So hat’s der LASK gegen Liverpool angelegt

Liverpool hier, Liverpool da: In der oberösterreichischen Landeshauptstadt (und in Bad Leonfelden nahe der tschechischen Grenze, wo der Klub logiert hat) gab es in den letzten Tagen nur ein einziges Thema. Das Spiel und dessen Ausgang selbst war da fast zweitrangig. Am Ende gab es eine 1:3-Niederlage des LASK, der einige Zeit sogar in Führung gelegen war.

Und wie haben es Thomas Sageder und seine Truppe angelegt?

LASK – Liverpool 1:3 (1:0)

Für die Linzer war es womöglich das bedeutsamste internationale Heimspiel seit dem 1:0 gegen Inter Mailand vor 38 Jahren – für Liverpool ein Match gegen ein unbekanntes Team aus einer in England völlig unbeachteten Liga, das es halt zu absolvieren gilt, möglichst ohne was liegen zu lassen.

Da konnte Jürgen Klopp noch so sehr betonen, dass ihm das Spiel selbstverständlich wichtig ist: Aber wenn am Ende doch nur drei, vier echte Stammkräfte einlaufen, ist die Realität eben die, dass es für Liverpool ein Ligacup-Spiel mit längerer Anreise war. Ryan Gravenberch (auf der Acht) und der erst 17-jährige Ben Doak (rechts vorne) gaben ihr Startelf-Debüt für die Reds, Wataru Endo war zum zweiten Mal bei einem Anpfiff auf dem Platz, Bajcetic spielte out of position rechts hinten statt des angeschlagenen Trent Alexander-Arnold, Caoímhin Kelleher hütete statt Alisson das Tor.

Der LASK bleibt sich treu

Nach einem holprigen Start in die Saison ist der LASK unter dem neuen Trainer Thomas Sageder spürbar in Schwung gekommen. Nach dem Jahr mit stabilem, aber zuweilen staubigem Fußball mit Individual-Fokus (Stichwort Nakamura) soll Sageder, in Wolfsburg Co-Trainer von Oliver Glasner, wieder etwas mehr Glasner-Fußball spielen lassen. Dafür opferte er den langjährigen Mittelfeld-Anker Peter Michorl, weil für seine Spielidee Robert Zulj wichtiger ist – und mehr als einen Spieler, der zu langsam für das konsequente Anlaufen ist, will sich Sageder nicht erlauben.

Auch gegen Liverpool lief der LASK in einem 3-4-3 mit Zulj als leicht zurückhängendem Mittelstürmer ein und auch gegen Liverpool traute man sich, aktiv nach vorne zu verteidigen. Sprich: Schon jenseits der Mittellinie lief jeweils einer der schnellen Spitzen Havel und Ljubičić situativ die Spieleröffnung von Liverpool an, während Zulj und der ballferne Stürmer Endo und den ballfernen Liverpool-Innenverteidiger in Manndeckung nahmen.

Auf den Seiten isolieren

Mit Zulj offensiv, Horvath und Jovičić dahinter sowie mit den Richtung außen schiebenden Ljubičić und Havel machte der LASK den Mittelkreis dicht, zumal Liverpool ohnehin lieber über die Außen aufbaut und zwischen Elliott, Endo und Gravenberch sichtlich keine Abstimmung herrschte. Der LASK schob, sobald der Liverpool-Außenverteidiger die Mittellinie erreicht hatte, im Verbund so nach außen, dass dort eine 3-gegen-1-Überzahl hergestellt wurde.

Das bremste Liverpool oft, aber nicht immer. In einigen Situationen gelang es den Gästen, die Pressingwelle zu durchbrechen, dann ging es schnell in Richtung Strafraum. Ziereis und Luckeneder haben ihre Schwächen in der Spieleröffnung (weshalb das Spiel unter Kühbauer auch so solide, aber der Aufbau auch oft so behäbig wirkte), sie sind aber sehr patent im Kerngeschäft als Verteidiger. Sie drängten die anstürmenden Gegenspieler zumeist gut ab und ließen selten wirklich gute Abschlusspositionen zu.

Liverpool erhöht das Tempo…

Die Führung der Linzer durch einen Weitschuss nach einer Ecke erlaubte es dem LASK umso mehr, sich auf das Spiel gegen den Ball zu verlegen und die B-Elf der Gäste hatte es bis zur Pause nicht geschafft, den Ausgleich zu erzielen. Dieser sollte erst in Folge eines eher patscherten als bösen, aber doch elfmeterwürdigen Fouls von Ziereis an Díaz in der 56. Minute gelingen.

Schon zu Wiederbeginn war Liverpool sichtlich daran gelegen gewesen, im Teamverbund höher zu stehen, die Linzer weiter hinten zu beschäftigen, mehr Körper in den Strafraum zu bekommen und im Angriffsdrittel das Tempo höher zu halten. So gesehen war der Ausgleich in der Entstehung unnötig, nichtsdestoweniger hatte er sich aber schon ein wenig angedeutet. Einige Minuten später bekam der LASK einen jener Tiefendurchbrüche, die der Spielweise geschuldet waren, nicht verteidigt und es stand 2:1 für Liverpool.

…und zieht die Daumenschrauben an

Der Favorit hatte das Spiel kippen lassen und Klopp brachte unmittelbar vor dem 2:1 bereits Szoboszlai und Mac Allister (für Endo und Doak) sowie Joe Gomez (für Bajcetic) und danach kam auch Salah (für Gravenberch). Klopp konnte die Daumenschrauben anziehen, Sageder hatte seine besten Leute schon auf dem Platz und denen ging spätestens ab der 70. Minute spürbar die Luft aus. Die Eingewechselten (Mustapha und Koné, dann Roma-Leihgabe Darboe) brachten keine Wende.

Immer mehr waren die Linzer nun einen Schritt hintennach, körperlich eine Spur zu kaputt, Gedanklich eine Spur zu langsam, auch die Technik-Defizite gegen Weltstars aus der Premier League kamen öfter zum Vorschein. Salah trickste kurz vor Schluss noch das 3:1 über die Linie, geschlagen war der LASK aber schon vorher.

Was sagt das Spiel über den LASK?

Die Linzer waren dem großen Namen über weite Strecken ein absolut kompetenter Gegner – eine Halbzeit lang auf jeden Fall, bis zumindest zur 65. Minute lässt sich diese Feststellung auf jeden Fall argumentieren. Freilich wird das Personal der Reds am Sonntag gegen West Ham ein anderes sein und eine Augenhöhe mit den Gästen lässt sich aus einer starken Stunde gegen die B-Elf der Reds selbstverständlich nicht ableiten.

Sehr wohl aber hat der couragierte Auftritt gezeigt, dass der taktische Reset, den Sageder durchführen sollte, schon wesentlich schneller ins Selbstverständnis der Spieler vorgedrungen ist, als es die katastrophale Leistung beim Liga-Start gegen Rapid und der ziemlich dünne Auftritt danach bei Sturm befürchten ließen. Es ist aber das eine, gegen Lustenau zu dominieren und im Mittelfeld genug Platz zu haben, dass Horvath nach Laune aufdrehen, dribbeln, schauen und lenken kann.

Es ist aber schon noch etwas anderes, auf europäischer Ebene gegen Liverpool so draufzugehen, dass die Abwehrlinie 40 Meter vom eigenen Tor entfernt ist und sich sicher zu sein, dass man schon so im neuen System und der neuen Strategie gefestigt ist, dass man mit Durchbrüchen des Gegners schon zurecht kommen wird. Es geht darum, das Vertrauen in die Spielweise so zu verinnerlichen, dass einem die defensiven Risiken, die diese Strategie in sich birgt, weniger wehtun als einem die offensiven Möglichkeiten, die diese Strategie bietet, bringen.

Dieses Vertrauen hat den LASK in der Glasner-Zeit und dem Jahr unter Ismael stark gemacht. Dieses Vertrauen ist unter Thalhammer sukzessive verloren gegangen, Wieland konnte es nicht zurückbringen. Kühbauers Safety-First-Zugang – verbunden mit der Leistungs-Explosion von Keito Nakamura, die dem Verein 12 Millionen Euro ab Ablöse einbrachte – war, was der verunsicherte Klub gebraucht hat.

Der LASK ist noch längst nicht zurück, wo er schon mal war. Von Salzburg gar nicht zu sprechen, ist auch Sturm in der Entwicklung der aktuellen Mannschaft um Jahre weiter als das Sageder-Projekt, das sieben Liga-, ein Cup- und drei Europapokalspiele alt ist. Die Entwicklung der letzten Wochen – und auch dieses Spiel gegen Liverpool – dürfen aber einen vorsichtigen Optimismus untermauern, dass die Richtung stimmt.

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.