Es ist gelungen: Die ÖFB-Frauen haben in Norwegen ein 2:2 geholt und damit erstmals auswärts bei einem Topf-1-Team einen Punkt ergattert. Das Match beim amtierenden Vize-Europameister war von mehreren Phasen geteilt – zeitweise sah Österreich wie das deutlich bessere Team aus, dann wieder wirkte vieles eher kopflos. Über die Spieldistanz gesehen aber geht das Unentschieden in Ordnung.
Erstes Spielviertel: Wenig los.
Das ÖFB-Team begann, anders als in der letzten Zeit gewohnt, mal wieder in einem 4-4-2 und agierte zu Beginn ungewohnt bedächtig, fast passiv. Damit kopierte man die Spielweise von Norwegen ziemlich genau. Es wirkte so, als wollte man die Norwegerinnen entweder ein wenig locken, mehr Verantwortung im Gestalten des Spiels aufzubürden – im Wissen, dass Norwegen das gegen gute Gegner (und ein solcher ist Österreich mittlerweile) eigentlich nicht kann.
Norwegen agierte nicht ganz so statisch, wie das noch beim glücklichen Sieg in Steyr vor zwei Monaten der Fall war. Zunächst beschränkte man sich darauf, die österreichischen Außenverteidiger anzupressen und zu isolieren, ließ aber die rot-weiß-rote Innenverteidigung ziemlich unbehelligt; Hegerberg und Herlovsen stellten sich eng und kreierten so einen Deckungsschatten, der Schnaderbeck und Wenninger eine vertikale Eröffnung verunmöglichte.
Hinten kippte Sechser Maren Mjelde gerne ab, die Außenverteidiger rückten etwas auf – so wollte man die Eröffnung an den österreichischen Stürmerinnen Billa und Burger vorbei erleichtern. Klappte aber nicht so richtig.
Es war ein fürchterliche Schnitzer von Nora Holstad (bei den Bayern die IV-Kollegin von Schnaderbeck und Wenninger), die einen an sich harmlosen Ball von Prohaska scharf machte und Nina Burger nach einer Viertelstunde zum 1:0 für Österreich abstaubte. Ein paar Minuten später sprang auf der anderen Seite Maren Mjelde der Ball an der Strafraumgrenze vor den Fuß, ihr Weitschuss schlug zum 1:1 ein.
Zweites Spielviertel: Österreich presst hoch
Halb durch die erste Hälfte schaltete Österreich auf das Spiel um, das Österreich in den letzten Jahren ausgezeichnet hat: Aggressives Pressing tief in der gegnerischen Hälfte. Nici Billa ließ sich dazu von der Spitze etwas nach hinten fallen und kreierte so ein 3-gegen-2 im Spielfeld-Zentrum. Mit ihr, der giftigen Zadrazil und der ebenso nun aggressiveren Puntigam flutete Österreich den norwegischen Sechserraum.
Norwegen bekam genau diesen Raum zwischen Mittelkreis und Strafraum in dieser Phase überhaupt nicht zugemacht und Österreich erspielte sich ein deutliches spielerisches Übergewicht. Man hatte den Favoriten klar an der Kandarre, aber es gelang Österreich nicht, bis zur Pause die Führung zu erzielen, die klar verdient gewesen wäre.
Drittes Spielviertel: Leichte Beruhigung
Nach dem Seitenwechsel war bei Norwegen das Bemühen, das Spiel zu beruhigen und konzentrierter um die österreichischen Drucksituationen herum zu spielen, klar zu erkennen. Ballnahe Mitspielerinnen liefen sich nun konsequenter frei und das Team war recht offensichtlich von Teamchef Finjord in der Pause auf die präferierten österreichischen Pressingwege und -winkel hingewiesen worden.
So wich der totale Druck, den Österreich vor der Pause ausgeübt hatte, einer eher ruhigen Phase. Das norwegische Team hatte nun erstmal was es wollte (etwas Ruhe und niedrigeres Tempo), auch das österreichische schien zunächst nicht unzufrieden (mit der nicht vorhandenen Gefahr, die Norwegen ausstrahlte).
Bis nach knapp einer Stunde eine Flanke in den österreichischen Strafraum gesegelt kam. Viki Schnaderbeck ist großartig im Antizipieren und Ablaufen, aber sie ist nicht das böseste Luftkampf/Kopfball-Ungeheuer auf dem Feld. Isabell Herlovson ist das schon. Und so führte Norwegen ein wenig aus dem Nichts 2:1.
Viertes Spielviertel: Hektik bei Österreich
War die Reaktion auf das erste Gegentor noch positiv und aktiv, fielen die ÖFB-Frauen nach diesem zweiten Gegentor merklich in das bekannte Muster zurück, dass solche Ereignisse doch kräftig am Fokus nagen.
Zwar funktionierte das Anlaufen und das Gewinnen der Bälle durch das gewohnte hohe Pressing nun wieder besser als zu Beginn der zweiten Hälfte, aber wenn man mal den Ball hatte, fehlte die Ruhe, auch wirklich etwas damit zu machen. Zu schnell folgte entweder ein Abschluss (aus 25 bis 30 Metern), ein Fehlpass oder eine kleine Schlampigkeit, mit der potenzielle Chancen schnell im Keim erstickt wurden. Die einzige wirklich von A bis Z durchgespielte Angriffsaktion von Österreich aber führte fast zu einem Tor (Feiersingers Rück/Querpass auf Burger, die drüber schoss).
Durch das erhöhte Risiko boten sich Norwegen im Rücken der österreichischen Abwehr nun natürlich Räume, mehr als ein-, zweimal musste man sich aber nicht Sorge machen – umso weniger, als Finjord zehn Minuten vor Schluss Stürmerin Herlovsen vom Platz nahm und die routinierte DM-Spielerin Ingvild Stensland brachte. Passt schon, signalisierte das, wir müssen keines mehr machen.
Wenige Augenblicke später stand in Norwegens Abwehr alles falsch, was nur irgendwie falsch stehen kann. Billa steht nicht im Abseits, Moe-Wold und Lund rennen beide zu ihr, dafür steht überhaupt niemand mehr vor dem Tor bei Feiersinger – und die bringt den eigentlich zu ungenauen Querpass über die Linie.
Fazit: Viel Licht, aber auch ein wenig Schatten
Eine Stunde lang präsentierte sich Österreich als das Team am Kommandostand, diktierte Tempo und Rhythmus des Spiels. Gerade in der Phase vor der Pause war das stolze Norwegen nur Passagier, das war genau die Art von Spiel, die Österreich so gut kann und die bei Norwegen die größten Schwächen offenbaren lässt. Da haben die ÖFB-Frauen gezeigt, dass sie von ihrer grundsätzlichen Klasse durchaus auf Augenhöhe mit Norwegen sein können. Wichtig zu sehen ist efinitiv, dass danach zwar die Ruhe fehlte, aber der Wille immer da war. Österreich steckte nie auf. Das ist eine durchaus nennenswerte Qualität.
Es wurde aber auch deutlich, dass es nach der ersten Elf (auch natürlich etwa durch die Verletzung von Offensiv-Allrounderin Lisa Makas) ein wenig an Spielerinnen fehlt, die man ohne Substanzverlust einwechseln kann. Es ist kein Zufall, dass Thalhammer beim Heimspiel gegen Norwegen nur einmal wechselte und nun beim Auswärtsspiel auch nur zweimal (davon einmal in der 90. Minute).
Dies ist aber praktisch allen Topf-2-Teams gemein und Österreich ist neben der Schweiz und Belgien das bisher einzige dieser Topf-2-Teams, das in dieser EM-Qualifikation dem Gruppenkopf auch nur einen Punkt abnehmen konnte. Damit wird zu 99 Prozent nach dem nächsten Spieltag (Österreich am Montag gegen Israel in Horn, tags darauf Norwegen in Wales) der zweite Platz fix sein.
Und die EM-Qualifikation kann Österreich auch nur noch sehr theoretisch verspielen.