Ab dem 11. März holte Manchester City in elf Liga-Spielen 31 von 33 möglichen Punkten (bei 28:7 Toren), bis zum bedeutungslosen 0:1 in Brentford am letzten Spieltag. In der Champions League gab es ein 7:0 gegen Leipzig, ein 3:0 gegen die Bayern, ein 4:0 gegen Real Madrid und den Gesamtsieg. Obendrein streifte City auch den FA Cup ein und holte mithin das Triple.
Was an diesem 11. März 2023 erstmals passiert ist? John Stones ist passiert, bzw.: John Stones‘ neue Rolle als rausrückender Innenverteidiger.
In seiner Zeit bei Bayern München ist Guardiola davon abgekommen, die Außenverteidiger nach vorne marschieren zu lassen, stattdessen rückten Lahm und Alaba in den Sechserraum ein. Im Frühjahr 2023 ging er – nachdem Stones von einer Oberschenkelblessur genesen war – dazu über, überhaupt gelernte Innenverteidiger (Aké und Akanji) als nominelle AV spielen zu lassen, bzw. Walker, der diese Rolle auch ausfüllen kann.
Taktische Unruhe durch Håland…
Warum? Mit Erling Håland hatte Pep nun einen echten Mittelstürmer, der sich kaum an der Ballzirkulation beteiligt, sondern quasi einen Spieler rein für’s Endprodukt. Das klappte von Beginn an hervorragend, dafür funktionierte es anderswo nicht. Bis zur WM-Pause hatte City im Ganzen praktisch gleich viele Tore erzielt wie ohne Håland ein Jahr davor, aber doppelt so viele kassiert.
Nach Jahren mit Falschen Neunen musste das Personal für die Zirkulation im Zentrum nun von hinten kommen, und zwar in Form von John Stones. Der in Franz-Beckenbauer-Manier ins Mittelfeld neben Rodri rückende Verteidiger sorgte für die Stabilität im Ballbesitz, während die de facto drei Innenverteidiger hinter ihm für die Absicherung sorgten. Ähnlich wie Brasilien bei der WM spielte City nun also in in einer 3-2-Staffelung vor dem Torhüter.
…aufgelöst durch Stones im Mittelfeld
Hatte zuvor im Mittelfeld ein Spieler gefehlt, um nach Ballverlusten ins schnelle Gegenpressing zu kommen – mit der Folge von vermehrten Gegentoren – wurde dieses Missverhältnis durch Stones‘ Positionierung im Sechserraum aufgelöst.
In Zahlen ausgedrückt: In den zehn Premier-League-Spielen vor der Umstellung lag das xG-Verhältnis im Schnitt bei 2,17 Toren für und 1,01 Toren gegen City (es wurden 22 Punkte geholt). In dieser Phase sah es so aus, als könnte Arsenal den Titel wirklich über die Linie retten.
In den zehn Matches danach, die City allesamt gewann, lagen die xG-Werte bei 2,23 Toren für und nur noch 0,67 Toren gegen das Guardiola-Team (Zahlen von understat.com). Also: Die Offensive litt nicht, der Defensive war sehr geholfen und Arsenal konnte mit dieser brutalen Konstanz einfach nicht mehr mithalten, brach am Ende unter dem erbarmungslosen Druck von City zusammen.
Plus: Grealish blüht auf
Ein weiterer positiver Effekt war, dass Jack Grealish nun nicht mehr auf einen aufrückenden Außenverteidiger Rücksicht nehmen musste, sondern selbst von weiter hinten seine Stärken im Eins-gegen-Eins suchen konnte, dabei wie gewohnt viele Freistöße provozierte und generell eine fantastische Halbserie absolvierte.
In den vergangenen vier Monaten war City de facto unmöglich zu besiegen, niemand fand in einem ernsthaften Spiel ein taugliches Mittel – bis auf Inter im Champions-League-Finale. Man kann davon ausgehen, dass sich gegnerische Trainer die Herangehensweise von Simone Inzaghi sehr genau angesehen haben.
Das Sternchen hinter dem Triple
Als achter Verein in Europa gelang Manchester City das Triple (nach Celtic, Ajax, Eindhoven, Manchester United, Bayern, Barcelona und Inter; Bayern und Barcelona schafften das sogar zweimal). Die Klasse der Mannschaft ist unbestritten und dass Guardiola in den letzten 15 Jahren einen größeren Einfluss auf die Art und Weise hatte als irgendjemand sonst, wie Fußball gedacht, gespielt und trainiert wird, ebenso.
Das große Sternchen hinter dem Triple ist und bleibt aber bestehen – und das ist das Finanzgebahren des Vereins und untrennbar damit verbunden jenem von den Eigentümern aus Abu Dhabi. Die insgesamt 115 Verstöße gegen die Regularien der Premier League, wegen denen gegen City ermittelt wird, werfen ein düsteres Licht auf die sportlich fraglos beeindruckende Saison des Teams.
Wie auch immer die Causa weitergeht: Dass Guardiola mit der Stones-Rolle das alte WM-System mit vielen, unverkennbaren Elementen in den modernen Fußball des 21. Jahrhunderts eingeführt hat, wird das nicht mehr ändern.