Ungarn ziehen ÖFB-Team auf ihr Niveau runter und siegen 2:0

Das ÖFB-Team verhaut den Start in die EM gründlich: Mit einer ungewohnt schwachen Leistung wurde das unansehnlich schwache Spiel gegen Ungarn mit 0:2 verloren. Ungarn verstand es gut, das Spiel der Österreicher zu verhindern und schlug zu, nachdem man die Angriffswege nach dem Seitenwechsel adaptiert hatte. Österreich, dann ohne den verletzten Junuzovic und den ausgeschlossenen Dragovic, fand keinen Weg mehr zurück.

Österreich - Ungarn 0:2 (0:1)
Österreich – Ungarn 0:2 (0:1)

Die Ungarn waren, logisch, zunächst einmal darauf bedacht, die größte Stärke Österreichs zu neutralisieren: Die linke Seite. Arnautovic hatte sofort, wenn er in der Nähe des Balles war, drei Gegenspieler auf sich kleben. Zwei-, dreimal geriet Arnautovic in eine solche Traube. Nicht, dass darauf dramatische Umschaltmomente zu Gusten der Ungarn entstanden, aber es zeigte doch Wirkung.

Die Ungarn spielten in einem 4-1-3-1-1, das perfekt auf die Aufteilung des ÖFB-Teams abgestimmt war: Ádam Nágy, der Sechser, stand recht tief, half wenn nötig der Abwehr beim Herausspielen und engte den Wirkungskreis von Zlatko Junuzovic ein. Dzsudzsák berarbeitete Arnautovic, der routinierte Gera übernahm die Achter-Position rund um Alaba.

Vorne bildeten Kleinheisler und Sturmspitze Szalai ein Zweiergespann, dass es Österreich durch geschicktes Aufbauen von Decksungsschatten die Eröffnung durch das Zentrum kappte. Dragovic und Hinteregger konnten diese Situationen durch Aufrücken ein paar Mal auflösen, aber das hinterließ natürlich Löcher hinten. Darum machten sie das auch nicht allzu oft.

So verhinderten die Ungarn einen gezielten österreichischen Aufbau und es gelang ihnen schnell bei jedem Österreicher zu sein, der doch in ihre Gefahrenzone eindrang.

Geordneter Rückzug

Österreich erkannte, dass man die Ungarn so nicht ausgespielt bekam, und zog sich in der Folge etwas zurück. So zwang man Ungarn dazu, selbst etwas für den Aufbau zu tun. Es wurde schnell klar, dass ihnen recht schnell die Ideen ausgingen, sobald sie im Mittelfeld waren: Einstudierte Laufwege oder ein anderweitig gearteter Plan, wie man da sinnvoll in die Nähe des Strafraums kommen sollte, war nicht vorhanden.

Allenfalls, dass die es vermehrt über die Abwehrseite von Klein und Harnik versuchten, war auffällig – ist aber auch logisch. Generell aber deckte vor allem Baumgartlinger in der von ihm bekannten Aufmerksamkeit extrem stark viele Passwege zu, scheute keinen Zweikampf und gewann auch einige Bälle.

Auch der Raum zwischen den Linien, der bei Österreich zuweilen ja etwas weit aufzugehen droht, wurde gut kontrolliert.

Grausame Passquote

Wenn Österreich durch den Rückzug Ungarn locken und Umschaltmomente für sich selbst kreieren wollte, ging der Plan aber nicht wirklich auf: Zu viele einmal gewonnene Bälle wurde durch ungenaues Passspiel schnell wieder verschenkt. Die Passquote bei Österreich bewegte sich nur knapp über der 60-Prozent-Marke, das ist ziemlich schlecht. Auch Martin Harnik lieferte eine ziemlich dürftige Leistung ab.

Dass man dennoch zu zwei, drei guten Chancen kam (auch wenn man von Alabas Weitschuss nach ein paar Sekunden absieht), und jedes Mal, wenn man nach vorne kam, deutlich mehr Gefahr ausstrahlte als jeder ungarische Angriff (mit Ausnahme des verzogenen Schusses von Dzsudzsák) war ein kleiner Mutmacher für die zweite Hälfte.

Ungarn adaptiert die Angriffswege

Genau in der Phase nach Wiederanpfiff deuteten die Ungarn schon an, wie es gehen kann: Sie haben ihren Angriffsfokus nämlich auf die andere Seite verlegt. Nicht mehr gegen Harnik und Klein, sondern gegen die Seite mit Fuchs und Arnautovic liefen nun die Mehrzahl der Gegenstöße. Zu denen kamen sie, weil sie sich nun wieder zurück zogen und Österreich wieder weiter aufgerückt war.

Der Plan, den Storck seinem Team in der Pause ganz offensichtlich mitgegeben hatte: Nach Ballgewinn vertikal an Arnautovic vorbei, dann der kurzen Pass ins Halbfeld, und der nachrückende Ungar spielt den Ball wieder vertikal in Richtung österreichischem Strafraum. Logischer Grund: Das war das Halbfeld von Alaba – dieser war höher aufgerückt als Baumgartlinger, so ergab sich in genau diesem Halbfeld Platz.

Diesen exakten Move zeigte Ungarn in der 49. Minute, in der 52. Minute wieder. Und in der 62. Minute führte genau dieser Spielzug zum 1:0 für die Ungarn.

Chaos in Unterzahl

Drei Minuten davor musste Junuzovic angeschlagen endgültig raus (Sabitzer kam), nachdem er sich schon längere Zeit nach einem Foul auf eingeschränktem Kraftniveau durch die Partie geschleppt hatte; drei Minuten nach dem Tor folgte der nächste Tiefschlag für Österreich in Form der gelb-roten Karte für Dragovic (dem man die fehlende Wettkampf-Praxis nach seiner längeren Verletzungspause deutlich ansah).

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Nach dem Dragovic-Ausschluss (65.)

In der Folge ließ Österreich die Dragovic-Planstelle halb offen, Baumgartlinger rückte bei Bedarf nach hinten; andererseits agierte der Rest des Teams nun umso höher. Arnautovic war nun mehr im Zentrum zu finden als auf dem Flügel, Sabitzer agierte mehr als zweite Spitze denn als Zehner – indem er eher vorne auf Anspiele wartete als (wie Junuzovic) sich in den Aufbau einzubinden.

Die Folge war eine komplett über Bord geworfene Kompaktheit im Zentrum und tonnenweise Platz für die Ungarn, um zu kontern. Weder der Sechserraum noch das Abwehrzentrum war adäquat besetzt, und so schien es schon kurz nach dem Dragovic-Ausschluss nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis die Ungarn einen Konter zum 2:0 abschlossen.

Denn das Passspiel der Österreicher blieb ob der nun natürlich immer mehr fehlenden Ruhe auf einem unterirdischen Niveau. So war es den Ungarn letztlich ein leichtes, genau ihre Stärken auszuspielen: Einen blindlings anrennenden und angeschlagenen Gegner mit einem offenen Zentrum zu verteidigen und zu kontern.

Kurz vor Schluss haben sie es dann doch noch geschafft, Stieber schloss einen dieser Gegenstöße in den offenen Raum zum 2:0-Endstand ab.

Fazit: Erst ungenau, dann panisch

Vielleicht haben die mäßigen Testspiele doch eine größere Wirkung hinterlassen als erhofft, ganz sicher haben es aber die Ungarn erfolgreich geschafft, das ÖFB-Team auf ihr Niveau herunter zu ziehen.

Ungarn brachte über weite Strecken des Spiels keine drei vernünftigen Vertikalpässe in einer Ballbesitzphase unter, hatten vor allem vor der Pause keinen wirklichen Plan zur Spielgestaltung und waren entsprechend harmlos. Weil es ihnen Österreich aber vor allem in puncto Passgenauigkeit gleich tat, konnte das ÖFB-Team diese Schwäche bei Ungarn nicht entsprechend nützen.

Natürlich, es gab vor allem vor der Pause drei wirkliche Chancen, um das Spiel auf Kurs zu bringen. Aber mit der neu gewonnenen Bürde des Favoriten-Daseins (und der entsprechenden Herangehensweise von auf dem Papier schwächeren, aber nicht heillosen Gegnern, wie etwa Ungarn) hat sich Österreich noch nicht angefreundet.

Diese Partie qualifiziert locker für die Top-3 der schlechtesten Performances unter Marcel Koller. Ist ein blöder Zeitpunkt dafür.

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.