Treten Spieler heute früher aus dem Nationalteam zurück?

Christian Fuchs hat’s schon vor einem Jahr getan. Nun haben auch Zlatko Junuzovic und Martin Harnik ihre Karrieren im Nationalteam beendet; Marc Janko wird unter Franco Foda vermutlich keine Rolle mehr spielen, der seit einem Jahr verletzte Robert Almer vermutlich auch nicht.

Was die Frage aufwirft: Treten die Spieler heutzutage jünger bzw. früher aus dem Nationalteam zurück als in den vergangenen Jahrzehnten? Wir haben uns die letzten drei großen ÖFB-Teams (die 78er, die 98er und eben die 2016er) angesehen und verglichen.

* Bruno Pezzey bekam einige Jahre danach noch ein Abschiedsspiel

Zwei weitere Spieler standen noch in zwei bzw. drei der sechs WM-Spiele in der Startformation: Walter Schachner (1x statt Krieger, 2x statt Jara) debütierte als 19-Jähriger und hatte seinen letzten echten Einsatz mit 31 Jahren (später hatte er noch ein paar Minuten in seinem Abschiedsspiel) und Heini Strasser hatte mit 20 debütiert und mit 30 sein letztes Spiel bestritten, er kam in den letzten zwei Partien statt Breitenberger zum Einsatz.

Das Durchschnittsalter der 13 Kernspieler bei ihrem Debüt betrug 20,4 Jahre, jenes bei ihrem letzten echten Länderspiel-Einsatz 32,4 Jahre. Der Kern der Truppe war auch vier Jahre später bei der WM 1982 noch mit dabei; nur für Pepi Hickersberger, Edi Krieger und Gerhard Breitenberger endete die Teamkarriere mit der WM-Endrunde 1978.

Grob gesagt bildete dieses Team von rund um 1973/74 an den Stamm, erreichte 1978 ihren Höhepunkt, war 1982 schon über ihrem Zenit und war 1985 nach einem fürchterlichen 0:3 daheim gegen Ungarn am Ende. Branko Elser hatte damals in seinem ersten Länderspiel einige der Alten zurückgeholt (Koncilia, Pezzey, Prohaska, Jara, Oberacher, Krankl und Schachner waren da dabei).

* Schöttel und Polster erhielten einige Jahre danach noch ein Abschiedsspiel

Die „98er“ sind natürlich nicht auf jene elf Spieler in der Grafik zu reduzieren. In der Quali und bei der Endrunde in Frankreich kamen noch einige andere regelmäßig zum Einsatz. Das defensive Mittelfeld bildeten oftmals auch Didi Kühbauer (21 bis 34) und Andi Heraf (28 bis 30). Statt Herzog spielten hin und wieder Peter Stöger (21 bis 32) oder Adi Hütter (24 bis 27).

Statt Wetl kam in der Quali-Schlussphase Gilbert Prilasnig (24 bis 28) zum Einsatz, in der Manndeckung öfters Walter Kogler (23 bis 33), statt Cerny zuweilen Markus Schopp (21 bis 31). Franz Wohlfahrt (23 bis 37) vertrat einmal den gesperrten Konsel und bei der WM spielten jeweils einmal auch Hannes Reinmayr (24 bis 29) und Mario Haas (21 bis 28) von Beginn an.

Das Durchschnittsalter dieser 21 Kernspieler bei ihrem Debüt betrug 22,2 Jahre, jenes bei ihrem letzten echten Länderspiel-Einsatz 31,9 Jahre. Für Konsel und Polster endete die Team-Karriere mit dem Turnier in Frankreich; für Schöttel, Pfeffer und Wetl knapp ein Jahr später mit dem 0:9 in Valencia. Obwohl einige schon bei der WM 1990 dabei waren (Herzog, Pfeffer, Schöttel, Polster, Pfeifenberger), wuchs dieses Team erst Mitte der 90er in dieser Form zusammen und es hatte bei der WM 98 ihren Zenit bereits überschritten.

Die Zeit der „98er-Generation“ endete in Valencia mit einem Knall; wiewohl einzelne Spieler bis weit in die Krankl-Zeit hinein Leistungsträger waren (Schopp, Kühbauer, Vastic).

Die 2016er-Generation von Marcel Koller spielte die Qualifikation praktisch immer mit dem gleichen Team durch, am Anfang war noch Rubin Okotie dabei, gegen Ende rückte Martin Hinteregger vermehrt ins Team, bei der EM auch Alessandro Schöpf. Aber dies war relativ klar die Einser-Formation von Marcel Koller auf dem Weg zur EM-Teilnahme.

Das Durchschnittsalter dieser Elf bei ihrem Debüt betrug 20,4 Jahre, ohne den Ausreißer Almer sogar 19,7 Jahre. Sie waren bei ihrem ersten Einsatz also spürbar jünger als die 98er und waren durch die Weiterentwicklung des Spiels größeren athletischen Anforderungen ausgesetzt und sie hatten größtenteils deutlich mehr Matches auf dem Kalender als vor allem die 78er.

Das Durchschnittsalter jener sechs Spieler, die sicher oder höchstwahrscheinlich zukünftig nicht mehr im Nationalteam spielen werden, liegt bei 30,7 Jahren. Das sind anderthalb bis zwei Jahre jünger als die 78er und die 98er waren. Allerdings: Hätten sie sich für die WM in Russland qualifiziert, käme bei allen noch ein Jahr dazu – und da wären sie wieder bei dem Wert, den die 98er hatten. Und wohlgemerkt: Damals waren Leute wie Kühbauer und Vastic dabei, die bis Mitte 30 oder sogar bis knapp 40 im Team aktiv waren.

Fazit: Jünger reingekommen, gleich lang gespielt

Das ist jetzt zugegeben alles nicht besonders wissenschaftlich, aber es ergibt sich schon ein einigermaßen durchgängiges Bild. Betrachtet man rein den Unterschied zwischen Durchschnitts-Alter beim Debüt und beim letzten echten Länderspiel-Einsatz, ergibt sich folgendes Ranking:

9,7 Jahre – Die Frankreich-1998-Generation
10,3 Jahre – Die Marcel-Koller-Generation
12,0 Jahre – Die Cordoba-Generation

Die jüngst zurückgetretenen Spieler bzw. jene aus dem Team, das sich für die EM 2016 qualifziert hat, ist sogar ein kleines Stückchen länger im Team gewesen als jene aus der 98er-Generation – aufgrund der geringen Abweichung lässt sich aber bei beiden eine Zeit von 10 Jahren im Nationalteam ablesen.

Ist der Team-Rücktritt von Fuchs, Junuzovic und Harnik mit jeweils 30 Jahren also ungewöhnlich früh? Nein, keineswegs – nach einem Jahrzehnt in der Nationalmannschaft ist in der Regel so oder so das Ende meistens gekommen. Im aktuellen Fall kommt hinzu, dass fast alle Stammspieler annähernd gleich alt sind und nun generell ein Umbruch ansteht, mit neuem Teamchef und mit fast drei Jahren bis zur nächsten Endrunde.

Also: Ja, die abgetretenen 2016er haben sich jünger verabschiedet als ihre Vorgänger aus vergangenen, großen ÖFB-Teams. Aber: Nein, die 2016er haben sich zumindest nicht früher verabschiedet als die 98er.

Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.