Die Bayern machen alles richtig – historischer 4:0-Sieg über Barcelona!

Na bumm! Die Bayern schlagen den FC Barcelona im Halbfinal-Hinspiel der Champions League mit 4:0 – und das Resultat ist kein Zufall. Im Spiel von Peps zukünftiger Mannschaft gegen Peps ehemaligem Team setzten die Münchner den Katalanen vor allem mit dem Mut zu, selbst hoch zu pressen und sich nicht hinten einzuigeln. Barça hatte letztlich keine Chance und wurde in der zweiten Hälfte sogar regelrecht zerlegt.

Bayern München - FC Barcelona 4:0 (1:0)
Bayern München – FC Barcelona 4:0 (1:0)

So sehr Bayern München schon Barcelona ähnelt, bevor Pep Guardiola im Sommer übernehmen wird – bei Ballbesitz und Passgenauigkeit ist europaweit nur der FC Bayern halbwegs in der Nähe der Katalanen – war doch klar, dass sich eher die Bayern auf die Gäste einstellen würden als andersrum. So gab es einige sehr zentrale Faktoren in diesem Spiel.

Das Pressing der Bayern

Was das Pressing angeht, sind das ohne Zweifel die beiden weltbesten Mannschaften. Die Bayern hatten wiederum einen recht genauen und differenzierten Plan (wie das schon im Viertelfinale gegen Juventus der Fall war): Diesmal befand sich die Pressing-Linie etwa auf Höhe der Mittellinie, bzw. leicht in der gegnerischen Hälfte. Gomez stand recht tief und ging auf Busquets bzw. die Innenverteidiger, dazu rückten Schweinsteiger und Martínez oft rasch auf und stellten die Wege zu.

So taten sich die Gäste trotz 62 % Ballbesitz in der ersten halben Stunde – was für Barcelona-Verhältnisse eh relativ wenig ist – extrem schwer, wirklich in das Angriffsdrittel zu kommen und es wurden ungewöhnlich viele lange Bälle versucht. Ohne den wirklich durchschlagenden Erfolg, es dauerte bis zur 42. Minute, ehe die Gäste den Gastgeber erstmals mit spielerischen Mitteln wirklich am Strafraum herumhetzen konnte.

Hinzu kam, dass die Bayern, wenn sie den Ball halbwegs sicher hatten (Barcelona presst unter Vilanova auch nicht mehr ganz so exzessiv wie unter Guardiola), die Abwehrkette extrem weit nach vorne zu schieben traute. Das ist gegen Barcelona aufgrund ihrer Stärke im Bälle in den Rücken der Abwehr spielen extrem gefährlich, weil aber das Barça-Zentrum gut angegangen wurde, funktionierte das.

Der Kampf im Mittelkreis

Busquets, Xavi und Iniesta standen im Zentrum Schweinsteiger, Martínez und Müller gegenüber. Die Bayern agierten in diesem Bereich relativ strikt Mann gegen Mann – so übernahm Schweinsteiger die Bewachung von Xavi, sobald dieser die Mittellinie überquerte, und zwar auch horizontal. Ähnliches galt für Javi Martínez und Iniesta, während Müller in höherer Position zumeist gegen Busquets am Werk war.

Dieses theoretische 3-gegen-3 versuchten die Bayern zu ihren Gunsten zu drehen, indem sich Gomez oft recht tief fallen ließ und/oder Robben von der rechten Seite weit in die Mitte zog, um in diesem Bereich eine Überzahl herzustellen. Genau dieses zentrale Vorhaben sprach Müller nach dem Spiel auch im TV-Interview mit Sky an. Das Pressing (weiter hinten) setzte vor allem Xavi und Busquets zu, während Iniesta mit dem robusten Spiel von Martínez extreme Probleme hatte, zwar oft am Ball war, aber praktisch nichts Konkretes zu Stande brachte.

Die Herangehensweise auf den Flügeln

Mit den Flügel-Achsen Lahm/Robben und Alaba/Ribéry hatten die Bayern nominell einen haushohen Vorteil, was das Bespielen der Außenbahnen angeht, weil Barcelona üblicherweise die Flügel nur jeweils nur mit einem Spieler besetzt, mit Dani Alves rechts und Jordi Alba links. Wie massiv der Respekt von Vilanova gegenüber der Bayern-Flügelzange ist, zeigte die Art und Weise, wie er seine Außenstürmer Pedro und Sánchez spielen ließ. Diese agierten nämlich extrem zurückgezogen und testeten Lahm und Alaba kaum, sondern erwarteten die Vorwärtsläufe dieser beiden recht tief, während Dani Alves und Jordi Alba die vertikale Arbeit verrichteten.

Auf der linken Seite arbeitete Ribéry extrem viel nach hinten mit und half Alaba gegen Dani Alves, sodass dieser kaum einmal wirklich ein offensiver Faktor war. Erstaunlich, dass sich Pedro dennoch nie wirklich dazu durchringen konnte, konstruktiv in dieser Zone des Feldes mitzuarbeiten. Auf der anderen Seite rückte Robben wie erwähnt recht hoch ein und überließ Lahm die Seite, und weil auch hier Alba die Hilfe von Sánchez fehlte – und Lahm eine ausgezeichnete Partie ablieferte – brannte nichts an.

Die Vertikal-Läufe von Schweinsteiger und Martínez, die als Nebeneffekt Platz für die aufrückenden Außen der Bayern schafften, wurden hingegen nicht konsequent genützt.

Messi und die Bayern-Innenverteidigung

Keine Frage – von „wirklich fit“ oder „annähernd 100 %“ war Messi drei Wochen nach seiner im Hinspiel gegen PSG erlittenen Verletztung meilenweit entfernt. Ihm fehlte die gewohnte Spitzigkeit, die Mobilität und die Fähigkeit, unerwartete Haken zu schlagen. Ihm fehlte aber auch die Unterstützung der in diesem Spiel massiv gebundenen Xavi und Iniesta. Das erlaubte es den Bayern, eine relativ unkomplizierte Taktik im Verteidigen von Messi zu spielen.

Diese stützte sich in erster Linie auf Dante. Der brasilianische Wuschelkopf spielt ganz generell eine herausragende Saison, zudem hat er die Fähigkeit, ein Spiel zu lesen, ist sehr passsicher und auch ziemlich resistent gegen Pressing. Gegen den oft Richtung Pedro bzw. Xavi driftenden Messi geriet Dante nie in Panik, im Gegenteil, er rückte wenn nötig geschickt heraus und wurde von Boateng bzw. Alaba abgedeckt. Was auch möglich war, weil aus dem Barcelona-Mittelfeld zu wenig nachgerückt wurde und Pedro überhaupt keine Bedrohung darstellte.

Das logische Manöver, um die Bayern an der Spieleröffnung zu hindern, wäre ein konsequentes Anpressen von Boateng gewesen. Der ist ein solider Innenverteidiger, aber kein Künstler und auch keiner von der vor allem mentalen Statur eines Dante. Alleine – es passierte nicht.

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Dante war der Chef in der Bayern-IV, Boateng das brave Helferlein.

Obwohl Boatengs Rolle hauptsächlich in der von Dantes treuem Helferlein bestand. Drei von vier Bällen, die Boateng spielte, lieferte er bei Dante selbst oder bei Neuer ab; wenig überraschend passierten ihm dabei auch keine Fehler. War der Pass für jemand anderen gedacht (also für Lahm und Robben, in erster Linie), kamen fast die Hälfte der Bälle nicht an. Anspiele auf Javi Martínez gab’s praktisch keine.

Ganz anders bei Dante: Dieser gab den Ball oftmals kurz zum zurückgerückten Schweinsteiger, sehr oft rückte er auch hinaus auf die linke Seite und eröffnete von dort für die dann aufgerückten Alaba und Ribéry, während Schweinsteiger abkippte und im Zentrum absicherte.

Die Tore

Dass sich der Gegentor-Schnitt von Barcelona von 0,55 pro Spiel (2010/11) auf mittlerweile über eines pro Spiel verdoppelt hat, liegt sicher zu einem großen Teil auch an der zunehmenden Verletzungsanfälligkeit von Puyol, dazu fehlte auch Mascherano; Adriano Correia (der im Viertelfinale gegen PSG innen spielte) ist eher Außenverteidiger, Busquets wurde im Mittelfeld gebraucht – so musste Marc Bartra ran. Der ist zwar grundsätzlich auch kein Schlechter, aber es ist sicherlich kein Zufall, dass drei der vier Tore aus knapp der Grundlinie entlang gespielten Querpässen resultierten (das erste, das zweite und das vierte).

Hinzu kommt, dass sich Barcelona vor allem bei Kopfbällen oft erstaunlich billig ausmanövrieren ließ – dabei wäre Gerárd Piqué 1,92 Meter groß. Dass das zweite Tor Abseits war und das dritte wegen den Blocks von Müller an Alba auch nicht zählen hätte dürfen, soll nicht verschwiegen werden – allerdings hätten auch die Bayern einen Hand-Elfmeter zugesprochen bekommen müssen und dass kurz vor dem Ende Alba nicht die rote Karte sah, als er Robben den Ball ins Gesicht warf, ist ebenfalls kaum nachvollziehbar. Viktor Kassai – der schon ein CL-Finale (das von Barcelona gegen Man Utd 2011), ein WM-Halbfinale (jenes zwischen Deutschland und Spanien 2010) und ein Olympia-Finale (das 1:0 von Argentinien gegen Nigeria 2008) leitete – hatte einen ganz schlechten Tag, benachteiligte aber beide Teams.

Barcelona lässt Raum und wird bestraft

Nach dem 2:0 kurz nach dem Seitenwechsel rückte das Mittelfeld von Barcelona auf, um für mehr Druck zu sorgen – was letztlich dazu führte, dass Heynckes mit Luiz Gustavo (statt Gomez) mehr Stamina ins Zentrum brachte. Dabei vernachlässigte die Innenvertigung mit Piqué und Bartra aber das Nachrücken, wodurch zwischen diesem Duo und Busquets ein ziemlich massives Loch entstand.

Die Bayern zermürbten Barcelona schon vor dem Seitenwechsel mit ihrem blitzschnellen Umschalten von Defensive auf Offensive und sorgten in der Barça-Abwehr damit für einige Verwirrung, mit dem Platz zwischen den Reihen in der zweiten Halbzeit hatten sie folglich ihre helle Freude. Der Konter über Ribéry, der via Schweinsteiger zu Robben flink auf die andere Seite verlagert wurde, wo die Abwehr aus der Position gezogen war (und Alba, nachdem er von Robben überwunden war, von Müller weggecheckt wurde), war dafür ein Paradebeispiel. Genauso wie der Konter über Alaba, der zum 4:0 führte.

Fazit: Bayern von A bis Z besser

Ein bärenstarker Müller, der das Barcelona-Mittelfeld zur Verzweiflung trieb. Ein gewohnt laufstarker Schweinsteiger, der jener Regisseur war, der Xavi hätte sein sollen. Ein extrem cooler Dante, der sich um (einen zugegebenermaßen waidwunden) Messi kümmerte und das Spiel von hinten eröffnete: Die Bayern waren von Abwehr bis Angriff dem FC Barcelona klar überlegen. Den Katalanen gelang es gegen das geschickte Pressing der Bayern, die gerade im Mittelfeld ihre Physis extrem intelligent ausspielten, nie, ihren Ballbesitz wirklich dauerhaft in die Nähe des Bayern-Strafraums zu verlegen.

Dazu fehlte es auch an den Impulsen von der Bank. Es ist seit Jahren der wohl größte Kritikpunkt an Barcelona, dass es keinen Plan B gibt. Das galt aber in der Regel für Spiele gegen Teams, die sich mit neun Feldspielern hinten einigeln – nicht, wenn man selbst im Mittelfeld angepresst wird und der Gegner sich traut, selbst aktiv zu werden. Damit hatte etwa Spanien im EM-Semifinale gegen Portugal schon ganz große Probleme, und die Bayern setzten diese Taktik gnadenlos um. Nicht, indem sie versuchten, Barcelona jetzt zwingend den Ballbesitz zu nehmen. Sondern ohne den Ball die Kreise des Gegners einzuengen und mit dem Ball schnell umzuschalten und die defensiven Fragezeichen von Barça zu nützen.

Letztlich ist der Sieg vielleicht um ein Tor zu hoch, aber dennoch ist dies das erste Mal, dass Barcelona von einem Gegner nicht nur kontrolliert wird, sondern die Schwächen gnadenlos aufgedeckt werden und das Team komplett zerlegt wird. Inwieweit das ein Wendepunkt der Geschichte ist, um mal das ganz große Ganze anzusprechen, wird sich zeigen, schließlich hat derzeit bis auf die Bayern praktisch keiner die Qualität, dieses Spiel gegen Barcelona so durchzuziehen (wie ernst man die Clásico-Niederlagen zuletzt in Cup und vor allem der längst entschiedenen Meisterschaft nehmen kann, ist eine Streitfrage).

Aber auf jeden Fall haben die Bayern gezeigt: Barcelona ist zu schlagen, auch, wenn man sich nicht hinten einigelt.

(phe)

Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.