Die exakt selben Fehler wie schon vor einem Jahr – Neulengbach mit Glück weiter

Letztes Jahr scheiterte Neulengbach international unter anderem wegen einer extrem passiven Abwehrkette und einem dadurch entstehenden Riesen-Loch zwischen dieser und dem Mittelfeld. Nun, zwölf Monate später, scheitert die Truppe von Trainer Uhlig fast an Apollon Limassol – wegen einer extrem passiven Abwehrkette und einem dadurch entstehenden Riesen-Loch zwischen diesem und dem Mittelfeld. Auf das sich der Gegner aus Zypern natürlich ganz besonders konzentrierte.

SV Neulengbach - Apollon Limassol 1:1 (0:0)
SV Neulengbach – Apollon Limassol 1:1 (0:0)

Es ist schon letztes Jahr aufgefallen und war mit ein Grund für das frühe Europacup-Aus, und es wurde bei Frauen-Meister Neulengbach nicht besser – im Gegenteil: International kleben die Außenverteidiger sklavisch hinten, während der Rest der Mannschaft nach vorne geht. Auch die Legionärstruppe von Apollon Limassol (fünf Amis, eine in den USA aufgewachsene Polin, eine Engländerin, eine Rumänin, eine Griechin und immerhin zwei aus Zypern) sah ob dieses Mega-Lochs zwischen den Ketten besser aus als sie eigentlich war.

Eigenwillige Formation

Apollon-Coach Tsolakis brachte auch eine Formation, die speziell auf dieses fast schon traditionelle Loch bei Neulengbach abzielte. Während die Viererkette und Sechser Sidira hinten blieben, orentierte sich der Rest der Mannschaft zwischen der Abwehr- und der Mittelfeld-Kette beim österreichischen Meister. Das sah in der Praxis nach einem schwer definierbarem Etwas irgendwo zwischen 4-1-3-2 und 4-3-3 aus, wird auch so sicher nicht in Mode kommen, bereitete Neulengbach aber durchaus Probleme.

Weil Apollon im Spiel nach vorne nicht so furchtbar viel Ausgeklügeltes zu bieten hatte, war die Devise hauptsächlich, den Ball irgendwie zu den technisch starken und extrem flinken Spitzen Lianne Sanderson und Jasmyne Spencer zu bringen. Diese beiden waren in der abgelaufenen Saison Stammkräfte in der US-Profiliga WNSL und spielen nun, während der Winterpause in den Staaten, bei Apollon.

Die flexiblen Positionen der beiden machte es der Neulengbach-Abwehr sehr schwer, sich darauf einzustellen. Während Sanderson, Specer und auf die rechts offensiv spielende Lohman hauptsächlich horizonzal verschoben, war es Zehner Farrelly, die wenn nötig zurück auf eine Höhe mit Sechser Sidiru ging.

Keine Reaktion, viel Stückwerk

Die Reaktion von Neulengbach auf diese von Apollon gezeigte Spielanlage war, dass es keine Reaktion gab. Weder rückten die Außenverteidiger Bíróová und Vojteková auf, noch kippten die im zentralen Mittelfeld agierenden Hanschitz und Skorvánková ab. Mit der Folge, dass die Spieleröffnung bei Neulengbach auf lange Bälle beschränkt war, die wegen des teils gigantischen Abstands oft zum Glücksspiel wurden. Die auf rechts spielende Kremener hatte zudem das Handicap, dass ihr in der Annahme viele Bälle wegsprangen, statt sie in den Lauf zu bekommen oder sich die Anspiele schnell in die Vorwärtsbewegung mitzunehmen.

Auf der anderen Seite zeigte die am linken Flügel spielende Radojicic Zug in den Strafraum, aber auch sie bekam zu selten den Ball in einer Weise angespielt, die es ihr erlaubt hätte, auf regelmäßiger Basis flüssige Aktionen zu zeigen. Die beiden Spitzen, Burger und Gstöttner, rückten abwechselt auch etwas zurück, was aber wenig brachte, weil dadurch natürlich der Abstand zwischen Eröffnung und Anspielstation nicht geringer wurde. So blieb bei Neulengbach vieles nur Stückwerk und Torgefahr strahlte das Team kaum aus.

Führung, Gegentor und das Signal zum Zittern

Dass Neulengbach damit fast nur aus einer Standardsituation treffen konnte, war eigentlich klar und nach einer Stunde kam es dann auch so – bei einem Eckball stand Bíróová am langen Pfosten richtig und verwertete zum 1:0. Das war insofern wichtig für die Gastgeber, weil man sich mit der Führung im Rücken etwas zurückziehen konnte und den flinken Apollon-Offensivkräften ein wenig den Platz nahm. Was aber alles nichts hilft, wenn man im eigenen Strafraum dermaßen schläft, dass ein simpler Querpass von Apollon reichte, um Spencer zehn Meter vor dem Gehäuse komplett frei zum Schuss kommen zu lassen. Die starke Zinsberger im Tor war natürlich machtlos, das 1:1.

Nun reagierte Neulengbach-Coach Uhlig, indem er zehn Minuten vor Schluss statt Sturmspitze Gstöttner die Defensiv-Spielerin Harsanyová brachte, damit praktisch einen dritten Sechser einzog. Das Signal zum Über-die-Zeit-zittern, wenn man so will, und zum Zittern wurde es auch. Zum einen, weil Neulengbach die Kontermöglichkeiten, die sich boten, nicht gerade durchdacht vortrugen – mal wurde der Zeitpunkt zum Abspiel verpasst, mal orientierte sich alles in den Strafraum statt der an der Seitenlinie von drei Gegenspielern umzingelten Kollegin zu helfen, es fehlte einfach an der Übersicht.

Und zum anderen musste auch deshalb gezittert werden, weil Apollon noch gute Chancen hatte. Dafür hatte aber Neulengbach Manuela Zinsberger im Tor, die alleine in der Schlussphase drei Riesen-Chancen von Apollon abwehrte – eine Freistoß-Variante, einmal im Eins-gegen-Eins gegen die heranstürmenden Laiu, und in der Nachspielzeit musste sie noch einmal volles Risiko gegen Sanderson gehen. Die demnächst 18-Jährige hielt ihrem Team den glücklichen Achtelfinal-Einzug fest.

Fazit: Neulengbach stagniert – bestenfalls

Wenn sich eine Schwäche wie das Aufreißen eines 40-Meter-Lochs zwischen Abwehr- und Mittelfeldkette über Jahre hinweg wiederholt, ist das natürlich eine Einladung an Gegner, das anzubohren. So wie es Apollon beinahe erfolgreich gemacht hat. Es gibt keine aufrückenden Außenvertediger, es gibt keine abkippenden Sechser, es gibt keine zentrale Spielmacherin. Letztlich lebt Neulengbach von der individuellen Klasse. Das reicht national zu Kantersiegen gegen die Liga-Konkurrenz, wenn aber auf internationale Ebene mehr gefragt ist, kommt nichts.

Das kostete schon letztes Jahr den Achtelfinal-Einzug gegen die wirklich nicht besonders gute Truppe von Olimpia Cluj, auch im Cupfinale gegen St. Pölten bekam man vom Gegner die Schwächen in der Abwehr (etwa die langsame Celouch) eiskalt ausgenützt, es brauchte drei späte Tore, um sich in die Verlängerung zu retten. Es brauchte einige starke Aktionen von Keeper Zinsberger, um die Hürde Apollon Limassol zu überspringen, im Achtelfinale wird das so aber sicher nicht mehr reichen. Obwohl, anders als in der Vergangenheit, dank Losglück da kein Kracher wie in der Vergangenheit Potsdam oder Malmö wartet, sondern mit (vermutlich) Polens Titelträger Unia Racibórz ein Team, die Neulengbach vom Personal her eigentlich drin hat.

(phe)

Update: Racibórz ist überraschend gegen den türkischen Meister Belediyespor ausgeschieden. Damit wird das Achtelfinale auf dem Papier zumindest nicht schwerer.

Update II: In einer früheren Version dieser Analyse stand, Neulengbach wäre im Cupfinale von Spraztern „hergespielt“ worden. Nach neuerlichem Studium dieses Spiels ist diese Aussage so nicht haltbar. Sorry.

Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.