Schon wieder nix! Benfica verlängert den Guttmann-Fluch mit dem achten verlorenen Europacup-Endspiel in Folge. Ganz nüchtern betrachtet war aber weniger der ungarische Ex-Trainer Schuld, sondern viel eher ziemlich profan das Vernebeln bester Tormöglichkeiten. Dennoch ist aber auch der Triumph für Sevilla nicht ganz unverdient, weil sich die Spanier in einem zugegeben weitgehend unspektakulären Europa-LeagueFinale zumeist ganz gut auf Benfica einstellen hatten können. Was den Lauf des Spiels am meisten bestimmte: Das Anpressen der gegnerischen Spieleröffnung.
Grundsätzlich erzählt sich die taktische Geschichte der Partie in erster Linie durch das Anpressen der gegnerischen Spieleröffnung. Das passierte in der sehr intensiv geführten Anfangsphase von beiden Mannschaften in ähnlicher Form: Zwei Spieler bewegen sich in einem Winkel von etwa 60 Grad auf den Ballführenden, sodass dieser nur die Möglichkeit hat, den Ball zurückzuspielen oder steil nach vorne, allerdings kaum kontrolliert.
Nach zehn Minuten stellte Sevilla – aufgestellt im schon die ganze Saison gewohnten 4-4-1-1 mit Rakitić als hängender Spitze hinter Bacca – dieses Angehen der Eröffnung von Benfica ein, sodass die Portugiesen leicht die Überhand gewannen, allerdings im Spiel nach vorne etwas umständlich waren und von der Härte Sevillas beeindruckt schienen. Dass Miralem Sulejmani nach 20 Minuten nach einem rüden Foul von Moreno verletzt raus musste, schadete Benfica.
Sulejmani-Ausfall schmerzt Benfica
War Sulejmani bis dahin in seiner Position als Mittelfeld-Außen nämlich maßgeblich am Anlaufen von Sevilla-LV Alberto Moreno beteiligt, ist das ganz und gar nicht das Spiel von Maxi Pereira, der Sulejmanis Position übernahm. Ohne die ganze, mannschaftstaktische Bewegung mit zwei aktiv Beteiligten und der nötigen Wachsamkeit dahinter traute sich Benfica nun nicht mehr, die Verteidiger von Sevilla Anzupressen. So erlahmte das Spiel zusehens und es passierte praktisch nichts.
Im Aufbau versuchte Benfica, wie immer, über kurze Passwege nach vorne zu kommen, hatte mit der Staffelung im Mittelfeld (Amorim defensiver, André Gomes höher, mit Gaitán von links her einrückend und mit Siqueira der viel nach vorne ging) die bessere Raumaufteilung dafür, verglichen mit den zwei Viererketten, die Sevilla gegen den Ball aufstellte.
Hausaufgaben gemacht
Sevilla hingegen hatte sich besser auf den Gegner eingestellt, hatte die Hausaufgaben gemacht. Oft wurden Passwege von Benfica gut antizipiert (vor allem die Longline-Pässe von AV auf AM und die mittellangen Schrägpässe von den Mittelfeld-Außen bzw. André Gomes auf die Spitzen im 5-bis-10-Meter-Bereich vor dem Strafraum) und beschränkte so die Gefahr auf ein Minimum. Dass Benfica unter Jorge Jesús zwar eine grundsätzlich offensiv denkende, aber seit fünf Jahren ohne echte Variation oft nach Schema F angreifende Mannschaft ist, wurde ihr in der Champions League schon öfter zum Verhängnis. Und sorgte auch für eine schlimme Passerfolgsquote von nur rund 65 Prozent.
Andererseits kannte allerdings auch Sevilla im Spiel nach vorne wenig Variation. Nach Ballgewinn hinten ging der Ball über die Zwischenstation eines Spielers aus dem defensiven Mittelfeld (Carriço kurz oder Mbia lang) schnell und direkt in die Spitze oder auf einen aufziehenden Außenspieler – wo immer sich gerade mehr Platz bot. So hatte in der ersten Hälfte Benfica mehr vom Ball und war aktiver, aber die direktere und damit auch etwas torgefährlichere Mannschaft war Sevilla.
Sevilla versucht’s, Benfica verstümpert
Spannend war, dass nach der Pause wieder beide Teams begannen, auf die Spieleröffnung zu pressen, diesmal aber Benfica als erster davon abließ – wohl auch, weil Sevilla nun auch schon in Mittelfeld deutlich aggressiver zu Werke ging, höher stand und damit ein höheres Risiko für Benfica bestand, offen zu sein, wenn es Sevilla gelingt, am Pressing vorbeizukommen. So kehrte sich das Spiel aus der ersten Hälfte um: Sevilla war dominanter und Benfica versuchte, nach Ballgewinnen schnell umzuschalten und zu kontern.
Was so gefährlich war, dass nach einigen Minuten voller eher wildem Hin-und-Her Sevilla wieder vom Gas stieg – glücklich, dass Benfica wie schon im Finale letztes Jahr gegen Chelsea die besten Chancen beinahe slapstickhaft verstolpert hatte. Was vor allem auffällig war: In den Sekunden, nachdem Benfica solche Großchancen vernebelt hatte, stellte sich Sevilla, gab den Ball zu Carriço und Mbia im Zentrum und wartete, bis wieder Ruhe im Spiel war, anstatt schnell gegenzuziehen.
Nachdem auch Sevilla wieder vom Gaspedal abließ, entwickelte sich ein ähnliches Spiel wie vor der Pause – kein Angehen der Spieleröffnung, und wenn, dann eher zaghaft von Benfica. Durch das Naturell der beiden Spielanlagen hatte Benfica dann wiederum mehr vom Spiel, hatte auch die besseren Chancen und hätte es sich durchaus verdient, als spielstärkere Mannschaft das Spiel auch für sich zu entscheiden. Da aber die Tore fehlten ging’s in die Verlängerung.
Erschöpfung lähmt Spiel
Nach und nach brachte Jorge Jesus mehr und mehr Stürmer auf den Platz. Am Ende spielten Cardozo und Lima vorne, Rodrigo rechts und für die absolute Schlussphase kam mit Ivan Cavaleiro noch ein vierter gelernter Stürmer als Brechstange auf den Platz. Auch Emery stellte mit Gameiro (statt des zuvor schon für Reyes eingewechselten Marko Marin) einen zusätzlichen Stürmer auf das Feld, der eher von der rechten Seite kam.
Viel von einem geordneten Spiel nach vorne oder gar möglichem Anpressen des Gegners war ob der fortgeschrittenen Ermüdung praktisch aller Akteure nicht mehr möglich. Vielmehr waren die Mannschaften auf der Suche nach einem Lucky Punch, nach einer Möglichkeit, eine durch Erschöpfung beim Gegner auftretende Schwäche auszunützen. Was keinem gelang – so ging es ins Elfmeterschießen.
Wo bei Sevilla Bacca, Mbia, Coke und Gameiro diskussionslos die Bälle unhaltbar in die Maschen droschen, während bei Benfica Cardozo und Rodrigo zittrige Knie bekamen und ihre Versuche eher kläglich vernebelten.
Fazit: Benfica individuell besser, Sevilla mannschaftlich
Letzlich gab es wenig, was diese beiden Mannschaften trennt. Die Portugiesen zeigten sich als die Truppe, die die feinere Klinge führt, die individuell wohl ein Stück besser besetzt ist als der Gegner. Sevilla hingegen war im Defensivverbund (mit Ausnahmen) gut aufgestellt und trat mannschaftlich etwas kompakter auf, stellte sich zudem besser auf die Spielanlage des Gegners ein.
Benfica war im Spiel dem Sieg zweifellos näher, hatte genug Chancen um den Guttmann-Fluch endlich zu brechen. Allerdings kam Sevilla durch das direktere Spiel nach vorne ebenso zu einigen guten Möglichkeiten. Sevilla war die etwas pass-sicherere Mannschaft, dafür schien Benfica gegen Ende mehr Kraftreserven zu haben. Kurzum: Es war ein durchaus gerechtes Unentschieden in einem Spiel, dass aber nun mal einen Sieger braucht. Das war Sevilla. Man kann Gründe finden, warum das gerecht ist, man kann aber auch Gründe finden, warum es nicht gerecht ist.
Es war kein besonders aufregendes Spiel und über weite Strecken auch, so ehrlich muss man sein, kein besonders interessantes oder taktisch außergewöhnliches. Wenn dies ein Gruppenspiel in der Champions League gewesen wäre, schon morgen hätte niemand mehr über das wenig spektakuläre und leistungsgerechte 0:0 gesprochen.
So bleibt’s zumindest als dritter Europacup-Sieg und als achtes verlorenes Benfica-Finale in Erinnerung.
(phe)