Hand aufs Herz: Wer wollte nicht immer schon mal wissen, wie es aussieht, wenn eine durchschnittliche deutsche Bundesliga-Truppe gegen einen englischen Zweitligisten spielt? Beim 1:0-Sieg von Österreich gegen Nordirland bekam man eine ungefähre Idee davon. Schön war das nicht. Vor allem das ÖFB-Team wirkte ideenarm und altbacken. Ein Tor des Kapitäns sorgte immerhin für den 1:0-Sieg.
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Die Formationen
Franco Foda stellte erstmals seit dem Test gegen Luxemburg im März wieder ein 4-4-2 auf. Auf den Außen einer Innenverteidigung mit Prödl und Hinteregger agierten wie erwartet Lainer und Ulmer. Der zuletzt in der Innenverteidigung aufgestellte Ilsanker spielte neben Peter Zulj im Zentrum, die beiden ersetzten die verletzten Grillitsch und Baumgartlinger. Lazaro und Sabitzer gaben die nominellen Außenstürmer und vorne bildeten Arnautovic und Burgstaller den Zwei-Mann-Sturm.
Bei den Nordiren war es ein 4-1-4-1, in dem es gegenüber dem dominant geführten, aber verlorenen NL-Auftakt gegen Bosnien drei Änderungen gab: Statt Lafferty stürmte Magennis, statt McGinn war Ferguson auf dem Flügel und statt McLaughlin war McNair als Rechtsverteidiger nominiert. Drei Spieler aus der Start-Elf verdienen ihr Geld in der Premier League (Davis, Cathcart und Jonny Evans), der Rest ist in der zweiten englischen Liga aktiv.
Die Nordiren
Die Nordiren waren das Auswärtsteam, aber ihre Spielanlage bestimmte das Match. Sie zogen sich ganz und gar nicht zurück, sondern verteidigten nach vorne. Die Gäste gingen schon weit in der österreichischen Hälfte auf die Gegenspieler drauf und rückten kollektiv nach vorne, wenn die ÖFB-Abwehr versuchte, den Ball ein wenig zu halten und das Tempo rauszunehmen.
Auch im Mittelfeld wurden die Pressing-Wege sehr aggressiv durchgezogen und sofort Überzahl in Ballnähe geschaffen. So gab es keine Zeit für Österreich, einen geordneten Spielaufbau zu etablieren und das Ersatz-Mittelfeldzentrum war gut aus dem Spiel genommen. Auf diese Weise schaffte es Nordirland sehr gut, Österreich zu kontrollieren und jede Idee zu rauben. Die Nordiren schafften es aber nicht, selbst so etwas wie Torgefahr auszustrahlen.
Österreichische Reaktionen
Das ÖFB-Team hatte massive Probleme damit, schon im Mittelfeld und bei der Spieleröffnung angepresst zu werden. Das Mittelfeld-Zentrum war systembedingt ohnehin in Unterzahl und wurde durch die nordirische Spielweise zusätzlich bearbeitet. So spielte Österreich über weite Strecken der ersten Hälfte de facto ohne ein Mittelfeld-Zentrum.
Daher versuchten die Spieler, Wege aus diesem Defizit zu finden. Marko Arnautovic ließ sich immer wieder weit nach hinten fallen, um als Empfänger für einen Pass von hinten (üblicherweise von Hinteregger) bereit zu sein und diesen dann auf Außen zu Sabitzer abzulegen, der dann steil ging. Dann fehlte Arnautovic allerdings vorne.
Mit Fortdauer der ersten Hälfte rückte auch Marcel Sabitzer immer mehr ins Halbfeld ein (wie auch situativ Lazaro auf der anderen Seite). Das erleichterte es Zulj, eine kurze Anspielstation zu haben. Es wurde aber verabsäumt, hier zwischen die Linien zu kommen und auch Ulmer trat offensiv wenig in Erscheinung.
Auffällig war auch jegliches Fehlen von selbst ausgeübtem Druck auf den jeweils ballführenden Nordiren. Angesichts der Tendenz, dass diese ohnehin zum langen Ball neigen, ist es aber denk- und argumentierbar, dass dies Absicht war. Nach dem Motto: Lieber einen Holzfuß-Pass abwarten als den Ball über uns drüber segeln zu lassen.
Keine Dreiecke, keine Überraschungen
Das ganze Spiel Österreich wirkte seltsam aus der Zeit gefallen. Das lag aber nicht nur am 4-4-2, das in der Rollen-Interpretierung und dem Kreativitäts-Loch aus der Zentrale heraus so ein wenig wie ein Walter-Schachner-Team aus den Nuller-Jahren wirkte. Das lag auch daran, dass es so unglaublich berechenbar war.
Die Laufwege ohne Ball waren nicht gut. Es gelang zu keinem Zeitpunkt, stabile Dreiecke im Aufbau zu etablieren. Das bedeutete: In so gut wie jeder Spielsituation gab es genau eine mögliche Passvariante. Diese wurde dann auch probiert. Nordirland deckte mögliche alternative Passrouten auch gut ab, aber so war es natürlich ein Leichtes, Österreich von gefährlichen Positionen fern zu halten.
Das Tor von Arnautovic nach einem Zucker-Zuspiel von Zulj war im Grunde die einzige Situation, in der es Österreich gelang, mit einem überraschenden Zuspiel die nordirische Abwehr zu überrumpeln.
Veränderungen im Spiel
Zu Beginn der zweiten Hälfte fuhr Nordirland die Intensität im Anlaufen zurück. Außerdem ließen die Gäste in zwei, drei Umschalt-Situationen etwas zu viel Raum zwischen Abwehr und Mittelfeld, wodurch Österreich etwas Platz bekam und die sich ergebenden Auswahl-Möglichkeiten im Passspiel auch nützte. Die Regel war aber eher, dass schon die Andeutung von Anlaufen ausreichte, um bei Österreich einen Sicherheits- bzw. einen Rückpass zu provozieren.
Franco Foda war schon drauf und dran, Marc Janko einzuwechseln, als Arnautovic in der 71. Minute das 1:0 erzielte. Geht man 20 Minuten vor Schluss in Führung, gibt es zwei Möglichkeiten: A) Nachsetzen und versuchen, den Sack zuzumachen – auf die Gefahr hin, dem Gegner zu viel Raum zu geben. Oder B) die knappe Führung über die Zeit zu verteidigen.
Zittrige Schlussphase
Österreich entschied sich für Variante B.
Nach der Führung wurde aus der Viererkette hinten zunehmend eine Fünferkette. Lainer rückte von rechts ein wenig nach innen, dafür ließ sich Lazaro auf die Position des rechten Außenverteidigers zurückfallen. Diese Aufteilung wurde mit der Einwechslung von Flo Kainz für Stürmer Burgstaller (83.) weiter zementiert, in der 90. Minute übernahm Dragovic (für Lazaro gekommen) die Stelle in der inneren Dreierkette.
Der völlig Rückzug von Österreich war wie eine Einladung an die Nordiren, doch bitte noch mal schön Druck auszuüben. Bei einem Eckball hatte das ÖFB-Team großes Glück, als der Ball von der Stange zurück in die Arme von Lindner prallte. Es gab kaum noch nennenswerte Befreiung. Fast bettelte ein extrem passiv gewordenes Heimteam noch um den Ausgleich. Aber er fiel nicht mehr.
Fazit: Verunsichert und gestrig
Die ernüchternde Vorstellung von Zenica, die zahlreichen Ausfälle von Stammkräften und der zusätzliche Wirbel, der durch das Präsidium in der Kapitänsfrage völlig sinnlos in die Mannschaft getragen wurde, haben dem Team merkbar zugesetzt. Das aggressive Spiel der giftigen Nordiren hat noch einiges dazu beigetragen. Es ist, als hätte es die Siegesserie in den Testspielen nie gegeben.
Österreich spielte altbacken und berechenbar. Der nicht ganz unschmeichelhafte Sieg fußt auf einem individuellen Genie-Moment, nicht auf einer rettenden Idee. Über 90 Minuten wurde nie der Eindruck vermittelt, dass man selbst etwas dazu beitragen könnte, die Gäste zu überraschen, zu bremsen oder zu verunsichern – sie zu dominieren, ist angesichts der Personalsituation eh nicht zwingend zu verlangen.
Man hat versucht, anzunehmen, wenn die Nordiren was angeboten haben und man hat sich von einer, sorry, englischen Zweitliga-Truppe im eigenen Stadion am Ende wie das Kaninchen vor der Schlange hinten reindrücken lassen. Dass es einen Sieg gab, ist erfreulich; es nimmt ein wenig den Abstiegsdruck heraus und man kann sich jetzt mal in relativer Ruhe ansehen, was Bosnien und Nordirland am Montag so machen.
Eine Leistung, auf der man aufbauen kann, war das aber nicht. Vielleicht geht es ohne Ergebnisdruck am Dienstag in Herning wieder anders.