Es galt Schrecksekunden zu überwinden. Aber es ist geschafft! Mit einem 3:2-Sieg in Prag sichert sich das österreichische Frauen-Nationalteam den zweiten Gruppenplatz und somit die Teilnahme am Play-Off für die EM 2013 in Schweden – was vor einem Jahr noch kaum einer für möglich gehalten hatte. Vor allem profitierte man beim Sieg in Tschechien davon, die Fehler des Gegners eiskalt ausgenützt zu haben.
Die Ausgangslage war klar: Ein Sieg im Stadion von Viktoria Žižkov, und Österreich steht fix zumindest im Play-Off für die EM nächstes Jahr in Schweden. Ein 2:2 und jedes höhere Remis, und es würde zumindest gut aussehen. Alles andere – und der Traum ist vorbei.
Nichts neues an der System-Front: Tschechien wieder mit schiefer Formation
Die Systeme waren die gleichen wie beim 1:1 zum Auftakt in die EM-Quali letzten September. Also ein klassisches, flaches 4-4-2 bei Österreich und ein Hybrid-System bei den Tschechinnen: In der Grundformation war das, wie vor zehn Monaten in Vöcklabruck, ebenfalls ein 4-4-2, aber ein ziemlich schiefes. Wieder ging die Rechtsverteidigerin, Iva Mocová, oft weit nach vorne und trieb das Spiel ihrer Mannschaft so an. Linksverteidigerin Petra Vyštejnová blieb dann strikt hinten und bildete mit den beiden nominellen IV eine astreine Dreierkette. Es gab auch den umgekehrten Fall – also Vyštejnová geht und Mocová bildet die Dreierkette – aber das war selten.
Das machte defensiv gegen die zwei Stürmerinnen bei Österreich durchaus Sinn. Zudem kümmerte sich die im linken Mittelfeld postierte Klara Cahynová besonders liebevoll um Laura Feiersinger – auch nicht unlogisch, schließlich war die 19-Jährige (neben Wenninger, Schnaderbeck und Puntigam eine von vier Legionärinnen vom DFB-Pokal-Sieger Bayern München in der Start-Formation) gerade in den engen Spielen gegen Portugal mit ihrem Zug zum Tor entscheidend gewesen.
So ergab das beim Gastgeber in der Praxis eher ein System mit einer Dreierkette hinten, dazu einem offensiven und einem dezidiert defensiven Wing-Back. Mit dem Effekt, dass wie schon im Hinspiel vor allem die rechte tschechische Angriffsseite die deutlich gefährlichere war. Wohl mit ein Grund, warum ÖFB-Teamchef Thalhammer wie schon gegen Portugal Nadine Prohaska auf den Flügel stellte. Gemeinsam mit Virginia Kirchberger, die in Vertretung der etatmäßigen Kapitänin Hanschitz spielte, war es ihr Job, die Vorstöße von Mocová einzudämmen.
Probleme durch das Zentrum
Das funktionierte nicht so schlecht, dafür ergaben sich andere Probleme. Die österreichische Viererkette stand im Ballbesitz recht hoch. Das hat sich aber mit dem Offensiv-Pressing, das die Tschechinnen in der Anfangsphase praktizierten, gar nicht vertragen. Immer wieder provozierten die Tschechinnen so Ballverluste in der Nähe der österreichischen Viererkette, und in Eins-gegen-Eins-Situationen in der Rückwärtsbewegung Richtung eingenem Tor wurden erstaunliche Schwierigkeiten sichtbar. So musste Torfrau Pfeiler einmal in höchster Not retten (16.), einmal zielte Divišová zu hoch (18.), und die größte Schrecksekunde gab es, als Divišova den Pfosten traf und Pivoncová im Nachschuss an Pfeiler scheiterte.
War es beim Hinspiel noch gefährlich, dass die Tschechinnen oft an die Grundlinie durchgehen konnten, war diesmal das Verteidiger der Angriffe aus dem Zentrum die größte Hürde, sonst erinnerte aber sehr viel an das 1:1 zum Start. Ein Pfostenschuss von Tschechien, zunächst eher harmlose Österreicherinnen (das erste Schüsschen aufs Tor kam in Minute 20 von Conny Haas). Und wieder kam das in weiß-schwarz spielende rot-weiß-rote Team mit Fortdauer des Spiels besser hinein.
Österreich mit einem Schlag obenauf
Das war in Vöcklabruck ein schleichender Prozess, der vor allem auf die Konditions-Vorteile beim ÖFB-Team gefußt hat. Und das war in Prag ein Aussetzer ausgerechnet von Iva Mocová: Die tschechische Kapitänin klärte nach einer Ecke einen Kopfball von Carina Wenninger auf der Linie in Volleyball-Manier mit der Hand. Die norwegische Schiedsrichterin Pedersen zögerte nicht, zeigte auf den Punkt und Mocová die rote Karte. Für Tschechien doppelt bitter: Nicht nur, dass man nun 0:1 im Rückstand war – Sarah Puntigam verwertete den Elfer sicher ins rechte Eck – sondern auch die beste und wichtigste Spielerin war nicht mehr auf dem Feld.
Doch anstatt mir der Führung aus der 40. Minute in die Pause zu gehen, fing sich Österreich noch den Ausgleich. Und zwar aus einer Ecke – was eher untypisch war, denn bis auf das Gegentor und zuvor einem Corner, den die Tschechinnen knapp über das Tor köpften, brannte da nicht viel an. Doch im direkten Gegenzug, ebenso noch vor der Pause, nützte Nadine Prohaska eine Nachlässigkeit in der tschechischen Abwehr, stellte auf 2:1 – psychologisch extrem wertvoll.
Tschechien im 3-3-1-2
Nach dem Ausschluss spielten die Tschechinnen vom System her erst einmal genauso weiter wie vorher, nur halt ohne Mocová. Sprich: Es wurde ein recht klares 3-4-2, was vorher de facto eine Dreierkette war, wurde nun endgültig und tatsächlich eine.
In der 53. Minute brachte Teamchef Vladimír Hruška statt Bertholdová (die aus defensiven Mittelfeld einige gute Pässe schlug) mit Nikola Dahihelková eine zusätzliche Spitze. Was nun auf dem Feld stand, war ein 3-3-1-2 wurde, in dem Lucia Martínková zentral hinter den beiden Spitzen agierte. Man hatte dabei aber kaum einmal wirklich den Eindruck, dass daraus etwas entstehen könnte.
Was vor allem daran lag, dass das Offensiv-Trio überhaupt nicht mehr zurück ging und den sechs Kolleginen hinten die Defensiv-Arbeit alleine machen ließ. Die Folge war nicht nur Harmlosigkeit vorne, sondern vor allem unglaublich viel Raum zwischen Mittelfeld und Angriff, in dem sich Schnaderbeck und Puntigam so richtig austoben konnten.
Es wurde von tschechischer Seite nicht mehr gepresst, es wurden die Räume im Mittelfeld überhaupt nicht mehr eng gemacht – es hatte da schon etwas von Hau-Ruck-Fußball, der mehr auf die Kraft des Betens vertraut.
Nach 3:1 ist Tschechien fertig mit der Welt – aber Österreich wackelt dennoch
Nach rund einer Stunde schien das Spiel dann gelaufen. Nadine Prohaska chippte einen Freistoß von außerhalb der linken Strafraumseite zum tschechischen Tor, wo Keeper Sara Vršatová den harmlosen Ball völlig unbedrängt fallen ließ. Nina Burger stand goldrichtig, schoss das 3:1 und damit die vermeintliche Entscheidung.
Denn nach dem Ausschluss, dem sich nicht gerade abzeichnenden Rückstand und dem 1:2 sofort nach dem Ausgleich schien das dem tschechischen Team nun endgültig den Rest gegeben zu haben, die waren fertig mit der Welt. Es herrschte beim Gastgeber das pure Chaos, jede schien zu machen, was sie gerade für richtig hielt. So wurde aus der Dreierkette flott eine Zweierkette, dann ließ sich Irina Martínková als Libero hinter die Verteidigung fallen, da tauchte Innenverteidigerin Pincová in der Spitze auf.
Und doch kam Österreich noch ins Wackeln. Ob es die Angst vor der eigenen Courage war, oder ob das Wissen eingesetzt hat, dass mit einem Sieg etwas wirklich Großes erreicht werden kann, ob man sich zu sicher war, oder ob in der brütenden Hitze von Prag schlicht die Kräfte schwanden – müßig zu spekulieren. In jedem Fall stiftete das Chaos im tschechischen Team zunehmend auch solches im österreichischen. So liefen sich in der 87. Minute zwei Verteidigerinnen gegenseitig um, was Divišová freie Bahn gab. Das 2:3, noch insgesamt sieben Minuten zittern. Aber es reichte.
Fazit: Österreich hat schon gewonnen; wurscht, was im Play-Off kommt
Die ÖFB-Frauen profitierten natürlich vom Ausschluss und dem Elfmeter, es war aber über das Spiel betrachtet dennoch alles andere als ein glücklicher Sieg. Denn in der Phase, als Tschechien in der ersten Halbzeit Druck ausübte, bewahrte man die Ordnung; anders als Tschechien, als die Felle davon zu schwimmen drohten. Dass am Ende noch gezittert werden musste – geschenkt.
Denn die Entwicklung, die diese Mannschaft in den letzten anderthalb Jahren genommen hat, ist enorm. Österreichs Frauen-Team war in seiner Geschichte noch nie auch nur nah dran, sich irgendwelche Hoffnungen auf ein großes Turnier machen zu können. Und nun steht der Play-Off-Platz bereits fest! Natürlich: Es gibt prominente Gruppenzweite. Vize-Europameister England etwa. Die starken Russinnen. Den Verlierer des Duells zwischen Norwegen und Island.
Da wird wohl nicht viel möglich sein. Nur: Wer hätte noch vor einem Jahr geglaubt, dass man Tschechien vier Punkte abknöpft, und das verdient? Dass man in Portugal Nervenstärke bewiesen hat und daheim gegen Portugal die Geduld, auch ganz am Ende noch zuzuschlagen? Dass man sich auch von einem nie für realistisch gehaltenen 0:2-Rückstand nach zehn Minuten in Armenien nicht aus der Fassung bringen lässt?
Die ÖFB-Frauen haben schon ganz Großes erreicht. Ganz egal, ob man das Play-Off nun übersteht oder nicht.
(phe)
Alle Bilder: phe