Hannover hat es geschafft! Das Überraschungsteam der letzten Bundesliga-Saison hat tatsächlich Sevilla eliminiert und steht in der Gruppenphase der Europa League. Weil es die Spanier in einer hitzigen und zerfahrenen Partie nicht geschafft haben, die Überlegenheit in Tore umzumünzen.
Wenn Arrigo Sacchi dieses Spiel gesehen hat, hat es ihm die Freudentränen in die Augen getrieben: Der italienische Star-Trainer propagierte ihmmer möglichst wenig Raum zwischen letztem und vorderstem Mann. Sowohl Sevilla als auch Hannover haber das in diesem Spiel beherzigt – was für ein intensives und hektisches Spiel auf extrem engem Raum gesorgt hat.
Dazu trug noch bei, dass beide Teams in einem sehr ähnlich aufgebauten, flachen 4-4-2 auftraten. Hannover verlegte sich aber, wie üblich und wie auch kaum anders zu erwarten war, eher auf die Konter; während Sevilla versucht war, das Spiel in die eigene Hand zu nehmen und nach vorne zu spielen.
Extremes Aufrücken
Das Plus an Ballbesitz und auch Spielkontrolle hatte das Heimteam aus Sevilla, das aus dem Hinspiel einen 1:2-Rückstand mitgenommen hat. Die Abwehrkette rückte bei Ballbesitz unglaublich weit auf, mitunter gar in die gegnerische Hälfte, sofern es die Situation erlaubt hat. Andererseits ließen sich Negredo und (vor allem) Kanouté zurückfallen, um anspielbar zu bleiben.
Hannover versuchte, mit relativ heftigem Pressing entgegen zu halten, vor allem die beiden Stürmer Schlaudraff und Abdellaoue sorgten dafür, dass der Innenverteidigung von Sevilla so gut wie keine Zeit blieb, um das Spiel sinnvoll zu eröffnen. Je weiter nach hinten Hannover den Gegner drückte, desto mehr musste Sevilla auf den langen Ball setzen. Die Andalusier veruschten das alsbald dadurch zu umgehen, dass der Außenverteidiger auf jener Seite, auf der Hannover einen Angriff aufbaute, vorne blieb und die Innenverteidiger entsprechend nach außen verschoben – so war bei Ballgewinn der Außenverteidiger sofort in einer Position, womöglich entstandenen Platz auszunützen.
Hektische, zerfahrene Partie
Zumeist aber tummelten sich alle 20 Feldspieler auf einer Länge von etwa 30 Metern. Längere Kombinationen und Ballstaffetten wurden auf diesem unglaublich engem Raum natürlich so gut wie unmöglich, der enge Spielstand und die drückende Hitze im Stadion sorgten in Verbindung mit dem nicht vorhandenen Raum aber schnell für eine hektische, zerfahrene und durchaus hitzige Atmosphäre auf dem Platz. Schön war das Spiel nicht, aber auf hohem taktischen Niveau.
Die erste Chance konnte nach einer Viertelstunde Sevilla verzeichnen, aber es waren die Hannoveraner, die in Führung gingen: Rausch ging auf der linken Angriffsseite durch und Abdellaoue spitzelte die Flanke an Palop vorbei ins Tor. An der Spielcharakteristik änderte das Tor jedoch nichts grundlegendes, da Sevilla so oder so ein Tor brauchte. Das gelang dann noch vor der Pause, wenn auch durch Mithilfe Hannovers – Emanuel Pogatetz fälschte einen Schuss von Perotti ins eigene Tor ab.
Sevilla macht Druck
Nach der Pause schaffte es Sevilla, sich nachhaltiger in der Hälfte von Hannover fest zu setzen. Da bei den Deutschen nach dem Pressing der ersten Hälfte nun mit den Kräften sparsamer umgegangen werden musste, wurde das aggressive Spiel etwas zurückgefahren. Was zur Folge hatte, dass Sevilla mehr Zeit im Mittelfeld hatte und sich Hannover immer weiter hinten rein drängen ließ. Dass Kanouté jetzt beinahe dauerhaft aus dem Mittelfeld heraus agierte, hatte zudem den Effekt, dass Sevilla in diesem Bereich Überzahl genereieren konnte.
In dieser Phase war es vor allem Torhüter Ron-Robert Zieler, der Hannover im Spiel hielt. Der 22-Jährige strahlte eine beinahe unheimliche Ruhe aus und hielt, was auf seinen Kasten kam. Was Sevilla allerdings nicht gelang, war das Auseinander ziehen der Hannover-Abwehr. Schulz und Cherundolo konnten die Flügel ihren Vorderleuten aus dem Mittelfeld überlassen und konnten selbst einrücken.
Erfolgreiche Abwehrschlacht
Was sich nicht änderte, war die enorme Intensität im Spiel. Man könnte es auch Hektik nennen – denn je näher sich die Partie ihrem Ende zuneigte, desto heißer liefen einige der Akteure. Vor allem Sevilla-Sechser Gary Medel hatte sich immer weniger im Zaum. Das erkannte Hannover und begann, den Chilenen sehr früh zu doppeln, um ihn zu einer zweiten gelben Karten zu provozieren. Ganz unter Kontrolle hatten sich aber auch die Hannover-Spieler nicht. In Minute 74 war der Ärger allerdings verständlich – denn warum der belgische Referee ein glasklares Foul von Palop an Schlaudraff nicht mit dem zwingend erforderlichen Elfmeter geahndet hat, wird sein Geheimnis bleiben.
Was über weite Strecken der zweiten Hälfte eine Abwehrschlacht von Hannover war, beruhigte sich in der Schlussphase allerdings wieder etwas, obwohl Sevilla-Coach Marcelino noch seine Viererkette auflöste und alles nach vorne warf. Diese Maßnahme hatte sich allerdings schon vor dem Ende wieder erledigt, nachdem Medel tatsächlich noch vom Platz flog. Sevilla kam zwar noch zu einigen Weitschuss-Chancen. Aber das Tor gelang nicht mehr.
Fazit: Hannover kämpft sich nicht unverdient durch
Natürlich verfügt Sevilla über die besseren Spieler und hatte in diesem Rückspiel auch deutlich mehr Spielanteile und die besseren Chancen. Aber es gelang den Andalusiern nicht, wirklich nachhaltig für Platz gegen die sehr kompakten Mannschaft aus Hannover zu kreieren. So blieben zumeist eher Versuche aus mittlerer Distanz, die Zieler mit Glück und Geschick entschärfen konnte.
Letztlich schafft Hannover nicht unverdient den Einzug in die Gruppenphase, weil sie sich als die gewachsenere, besser funktionierende Mannschaft erwiesen hat. Das hat gereicht, um die individuell besser besetzte Mannschaft aus Spanien zu eliminieren. Womit der tolle Erfolgslauf von Mirko Slomka und seiner Mannschaft weitergeht – sechs weitere Europacup-Spiele sind die Belohnung.
(phe)