Italien rettet durch ein spätes Tor ein 1:1 beim Freundschaftsspiel in Dortmund – der Neustart nach der Katastrophen-WM stottert aber noch etwas. Ja, defensiv standen die Azzurri nach einigen Wacklern vor allem nach der Pause gut. Aber ob das noch eine große Mannschaft wird?
Die Italiener waren am Boden, nach dem Desater bei der Weltmeisterschaft. Cesare Prandelli nahm sich des Trümmerhaufens an und machte sich sofort daran, viele neue Gesichter einzubauen. International sind Namen wie Mattia Cassani, Stefano Mauri und Giampiero Pazzini einzubauen. Aber ist das wirklich ein Neustart mit Zukunft? Mauri ist 30 Jahre alt, Pazzini ist 26, Cassani auch schon 27 – und der eingebürgerte Thiago Motta, der sein Debüt gab, hat schon 28 Lenze auf dem Buckel. Vieles ist neu. Aber jung ist das nicht.
Die deutsche Mannschaft hingegen war weitgehend in der Formation der WM angetreten – lediglich Badstuber ersetzte in den Innenverteidigung Arne Friedrich, der lange verletzt war. Auf der Problemposition links hinten spielte Dennis Aogo. Spielerisch und taktisch zeigte diese Mannschaft wenig Neues: Sie spielten schnell über die Außen (vor allem über Lahm, der Platz ohne Ende hatte); Özil bewegte sich viel auf die Seiten und stand oftmals sehr hoch, wodurch sich durch die offensiven Müller (der vor Lahm immer wieder nach innen zog) und Podolski eine offensive Viererkette ergab. Podolski ging auch immer mal wieder als zweite Spitze nach vorne neben Klose; Özil kam dann vermehrt über links. Alles nichts, was man vom DFB-Team nicht kennen würde.
Die Italiener waren in dem für italienische Teams fast schon typischen 4-3-1-2 angetreten, grundsätzlich defensiv orientiert. Die Breite im Spiel kam, wie bei so einem System fast logisch, in erster Linie von den Außenverteidigern. Mattia Cassini versuchte auf seiner rechten Seite auch immer wieder etwas, er empfing Podolski früh und hatte zudem von Aogo kaum etwas zu befürchten. Auf der anderen Seite aber stand mit Chiellini ein waschechter Innenverteidiger, und so spielte er dann die meiste Zeit auch. Er stand defensiv sehr tief und gewährte so Müller und vor allem dem bekannte flinken Lahm Räume, wie sich die beiden das wohl kaum eträumt hatten.
Logisch also, dass das 1:0 über diese Seite kam – und noch einen anderen Schwachpunkt bei den Azzurri aufdeckte: Den hochgelobten Innenverteidiger Andrea Rannocchia. Dieser machte nämlich (zumindest in der ersten Hälfte) einen äußerst unsicheren Eindruck, ließ sich immer wieder aus der Position ziehen und brachte seinen deutlich gefestigter wirkenden Nebenmann Bonucci (und Sechser Thiago Motta bei seinem Nationalmannschafts-Debüt) durchaus in Verlegenheit.
Nach vorne versuchten Montolivo und De Rossi, ihre Außenverteidiger zu unterstützen, indem sie bei Ballbesitz selbst Richtung Flanke gingen, um vorne die von außen nach innen ziehenden Stürmer Pazzini und Cassano in Szene zu setzen; auch Trequartista Mauri bewegte sich viel horziontal. Nach einer halben Stunde wagte sich auch Chiellini immer mehr nach vorne. Das machte er erstaunlich gut, in der Rückwärtsbewegung blieb er allerdings wackelig. Neben Pazzini wurde gegen Ende der ersten Halbzeit auf Seiten der Italiener vor allem Cassano immer giftiger und einsatzfreudiger. So kamen die Azzurri besser ins Spiel und hatten auch Pech – denn gleich drei strittige Situationen im Strafraum befand der holländische Referee Braamhaar nicht für elferwürdig.
Neues Personal, alte Formation
Wie bei Testspielen üblich, fingen mit dem Beginn des zweiten Abschnitts die Wechsel an. Beide Teamchefs wechselten bis zum Abpfiff oft, änderten ihre Grundformationen dabei aber nie. Was sich in Hälfte zwei aber zeigte: Cesare Prandelli hat einige taugliche Alternativen auf der Bank – während die Dortmund-Franktion, die Löw tröpfchenweise brachte (Götze für Müller in der HZ, Hummels für Badstuber nach einer Stunde, Großkreutz für Klose nach 75 Minuten) nicht dafür sorgen konnte, den nun deutlich sicherer stehenden italienischen Abwehrverbund zu knacken. In der Tat spielten die Azzurri hinten nun sehr gut und praktisch fehlerfrei – das sah man in den letzten Jahren kaum noch.
Der entscheidende Wechsel, wegen dem sich Italien das späte 1:1 aber durchaus verdiente, war nicht jeder der beiden Sturmspitzen – der fleißige Borriello und der aus der Etappe kommende Rossi waren nicht so gefährlich wie ihre Vorgänger – sondern jener, der nach 65 Minuten „Principino“ Alberto Aquilani statt Thiago Motta ins Spiel brachte. Aquliani nahm die Position im linken Halbfeld ein, dafür ging De Rossi zurück ins Zentrum. Und sofort war das Spiel der Italiener, das immer sicherer wurde, auch nach vorne mit Struktur versehen: Die klugen Pässe und das gute Auge waren die Basis dafür, dass aus der sicheren Abwehr heraus das italienische Team nun auch nach vorne immer mehr zur Geltung kam.
Und natürlich hat auch Per Mertesacker beim Ausgleich durch Rossi in der 81. Minute kräftig mitgeholfen. Das Zweikampfverhalten des Bremers, der seit Monaten am unteren Ende des Erträglichen spielt, war eines Nationalspielers nicht würdig und so konnte Rossi nach einem starken Zuspiel von Aquilani den Ausgleich markieren.
Fazit: Italien okay, aber Zukunftsaussichten…?
Personell ist es in der Tat ein echter Neustart, was Cesare Prandelli da bei den Italiener vollführt hat. Aber hat diese Mannschaft wirklich eine Zukunft? Schon jetzt hat das Team ein Durchschnittsalter von 27 Jahren; Leute wie Montolivo und Mauri sind brave Arbeiter, aber keine Führungsfiguren. Und was soll man von dem Signal halten, den 28-jährigen Brasilianer Thiago Motta einzubürgern?
Taktisch zeigten die Italiener, dass sie ihr 4-3-1-2 vor allem defensiv gut beherrschen, in der zweiten Hälfte kam Deutschland praktisch gar nicht mehr in den italienischen Strafraum. Aber nach vorne ist diese Formation natürlich etwas bedrückend. Das wurde erst besser, als Aquilani eingewechselt wurde und deutlich machte, was De Rossi und Montolivo in der Vorwärtsbewegung fehlt. Insgesamt kommt der italienische Neuanfang also bemüht daher, aber dennoch etwas lauwarm. Viel mehr als eine gute Mittelklasse-Mannschaft ist das im Moment nicht.
Und die Deutschen? Nichts außergewöhnliches, nichts bahnbrechend Neues. Wenn ein österreichischer Spion im Stadion war, hat er gesehen, wie man den WM-Dritten mit geordneter Defensive aus dem eigenen Strafraum fernhält. Ein 4-3-1-2 ist im rot-weiß-roten Repertoire aber nicht vorhanden und wenn man sich vor Augen führt, was die Italiener bis auf die jeweils letzte Viertelstunde der beiden Halbzeiten nach vorne gemacht haben, muss das auch kein Nachteil sein.
(phe)