Zwei neue Trainer, zwei neue Philosophien. Endlich Pressing bei einer rot-weiß-roten Vereins-Mannschaft. Und ein Spiel, das nach der extrem unansehnlichen letzten Saison richtig Lust auf mehr macht! Ja, das Spiel von Sturm mit Neo-Coach Hyballa gegen Meister Salzburg mit Neo-Coach Schmidt zum Start ins neue Bundesliga-Jahr verlief sehr vielversprechend. Nicht nur für die Bullen, die einen letztlich verdienten 2:0-Sieg einfahren konnten.
Was war das für eine mühsame letzte Saison. Kein Team in der österreichischen Liga schien bereit, selbst das Spiel in die Hand zu nehmen. Es wurde nur reagiert statt agiert, abgewartet statt zugeschlagen, verschleppt statt beschleunigt. Für den Unterhaltungs-Faktor der Liga kann es also nur gut sein, dass bei drei der „Großen 4“ die Trainierposten neu besetzt wurden.
Neben Peter Stöger bei der Austria, der in seiner Zeit in Graz den GAK zu einer unbarmherzigen Pressing-Maschine gemacht hat, die über die Gegner drüberwalzt, sind dies die beiden Deutschen Roger Schmidt bei Salzburg (der mit dem als Fix-Absteiger gehandelten SC Paderborn beinahe in die Bundesliga aufgestiegen wäre) und Peter Hyballa bei Sturm (der sich vor allem als Jugend-Trainer einen Namen gemacht hatte). Letztere beiden trafen im ersten Spiel der neuen Bundesliga-Saison gleich aufeinander. Und ihre Teams sorgten für ein Spiel, dass richtig Laune machte.
Pressing-Duell mit Salzburger Vorteilen
Was sofort auffiel, weil es in Österreich bislang so gut wie gar nicht praktiziert wurde – und schon gar nicht von Spitzenmannschaften: Beide Mannschaften versuchten sich daran, dem Gegner mit Pressing die Zeit am Ball zu nehmen. Das passierte bei Salzburg in erster Linie recht weit vorne, also vor allem mit Hierländer, Jantscher und Teigl und hier auch gerade dann, wenn der Ball in Richtung der Seitenlinien wanderte.
Bei Sturm stellte sich das eher als schnelles Gegenpressing dar, und wenn es nicht innerhalb von ein paar Sekunden gelang, den Ball zurück zu erobern, zogen sich die Steirer zurück. Die Folge des gegenseitigen Drucks war natürlich, dass beide Mannschaften dazu gezwungen waren, den Ball schnell wieder los zu werden. Das gab der Anfangsphase eine unglaubliche Beschleunigung, ein für österreichische Verhältnisse irrwitziges Tempo und diverse gute Möglichkeiten. Vor allem für Salzburg, weil die Bullen ihr Pressing wesentlich konsequenter durchzogen und mehr Zug zum Tor entwickelten.
Ihr wollt in die Mitte? Bitte, gerne!
Sturm-Coach Peter Hyballa schickte seine Mannschaft in einem 4-4-2 mit Raute auf’s Feld. Ganz anders als unter Franco Foda, unter dem das Zentrum im Vorwärtsgang ja eine weitgehend tote Zone war, massierte Hyballa also vier Mann rund um den Mittelkreis. In der Theorie wäre damit die zentrale Überzahl der wie gewohnt im 4-2-3-1 antretenden Salzburger neutralisiert worden. Aber die Bullen hatten ganz offensichtlich überhaupt kein Problem damit, dass Sturm das Spiel in der Feldmitte massieren wollte.
Denn hier spielte es Salzburg sehr geschickt. Stefan Hierländer, der unter Stevens gar nicht und unter Moniz als Außenverteidiger verschenkt wurde, kehrt unter Roger Schmidt wieder dorthin zurück, von wo er einst bei Austria Kärnten eigentlich kam: In die zentrale Offensive. Hierländer spielte statt des suspendierten Leonardo auf der Zehn und scheuchte dort Sturm-Sechser Säumel über das Feld. Dieser war somit einerseits für den Spielaufbau bei Sturm ausgeschalten, und andererseits defensiv gebunden.
Bullen nützen Überlegenheit…
Was es mit Jantscher und Teigl den beiden nominellen Flügelspielern erlaubte, im Rücken von Bukva bzw. Weber die enstehenden Kanäle zu bearbeiten. Hier sorgten sie bei Sturm für extreme Probleme, weil sich die Grazer Außenverteidiger ob der Bedrohung durch die extrem nach vorne preschenden Salzburg-AV Schwegler und Ulmer nicht aus ihrer Position ziehen lassen durften.
Salzburg kam schon aus dem Spiel heraus zu einigen guten Torchancen und nützten dann einen blitzsauberen Konter gegen die hohe Grazer Abwehrlinie (1:0) und einen haarsträubenden Fehlpass von Innenverteidiger Vujadinovic (2:0) zur schon einigermaßen komfortablen und auch verdienten Führung nach 22 Minuten. Das System mit Raute hatte Sturm nicht funktioniert, weil Salzburg das richtige Gegenmittel gefunden hatte.
…und schalten dann zurück
Mit der Zwei-Tore-Führung im Rücken, dem wichtigen Europacup-Spiel gegen Dudelange vor der Brust und dem vom Dauerregen extrem tiefen Rasen unter den Beiden ließ die Intensität bei den Salzburgern nun natürlich nach. Man verlegte sich darauf, die Grazer möglichst vom eigenen Tor weg zu halten; vermied es aber, im Spielaufbau das letzte Risiko zu gehen.
Das erlaubte es Sturm, etwas zu Luft zu kommen, und durch Sukuta-Pasu auch zu einer guten Chance. Der Neuzugang aus Kaiserslautern setzte diese zwar an die Stange, aber er wusste durchaus zu gefallen: Der 22-Jährige zeigte sich robust, bewegte sich gut, bot sich auch immer an. Wie torgefährlich er ist, wird sich in den nächsten Wochen und Monaten noch zeigen – bei Kaiserslautern war seine Torquote eher bescheiden gewesen.
Hyballa ändert das System
Nach knapp einer Stunde nahm das Spiel dann noch einmal richtig Fahrt auf. Salzburg-Sechser Stefan Ilsanker musste mit Gelb-Rot vom Platz, woraufhin der neue Trainer des Meisters, Roger Schmidt, den gelernten Innenverteidiger Ibrahim Sekagya für das defensive Mittelfeld brachte; Jantscher ging dafür vom Feld und Hierländer auf die linke Seite. Das bedeutete ein recht klares 4-4-1.
Peter Hyballa änderte daraufhin sein System völlig. Er wusste: Vor der Salzburger Zentrale musste er nun keinerlei Angst mehr haben, zudem war Säumel nun endlich frei. Daher nahm er Bukva aus der Partie, brachte Rubin Okotie und stellte den Stürmer auf die rechte Seite. Das bedeutete zunächst eher ein 4-2-3-1 (mit Weber etwas tiefer) und dann eher ein 4-1-4-1 (mit Kröpfl, der für Weber gekommen war, etwas höher).
Die rechte Seite war mit Ehrenreich und Okotie nun doppelt besetzt, auf der linken wetzte Klem nach vorne, was es dem nominell dort postierten Szabics ermöglichte, nach innen zu ziehen und neben Sukuta-Pasu weiterhin die zweite Spitze zu geben.
Brechstange bringt Chaos
Salzburg zog sich in der letzten halben Stunde in Unterzahl sehr weit zurück und erwartete den Druck der Grazer, der auch kam. Sturm kontrollierte nun das Spiel, aber es gelang nicht, sich wirklich Chancen heraus zu arbeiten. Lediglich ein Kopfball von Szabics nach einer Flanke von der rechten Seite, den der Ungar eigentlich versenken hätte müssen, sorgte wirklich für Torgefahr.
Auch, weil im Spiel der Grazer nicht nur die Breite fehlte, um die beiden Viererketten entscheidend auseinander zu ziehen, sondern zunehmend auch die Ordnung – beides verschärfte sich noch, als er für die absolute Schlussphase Rechtsverteidiger Ehrenreich aus dem Spiel nahm und Offensiv-Mann David Schloffer brachte. Sturm spielte danach de facto ohne rechte Seite – im Bedarfsfall rückte Kröpfl nach außen, ansonsten deckte Madl ab, aber offensiv kam von dort nichts mehr.
Fazit: Salzburg siegt verdient, aber Sturm dürfte uns noch Spaß machen
Das war ein Auftaktspiel in die neue Saison, das richtig Spaß gemacht hat – vor allem nach dem schon arg ernüchternden Frühjahr – und Lust auf mehr macht. Beide Teams zeigten den grundsätzlichen Willen, das Spiel an sich zu reißen, wollten Agieren statt Reagieren. Zudem ist es erfreulich zu sehen, dass nun doch endlich auch Pressing in die österreichische Fußball-Landschaft einzuziehen scheint.
Im Duell der neu aus Deutschland geholten Trainer hatte am Ende zwar Roger Schmidt die Nase vorne. Hyballas System mit Raute hat nicht funktionert, weil Säumel (dank Hierländer) aus dem Aufbauspiel gestrichen werden musste und die beiden Spieler im Halbfeld (Weber und Bukva) zu wenig konsequent nach hinten arbeiteten bzw. die Außenverteidiger unterstüzten. Auf den Ausschluss und die Umstellung bei Salzburg reagierte er dann zwar grundsätzlich richtig – mit Okotie und Szabics über die Flügel für Breite sorgen – doch seine Mannschaft schaffte es nicht, die kompakt verteidigenden Salzburger wirklich noch in Verlegenheit zu bringen.
Weswegen Salzburg verdient den Sieg davongetragen hat. Aber man dennoch davon ausgehen kann, dass wir mit den Grazern und ihrem neuen Trainer noch einigen Spaß haben werden.
(phe)