Nuri Sahin ist nicht mehr da – darum holte sich der deutsche Meister Dortmund Ilkay Gündogan. Dieser gibt dem Zentrum des BVB jedoch eine andere Note. Harmoniert hat das bei Vizemeister Leverkusen nicht: Man bekam das Offensiv-Quartett kaum ins Spiel. So gab’s „nur“ ein 0:0.
Vizemeister gegen Meister – nicht nur von der Ausgangsposition ein absolutes Highlight in der frühen Phase der Bundesliga-Saison. Sondern auch und vor allem für Leverkusen eine große Chance, aufzuzeigen – denn beim letzten Treffen am ersten Spieltag der vergangenen Rückserie vor acht Monaten gab es ordentlich einen auf die Rübe – der damalige Trainer Jupp Heynckes hatte sich vertan.
Ähnliche Formation, weitgehende Neutralisation
Sein Nachfolger Robin Dutt machte nicht den Fehler, den zentralen Offensivmann bei der Borussia so frei zwischen den Reihen marodieren zu lassen, wie das im Januar Mario Götze konnte. Damals fehlte es durch das flache 4-4-2 an der Hilfe im Mittelfeld, sodass Rolfes und Lars Bender zwischen Sahin und Götze aufgerieben wurden, die beiden Stürmer vorne hingen hingegen komplett in der Luft.
Dutt stellte nun seinerseits ein 4-2-3-1 auf das Feld, das jenem von Dortmund sehr ähnlich war, auch im Verhalten gegen den Ball. Denn da wurde aus beiden Formationen recht flink ein 4-4-1-1, in dem Kagawa bzw. Renauto Augusto als hängende Spitzen etwas höher verblieben.
Dortmund presste, wie man das von der Borussia kennt, vom Anpfiff weg brutal gegen den Gegner, sobald dieser das Spiel von hinten zu eröffnen versuchte. Ruhe gaben sie erst, sobald Leverkusen den Ball halbwegs tief in der Dortmunder Hälfte hatte. So war Bayer gezwungen, entweder schnell (und dabei oft überhastet) durch das Mittelfeld zu kommen, oder den langen Ball zu spielen.
Hatte Dortmund den Ball, doppelte wiederum Leverkusen durchaus konsequent. Einziger Bereich, in dem sich immer wieder etwas Raum auftat, war die Abwehrseite von Castro und Schürrle: Hier wurde öfters so weit eingerückt, sodass Schmelzer und Großkreutz durch halbweite Bälle aus dem Zentrum gefahrlos anzuspielen waren. Castro machte dann aber einen guten Job, den Raum sofort zu schließen.
Gündogan ist kein Sahin
Die Mannschaft von Dortmund spielte mit zehn Spielern, die auch in der überragenden Meistersaison elementare Stützen der Mannschaft waren. Nur einer war neu: Ilkay Gündogan, der im Sommer aus Nürnberg kam, um auf der Position des zu Real Madrid abgewanderten Nuri Sahin zu spielen. Das hatte zur Folge, dass das Spiel des BVB fast genauso aussah wie in der vergangenen Spielzeit – heftiges Pressing, schnelles Umschalten, fleißige Außenverteidiger – nur der Punch aus dem zentralen Mittelfeld fehlte.
Sahin ist ein sehr eleganter, dabei aber ungemein energiegeladener Achter, der die intelligenten Pässe nach vorne spielen kann. Ihm war es zu verdanken, dass in der Meistersaison die Spieler, die vor ihm auf der Zehn aufgestellt waren (also im Herbst Kagawa, nach dessen Verletzung beim Asiencup dann Götze) so dermaßen glänzen konnten. Gündogan ist ein etwas anderer Spielertyp: Er ist nicht der begnadete Spieleröffner, der Sahin ist, sondern mehr ein Spielverlagerer.
In der ersten halben Stunde war Gündogan praktisch gar nicht im Spiel, da segelten die Bälle reihenweise an ihm vorbei. Erst allmählich fand der Deutsch-Türke in die Partie, er schaffte es aber nicht, den diesmal sehr effektiv zwischen Lars Bender und Simon Rolfes eingezwängten Kagawa in Szene zu setzen. Und auch seine Wechselpässe, mit denen er das Spiel verlagerte, öffneten den Raum nicht wirklich – Bayer hatte sich hervorragend eingestellt. Nach vorne konnte Gündogan kaum spielen, die Querpässe blieben ohne nachhaltige Wirkung.
Ähnliches Spiel bis zu den Ausschlüssen
Auch nach dem Seitenwechsel schaffte es Leverkusen, Gündogan nicht nur die Anspielstationen, sondern auch die Zeit am Ball zu nehmen, wodurch das Angriffsspiel des Meisters auch weiterhin nicht zur gewohnten Gefährlichkeit kommen könnte. Andererseits ließ bei Dortmund die Aggressivität nach, sodass sich bei Leverkusen die zuvor deutlich unterdurchschnittliche Passquote erholen konnte und man Dortmund auch vermehrt hinten beschäftigen konnte. So hatte Leverkusen in dieser Phase mehr vom Spiel, aber Dortmund verzeichnete die etwas besseren Chancen, die der von Stuttgart geholte Adler-Ersatz Bernd Leno die eine oder andere Talentprobe abliefern konnte.
Das Spiel wurde dann durch die beiden Ausschlüsse etwas abgetötet. Leverkusens Linksverteidiger Kadlec flog nach einem rüden Tackling an Götze vom Platz, doch bevor Dortmund wirklich Kapital daraus schlagen konnte, erwischte es wenige Minuten später auch Götze selbst – seit seinem starken Länderspiel gegen Brasilien kommt der Jungstar nicht mehr so richtig zur Geltung, droht in ein Loch zu fallen.
Jedenfalls reagierten beide Trainer gleich, indem sie ihre Zehner aus dem Spiel entfernten und dafür die freigeworgenen Plätze nachbesetzten (also Balitsch für Renato Augusto bei Leverkusen und Blaszczykowski für Kagawa bei Dortmund). Mut zum Risiko bei zehn gegen zehn gab es dann aber bei keinem Team mehr.
Fazit: Andere Note im BVB-Mittelfeld – ganz klappt’s noch nicht
Es war kein wirklich aufregendes Spiel, aber dank der Erkenntnisse über das etwas umbesetzte Mittelfeld-Zentrum bei Dortmund kein ganz uninteressantes und unwichtiges. Gündogan hatte vergleichsweise harmlos 67 Ballkontakte, konnte kaum Angriffe lancieren, Kagawa nicht einsetzen und auch die Außenstürmer nie wirklich steil schicken. Der Neuzugang aus Nürnberg blieb unauffällig und so fehlte es bei Dortmund markant an Energie aus der Zentrale. Das könnte gerade gegen starke Gegner im Laufe der Saison durchaus zu einem Problem werden.
Leverkusen selbst machte trotz der exzellenten Arbeit im Mittelfeld relativ schnell den Eindruck, mit einer Punkteteilung durchaus leben zu können und nach dem Ausschluss verfestigte das natürlich. Robin Dutt hat gezeigt, dass er durchaus in der Lage ist, auf nominell stärkere Gegner ein griffiges und funktionierendes Gegenmittel zu finden und mögliche Schwachstellen gut auszumachen.
Jetzt muss er nur noch die leidige Ballack-Situation lösen – denn der murrende Alt-Star wurde nicht nur nicht vermisst, im Gegenteil, mit ihm wäre dieses Konzept nur schwer durchzuziehen gewesen. Dazu ist Ballack einfach nicht mehr schnell genug.
(phe)