Keine drei Minuten waren gespielt, als Sturms Rechtsverteidiger Martin Ehrenreich den Rapid-Flügelspieler Kainz im Laufduell anrempelte. Als letzter Mann, folgerichtig gab’s Rot, und Sturm spielte die restlichen 87 Minuten mit zehn Mann. Rapid gewann in der Folge 1:0, war dabei aber alles andere als überzeugend. Auch, weil Franco Foda auf ein eher ungewöhnliches 5-3-1 umstellte.
Foda schickte sein Team ursprünglich in einem 4-1-4-1 aufs Feld, mit Piesinger als Solo-Sechser hinter Hadzic und Offenbacher, mit Schick rechts im Mittelfeld und Schmerböck links. Nach dem Ehrenreich-Ausschluss stellte sich Sturm in einem 4-4-1 auf, Schick übernahm Ehrenreichs Platz rechts hinten, Schmerböck vor ihm im Mittelfeld; Offenbacher rückte vom Zentrum auf die linke Seite.
Zwei Probleme bei Rapid
Sturm verlegte sich völlig auf die Arbeit gegen den Ball und Rapid hatte bis halb durch die erste Hälfte über 80 Prozent Ballbesitz, Sturm-Goalie Gratzei und seine Abwehr präsentierte sich eine Zeitlang auch eher als Panik-Orchester, wodurch Rapid zu einigen guten Chancen kam. Die Hütteldorfer hätte das schon das Spiel entscheiden können und müssen.
So aber blieb es beim 0:0 und immer mehr manifestierten sich die eklatanten Schwächen von Rapid im eigenen Spielaufbau. Das Problem bestand dabei aus zwei Aspekten: Zum einen in der zu hohen Positionierung der Offensivkräfte, und zum anderen im fehlenden Spielverständnis, Sturm zeitweilig fahrlässiges Aufreißen der Kompaktheit im Zentrum zu nützen.
Schlechtes Vertikalspiel durch schlechte Positionierung
Wenn Rapid den Aufbau starten wollte, zirkulierte der Ball zwischen den Innenverteidigern Sonnleitner und Max Hofmann, dazu kam einer aus dem Duo Petsos/Schwab (zumeist Petsos) aus dem Zentrum zurück. Aber der Rest der Mannschaft orientierte sich an der Abwehrkette von Sturm und der zweite Mann im Zentrum schaffte es, sich permanent im von Sturm-Solospitze Edomwonyi gestellten Deckungsschatten aufzuhalten. So blieben für die Spieleröffnung von Rapid nur Bälle auf die Außen – die dann schnell in Unterzahlsituationen verstrickt wurden – oder 50-Meter-Bälle.
Mit zunehmender Spieldauer – und vor allem ab etwa der 20. Minute – konnte Rapid kaum noch ein sinnvolles Vertikalspiel aufziehen, weil die Hofmann und Schaub zu hoch standen, als dass Pässe in die Tiefe durch die Schnittstellen möglich gewesen wären, ohne dass Sturm diese verhinderte. Und, weil Flo Kainz auf der linken Seite immer mehr die Bindung zum Spiel verlor, da sich sowohl Hofmann als auch Schaub tendenziell in die andere Spielfeldhälfte bewegten.
Schlechtes Ausnützen fehlender Kompaktheit
Im Sturms 4-4-1 war Edomwonyi vorne derjenige, der die Rapid-Spieleröffnung anlief und dafür sorgte, dass der kurze Passweg auf Schwab möglichst zugestellt war. Das machte der Nigerianer recht gut. Ebenso verstand es Sturm gut, durch einzelne Pressing-Läufe Druck auf Rapid-Spieler auszuüben, den Ball gegen die Spielrichtung annehmen mussten. Das geschah aufgrund schlampiger Pässe und der zuvor angesprochenen viel zu hohen Positionierung der halben Mannschaft in der Eröffnung erschreckend oft.
Immer wieder aber trieb es vor allem Anel Hadzic aus dem Zentrum heraus zu Solo-Pressingläufen nach vorne. Das riss ohne positiven Nutzen (der angelaufene Spieler hatte stets gute Optionen, Hadzic sicher zu umspielen) ein großes Loch in die Kompaktheit im Mittelfeld. Im Zentrum – also genau dort, wo Sturm ganz deutlich eigentlich zumachen wollte, während man Rapid auf die Außenbahnen locken wollte, um dort Überzahl herzustellen.
Genau solche Situationen, in denen Sturm die Kompaktheit im Zentrum fahrlässig aufriss, bespielte Rapid nur ein einziges Mal. Natürlich entstand daraus sofort eine gute Torchance.
Umstellung nach Rückstand
Dass Rapid kurz vor der Halbzeit doch noch das 1:0 gelang, lag in erster Linie daran, dass Thorsten Schick nun mal kein Rechtsverteidiger ist. Erst war er zu weit vom Mann weg, dann blieb er nach der kurzfristigen Klärung der Situation nur doof stehen, statt zu reagieren, und den entsprechenden Freiraum nützte Schrammel zum Pass auf Beric, der aus kurzer Distanz verwertete.
So stellte Foda für die zweite Hälfte sein System völlig um, aus dem 4-4-1 wurde ein 5-3-1. Anel Hadzic ging ins Abwehrzentrum, was gleich zwei positive Effekte hatte: Zum einen stand das Rapid-Offensivquartett nun fünf Sturm-Abwehrleuten gegenüber, ohne dass es die viel zu hohe Positionierung aufgab. Logische Folge war, dass es noch weniger ausrichten konnte als vor der Pause.
Und zum anderen waren Hadzic‘ erratische Läufe aus dem Mittelfeld heraus vorbei. Dort kreierten nun Piesinger, Offenbacher und Gruber (der für Schmerböck gekommen war) noch mehr Deckungsschatten zwischen Rapid-Spieleröffnung und Rapid-Offensivspielern. Rapid hatte zwar einen Mann mehr auf dem Feld, kam aber kaum noch sinnvoll in die gegnerische Hälfte und nur durch vereinzelte individuelle Aussetzer bei Sturm zu Torchancen.
Rapid machte zu keinem Zeitpunkt irgendwelche Anstalten, das eigene Spiel – das ganz offensichtlich überhaupt nicht funktionierte – den Gegebenheiten so anzupassen, dass man Sturms ungewöhnliches System besser umspielen konnte.
Auch Sturm fehlten die Mittel
Bei aller Unfähigkeit im Spielaufbau musste Rapid aber auch kaum einmal wirklich Sorgen haben, dass das eine Tor nicht zum Sieg reichen würde. Das Sturm-Mittelfeld und die Wing-Backs versuchten zwar, den Druck nach vorne gegenüber der ersten Hälfte zu erhöhen und das geschah auch konzertierter als zuvor, aber die defensiv zumeist sehr solide agierende Rapid-Defensive ließ wenig zu.
Nur Donis Avdijaj, der 20 Minuten vor dem Ende für Offenbacher ins Spiel gekommen war, entwickelte wirklichen Zug zum Tor und ging konsequent in Eins-gegen-Eins-Situationen. Edomwonyi konnte zu wenige Bälle halten und Kienast fiel vor allem durch Fouls auf. Zudem war die Fehlpass-Quote bei Sturm im allgemeinen (und bei Piesinger im Speziellen) einfach zu hoch
Angesichts dieser Leistung gegen ein Team, das 87 Minuten in Unterzahl und da hauptsächlich nur defensiv agiert, verwundert es nicht, dass Rapid vor allem gegen die „Kleinen“ der Liga so große Probleme hat. Es wirft auch kein gutes Licht auf den Rest der Liga, dass eine gerade taktisch so ungeheuer durchschnittliche Mannschaft wie Rapid (die unter Barisic auch keine nennenswerten Schritte nach vorne gemacht hat) tatsächlich auf Platz zwei liegt.