2-3-1 auf, mit nur einer Überraschung in der Startformation – Benzema ersetzte Higuaín. Der Franzose aber spielte nicht die geringste Rolle. Barcelona spielte so, wie Barcelona immer spielt: Ein 4-3-3 ohne echte Spitze, mit weit aufrückenden Außenverteidigern und mit Ballbesitz, Ballbesitz, Ballbesitz.

Real indes rückte brutal weit auf, wenn Barça in der eigenen Hälfte einen neuen Angriff einleitete – so war in diesen Situationen zwischen der Viererkette hinten und Benzema vorne mitunter kaum mehr als 20 Meter Platz. Das Ziel von Mourinho war klar: Barcelona jenen Platz zu nehmen, in dem die Katalanen ihr Kurzpass-Spiel aufziehen wollten, die Räume so eng wie nur irgend möglich machen. Weil aber das Mittelfeld – und hier vor allem die drei Offensiven – sich nicht allzu nachdrücklich um etwaige Defensivarbeit scherten, war der Effekt gleich Null.

Die Taktik von Barcelona gegen den Ball war eine andere, diese klappte zunächst aber deutlich besser: Beinhartes Pressing bis zur gegnerischen Grundlinie. Ein so nach hinten getriebener Angel di María konnte die erste Ecke in der 6. Minute nicht verhindern, aus der Messi gleich einmal das Torgestänge prüfte. In dieser Tonart ging es weiter – Barcelona drückte Real nach hinten. Hier zog sich die Viererkette der Königlichen zusammen, sodass auf den Flanken Platz entstand: Mourinho gab bereitwillig Barcelona den Ballbesitz auf dem Flügel, dafür sollte im Strafraum die Burgmauer aufgebaut werden.

Auch das half aber nichts: Bei einem Schuss von Iniesta hob Marcelo erst das Abseits auf und versuchte dann so unglücklich zu retten, dass Xavi der Ball genau vor die Füße fiel und er keine Probleme mehr hatte schon nach 10 Minuten auf 1:0 für Barcelona zu stellen. Real reagierte, indem Cristiano Ronaldo und Angel di María erstmals die Seiten wechselten. Daraus entstand zwar kurzfristige Befreiung, aber die hoch stehende Abwehrreihe – in die sich oft auch Xabi Alonso zurückfallen ließ – bot natürlich, so hilfreich sie beim Engmachen der Räume ist, die ständige Gefahr, dass Barcelona hinter diese kommen könnte und so Platz wäre. Durch genau so einen Pass wurde der sonst eher weniger ins Spiel eingebundene Villa gefunden, sein Stanglpass im Rücken der Abwehrkette fand Pedro – das 2:0 in der 18. Minute.

Bei Barcelona orientierte sich sehr viel auf die rechte Angriffsseite. Alves und Pedro sowieso, aber auch Messi, an sich als Falscher Neuner aufgeboten, driftete immer wieder in Richtung Alves und Pedro. So bekam nicht nur das Angriffsspiel von Barça einen merklichen Rechtsdrall – nein, Villa war auf der anderen Seite so von einigem Druck der Real-Defensive befreit. Kam der Linksaußen also doch einmal ins Spiel, fand er immer wieder Platz vor – wie beim 2:0 – und band aber dennoch Ramos hinten, was bei den Madrilenen deren rechte Angriffsseite komplett abtötete. Cristiano Ronaldo, der entgegen des sonstigen Habitus in dieser Saison auf dieser Seite begann, war immer dann kein Faktor, wenn er auf dieser Seite spielte. Kein Zufall also, dass Real immer dann sich etwas befreien konnte, wenn Ronaldo statt Di María auf die linke Seite von Real wechselte.

In der ersten halben Stunde sammelte Barcelona auf die typische Art und Weise an die zwei Drittel Ballbesitz. Was auch deshalb möglich war, weil Real körperlich überhaupt nicht dagegen hielt! Versuchten die Holländer im WM-Finale gegen das von Barcelona übernommene Kurzpass-Spiel noch mit Brutalität zu bestehen, gab es bei Real in den ersten 30 Minuten genau ein einziges (!) Foul. Das mit dem Räume eng machen klappte also nicht, physisch hielt Real nicht dagegen – und so verdiente sich Barcelona das 2:0 vollauf. Real war schlicht nicht anwesend.

So richtig Gift kam erst nach einer halben Stunde in die einseitige Partie. Auslöser war dafür Barça-Coach Pep Guardiola, der den ohnehin schon frustrierte Cristiano Ronaldo vor einem Einwurf weiter provozierte. Für die Madrilenen der Startschuss, sich nun doch ein wenig zu wehren. Und kurz vor der Halbzeit hatte Real dann noch Pech – ein klares Foul von Barcelona-Goalie Valdés an Ronaldo wurde nicht mit einem Elfmeter bestraft. So ging’s mit einem 2:0 in die Kabinen, mit dem die Gäste trotz der vermeintlichen Elfer-Szene noch gut bedient waren.

Mourinhos Umstellungen fruchten nicht

FC Barcelona - Real Madrid 5:0 (zweite Hälfte)

In der Pause wechselte Mourinho den völlig unsichtbaren Mesut Özil aus – der Deutsche kam gegen Busquets überhaupt nicht zur Geltung – und stellte mit Lassana Diarra auf ein 4-3-3 um. Mit einem drei Mann starken, defensiv ausgerichteten Mittelfeld (Khedira, Xabi Alonso und Diarra) sollte nun den Kreisen von Xavi und Iniesta mit drei Mann, die sich speziell um diese beiden kümmerten, Einhalt geboten werden. Das Problem dabei: Erstens, dass durch die Außenverteidiger dennoch weiterhin die Überzahl im Mittelfeld bei Barcelona blieb, weil sich Di María und Ronaldo nicht allzu intensiv um Defensivaufgaben kümmerten. Und zweitens sah sich Pepe aus der Real-Innenverteidigung immer wieder gezwungen, aus dem Abwehrzentrum nach vorne aufzurücken, um Messi nicht zwischen den Linien vollste Entfaltungsmöglichkeiten lassen. Was natürlich wiederum in der Verteidigung ziemliche Löcher schuf.

So kam Real nach diesen Umstellungen überhaupt nicht ins Spiel. Im Gegenteil: Villa erkannte die Situation und stieß immer wieder in das von Pepe hinterlassene Loch. Der bemitleidenswerte Portugiese war nun zwischen den Stühlen gefangen: Blieb er hinten, konnte Messi schalten und walten. Rückte er auf, war der nach innen ziehende Villa frei. Es sei denn Ramos ging statt Pepe nach innen, was aber wiederum Platz für Abidal schuf. Ein Teufelskreis – Barcelona erkannte diese Schwachstelle schnell und Villa sorgte in der 55. Minute für das 3:0 – die endgültige Entscheidung.

Nach der Real die falschen Reaktionen zeigte. Erst verweigerte (nicht nur, aber vor allem ) der zuvor schon recht mäßige Real-Linksverteidiger Marcelo nach einem Ballverlust in der gegnerischen Hälfte das Zurücklaufen, mit zwei schnellen Pässen durch eine viel zu weit aufgerückte und in dieser Situaion äußerst löchrige Real-Abwehr war erneut Villa eingesetzt, und schon stand’s in der 58. Minute 4:0. Aus dem Erfolg wurde nun eine Demütigung.

Welche die Spieler von Real dann zum Anlass nahmen, die Nerven volleds in den Wind zu schießen. Denn anders als Trainer José Mourinho, der sich die komplette zweite Halbzeit nicht einen Zentimeter bewegte und dem erniedrigenden Treiben ähnlich regungslos folgte wie einst der große Valeri Lobanovski, fing auf dem Platz die große Schnalzerei an. Ehe Schiedsrichter Iturralde den Schlusspfiff ertönen ließ, waren insgesamt sieben Madrilenen verwarnt und einer ausgeschlossen.

Das Spiel selbst war nach dem 4:0 natürlich entschieden und Mourinho versuchte auch gar nicht mehr, irgendwas zu ändern. Auf seinen dritten Wechsel verzichtete er – nicht einmal, um einen der diversen Gelb-Rot-Gefährdeten vor einem möglichen Ausschluss zu bewahren. Es kam auch keine Reaktion auf Bojan Krkic, der in der 75. Minute für Villa (zwei Tore und eine Vorlage) ins Spiel gekommen war und er noch einmal richtig Schwung in die Mannschaft von Barça brachte, die sich angeschickt hatte, es sich mit dem 4:0 gemütlich zu machen. In der Nachspielzeit setzte dann der ebenfalls spät eingewechselte Jeffren mit dem fünften Tor zum 5:0-Endstand noch einen drauf – aber er setzte damit nicht den Schlusspunkt.

Der war Sergio Ramos vorbehalten. Er mähte Lionel Messi auf Höhe der Mittellinie mit einer Brutalität um, die man schon als Attentat bezeichnen kann – und stieß danach auch noch Barcelona-Kapitän Puyol um. Er darf sich wohl schon auf Weihnachten vorbereiten, denn um eine saftige Sperre wird er nicht herumkommen.

Fazit: Mourinho komplett ausmanövriert

Es war die schlimmste Demütigung für José Mourinho in seiner großartigen Trainerkarriere. Egal, was er versucht hat, Barcelona wusste eine Antwort. Hohe Abwehr, um Räume eng zu machen? Steilpässe in die Spitze. Strafraum zumachen? Bringt nichts, wenn die Außen aus dem Mittelfeld nicht nach hinten arbeiten. Drei Mann gegen Xavi und Iniesta? Riss Löcher anderswo. Körperlich dagegenhalten? Davon lässt sich Barcelona kaum beeindrucken.

Eine Machtdemonstration war es, und was für eine. Barcelona – mit acht (!) Spielern aus dem eigenen Nachwuchs – zog Real (nur ein Eigenbauspieler) am Nasenring durch das Camp Nou. Aber aufgepasst – denn Mourinho („die schlimmste Niederlage meiner Karriere!“) wäre nicht Mourinho, wenn er nicht die richtigen Schlüsse daraus ziehen und am Ende gar gestärkt aus der Niederlage hervor ginge. Und, ach ja, Barcelona führt in der Tabelle jetzt mit zwei Punkten Vorsprung.

Nicht mit mehr und nicht mit weniger. Auch, wenn das 5:0 eine denkwürdige Partie bleiben wird.

(phe)

Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.