Spanien und England – diese beiden Teams gingen siegreich aus dem 14. Semifinal-Paar hervor, sie werden am Sonntag in Basel den Europameister im Frauenfußball ermitteln. Es ist das selbe Duell wie im Endspiel der WM vor zwei Jahren.
England war schon vor 41 Jahren dabei, als zum ersten Mal das beste Frauen-Team des Kontinent gesucht wurde, Spanien noch nicht. 16 Teams hatten sich damals bei der UEFA für eine Teilnahme angemeldet. Das war nicht ausreichend, um den Status als offizielle Europameisterschaft zu bekommen, aber immerhin wurde ab Herbst 1982 erstmals ein Bewerb gestartet, der das beste Frauenfußball-Nationalteam Europas ermitteln sollte.
Italien gewann die Südeuropa-Gruppe, Schweden jene für die nordeuropäischen Lander, Dänemark die für Mitteleuropa und England jene für die britischen Inseln. Diese vier ermittelten in Semifinale und Finale den ersten Sieger, es wurde Schweden. Es war ein Nebenbei-Bewerb für die UEFA, sie hab halt ihren Sanctus, interessierte sich aber nicht weiter dafür. Das blieb auch noch länger so, ab 1987 ging es in einen Zwei-Jahres-Rhythmus, es gab zumindest ein Final-Four als Mini-Turnier (erst in Norwegen, 1989 in der BRD, 1991 in Dänemark).
Bei jenem im Juni 1993 wurde eines der Semifinals auf einem Bezirks-Sportplatz in einem Abruzzen-Bergdorf abgehalten. Nun, im Jahr 2025, verkauften sich die Stadien in Genf und Zürich aus. Die letzten zehn EM-Turniere und ihre Semifinals erzählen auch die Geschichte des europäischen Frauenfußballs in diesem Zeitraum.
1993 – Beim Meer und in den Bergen
Vizeweltmeister Norwegen und die WM-Semfinalisten Deutschland und Schweden durften im Final-Four erwartet werden – doch Schweden blieb schon im Viertelfinale hängen, für das man sich als einer der mittlerweile acht Quali-Gruppensieger qualifiziert hatte, 23 Verbände hatten genannt. Zwei Jahre nach dem vorzeitigen Aus gegen Italien konnte man diesmal eine Hinspiel-Heimniederlage gegen Dänemark nicht mehr drehen. Italien, bis dato immer im Semifinale vertreten, komplettierte das Feld und richtete auch das Final-Turnier aus.
Immerhin rund 3.000 Zuseher kamen ins Stadion von Rimini, wo es gegen Deutschland ging. Die Gastgeber hatten das Geschehen weitgehend im Griff, doch Heidi Mohr gelang nach einer Stunde die Führung für die Deutschen. Torjägerin Morace glich rasch aus, damit ging es nach den damals noch 80 Spielminuten in einer Verlängerung mit zweimal zehn Minuten. Weil es nach dieser immer noch 1:1 stand, ging es ins Elfmeterschießen. Heidi Mohr vergab, alle Italienerinnen trafen.

Schon am Tag zuvor hatten sich Norwegen und Dänemark getroffen, und zwar nicht im Drittliga-Stadion in der Küstenstadt, sondern oben auf 850 Meter Seehöhe, anderthalb Autostunden von Rimini entfernt auf dem Sportplatz von Spinello, einem Apenninen-Bergdorf mit 200 Einwohnern. Norwegen hatte zu tun, wurde seiner Favoritenrolle aber gerecht, gewann durch einen Treffer von Anne Nymark halb durch die zweite Hälfte mit 1:0.
Einige Tage später holte sich Norwegen mit einem 2:0-Finalsieg über Italien in Cesena den zweiten und bis heute letzten Europameister-Titel der Verbandsgeschichte.
1995 – Wegen der WM ohne Final Four
Der Zweijahres-Rhythmus bedeutete, dass auch im WM-Jahr 1995 ein Europameister zur küren war. Anders als 1991 fand die WM aber in Europa statt, nämlich in Schweden, und auch nicht im November, sondern mitten im Sommer. Das brachte der UEFA in Terminschwierigkeiten und man beschloss kurzerhand, gar kein Final-Four abzuhalten.
Weil das Finale stand schon Ende März gespielt werden sollte, mussten die Halbfinals im Winter ausgetragen werden. Das war sehr problematisch für Schweden (wieder verlor man das Viertelfinal-Hinspiel gegen Dänemark, diesmal konnte es der kommende WM-Gastgeber aber in Malmö noch drehen) und Titelverteidiger Norwegen (der sich wiederum gegen Italien durchsetzen konnte) aber problematisch. Deshalb gingen beide in die großen Indoor-Hallen.
Im Hinspiel in Kristiansand gingen die Gäste aus Schweden früh durch Ulrika Kalte 1:0 in Führung, kurz vor der Halbzeit glich die baumlange, von links in den Strafraum ziehende Aarønes aus. Nach der Pause traf Anneli Andelén zum 2:1, Kristin Sandberg glich aus. Im direkten Gegenzug Heidi Johansson mit dem 3:2, gleich darauf glich Aarønes aus. Und wenn man dreimal eine Führung nicht drüberbringt, verliert man halt, Rechtsverteidigerin Anita Waage mit dem 4:3 kurz vor Schluss.
Eine Woche später in Jönköping ging das favorisierte Team aus Norwegen mit einer 1:0-Führung in die Pause, doch dann kam in der Halbzeit Lena Videkull ins schwedische Spiel, die 32-Jährige war an sich Stammkraft, musste aber in diesem Spiel zunächst auf der Bank Platz nehmen. Nach dem Ausgleich durch Kalte schnürte Videkull einen Hattrick, Norwegen fehlte nach dem langen Winter die Kraft für das intensive Pressingspiel und es gab keine Antwort mehr. Es war für die Norwegerinnen – die vier Monate später überlegen Weltmeister werden sollten – die einzige Pflichtspiel-Niederlage zwischen dem WM-Halbfinale 1991 und dem Olympia-Halbfinale von 1996.

Das andere Semifinale war wesentlich weniger eng, obwohl England im Hinspiel in Watford, noch vor Weihnachten 1994 ausgetragen, stark begann, verdient durch Karen Farley in Führung ging und auch noch einige weitere Chancen hatte. Doch nach und nach kämpfte sich Deutschland zurück ins Spiel, Heidi Mohr glich nach einer halben Stunde aus und in der zweiten Halbzeit wurden die konditionellen Vorteile der Deutschen immer gravierender. Patricia Brocker, ein Elfmeter von Bettina Wiegmann und ein zweites Mohr-Tor sorgten für den 4:1-Endstand. Das Rückspiel Ende Februar in Bochum war, obwohl sich Doris Fitschen zwischenzeitlich das Kreuzband gerissen hatte, nur noch Formsache. Zwar erzielte Farley schon nach wenigen Sekunden das englische 1:0, ein Eigentor von Lou Waller und eines der 17-jährigen Birgit Prinz im zehnten ihrer 214 Länderspiele fixierten den 2:1-Sieg für Deutschland.
Auch beim Finale in Kaiserslautern sollte Deutschland einen frühen Rückstand kassieren, doch letztlich stand auch im Endspiel ein 3:2-Sieg zu Buche.
1997: Erstmals echtes Turnier, letztmals im Zwei-Jahres-Abstand
Nachdem der Zwei-Jahres-Rhythmus mit der Etablierung der WM nicht mehr zu halten war, wurde auf den noch heute gültigen Vier-Jahre-Abstand umgestellt – im Gegenzug wurde aus der EM eine echte Endrunde. Nach Abschluss der Qualifikation im Herbst 1996 (in der England überraschend an Spanien gescheitert war) startete die UEFA unter den acht Teilnehmern einen Rundruf, wer denn zehn Monate später Ausrichter sein wolle. „Groß war die Resonanz nicht“, erinnert sich Karen Espelund, damals bei der UEFA und beim norwegischen Verband tätig, „aber weil wir schon zuvor auch bei Übersee-Reisen wie zu Olympia 1996 oft eng mit Schweden kooperiert haben, entschieden wir uns dann dafür, dieses Turnier gemeinsam auszurichten.“
Als zweifelhaften Lohn bekamen die Weltmeisterinnen aus Norwegen in ihre Gruppe Deutschland und die starken Italienerinnen. Deutschland verpasste zunächst in Überzahl einen Sieg gegen Italien (1:1) und verlor beim 0:0 gegen Norwegen Martina Voss durch einen Innenbandriss. Die Deutschen kämpften sich mit einem Sieg über Dänemark noch ins Halbfinale, dafür erlebte Norwegen ein Fiasko: Man haderte noch mit Riises Pfostenschuss in der 3. Minute, als Italien zum 1:0 konterte. Der Weltmeister rannte an, traf aber nicht mehr und kassierte in der Nachspielzeit das 0:2.
Die andere Staffel war wesentlich schwächer besetzt und Schweden spazierte mit drei Siegen locker durch. Dahinter setzte sich Spanien gegen Mit-Debütant Frankreich sowie Russland durch. Im Halbfinale gegen Italien waren Ángeles Prieto (ausgerechnet bei Italiens Spitzenklub Sassari Torres unter Vertrag) und Co. klare Außenseiterinnen, Italien hatte das Geschehen auch im Griff und führte schon nach einer halben Stunde 2:0. Nachdem Parejo in Minute 89 den Anschlusstreffer erzielt hatte, glich Prieto vermeintlich aus – das Tor zählte aber wegen einer Abseitsentscheidung nicht. Prieto ist noch heute sicher: „Hätte es den VAR gegeben, wären wir in die Verlängerung gekommen!“

Im anderen Match drückte Schweden vehement auf den Führungstreffer. Silvia Neid, die wie viele andere nach Olympia 1996 aufgehört hatten, meinte als neue DFB-Co-Trainerin im Vorfeld: „Wir sind noch nicht so weit, unseren Titel verteidigen zu können!“ Nach der Vorrunde schien auch dieses Spiel diese Einschätzung zu bestätigen, aber Schweden brachte einfach den Ball nicht im Tor unter. So kam, was kommen musste: Kunstschuss von Bettina Wiegmann kurz vor Schluss, Deutschland gewann 1:0.
Drei Tage später setzte sich Deutschland auch im Finale von Oslo gegen Italien durch. Verteidigerin Sandra Minnert und Stürmerin Birgit Prinz trafen zum 2:0-Sieg.
2001: Interesse zumindest am Heimteam
In Spanien hatte Ignacio Quereda noch 18 weitere Jahre Narrenfreiheit, es sollte bis 2013 dauern, ehe sich Spanien wieder für irgendwas qualifizierte – im Playoff für die Endrunde 2001 kam Spanien gegen Dänemark mit 1:6 und 2:4 unter die Räder. Locker qualifiziert hat sich dafür Titelverteidiger Deutschland, der kurz vor Weihnachten auch den Zuschlag für die Ausrichtung bekam. Das Interesse des DFB war konkreter gewesen als jenes der englischen FA.
Tatsächlich konnten beim in Baden-Württemberg und Thüringen ausgetragenen Turnier erstmals bei einer EM auch fünfstellige Zuseherzahlen verzeichnet werden, zumindest in den Matches, in denen Gastgeber Deutschland zum Gruppensieg spazierte und damit ins Halbfinale einzog. Dort ging es gegen Olympiasieger Norwegen und eigentlich fühlte sich das Duell der beiden Turnierfavoriten schon wie das vorgezogene Endspiel an. Dazu war es die Revanche für das Olympia-Halbfinale von Sydney zehn Monate zuvor.
Es war tatsächlich ein sehr flottes und ziemlich ausgeglichenes Match, von zwei Teams, die großen Respekt voreinander hatten und genau wussten, dass die verwundbarste Stelle beim Gegener jeweils die Außenverteidigerinnen waren. Hier erwies sich Birgit Prinz als besonders geeignet, ihre Gegenspielerin Anne Bugge-Paulsen zu zermürben – diese wurde schon von der Halbzeit ausgetauscht. Weil aber auch Bente Kvitland keine viel bessere Figur machte, konnte Prinz nach einer Stunde den einzigen Treffer des Nachmittags vorbereiten. Smisek traf per Flugkopfball.

Im anderen Spiel traf Schweden nicht wie erwartet auf Italien, sondern auf Dänemark. Die Italienerinnen hatten nicht nur den am Silbertablett liegenden Gruppensieg, sondern auch den fix geglaubten Semifinal-Einzug mit einem verdienten 0:2 gegen die bereits eliminierten Französinnen vergeigt. Dänemark profitierte, hatte dann gegen Schweden aber nicht viel zu melden. Schon nach neun Minuten traf Tina Nordlund zur Führung, Schweden blieb am Drücker, verpasste aber die vorzeitige Entscheidung und musste am Ende unnötigerweise sogar noch ein wenig Zittern.
Für Italien – noch mit acht Spielerinnen aus dem WM-Team von 1999 und mit immerhin fünf Vize-Europameisterinnen von 1997 – war es das Ende einer Ära. Die Deutschen setzten sich im Endspiel von Ulm mit 1:0 nach Verlängerung durch das Golden Goal von Claudia Müller durch. Zwei Jahre später entschied in Los Angeles bei der Neuauflage im WM-Finale wieder ein Golden Goal für Deutschland, diesmal durch Nia Künzer.
2005: Machtlos gegen Deutsche auf dem Peak
Der Umstand, dass Dänemarks Offensiv-Allrounderin Gitte Krogh – die schon 1999 bei der WM eine Schlüsselspielerin gewesen war – im Alter von nur 24 Jahren die Karriere beendete, weil ihr Lehramts-Studium fertig war, zeigte die fehlenden finanziellen Möglichkeiten im Frauenfußball jener Zeit deutlich auf. Der Umstand, dass im November 2002 erstmals VOR dem Start der Qualifikation schon der nächste Gastgeber festgelegt wurde, zeigte die bis dahin vorherrschende Geringschätzung des Sports auf offizieller Ebene. „Wir freuen uns, dieses Fest des Fußballs als eine der führenden Nationen im Frauenfußball ausrichten zu dürfen“, ließ sich der Leiter der Frauenfußball-Abteilung in der FA in der offiziellen Aussendung zitieren.
Ray Kiddell war das. Ein Mann, damals schon 65 Jahre alt und später unangenehm dadurch aufgefallen, sich flapsig über die Inklusion ethnischer Minderheiten in Entscheidungsprozesse mokiert zu haben. Eher kein glühender Vorreiter des Frauenfußballs also.
Die Lionesses, die damals noch gar nicht so hießen, gewannen zwar das Eröffnungsspiel vor knapp 30.000 Zusehern im damals neuen Stadion von Manchester City gegen Finnland, krachten aber nach Niederlagen gegen Dänemark und Schweden dennoch als Gruppenletzter aus dem Turnier. Überraschend gelang jedoch Finnland dank eines 2:1 über Dänemark der Sprung ins Halbfinale. Dort traf der Turnier-Debütant auf Welt- und Europameister Deutschland und der Klassenunterschied wurde rasch deutlich. Grings (3.), Pohlers (8.) und nochmal Grings (12.) entschieden mit einer schnellen Torlawine das Spiel schon sehr früh, Deutschland nahm dann dramatisch den Fuß vom Gas und ließ das Match zu einem 4:1-Erfolg austrudeln.

Das andere Halbfinale war das genaue Gegenteil. Schweden hatte sich mit zwei Toren in drei Spielen zum Gruppensieg durchlaviert, während Norwegen sich erst am letzten Drücker mit einem 5:3 gegen Italien dafür qualifizierte. Beide Teams wollten das Tempo ihrer Offensive über schnelle Gegenstöße ins Spiel bringen, die Folge war ein intensives, aber eher zerfahrenes Spiel mit tendenziellen Vorteilen für Norwegen.
Ein Heber von Gulbrandsen führte kurz vor der Pause zum 1:0 für Norwegen, ein Kopfball von Ljungberg brachte sofort den Ausgleich. Nach einer Stunde landete eine ewig in der Luft hängende Flanke von Stensland auf dem Kopf von Isabell Herlovsen, die 16-jährige Entdeckung des Turniers brachte Norwegen wiederum in Front, dann ließ sich das Team auf eine Abwehrschlacht ein, in der 89. Minute glich Ljungberg zum 2:2 aus. In der Verlängerung war dann Schweden einmal zu weit aufgerückt, Mellgren kam in den Rücken der Abwehr, ihre Flanke an den zweiten Pfosten verwertete die von Marklund sträflich alleine gelassene Gulbrandsen zum 3:2-Endstand für Norwegen.
Einige Tage später im Finale konnte Norwegen eine Stunde lang mit Deutschland mithalten, letztlich setzte sich das DFB-Team aber relativ sicher 3:1 durch.
2009: Bretterbohren vor vielen leeren Plätzen
Dem fünften EM-Titel hintereinander ließ Deutschland 2007 auch den zweiten WM-Titel in Folge folgen, zudem hatten drei verschiedene Klubs (Potsdam, Frankfurt und Duisburg) in den Jahren 2005, 2006, 2008 und 2009 den Europacup gewonnen. Natürlich ging die DFB-Delegation als logischer Favorit in das von acht auf zwölf Teams aufgestockte und daher erstmals mit einem Viertelfinale vor den Semifinals ausgetragenen EM-Turnier in Finnland.
England hatte im Viertelfinale den Gastgeber eliminiert, dabei aber Abwehrchefin und Kapitänin Faye White durch eine dislozierte Jochbeinfraktur verloren. Wobei – nicht, dass das im Halbfinale gegen das Überraschungs-Team aus den Niederlanden (die Frankreich im Elferschießen eliminiert hatten) einen Unterschied gemacht hätte, denn Oranje schien schon mit dem Ziel des Elfmeterschießens ins Spiel gegangen zu sein. Als England nach einer Stunde endlich durch Kelly Smith in Führung ging, glich Marlous Pieëte postwendend aus. England drückte und es dauerte bis zur 116. Minute – aber da landete ein Kopfball der großen Jill Scott nach einer Ecke landete so exakt vor den Füßen von Torhüterin Loes Geurts, dass diese nicht schnell genug nach unten kam. Die Entscheidung.
Das Publikumsinteresse zog übrigens kaum an, nur 4.600 Zuseher in Tampere hatten Englands Sieg im Stadion verfolgt, keine 2.800 waren es im HJK-Stadion von Helsinki beim anderen Semifinale, bei den Spielen ohne Beteiligung des Gastgebers war 2009 sogar ein Minus gegenüber 2005 zu verzeichnen.

Deutschland hatte im Viertelfinale Italien aus dem Turnier gearbeitet, Norwegen wieder Schweden besiegt. Wie im EM-Finale 2005 und im WM-Halbfinale von 2007 sollten die Deutschen auch diesmal die Oberhand behalten, obwohl es lange nicht so aussah. Herlovsen versenkte gleich zu Beginn einen Kopfball aus einem Getümmel, Deutschlands direktes und etwas eindimensionales Vertikalpass-Spiel verfing sich in der Folge in der soliden norwegischen Abwehr.
Erst zwei neue Spielerinnen halfen nach der Pause, das Match zu drehen. Simone Laudehr (statt der verletzten Bresonik) kam an eine durch die Traube durchfliegende Flanke und markierte nach einer Stunde den Ausgleich, gleich darauf flankte Laudehr selbst auf Célia Okoyino da Mbabi (die spätere Sasic, statt Schmidt) – das 2:1. Darauf hatte Norwegen keine Antwort mehr, in der Nachspielzeit staubte mit Lira Bajramaj (die spätere Alushi, eingewechselt für Behringer) auch der dritte Joker noch ein Tor ab.
Im Endspiel im großen Olympiastadion von Helsinki verkürzte England nach einem deutschen Doppelschlag zum 1:2, dann noch einmal zum 2:3, aber in der letzten halben Stunde ging nichts mehr. Das DFB-Team siegte mit 6:2.
2013: Deutschland als Partycrasher
Kleiner Rückgriff noch auf 2009: Der Modus mit zwölf Teams in drei Gruppen machte es notwendig, dass die zwei besten Gruppendritten auch weiterkamen. Das machten sich Schweden und England im letzten Match der Gruppe C zu nutze: Sie wussten, dass ein Remis beiden reicht, weil man damit Dänemark aus der Gruppe A hinter sich lassen würde. So kam es auch. Daher wurde für die EM 2013 in Schweden der Passus eingeführt: Sind Gruppendritte am ende Punktgleich, wird keine Tordifferenz herangezogen, sondern das Los entscheidet.
Und natürlich waren Dänemark und Russland jeweils mit zwei Punkten Gruppendritte. Damit musste Karen Espelund, UEFA-Abteilungsleiterin Frauenfußball, zur Tat schreiten. Sie zog Dänemark aus der Glasschüssel, Espelund selbst fühlte sich kaum besser als die russischen Spielerinnen, die am anderen Ende des Pressezeltes von Norrköping standen. „Ja, diese Auslosung war mir außerordentlich unangenehm, das stimmt“, bestätigt Espelund auch zwölf Jahre später noch.
Dänemark begründete wenige Tage später den französischen Viertelfinal-Fluch und traf in der ersten Semifinal-Teilnahme seit 2001 auf ein norwegisches Team, welches das Turnier bleiern begonnen hatte, mit Siegen über Deutschland (1:0) und im Viertelfinale gegen Spanien (3:1) aber in Schwung gekommen war. Norwegen ging auch gleich in der 3. Minute in Führung, Marit Christensen drückte den Ball, den Keeperin Petersen nach einer Ecke nicht ordentlich zu fassen bekommen hatte, über die Linie.
In der Folge wollte Norwegen schon früh nur noch die Uhr runterspielen und Dänemark bestätigte Dänemark seine Turnierleistungen: Super interessant, flexibler als alle anderen, aber wenn man doch nur einen Knipser gehabt hätte… Denn die junge Pernille Harder spielte ein rabenschwarzes Turnier und bei aller inhaltlicher Überlegenheit, aber Dänemark war zu harmlos. Bis zur 88. Minute, als Mariann Gajhede eine Freistoß-Flanke zum 1:1 ins Tor köpfelte – das zögerte aber nur den norwegischen Sieg hinaus, Line Røddik und Therese Nielsen vergaben schon die ersten beiden dänischen Elfmeter im Shoot-Out.

Einen Tag davor war in Göteborg die bis dahin ausgelassene und fröhliche Stimmung bei den schwedischen Heimspielen einer greifbaren Anspannung gewichen, und zwar schon vor dem Match gegen Deutschland. Bis hierhin war Party, nun ging’s richtig um was, das merkte man den 16.600 Leuten an. Schweden hatte im Turnier immer mehr Schwung aufgenommen und riss die Leute richtig mit. Deutschland holperte durch die Vorrunde, mühte sich im Viertelfinale an Italien vorbei.
Im Halbfinale aber war Deutschland zunächst durchaus präsent, bis Schweden nach 20 Minuten klar das Kommando übernahm – und prompt in das 0:1 lief, ein Roller von Marozsan, der hinter Kristin Hammarström in Zeitlupe über die Linie kullerte. Es folgte ein schwedischer Sturmlauf, Schweden drückte, warf alles nach vorne, traf einmal aus Abseitsstellung, einmal den Pfosten, mehr als einmal rettete Nadine Angerer in höchster Not und Saskia Bartusiak spielte das Spiel ihres Lebens. Das deutsche 1:0 hielt.
Die Luft war nach zwei Wochen EM-Boom im Land danach ziemlich entwichen, dennoch kamen über 40.000 zum Finale nach Stockholm. Dort gewann Deutschland 1:0, auch weil Angerer zwei norwegische Elfmeter parierte.
2017: Die Stunde der Außenseiter
Hoppala, wo sind sie denn, die Deutschen? Beim ersten Turnier mit 16 Teilnehmern stolperte der Abo-Champion über die eigenen Füße und ging beim regenbedingt um einen Tag verschobenen Viertelfinal gegen Dänemark baden. Dafür spielten sich in den Niederlanden andere Teams ins Rampenlicht. So wie der Gastgeber unter der nur ein halbes Jahr vorher eher aus der Verlegenheit heraus engagierten Sarina Wiegman – mit Vorgänger Arjan van der Laan hatte es nicht gepasst, er war nur ein Jahr im Amt gewesen.
Auch England bestätigte den starken Eindruck von der WM zwei Jahre zuvor, als die Lionesses etwas überraschend ins Halbfinale eingezogen waren. Das schafften sie auch diesmal, es ging gegen die Niederlande, aber es ging schlecht los. Der Gastgeber gab den Ton an, ging verdient durch Miedema in Führung (22.). Das englische Spiel war davon abhängig, nicht in Rückstand zu geraten. Da nämlich traten die Schwächen in der eigenen Spielgestaltung zu Tage, vor allem gegen ein Team von hoher Qualität. Mit dem 2:0 durch Van de Donk (62.), die eine verhungerte Rückgabe von Williams abfing, war der Käse gegessen, in der Nachspielzeit lenkte Bright einen Martens-Schuss nach einem Konter zum 3:0-Endstand ins eigene Netz.

Deutschland war im Viertelfinale weg, Frankreich (gegen England) genauso, Schweden (gegen Holland) genauso, Norwegen (punkt- und torlos in der Vorrunde) genauso, und die ambitionierten Spanierinnen genauso. Sie hatten das Elfmeterschießen gegen Österreich verloren und die gut gelaunte Rasselbande von Trainer Dominik Thalhammer fürchtete sich auch vor Dänemark nicht. Sarah Puntigam hatte nach einem Handspiel von Kildemoes früh den Chance zur Führung, sie verschoss den Elfmeter aber.
In der Folge degenerierte das Match der zwei Außenseiter. Durch den extremen Umschaltfokus beider Teams entstand ein Spiel, das wenig Struktur entwickeln konnte und oft eher wild wirkte. Und es wurde auch ruppig, kaum jemand ging aus der Schlacht von Breda ohne Schramme hervor: Knochenmarksödem bei Billa, Bänderverletzung bei Jensen, Puntigam bekam eine ins Gebiss, Zinsberger aufs Jochbein. Nach 120 torlosen Minuten, in denen Dänemark das weniger geschlauchte Team war, ging es ins Elfmeterschießen, wo keine einzige Österreicherin traf.
In einem mit offenem Visier geführten Finale gewannen die Niederlande schließlich recht sicher mit 4:2.
2022: Wiegman macht es wieder
Mit einer pandemiebedingen Verspätung von einem Jahr ging die niederländische Erfolgs-Teamchefin Sarina Wiegman erneut mit einem Gastgeber in die EM, diesmal eben mit England. Beim 1:0 gegen Österreich im Eröffnungsspiel vor knapp 70.000 im Old Trafford spielten die Nerven noch eine Rolle, danach nicht mehr – 8:0 gegen Norwegen, 5:0 gegen Nordirland und in einem intensiven Viertelfinale gegen Spanien war England bereit zu leiden, hatte aber auch Glück, dass der späte Ausgleich nach einem rustikalen Ellbogen-Einsatz eben nicht abgepfiffen wurde.
Im Halbfinale an der Bramall Lane hatte Gegner Schweden zwar immer Probleme, die Breite zu verteidigen, war aber vor und nach dem englischen 1:0 durch Beth Mead nach einer halben Stunde tendenziell das gefährlichere Team. Bis zum 0:2 nach einen Eckball und dem 0:3 durch ein absurdes Ferserl-Gurkerl-Tor von Alessia Russo, damit war Schweden erlegt. Der Endstand von 4:0 mutet nach den sehr engen ersten 60 Minuten doch absurd hoch an.

Das zweite Semifinale blieb bis zum Schluss eng, es war immer auf des Messers Schneide und der Ausgang bis zum Schlusspfiff nicht klar. Deutschland hatte die Gruppe mit Glanz gewonnen und in einem komplizierten Viertelfinale gegen Österreich die Nerven bewahrt, Frankreich hatte gegen die Niederlande den längeren Atem gehabt. Die Französinnen waren aggressiver und wirkten individuell gefestigter, die Deutschen hielten über das Kollektiv dagegen und Lena Oberdorf räumte auch viel auf.
Dem 1:0 durch Popp (40.) folgte der schnelle Ausgleich durch einen Schuss von Diani, der via Frohms‘ Rücken hinter die Linie prallte. Frankreich fand nach dem Seitenwechsel einige Chancen vor, aber es war wieder Popp, die traf – ein beeindruckender Kopfball mit Anlauf über Griedge Mbock-Bathy hinweg. Das war’s für Frankreich.
Im Endspiel im Wembley erlitt Deutschland jenes Schicksal, das sonst oft deren Gegner kannten: Man war zwar grundsätzlich das bessere Team, aber England erzielte in der Verlängerung das Tor zum 2:1-Erfolg.
2025: Zweimal kurz vorm Elfmeterschießen
England war gekommen um zu bleiben, kam danach auch ins WM-Finale, während Deutschland wilde Ausschläge in der Formkurve aufwies – einerseits ein klägliches Vorrunden-Aus bei der WM, andererseits die Bronze-Medaille bei Olympia, im Kleinen Finale mit einem Erfolg gegen den amtierenden Weltmeister Spanien.
Überhaupt, Spanien. Zwei Jahre nach dem Skandal um Verbandsboss Rubiales und Teamchef Vilda ging die Truppe, praktisch identisch mit jener vom FC Barcelona, als Favorit ins EM-Turnier in der Schweiz. In der Vorrunde gab es lockere Siege und wirklich gefordert war beim 2:0 im Viertelfinale gegen die Schweiz auch nur der Geduldsfaden gewesen, die Gefahr einer Niederlage bestand nie. Das Halbfinale sollte der erste echte Test sein.
Deutschland hatte in der Vorrunde große Probleme mit defensiven Umschaltmomenten gehabt und sich im Viertelfinale gegen Frankreich 110 Minuten lang in Unterzahl spielend mit Einsatz und starkem Verteidigen im tiefen Block erwehrt. Nach dem Sieg im Elferschießen legte man es im Halbfinale gegen Spanien ähnlich an: Dem Weltmeister den Zugriff aufs Zentrum erschweren, die Flügel konsequent doppeln und selbst im Konter Nadelstiche setzen.
Phasenweise rüttelte Spanien zwar am Führungs-Baum, das Tor wollte aber nicht fallen und die Deutschen hatten – auch wenn sie viele Kontergelegenheiten nicht gut ausspielten – durchaus die Möglichkeit, das Spiel zu entscheiden. Einmal aber, in der 113. Minute, klärte Lohmann den Ball nicht, kam Bonmatí aus spitzem Winkel zum Schuss und die Viertelfinal-Heldin Ann-Katrin Berger ließ sich düpieren.

Einen Tag zuvor hatte es sogar noch länger gedauert, bis das drohende Elfmeterschießen storniert wurde – durch einen Elfmeter-Nachschuss. England hatte sich von einer hochverdienten Auftakt-Niederlage gegen Frankreich erholt, es drohte aber schon im Viertelfinale das Aus – mit einem Kraftakt und zwei späten Toren retteten sich die Lionesses in die Verlängerung, im Elfmeterschießen war England furchtbar, Schweden aber noch ein wenig furchtbarer.
Auch gegen Italien – dank einer günstigen Auslosung und eines Last-Minute-Erfolgs gegen Norwegen erstmals seit 28 Jahren wieder in einem Halbfinale – war England zunächst nicht das bessere Team. Die Azzurre hielten die Lionesses geschickt in Schach, gingen verdient in Führung, konnten aber in der zweiten Halbzeit nicht mehr zusetzen, auch personell nicht. England schon. In der Nachspielzeit traf Joker Agyemang und als sich Italien in der Verlängerung nur noch ins Shoot-Out retten wollte, rempelte Severini im Strafraum eher versehentlich als bösartig Mead um. Viel war’s nicht, aber auch nicht nichts, Chloe Kelly scheiterte zunächst an Giuliani, aber der Nachschuss saß. Es war die 119. Minute.
Das Motto der EM ist “Gipfel der Emotionen” und verglichen mit dem Final-Four von 1993 ist wirklich ein Gipfel erreicht. Der Zuschauerschnitt wird erstmals die 20.000er-Marke knacken, praktisch alle Spiele waren praktisch ausverkauft – und das in der Schweiz, das ja nun keine klassische Fußball-Macht ist.
Zahlen, bitte
Elf verschiedene Nationen waren bei den 14 EM-Turnieren im Halbfinale vertreten: Deutschland (11), Schweden und Norwegen (9), England und Italien (7), Dänemark (6), Spanien und die Niederlande (2) sowie Finnland, Österreich und Frankreich (1). Die Spanier sind nun das achte Team, das auch eins gewonnen hat – hier lautet das Ranking Deutschland (9), Norwegen (6), Schweden und England (4), Italien (2) sowie Dänemark und nun eben Spanien (1).
Und die Frage ist: Gibt es nach Deutschland (8), Norwegen (2), Schweden, Niederlande und England (1) einen fünften Europameister in Spanien, oder holen die Lionesses Norwegen ein?