Die Pflicht ist erledigt, jetzt kann man sich ganz der Kür namens EM widmen: Nach dem 3:1-Sieg im entscheidenden Spiel um den 2. Platz und dem 8:0 gegen Punktelieferant Lettland haben die ÖFB-Frauen ihren Platz im Playoff für die WM im kommenden Jahr sicher. Einerseits ist man glücklich, auch angesichts zahlreicher Corona-Fälle im Vorfeld die Resultate gebracht zu haben. Andererseits war man sehr selbstkritisch: Vor allem im Vergleich mit den beiden Testspielen im Februar waren Team und Teamchefin nicht restlos zufrieden.
Das 3:1 gegen Nordirland
Schon Carina Wenninger sprach Minuten nach dem Abpfiff davon, dass ihr Team „den Faden verloren“ hatte. Gemeint war dabei noch nicht mal die letzte halbe Stunde, als die ÖFB-Frauen beim Stand von 3:0 spürbar die mentale wie inhaltliche Schärfe verloren haben. Denn an sich war die erste Halbzeit gegen Nordirland in vielerlei Hinsicht schwer in Ordnung gewesen. Vor allem, wenn man bedenkt, dass es im Vorfeld zahlreiche Probleme gab – Blessuren bei Zadrazil und Hickelsberger, Corona bei Billa, Wenninger und Schnaderbeck.
Österreich übte sehr scharfen Druck via Angriffspressing aus, mit dem die Nordirinnen schon heftige Troubles hatten: Billa, Dunst, Naschenweng. Unterstüzt wurde dieser durch eine aufmerksame Absicherung, die sofort zur zweiten Pressingwelle wurde: Wienroither, Zadrazil, Hanshaw. „Das hat tatsächlich gut funktioniert“, sagte Irene Fuhrmann am Tag nach dem Match, „aber das Manko bleibt, dass daraus kaum Torchancen entstanden sind.“
Das scheußliche Wetter ab etwa der 25. Minute – strömender Regen und vor allem heftiger Gegenwind – hat nicht geholfen, beim ÖFB will das aber auch niemand als Ausrede gelten lassen.
Die Schwierigkeiten im Aufbau hatten zwei Gründe. Zum einen, dass die Offensivkräfte der Nordirinnen in deren 4-3-1-2 die kurzen Passrouten vor allem für Marina Georgieva zustellten, die damit ihre grundsätzliche Fähigkeiten in diesem Bereich nicht ausspielen konnte. Hinzu kam, dass die nordirischen Außenverteidigerinnen relativ hoch schoben und damit Isolationsfallen für die österreichischen Außenspielerinnen stellen konnten. Zum anderen fehlte es ein wenig an der Hilfe durch die eigenen Positionierungen, etwa durch ein mögliches Zurückrücken von Sarah Puntigam oder durch ein Übernehmen der noridischen AV durch den jeweiligen österreichischen Achter.
Aus einem Eckball resultierte kurz nach Beginn der 2. Halbzeit das 1:0, wenig später landete ein Querpass der weit aufgerückten nordirischen Torfrau Jackie Burns bei Nici Billa statt bei Sara McFadden und es resultierte das 2:0, ehe man es zum 3:0 nützte, dass man sich mal vertikal mit Tempo durch die aufgemachte nordirische Abwehr kombinieren konnte.
In der Folge wurden die Abstände bei Österreich zu groß, es wurde bei Angriffspressing nicht mehr so konsequent nachgedrückt und Nordirland klammerte sich zurück ins Spiel – auch unterstützt von der in einigen Situationen beunruhigend indisponierten Manuela Zinsberger. „Bei unseren Spielen in Marbella haben wir diesen Spielfluss nicht verloren“, monierte Fuhrmann. Damals war man beim 6:1 gegen Rumänien erbarmungslos und fügte auch der Schweiz eine empfindliche 3:0-Niederlage zu. Fuhrmann: „Diese Spiele waren von diesem Standpunkt her sicher die besten in der jüngeren Vergangenheit!“
Ein Weitschuss von Joely Andrews kurz vor Schluss sorgte noch für den 3:1-Ehrentreffer für Nordirland, aber die Pflicht war nach dem 2:2-Stolperer von Belfast im Herbst damit erledigt. VIer Tage später verlor Nordirland erwartungsgemäß 0:5 gegen England, damit steht fest: Österreich wird in der Gruppe mindestens Zweiter und hat das Playoff damit schon mal in der Tasche.
Das 8:0 gegen Lettland
Dass Österreich selbst gegen Schlusslicht Lettland nicht gewinnen würde, war von vornherein de facto unmöglich und das gab Fuhrmann Gelegenheit zu Umstellungen. Zum einen vom System her: Sie nahm einen Verteidigerin raus und brachte eine Stürmerin rein, es war ein 3-3-4, in dem Wenninger die alleinige IV gab, flankiert von Schiechtl (eigentlich Außenverteidigerin) und Degen in ihrem ersten Startelf-Einsatz (eher eine Sechserin, kann aber auch IV).
Vor dem gewohnten Dreier-Zentrum, in dem die leihweise von Potsdam zum FC Zürich gewechselte Marie Höbinger spielen durfte – die spielstarke 20-Jährige passt nicht so recht zum ultra-vertikalen Stil von Turbine-Trainer Sofian Chahed – gaben Dunst und Hanshaw die Außenspielerinnen, mit Hickelsberger (die nach eineinhalb Jahren Kreuzbandriss-Zwangspause ihr Pflichtspiel-Comeback für den ÖFB gab) und Kolb im Zentrum – zwei kleine, flinke, quirlige Spielerinnen. Es war nicht ganz so radikal wie in den letzten Thalhammer-Monaten, aber schon eine recht ungewöhnliche Anordnung gegen einen überforderten Kontrahenten.
Auch wenn es nach einer Viertelstunde schon 3:0 stand und es am Ende ein 8:0-Erfolg wurde, so richtig funktionierte der Plan nicht. Der Aufbau wurde recht konsequent über die Außen vorgetragen, wohl um die Fünferkette im sehr zentrumslastigen lettischen 5-2-1-2 auseinander zu ziehen und Platz für die kleinen Stürmerinnen zu schaffen. Tatsächlich hingegen bekam man keinen wirklichen Zugriff auf die Box. Man wurde zu schlechten Abschlusspositionen gezwungen und zu Hereingaben – für die Kolb und Hickelsberger körperlich nicht ganz geeignet waren, sie zu verwerten.
Zudem versuchte Lettland erfolgreich, keinen Spielfluss aufkommen zu lassen. Dass gleich drei lettische Spielerinnen noch in der ersten Halbzeit verletzungsbedingt ausgetauscht werden mussten, war zwar sicher nicht geplant, aber zwischen der 16. und der 58. Minute gab es kein österreichisches Tor. Und die, die fielen? Das 1:0 war ein Elfmeter, das 3:0 und das 4:0 ein Eckball, das 6:0 ein direkter Freistoß. Beim 7:0 segelt Torfrau Vaivode an einer Flanke vorbei, da stand allerdings schon die größere Makas zum Kopfball bereit, kurz nachdem sie für die angeschlagene Kolb gekommen war.
Die Setzung im Playoff
Alle neun Gruppenzweiten kommen ins Playoff. Dort werden, analog zur WM-Quali der Herren, in Semifinale und Finale drei Teams ermittelt; die besten drei Zweiten sind für die drei Finals gesetzt. Für Österreich sah es vor diesem Doppelspieltag besser aus als danach. In den anderen Gruppen gab es Resultate, die schlecht für die ÖFB-Frauen sind.
So hat Serbien völlig überraschend Deutschland besiegt und Irland hat einen nicht ganz erwarteten Auswärts-Punkt in Schweden geholt. Für die ÖFB-Frauen rächt sich somit also doch das 2:2 im Seaview in Belfast im Oktober. Das ist eher lästig als tragisch: Ja, ein zusätzliches K.o.-Spiel hätte man sich gerne erspart. Aber wenn man zu einer WM will, darf man Sieg gegen Teams vom Kaliber Irland oder Schottland schon erwarten. Wirklich blöd wäre nur, wenn man gegen Belgien gezogen würde.
Dass jener der drei Playoff-Finalsieger mit der schlechtesten Bilanz aus der Gruppenphase dann noch ins interkontinentale Playoff muss, dass im Februar 2023 quasi als WM-Generalprobe in Australien und Neuseeland ist, kommt noch hinzu. Aber erstens darf dieses für kein europäisches Team ein Stolperstein sein und zweitens lohnt es sich erst, darüber nachzudenken, wenn es wirklich so weit wäre.
Der Fahrplan zur EM
Die EM startet mit der großen Eröffnungsparty im Old Trafford am 6. Juli gegen Gastgeber England, es folgen die Spiele gegen Nordirland (in Southampton am 11. Juli) und Norwegen (in Brighton am 15. Juli). Bis dahin gibt es noch drei Testspiele für die ÖFB-Frauen.
Das Team kommt nach dem Ende der Klub-Saison (England am 8. Mai, Deutschland am 15. Mai, Österreich am 28. Mai, Frankreich erst am 5. Juni) zusammen es gibt drei Kurz-Trainingslager in Bad Tatzmannsdorf. Das erste von 2. bis 5. Juni, wohl noch ohne die in Montpellier spielende Sarah Puntigam. Dann von 9. bis 12. Juni, abgeschlossen mit einem Testspiel gegen Dänemark. Und dann noch eines von 17. bis 25. Juni, wobei es ein Match gegen Schottland geben wird. Dann fliegt man nach Belgien, wo am 26. Juni der letzte Probegalopp über die Bühne geht.
Bei der EM selbst werden die ÖFB-Frauen im Pennyhill Park Hotel untergebracht sein, südwestlich außerhalb von London. Beim Semifinal-Einzug 2017 logierte man im Wageninsche Berg Hotel und die interne Stimmung dort war legendär und ein Grund für das starke Abschneiden. Wäre kein Nachteil, gelänge dies 2022 wieder.