Überraschungs-Team Armenien gibt alles, aber Irland steht im Play-Off

Sie sind neben Estland DIE Überraschung dieser EM-Qualifiaktion: Armenien! Der Underdog erspielte sich vor allem dank des 4:0 in der Slowakei im September das direkte Finale um den Playoff-Platz hinter Russland. Bei Trapattonis Iren in Dublin musste Armenien gewinnen. Es gelang nicht ganz.

Irland - Armenien 2:1

Es war durchaus ein Clash der Fußball-Kulturen: Auf der einen Seite die kampfstarken und mit nicht besonders viel spielerischem Flair ausgestatteten Iren von Giovanni Trapattoni, auf der anderen die unerschrockenen Armenier, die sich vor allem mit schnellem und technisch guten Fußball überhaupt erst in die Position gebracht haben, dieses Endspiel um den Playoff-Platz zu bekommen.

Probleme mit der irischen Robustheit

Was aber schon eine Erkenntnis aus dem 1:0-Sieg der Iren in Jerevan zu Beginn der Qualifikation war: Mit dem körperbetonten Spiel der Mannschaft von der grünen Insel kommen die Armenier nicht zurecht. Zwar hatten sie mit einem 4-2-3-1 und ihrem Kurzpassspiel durchaus eine gute Strategie gegen das Old-School-4-4-2 von Trapattoni, aber es gelang nicht, durch das robuste Mittelfeld zu kommen.

Im Zentrum hatte Henrik Mkhitaryan von Shachtar Donetsk – dem einzigen Spieler aus einer international relevanten Mannschaft – auf der Achter-Position große Probleme, das Spiel so zu lenken, wie das Teamchef Vardan Minasyan sicherlich mit ihm im Sinn gehabt hätte; auf den Außenbahnen verrichteten McGeady und Duff gute Defensiv-Arbeit und ließen die Flügelspieler der Armenier nicht so recht zur Geltung kommen. Am ehesten machte noch der eingebürgerte Brasilianer Marcos Pizzelli den Eindruck, mit seiner Technik etwas bewirken zu können, aber mit seiner eher schmächtigen Statur kam er auch nicht so recht durch.

Irische Hausmannskost

Die Iren spielten, wie man die Iren erwartet: Mit „Kick & Rush“ ist die Herangehensweise recht treffend beschrieben. Weil es dem zentralen Mittelfeld mit Whelan und Andrews an der Fähigkeit fehlt, ein Spiel zu gestalten, dazu Duff und McGeady viel defensiv gebunden waren, wurden regelmäßig lange Bälle nach vorne Richtung Cox und Doyle geschlagen.

So richtig gefährlich war das alles nicht. Nach knapp einer halben Stunde entstand aber aus genau so einer Situation der erste echte Knackpunkt der Partie: Der armenische Torhüter Berezovski kam gegen Cox etwas gar weit aus seinem Kasten, bekam den Ball an den Oberarm – und das außerhalb des Strafraums. Konsequenz: Rot! Der Freistoß von McGeady brachte nichts ein, aber die Iren hatten nun einen Mann mehr

Armenien auf 4-1-3-1

Ab ca. der 30. Minute

So ein richtig großer Vorteil war das aber gar nicht, weil Armenien den positiven Ansatz bewahrte und sich nicht mit einem 4-4-1 hinten einigelte und auf Konter lauerte. Im Gegenteil: Minasyan stellte auf ein 4-1-3-1 um. Mkrtchyan blieb als alleiniger Sechser hinten, Mkhitaryan wechselte von der Achter-Position auf die rechte Seite (für Malakyan, der für Ersatzgoalie Petroyan raus musste). Die Nummern im Mittelfeld waren ausgeglichen, mehr Verantwortung für die Spieleröffnung blieb nun an Mrktchyan hängen.

Was sich nicht änderte, waren aber die Probleme, die die Armenier mit den robusten Gegenspielern hatten. Und die Iren hatten natürlich schnell erkannt, dass durch die in Unterzahl etwas zentralere Positionierung der armenischen Mittelfeld-Außen die Flanken besser bearbeitet werden konnten. Das machten sie auch – und es is kein Zufall, dass das 1:0 für Irland kurz vor der Halbzeit über die Flanken vorbereitet wurde: Zwar senste Doyle am kurzen Pfosten etwas tolpatschig über den Ball, aber Innenverteidiger Aleksanyan hinter ihm drückte den Ball doch über die Linie. Ein bitteres Eigentor.

Irland übernimmt das Kommando

Für die zweite Halbzeit wechselten Duff und McGeady ihre jeweiligen Seiten, und hinzu kam nun auch noch vermehrte Unterstützung von Kelly und O’Shea. So drückten die Iren den Gegner gut hinten hinein und bekamen das Spiel somit komplett unter Kontrolle – sie verlagerten weiterhin das Spiel auf die Seiten; Andrews und Whelan hatten im Ballbesitz nur die Aufgabe, Verbindungsstationen bei Seitenwechseln zu sein.

Und nach einer Stunde war es dann so weit: Eine Flanke von McGeady von der rechten Seite, Torhüter Petrosyan segelt daran vorbei, und Dunne fällt die Kugel so auf den Köprer, dass er sich gar nicht mehr gegen das Tor wehren konnte. Das 2:0 für Irland gegen einen dezimierten Gegner – aber die Armenier steckten nicht auf. Praktisch im Gegenzug kamen sie nach einem Weitschuss des von links bedienten Mkhitaryan zum 1:2-Anschlusstreffer

Ab ca. der 60. Minute

Armenien auf 4-2-3

Vardan Minasyan stellte daraufhin erneut um, und zwar auf ein 4-2-3. Mrkthchyan und Mkhitaryan beackerten das Zentrum, über die Flügel kamen Sarkisov (rechts, statt Gharazyan) und Ex-Ajax-Stürmer Manucharyan (links, statt Pizzelli). Das Problem war dabei aber, dass die drei so hoch standen, dass nun auch die Armenier immer mehr auf lange Bälle zurückgreifen mussten. Das können die Iren aber deutlich besser, und so hielt sich die Torgefahr in Grenzen..

Das änderte sich auch nicht, als zehn Minuten vor Schluss Kevin Doyle mit seiner zweiten gelben Karte vom Platz musste. Trap ließ seine Truppe einfach in einem 4-4-1 dass Spiel nach Hause verwalten. Die Armenier mühten sich redlich, aber doch machten sie nie wirklich den Eindruck, die nötigen zwei Tore noch zu schießen. Womit die Iren sich den Platz im Playoff gesichert haben.

Fazit: Alles gegeben, aber ganz reichte die Qualität von Armenien nicht

Die Armenier haben tapfer gekämpft und alles gegeben, um ihre Chance auf das Playoff zu nützen, am Ende fehlte es dem guten Kollektiv aber so ein wenig an der individuellen Klasse, um sich gegen die robute irische Mannschaft entscheidend durchzusetzen.

Der Ausschluss von Keeper Berezovski und das Eigentor von Aleksanyan waren, das war den Gesichtern der betroffenen anzumerken, heftige Schicksalsschläge. So richtig vorwerfen müssen sich die Underdogs aber nicht. Sie haben in dieser Qualifikation deutlich mehr erreicht, als ihnen zugetraut wurde – und das nicht mit wehrhaftem Defensiv-Fußball, sondern mit einem äußerst positiven Ansatz und einer sehr jungen Mannschaft: Nimmt man die Routiniers Berezovski und Hovsepyan aus, hat das Team ein Durchschnittsalter von 23,6 Jahren.

Auf der anderen Seite garantiert das typisch irische Spiel in Verbindung mit einem defensiv-orientierten Teamchef wie Giovanni Tapattoni nicht gerade für Champagner-Fußball. Das 4-4-2 der Iren ist sehr einfach gestrickt, auf die Robustheit und die Kampfkraft seiner Akteure in der Defensive und dem Schwung und dem Einsatz seiner Spieler in der Defensive ausgerichtet.

Nicht direkt modern. Aber für den zweiten Gruppenplatz hat’s gereicht.

(phe)

Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.