Mit einem nie gefährdeten 6:0-Heimsieg gegen ein erschütternd schlechtes Team aus Lettland springt Österreich zur Halbzeit der EM-Quali auf den zweiten Gruppenplatz. Man war den Letten in allen Belangen haushoch überlegen und hätte sogar noch deutlich höher gewinnen können. Die Pflicht ist vor dem Match in Polen damit erfüllt.
Zentrum Überladen, Sechserraum kontrollieren
Alaba spielte nominell am linken offensiven Flügel, in Wahrheit war er aber eher ein Achter im linken Halbfeld. Während Linksverteidiger Ulmer die komplette Seite weitgehend alleine beackerte, sorgte Alaba somit für Überladungen im Zentrum. Dies zeigte im lettischen Sechserraum extreme Wirkung. Ciganiks und Bogaskins zeigten nämlich keinerlei Abstimmung aufeinander. Sie rissen die Besetzung im Sechserraum immer wieder auseinander, ohne das Mitspieler abdeckten.
In der Anfangsphase kam Österreich vor allem über die linke Seite mit Ulmer und Alaba mit sehr vertikalen Spielzugen und in kürzester Zeit ins Angriffsdrittel, wo ein Passe ins Zentrum folgte. Da die Letten in diesem Zentrum aber auch so große Räume offen ließen, verlegte sich Österreich in der Folge immer mehr darauf, gar nicht erst umstädnlich den Weg übder die Flügel zu nehmen, sondern spielte gleich direkt über Baumgarlinger und Laimer durch das Zentrum nach vorne.
Dort, wo eigentlich Ciganiks und Bogaskins die eigene Abwehrkette abschirmen sollten, konnten sich Alaba, Sabitzer und Arnautovic, gelegentlich unterstützt durch Lazaro, den Ball oft ungehindert gegenseitig auflegen. Mit Fortdauer der ersten Halbzeit wurde dies aber zunehmend übertrieben, wodurch einige ansprechende Schussgelegenheiten nicht wahrgenommen wurden.
Führung klar, aber nicht klar genug
Vorne ging Lettland mit Laizans und Gutkovskis zu Beginn zwar durchaus auf die österreichischer Eröffnung drauf, aber hinten gab es keinerlei Problembewusstsein, dasl österreichisches Pressing anging. Laimers gedankenschnelles Vorpreschen legte Arnautovic schon in der 7. Minute ein billiges Tor auf, ein paar Minuten späte nützte Sabitzer den Platz vor dem Strafraum für ein Weitschusstor. Ein weiterer Treffer des Leipzigers erhielt wegen einer vermeintlichen Abseitsstellung keine Anerkennung. VAR gab es in diesem Spiel keinen.
Die technische Überlegenheit der ÖFB-Spieler gegenüber Lettland war eklatant, jene in puncto Gedankenschnelligkeit ebenso. Sieben der elf Letten in der Starformation spielen in der schwachen eigenen Liga, Sturmspitze Gutkovskis ist in der zweiten polnischen Liga aktiv. Den dramatischen Qualitätsunterschied brachte Österreich auf den Platz, aber nicht aufs Scorboard. Erst Arnautovic‘ Elfmeter kurz nach Wiederanpfiff sorgte für das längst überfällige 3:0. Der generell heillos überforderte Bogdaskins vom lettischen Liga-Mittelständler Valmiera hatte Lainer bei einer Ecke kräftig zurückgehalten.
Dominanz auch nach der Pause
Der Sieg war damit endgültig klar und Lettland offenbarte keinerlei Anzeichen dafür, ein ähnliches Comeback nach einer katastrophalen ersten Halbzeit hinzilegen wie Israel vor einem halben Jahr. So konnte das ÖFB-Team ohne Druck weiter auf ein viertes Tor spielen. Da die Tordifferenz in dieser Qualifikation ohne Belang ist – es geht bei Punktgleichheit nach Direktvergleich – ist die Höhe eines Sieges über Lettland völlig belanglos.
So durfte sich Julian Baumgartlinger auch die letzte Viertelstunde sparen und der bei Leipzig am Abstellgleis stehende Stefan Ilsanker (nicht für den CL-Kader nominiert) bekam etwas Spielpraxis und kaum eine halbe Minute auf dem Feld gab er den Kopfball ab, den Lettland-Keeper Steinbors letztlich etwas patschert zum 4:0 über die eigene Linie bugsierte.
Lettland versuchte nicht einmal, selbst vielleicht ein Ehrentor zu erzielen. Teamchef Stojanovic besetzte den Sechserraum neu (Rugins statt Cigankis), aber die Räume für Österreich wurden nicht weniger – selbst im eigenen Strafraum. Konrad Laimer erhöhte in der 80. Minute noch auf 5:0, Gregoritsch staubte nach einem Pfostenschuss von Sabitzer zum 6:0 ab.
Fazit: Schöner Sieg ohne große Aussagekraft
Nach der über weite Strecken recht flüssigen und positiven Vorstellung beim 4:1 in Skopje (das ja erst in den letzten Minuten mit zwei Toren endgültig entschieden wurde) knüpfte das ÖFB-Team in diesem Spiel gegen Lettland an den Aufwärtstrend an. Wie beim Sieg in Nordmazedonien aber muss man – was bei einem 6:0 etwas seltsam klingt – wieder die nicht optimale Chancenverwertung bemängeln.
Auskunft über die Stärke des österreichischen Teams kann dieses 6:0 über Lettland aber noch weniger bieten als das 4:1 in Skopje. Dafür war das lettische Team einfach viel zu schlecht. Es ist wohl keine Übertreibung, wenn man behauptet, dass sich die Qualität aktuell eher im Bereich von San Marino bewegt als auf jenem besserer „Kleiner“ wie Luxemburg.
Das überraschende 1:1 von Israel gegen Nordmazedonien ermöglichte Österreich den Sprung auf den zweiten Platz der Gruppe zur Halbzeit dieser EM-Qualifikation und die nicht minder überraschende 0:2-Niederlage Polens in Slowenien öffnet sogar die Tür zur Führung in der Gruppe. Dafür ist ein 2:0-Sieg oder jeder Ein-Tor-Sieg ab 2:1 am Montag in Polen notwendig. Der slowenische Erfolg bedeutet aber auch, dass die Luft nach hinten gleichzeitig dünner geworden ist.
Österreich hat sich mit den Siegen gegen Slowenien, in Nordmazedonien und gegen Lettland wieder in eine gute Position gebracht. Die Pflicht ist jetzt einmal erfüllt.