Die Kinder der letzten Quali-Party

Wer kann sich noch erinnern? Im Oktober 1997 feierte Österreich ein großes Fest. Schauplatz war das WM-Quali-Spiel gegen Weißrussland, aber Anlass an einem sonnenüberfluteten Samstag Nachmittag im Wiener Prater die schon vorm Spiel feststehende Qualifikation für die WM-Endrunde in Frankreich. Peter Stöger und Toni Polster trafen jeweils schon vor der Pause doppelt, das Spiel endete 4:0.

Eine ähnliche Situation bietet nun auch das Spiel gegen Liechtenstein. Alles ist erledigt, ein Sieg im Normalfall nur Formsache, und eine ausgelassene Quali-Party vorprogrammiert. Nur: Was haben die aktuellen Teamspieler, 1997 noch Kinder, damals gemacht? Und was bei der Heim-EM 2008? Hier ein kleiner Überblick – dabei darf man sich ruhig vor Augen führen, wie lange das schon her ist. Fast auf den Tag genau 18 Jahre nämlich.

Zlatko Junuzovic, seit Frühjahr 2006 Teamspieler und damit der dienstälteste aktuelle Teamkicker, war im Oktober 1997 zehn Jahre alt, und war im Nachwuchs des SK Kühnsdorf am Klopeiner See in Kärnten aktiv. Fünf Jahre zuvor waren seine Eltern mit ihm aus dem bosnisch-serbischen Grenzgebiet vor dem Krieg nach Österreich geflüchtet. Bei der Heim-EM war er nach zwei Jahren beim GAK und einem bei Kärnten aber kein Thema – anders als zwei Teamkollegen beim Semifinal-Einzug bei der U-20-WM 2007.

Martin Harnik interessierte sich als Zehnjähriger E-Jugend-Spieler beim Hamburger Vorort-Klub TSV Kirchwerder wohl eher für das dramatische 4:3 der DFB-Elf gegen Albanien, wo erst das Siegestor von Olaf Marschall in der Nachspielzeit das direkte WM-Ticket sicherte – Harnik, ein „Hamburger Jung“, kannte Österreich nur als Heimat seines Vaters. Dass er mal das ÖFB-Trikot statt des deutschen tragen würde, war erst achteinhalb Jahre später denkbar, als er bei einem Hallenturnier einem Scout der Wiener Austria auffiel. 2008 bei der Heim-EM war er (ein Jahr nach dem Semifinal-Einzug bei der U-20-WM) bereits Stammkraft im Nationalteam. Obwohl er damals noch in der Drittliga-Reserve von Werder Bremen spielte.

George Alaba, Mittdreißiger, gebürtiger Nigerianer und seit 13 Jahren in Wien, landete 1997 als Teil des Muiker-Duos Two in One seinen ersten Top-20-Hit in Österreich, ein Jahr später folgte mit „Makeema“ der erste Top-5-Hit, ein weiteres Jahr später landete der „Indian Song“ sogar auf Platz zwei. Sein Söhnchen David war bei der Weißrussland-Party fünf Jahre alt, erst vier Jahre später ließ er sich beim SV Aspern einschreiben. 2008, zum Zeitpunkt der Heim-EM, hatte sich Alaba gerade als Stammkraft in der 2. Liga etabliert, gab für einen 15-Jährigen schon erstaunlich eloquente Interviews und wechselte im Sommer 2008 in die Nachwuchs-Abteil von Bayern München. Der Rest ist Geschichte.

Marc Janko kämpfte, als sich Österreich zuletzt aus eigener Kraft für eine Endrunde qualifizierte, als 14-Jähriger im Admira-Nachwuchs mehr mit Wachstumsschüben als mit den Gegnern, eine Profi-Karriere schien für den Sohn der einstigen Weltklasse-Speerwerferin Eva Janko meilenweit entfernt. Nachdem er so erst als 21-Jähriger in die Bundesliga gekommen war und weite Teile der Saison 2007/08 verletzungsbedigt verpasst hatte, war er auch bei der Heim-EM nicht aktiv mit dabei.

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Marko Arnautovic dribbelte und trickste sich 1997 als Achtjähriger durch die Fußballkäfige von Floridsdorf und brachte mit seiner eigenwilligen Art beim FAC so manchen Junioren-Trainer auf die Palme. Nachdem er 2007 bei der U-19-EM mehr durch Disziplinlosigkeiten und eine sinnlose rote Karte aufgefallen war, absolvierte er die kommende Saison als Joker bei Twente Enschede. Für die Heim-EM war er kein Thema, er debütierte einige Monate danach im Team.

Julian Baumgartlinger war neun Jahre alt, als Stöger und Polster das 4:0 gegen Weißrussland herausschossen, und kickte in der Jugend seines Heimatklubs Mattsee im Salzburger Flachgau. Wie Arnautovic war auch Baumgartlinger 2007 bei der U-19-EM dabei, er ließ sich damals bei 1860 München ausbilden – auch noch ein Jahr später, als er die Heim-EM als Zuschauer verfolgte. Als er 2009 zur Wiener Austria ging, äußerte sich Matthias Hattenberger noch ziemlich herablassend über den Neuzugang. Und zack, war Hattenberger aus der Mannschaft gespielt.

Aleksandar Dragovic, Sohn von Immigranten aus Serbien, begann 1997 seine Vereinskarriere als sechsjähriger Stöpsel in der Nachwuchs-Abteilung der Austria – dem Verein, dem er 14 Jahre lang treu bleiben sollte. In der Saison nach der Heim-EM – nach einem Zweitliga-Jahr bei den Austria-Amatueren etablierte er sich neben Jacek Bak in der Innenverteidigung der Kampfmannschaft. Sein Teamdebüt gab er 2011, ausgerechnet in Belgrad.

Christian Fuchs ist neben Harnik, Prödl, Leitgeb und Özcan einer der wenigen Spieler, der vom Kader der Heim-EM 2008 noch übrig ist. Als er elf Jahre alt war und nach der Schule ins Training bei Unterhausklub SV Pitten ging (das liegt zwischen Wr. Neustadt und Neunkirchen), qualifizierte sich Österreich für die WM in Frankreich. Sechs Jahre später spielte er mit der U-17 des ÖFB selbst seine erste EM, 2008 war er bei der Heim-EM der „Großen“ auf der linken Seite gesetzt und sein Transfer von Mattersburg nach Bochum schon fixiert.

Flo Klein, acht Jahre alt, lief in Linz dem Ball hinterher, als Weißrussland 4:0 demoliert wurde. Beim LASK spielte er auch immer noch, als Fußball-Europa 2008 nach Österreich schaute – Klein hatte da gerade seine erste Bundesliga-Saison mit dem LASK hinter sich und war noch rechter Mittelfeldspieler und noch nicht rechter Verteidiger. Im Nationalteam debütierte Klein erst mit 23 Jahren.

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Sebastian Prödl war zehn Jahre alt und gerade vom SV Kirchberg zum SV Feldbach in die südsteirische (damals noch) Bezirksstadt gewechselt, als Österreich sich für die WM 1998 qualifizierte. Bei der Heim-EM war er in der Abwehr schon Stamm-Teamspieler und war gegen Kroatien und Polen auf dem Feld (und holte gegen Polen sogar den Elfer heraus), fehlte dann gegen Deutschland gelbgesperrt.

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Robert Almer, 13 Jahre alt, war 1997 im steirischen Feistritztal beschäftigt, das Tor der Jugend-Teams beim SV Birkfeld sauber zu halten, als Michael Konsel selbiges im Nationalteam gegen Weißrussland tat. Der lange Blonde tat das auch weiterhin so gut, dass er erst von Sturm und dann von der Austria verpflichtet wurde und 2003 bei der U-19-EM Dritter wurde. Als Back-up-Goalie in Mattersburg war Almer 2008 aber kein Thema für die EM-Endrunde.

Martin Hinteregger war im Oktober 1997 ein fünfjähriger Bub im Sirnitztal – einem Seitental des Gurktales – irgendwo in den Kärntner Bergen und kann sich vermutlich an das 4:0 gegen Weißrussland nicht mehr bewusst erinnern. Auch vereinsmäßig Fußball gespielt hat der Verteidiger damals noch nicht, das kam erst zwei Jahre später. Zum Zeitpunkt der Heim-EM spielte Hinteregger in der U-17 von RB Salzburg (gemeinsam mit Meilinger, Lainer, Offenbacher und Vucur).

Herfried Sabitzer, gerade 28 geworden, war in der Qualifikation für die WM 1998 sogar aktiv beteiligt. Sein damals vierjähriger Filius Marcel bekam mit großer Wahrscheinlichkeit den Trubel ums Team und seinen für den GAK stürmenden Vater noch nicht so richtig mit oder konnte ihn zumindest nicht einordnen. Im Nachwuchs der mittlerweile in die Regionalliga zwangsrelegierten Grazer war Marcel Sabitzer dann 2008 aktiv, als er 14-jährig die Heim-EM beobachtete.

Wie Martin Harnik war auch Gyuri Garics 1997 noch gar kein Österreicher, den damals 13-jährigen von Haladás Szombathely wird das Play-Off seiner Ungarn (das gegen Jugoslawien mit 1:7 und 0:5 krachend verloren ging) deutlich näher gegangen sein. Elf Jahre später bei der EM in Österreich war Ungarn nicht dabei, aber Garics war auf der rechten Seite beim ÖFB-Team gesetzt. 2003 war der fünf Jahre davor zu Rapid gewechselte Außenverteidiger eingebürgert worden.

Christoph Leitgeb war 2008 als 23-Jähriger bei der Heim-EM aktiv dabei, vernebelte etwa gegen Polen eine Großchance. Als sich Österreich zuletzt sportlich qualifizierte, war Leitgeb 12 Jahre als und im Nachwuchsbereich bei Sturm Graz eingetragen. Auch Ramazan Öczan war 2008 dabei, als dritter Torhüter vertrat er den erkrankten Helge Payer.

Und wo waren die anderen Kicker aus dem Kreis der aktuellen Nationalmannschaft im Oktober 1997? Nun, Heinz Lindner (7) verbrachte seine Freizeit im LASK-Nachwuchs, Lukas Hinterseer war ein 6-jähriger Bub in Kitzbühel mit einer berühmten Verwandtschaft, Markus Suttner (10) ein vermutlich recht flinker Bursch im Nachwuchs von Wullersdorf. Der Vater von Kevin Wimmer (4) war Zweitliga-Goalie in Braunau und der von Stefan Ilsanker (8) war Reserve-Goalie in Salzburg, Jakob Jantscher (8) lief in Unterpremstätten dem Ball nach, Veli Kavlak (9) war ein vielversprechendes Talent bei Rapid, Rubin Okotie (10) bei der Wiener Viktoria. Und Valentino Lazaro (1) tapste, süße 18 Monate alt, durch die elterliche Wohnung in Graz.

Ach ja, und der Teamchef? Marcel Koller beendete im Sommer 1997 seine aktive Karriere im Alter von 36 Jahren – nach 19 Saisonen als Profi bei GC Zürich und einer EM-Teilnahme mit der Schweiz. Als 2008 die Endrunde in seiner Heimat und in Österreich über die Bühne ging, war er Coach beim VfL Bochum in der deutschen Bundesliga. Und hatte sich sie Dienste von Christian Fuchs gesichert.

Und, liebe Ballverliebt-Gemeinde…

…wo wart ihr 1997, und wie könnt ihr euch an das 4:0 gegen Weißrussland erinnern?

Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.