Taktische Experimente bekommt man auch mal dort zu bestaunen, wo man nicht damit rechnet – wie in der österreichischen Regionalliga. Hier versuchte sich Pasching gegen Austria Klagenfurt nicht nur mit einer „falschen Neun“ – eigentlich eh viel zu fortschrittlich im taktischen Nachzügler-Land Österreich – sondern gleich mit vier.
Dass bei diesen beiden Regionalligisten (Pasching ist 4., die Klagenfurter 5.) noch der eine oder andere bekannte Name spielt, ist bei den beteiligten Teams keine Überraschung, deswegen war dieses Spiel aber nicht bemerkenswert. Das war bei dieser Nullnummer in erster Linie die Offensiv-Abteilung der Paschinger. Deren Trainer Rudi Geir experimentierte hier nämlich eben nicht mit einer „falschen Neun“ – sondern gleich mit vier.
Auch, wenn es sich in diesem Spiel nicht zum Erfolg führte, so war es doch interessant mit anzusehen. Routinier Alex Schriebl und die drei Jungspunde Adem Sanli (18), Harrison Kennedy (21) und Roman Hintersteiner (21) rochierten und wechselten die Positionen, dass es nur so eine Freude war. Keiner der vier ging wirklich ganz in die Spitze, üblicherweise war die Formation ein fließender übergang zwischen 4-4-2 und 4-2-3-1, aber im Grunde kann man – weil alle vier gleichwertig in der Offensive tätig waren – beinahe von einem 4-2-4 sprechen.
Der Plan war klar: Ein Innenverteidiger sollte rausgezogen werden, damit ein anderer Angreifer in das entstehende Loch sprinten kann; und wegen der permanenten Positionstäusche konnte sich die Klagenfurter Abwehr nie sicher sein, wer das sein würde. Das Paschinger Angriffsquartett hatte auch deshalb so viel Gestaltungsmacht, weil die beiden Viererketten im Klagenfurter 4-1-4-1 fast immer mindestens 25 bis 30 Meter Abstand voneinander hielt. So hatte der bemitleidenswerte Sechser Peter Pucker die Mammut-Aufgabe, den riesigen Raum alleine abzudecken. Das Glück der Austrianer: Der 22-Jährige spielte eine herausragende Partie, und Abwehrchef Christian Prawda hatte seine junge Viererkette (Salentinig 17, Wrienz 18, Tschernuth 18) gut im Griff. Zudem fehlte es Pasching am letzten Mut, die Aktionen auch wirklich fertig zu spielen.
So kamen die Klagenfurter, obwohl sie bis etwa zur 60. Minute nicht auf das Riesenloch reagierten, kaum wirklich in Bedrängnis. Doch anstatt die Abwehrkette nach vorne zu schieben, um den zu wenig zielstrebig agierenden Gastgebern zusätzlich die Luft abzuschneiden und früher Druck zu machen, passierte hier lange gar nichts – und im Spiel nach vorne gab’s kaum mehr als lange Bälle. So gesehen erstaunlich, dass die „neue“ Austria Klagenfurt sogar die besseren Chancen hatte.
Nach einer Stunde und mit schwindenden Kräften wurde das Loch tatsächlich etwas geschlossen, allerdings weil das Mittelfeld zurück rückte. Zudem tauschte Klagenfurt-Coach Walter Schoppitsch Solo-Spitze für Solo-Spitze (71.) und signalisierte so seinem Team, dass man mit dem 0:0 gut leben könnte. Bei Pasching wurde das Experiment beendet, als nach einer Stunde mit Miksits ein echter Solo-Stürmer für Kennedy eingewechselt wurde, und Geir zum 4-4-1-1 üblicherweise mit Schriebl als hängender Spitze wechselte. Zwar hatte der junge Sanli kurz vor Schluss noch die Chance auf den Sieg, er vergab sie aber.
Der Anschauungsunterricht in Sachen taktisches Experiment war aber ohnehin schon nach einer Stunde vorbei.
(phe)