Benfica spielt, Chelsea trifft: Blues gewinnen Europa-League-Finale mit 2:1

Für zehn Tage darf sich Chelsea Champions-League-Titelträger und Europa-League-Titelträger nennen. Weil man das Glück hatte, dass Finalgegner Benfica trotz zum Teil haushoher Überlegenheit kein Tor gelang und man selbst eiskalt agierte. Und wie die Bayern vor einem Jahr war auch Benfica an der Niederlage letztlich selber schuld.

Chelsea FC - SL Benfica 2:1
Chelsea FC – SL Benfica 2:1

361 Tage vor diesem Finale stellte sich Chelsea in München gegen die Bayern hinten rein und sah sich an, was der Gegner so macht. Das machten sie gut, mit einer strikten Defensiv-Taktik die Bayern zu zermürben. Auch im Europa-League-Finale gegen Benfica war Chelsea alles andere als das aktivere Team. Dennoch kann man die Spiele nicht eins zu eins miteinander vergleichen.

Chelsea fehlt die Balance

Denn war es gegen die Bayern der klare Matchplan, sich auf das Reagieren zu verlegen, öffnete Cheslea in diesem Spiel ziemlich viele Räume, weil die Balance innerhalb des Teams in der ersten Halbzeit überhaupt nicht passte. Mata, der von seiner Positionierung her die Kreise von Matić stören sollte, ließ dem Serben völlig freie Hand. So konnte der 1.94-m-Schrank, der Sechser im 4-1-3-2 von Benfica-Coach Jorge Jesus, mühelos das Spiel lenken. Zudem rückte er auch immer wieder weit auf in den Raum zwischen Mata und dem Chelsea-Duo Lampard/David Luiz.

Außerdem zeigte Oscar auf der linken Offensiv-Position von Chelsea kein gesteigertes Interesse daran, den oft und gut aufrückenden Benfica-RV André Almeida (der einzige Portugiese in der Start-Formation) defensiv zu verfolgen. Durch den aus dem Halbfeld agierenden Salvio und eben Almeida sah sich Ashley Cole oft zwei Benfica-Spielern gegenüber.

Benfica presst und schaltet schnell um…

Die Blues hatten zusätzlich dazu noch Probleme im Aufbau, weil Cardozo und Rodrigo sehr gezielt auf die beiden Innenverteidiger Cahill und Ivanović pressten. Was Benfica vor allem sehr gut machte, war das Umschalt-Verhalten und die generelle Raumaufteilung im Mittelfeld. Außerdem zeigten sie immer wieder ein gutes Auge für den freien Mann, den es aufgrund der zahlenmäßigen Überlegenheit im Zentrum (4 gegen 3) zwangsläufig gab.

Dieses personelle Übergewicht von Benfica führte dazu, dass Lampard und David Luiz oft recht eng standen, aber die Halbfelder weder von Ramires noch von Oscar ausreichend abgedeckt wurden. Benfica bespielte diese Räume sehr gut und schnürte Chelsea phasenweise komplett hinten ein – auch, weil man eben nicht nur im Zentrum eine Überzahl hatte, sondern durch die viel nach vorne arbeitenden Außenverteidier Almeida und Melgarejo permanent auch auf den Außenbahnen im numerischen Vorteil war.

…verschludert aber die besten Chancen

Benfica hatte das Spiel also komplett im Griff, spielte sich in der Hälfte von Chelsea fest und kam permanent gefährlich in den Strafraum – allerdings wurden dabei die besten Möglichkeiten verstolpert, wurde noch einmal abgespielt, traute sich keiner mal abzudrücken. Man hätte zur Halbzeit-Pause schon locker mit 3:0 in Führung liegen können, es wäre auch in der Höhe verdient gewesen, aber was Benfica im Strafraum aufführte, hatte zuweilen Comedy-Charakter.

Chelsea konnte in der ersten Hälfte überhaupt keine sinnvolle Form der Spielgestaltung etablieren. Mata und Oscar waren inexistent, der auf die Abwehr ausgeübte Druck ließ oftmals keine Zeit zur kontrollierten Eröffnung und die Präsenz von Matić im Zentrum ist enorm. So ergrätschte sich ein zunehmend frustrierter Fernando Torres gegen Ende der ersten Hälfte zuweilen in der eigenen Hälfte die Bälle. Ohne erfüllten Endzweck allerdings, weil er keine Anspielstationen hatte.

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Die unterschiedlichen Spielanlagen werden deutlich: Benfica spielte sich in der gegnerischen Hälfte fest, Chelseas Zugang war direkter und deutlich ungenauer

Ramires wird konsequenter, Chelsea löst sich etwas

Gegen Ende der ersten Hälfte drückte Ramires dann merklich konsequenter gegen Melgarejo, was Benfica – die nach der mit ungemeinem Tempo vorgetragenen ersten halben Stunde den Fuß etwas vom Gas nehmen mussten – zusätzlich schadete. Nicht, dass Chelsea auf einmal alles im Griff gehabt hätte, aber man löste sich ein wenig aus der totalen Umklammerung der ersten rund 30 Minuten.

Nach dem Seitenwechsel war bei Chelsea deutlich das Bemühen erkennbar, schneller umzuschalten und mit mehr Leuten und mit mehr Nachdruck aufzurücken. Das war zwar immer noch ein schönes Stück davon entfernt, wirklich als flinkes Umschaltspiel durchzugehen, bedeutete aber eine deutliche Verbesserung gegenüber der ersten Halbzeit. Benfica blieb spielbestimmend, spielte sich aber nicht mehr so leicht in den Strafraum – weil nun auch Oscar nach hinten mehr tat und die Halbfelder, die in der ersten Halbzeit oft brachlagen, besser verteidigt wurden.

Gegentor verursacht Bruch

Benfica hätte also schon längst hoch führen müssen, stattdessen ließ man einen weiten Abwurf von Cech zu Torres kommen, der mit dem direktestmöglichen Konter für die Chelsea-Führung nach einer Stunde sorgte. Ein unfassbar billiges Gegentor, das bei Benfica die Wirkung eines verheerenden Kinnhakens hatte. Man hing in den Seilen und nur ein eher dämlicher von Azpilicueta verursachter Handelfmeter, den Cardozo wuchtig zum 1:1 versenkte, holte Benfica wieder zurück.

Dennoch war deutlich zu erkennen, dass Benfica das Pulver verschossen hatte. Das Team wirkte körperlich dem Ende deutlich näher als Chelsea. Es passierte kein flinkes Umschalten mehr, das Chelsea echte Probleme bereitet hätte. Die Maßnahme von Jorge Jesus, Ola John zu bringen und Gaitán als Linksverteidiger gegen Ramires zu stellen, brachte auch nicht den erhofften frischen Wind.

Keine spielerischen Glanztaten von Chelsea

Das Hauptmittel von Chelsea, um die Offensiv-Kräfte ins Spiel einzubinden, blieben weiterhin lange Seitenwechsel, zumeist von Cole in Richtung Ramires. Dieser setzte Gaitán, der ja kein gelernte Außenverteidiger ist, ziemlich zu und ließ die linke Seite von Benfica somit ziemlich verpuffen. Das waren alles keine spielerischen Glanztaten, die Chelsea lieferte, aber der Eindruck der körperlichen Überlegenheit, vor allem für den immer wahrscheinlicheren Fall einer Verlängerung, wurden immer deutlicher.

Zu der es allerdings nicht mehr kam. In der dritten Minute der Nachspielzeit bekam Chelsea noch eine Ecke zugesprochen, bei der sich kein Benfica-Spieler für Ivanović interessierte. So konnte der Serbe den Ball per Kopf über Benfica-Goalie Artur hinweg ins Tor befördern. Der Siegtreffer für die Blues.

Fazit: Benfica verliert überlegen geführtes Spiel

Eigentlich hatte Benfica so ziemlich alles richtig gemacht. Man übernahm die Initiative, bearbeitete die von Chelsea offen gelassenen Halbfelder, war druckvoller, flinker, schneller im Umschalten und giftiger im Zweikampf. Alleine die Ausbeute vor dem Tor ist mit „inkonsequent“ nur sehr mangelhaft beschrieben. Das Finale hätte schon zur Halbzeit zu Gunsten von Benfica entschieden sein müssen.

So aber erlaubte man Chelsea zurück ins Spiel, man stellte sich deutlich besser auf das Angriffsverhalten der Portugiesen ein und war vor allem eiskalt vor dem Tor. Das siebente verlorenen Europacup-Finale von Benfica in Serie mag man mit dem Guttmann-Fluch begründen – Tatsache ist aber, dass es mehr mit der Unfähigkeit zu tun hatte, die klare Überlegenheit auch in die nötigen Tore umzumünzen.

(phe)

Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.