Trotz unzähligen Ballgewinnen im Offensivdrittel schaffte es Österreich, in Israel 0:3 im Rückstand zu sein als 3:0 in Führung. Danach verteidigte Israel so, wie man gegen ein Team mit viel Ballbesitz und wenigen Ideen verteidigen muss und kam letztlich zu einem 5:2-Sieg. Für Israels Teamchef Willi Ruttensteiner, einst von den ÖFB-Landespräsidenten nach 15 Jahren erfolgreicher Aufbauarbeit mit einem Tritt in den Hintern verabschiedet, ein süßer Sieg.
Ruttensteiner vertraute dem bei Israel gewohnten 5-3-2, in dem der linke Achter Solomon deutlich höher agierte als der rechte Achter Natkho; vorne spielten Dabbour und Zahavi. Bei Österreich wurde auf ein 3-4-3 vertraut, in dem vor allem der linke Wing-Back Alaba viel zentral agierte.
Extrem viele Ballgewinne…
Anders als Moldawien drei Tage zuvor, war Israel bemüht, den Ball planvoll aus der Abwehr nach vorne zu bringen. Das war allerdings ideal für Österreich: Denn das Angriffspressing brachte von Beginn an extrem viele Ballgewinne im Angriffsdrittel. Die israelische Abwehr wirkte dadurch sehr gehetzt, es ergaben sich zahlreiche Löcher und offene Schnittstellen.
Die Anlaufwege von Grillitsch, Laimer und Baumgartner sorgen recht bald schon für Panik bei Israel, zuweilen wurden gar Fünf-Meter-Pässe genau in die Beine des Österreichers gespielt. Laimer hätte dadurch beinahe den Ausgleich nach dem frühen Tausendgulden-Schuss zum Gegentor erzielt, hätte er den Ball nicht mit der Hand auf Schiene gebracht.
Ballverliebt gibt es nur mit deiner Hilfe!
Ballverliebt braucht deine Hilfe zum Weitermachen. Wenn du Artikel wie diese, kritische Analysen und Podcasts von uns magst und weiter von uns lesen und hören willst, dann unterstütze uns bitte. Der Preis eines Getränks pro Monat hilft schon sehr. Mehr dazu findest du hier.
…aber kein Plan nach dem Ballgewinn
Die Szene von Laimer zum vermeintlichen 1:1 war aber die Ausnahme: Hier erfolgte der Torabschluss ohne weiteren Pass, weil Laimer alleine auf Torhüter Marciano zulaufen konnte. In so gut wie allen anderen Situationen folgte nach dem Ballgewinn die große Ratlosigkeit und das haarsträubende Improvisieren.
Ohne erkennbar einstudierte Laufwege musste sich jeder österreichische Ballführende in der Situation den Mitspieler suchen. Alles konzentrierte sich in einem Zehn-Meter-Band im Zentrum, es wurde extrem umständlich. Dennoch gab es eine Handvoll großer Einschussmöglichkeiten, die entweder durch fehlendes Zielwasser oder durch die Reflexe von Torhüter Marciano zunichte gemacht wurde.
Israel: Eine echte Chance, drei Tore
Ruttensteiners Israelis machten es genau umgekehrt. Das frühe 1:0 war ein sehenswerte Schuss von der Strafraumkante, aber keine echte Torchance. Das 3:0 nach einer halben Stunde resultierte aus einem eher patscherten Ballverlust von Dragovic an der Mittellinie, der Zahavi 50 Meter freien Raum zum Tor offenbarte. Und nur das 2:0 entstammte einer wirklichen Torchance, wiewohl Dragovic auch hier nicht die beste Figur abgab und der Tap-In aus einem Meter wohl alleine den halben israelischen xG-Gesamtwert (2,03) ausmachte, mit dem Tap-In in der Nachspielzeit zum 5:2-Endstand den Großteil des Restes.
Zu einem Zeitpunkt, als eine österreichische 3:0-Führung den Spielverlauf passend abgebildet hätte, stand es also 0:3 aus Sicht des ÖFB. Das war unglücklich, aber auch nicht nur Zufall.
Denn so anfällig Israel auf das Angriffspressing von Österreich war, und noch vor der Pause resultierte aus einem weiteren Ballverlust das 1:3 durch Baumgartner, so geschickt zogen sie ihr eigenes auf. Die Dreier-Abwehr des ÖFB schaffte es nicht, den Ball sinnvoll nach vorne zu bringen und Hinteregger, der üblicherweise für die Pässe nach vorne zuständig ist, wurde daran gut gehindert. Situativ rückte er sogar auf, was in seinem Rücken aber Räume ließ – gefährlich.
Einfallslos nach der Pause
Für die zweite Halbzeit baute Foda das System um und aus dem 3-4-3 wurde ein herkömmliches 4-2-3-1. In der Folge sah das österreichische Spiel sehr ähnlich aus wie in Chisinau: Wie gewohnt viel Ballbesitz, aber keine Ideen im Aufbau; weiterhin drückte sich alles im Zehnerraum zentral zusammen; es gab keine Breite von den Außenverteidigern – vor allem nicht von Alaba. Außerdem wurde der auf der Zehn im Spiel gelassene Schöpf, ohnehin kaum mit Spielpraxis, zwischen allen möglichen improvisierenden Mitspielern und deren unkoordinierten Laufwegen aufgerieben. So konnten auch die Israelis die vor der Pause erschütternd löchrige Defensive gut zusammen halten.
Das gelang auch deshalb, weil Israel sich nicht – wie Moldawien – nur hinten einbunkerte, sondern weiterhin auch schon im Mittelfeld den ballführenden Österreicher anlief und so einen gezielten ÖFB-Aufbau zumeist schon im Keim erstickte. Arnautovic‘ Weitschuss sorgte kurzfristig für die Minimierung des Rückstandes auf ein Tor, das hielt aber nicht lange an.
Das Tor des kurz zuvor eingewechselten Shon Weissman zum 4:2 war ein Paradebeispiel dafür, was Österreich in der ersten Halbzeit vorgehabt hatte, aber nicht exekutieren konnte. Druck auf Schöpf beim Herausspielen, dieser hatte keine Anspielstation, Ballverlust, zack, bumm, Tor. Damit war das Spiel nach 60 Minuten erledigt. Zahavis Tor in der Nachspielzeit war dann nur noch der Schlusspunkt.
Demir nur kurz im Zentrum
In der 68. Minute kam Yusuf Demir für Schöpf ins Spiel und er nahm, wie von Foda angekündigt, die Position auf der Zehn ein. Dort kam er gegen die massierte und körperlich robuste Defensive der Israelis aber kaum zur Geltung und auch die Mitspieler schienen nicht zu wissen, wie sie Demir einbinden sollen. In den zwölf Minuten, in denen Demir auf der Zehn spielte, hatte er kaum drei Ballkontakte in der gegnerischen Hälfte.
Für die Schlussphase kam schließlich Ercan Kara (statt Baumgartner) für die Zehn und Demir ging auf Baumgartners linke Angriffsseite. Dort fühlte er sich sofort sichtlich wohler, zeigte in einigen Passfolgen gutes Spielverständnis und lief auch aktiv die Gegner an – also im Ansatz jenes Spiel, das ihn für Barcelona als Flügelspieler interessant macht. Demir ist kein Spieler, der mit Zweikämpfen zur Defensive beiträgt, sondern Ballgewinne durch Anlaufen forciert.
Fazit: Süße Rache von Ruttensteiner
Es war ein etwas seltsames Spiel: Vor der Pause war Österreich klar am Drücker, provozierte Ballgewinne im Angriffsdrittel am laufenden Band, aber machte nichts daraus – während Israel zwar hinten sehr löchrig unterwegs und nach vorne nicht viel zu bieten hatte, aber 3:0 in Führung ging. Danach stellte Foda auf exakt jenes Spiel um, das schon in Moldawien nicht funktioniert hat, und – große Überraschung – es funktionierte auch in Israel nicht.
Die ÖFB-Abwehr wirkte vom israelischen Angriffspressing überrascht und in keinster Weise darauf vorbereitet; bis zum Schluss nicht. Sie provozierte ungewohnte Fehler – Dragovic‘ Ballverlust zum 0:3, Hintereggers eigentliches Elfer-Foul kurz vor dem 2:4 – und konnte ihre Aufgaben im Spielaufbau zu keinem Zeitpunkt vollziehen.
Gerade Willi Ruttensteiner, der 2017 vom ÖFB unsanft vom Hof gejagt worden war, um Platz für eine Revolution des Kleinmuts und des Bauchgefühls gegenüber Progressivität und Daten zu machen, verpasste seinen Nachfolgern nun einen groben Kinnhaken – so gesehen hat das 2:5-Debakel für Österreich durchaus ein gewisses Karma-Element.
Das Angriffspressing von Österreich war ausgezeichnet, dafür war der Rest eine Katastrophe: Wieder wirkte das Spiel nach dem Ballgewinn rein auf Zufall aufgebaut, zudem gab es überhaupt keinen Plan gegen das Anlaufen der Israelis. Damit ist Platz zwei in der Gruppe, der für ein Team mit der Kaderqualität von Österreich das absolute Minimalziel sein muss, schon in die Ferne gerückt.