Day 14 / F – Keine Bewegung!

Südafrika 2010 – Tag 14 – Gruppe F | Mit möglichst wenig Aufwand versuchte Italien, den notwendigen Punkt gegen die Slowakei zu holen. Oder war es mangelnde Klasse? Nach dem 2:3 ist der Titelverteidiger jedenfalls raus. Ohne viel Aufwand kam Paraguay zu einem 0:0 gegen berhrzte Kiwis – und zum Gruppensieg.

Italien – Slowakei 2:3 (0:1)

Italien - Slowakei 2:3

Der Weltmeister bekommt’s einfach nicht gebacken: Falsche Aufstellung im ersten Spiel, keine Ideen im zweiten, und keine Bewegung und komplettes Ignorieren der rechten Seite im Dritten. Am Auffälligsten in der ersten Hälfte gegen die Slowaken war das 50-Meter-Loch, das im De-Facto-4-4-2 zwischen dem Mittelfeld und den beiden echten Angreifern Di Natale und Iaquinta aufgerissen wurde. Das ist bei Iaquinta nicht überraschend, aber das sich ein Außenstürmer wie Di Natale so überhaupt nicht anbietet, ist schon erstaunlich. Zudem hielt sich Simone Pepe statt auf der anderen Außenbahn wie Di Natale auf der linken Seite auf.

Dadurch war das Spiel der Italiener, wenn man es überhaupt als solches bezeichnen kann, extrem linkslastig – Zambrotta wurde auf der rechten Außenbahn nicht nur komplett allein gelassen, sondern auch noch völlig ignoriert. In der Mittelfeldzentrale spielte De Rossi eine schreckliche Partie und er verschuldete mit seinem schlimmem Fehlpass auch noch das 0:1. Montolovo neben ihm agierte etwa sicherer, aber mehr als Lothar-Matthäus-Gedächtnis-Pässe blieben auch ihm nicht übrig.

Die Slowaken, die ja in den ersten beiden Spielen ja wahrlich auch nicht überzeugen konnten, kontrollierten das Spiel mit Leichtigkeit, die sie selbst wohl nicht erwartet hatten. Weshalb sie schon vor dem Führungstor die drei offensiven Mittelfeldleute im 4-2-3-1 mehr oder weniger in die Spitze stellten: Hamšík zentral, Jendrišek über links und Stoch (der statt Weiss junior in die Mannschaft gerückt war) nominell über rechts, ihn zog es aber immer wieder ins Zentrum, um Criscito auszuweichen. So erhielten die Slowaken nicht nur eine Überzahl im offensiven Mittelfeld, sondern stellten auch die langsamen italienischen IV Chiellini und Cannavaro vor diverse Probleme – obwohl die Slowaken nun beileibe keine internationale Top-Leistung ablieferten.

In der Pause brachte Lippe dann mit Quagliarella (für den wirkungslosen Gattuso) einen echten Außenstürmer, zudem durfte Zambrotta auf seine linke Seite wechseln (weil RV Maggio für LV Criscito kam). Weil Pepe nun einen echten Rechtsaußen gab, spielten die Italiener nun mit einem 4-2-4 und hatten mehr vom Spiel, aber weil die ordnende Hand immer noch fehlte, kam nach einer Stunde auch endlich Andrea Pirlo für den blassen Montolivo ins Spiel. Ohne Wirkung: Der angeschlagene Pirlo zeigte, warum er in den ersten beiden Spielen nicht zum Einsatz kam. Viele Fehlpässe kamen von ihm, aber nicht die gewünschte Präsenz im Mittelfeld,

Die Slowaken verteidigten die kopflosen und recht harmlosen Angriffe der Italiener und konterten – das 2:0 sah schon wie die Entscheidung aus. Doch plötzlich erwachte im Weltmeister doch noch der Kampfgeist! Durch einen Abstauber gab’s den schnellen Anschlusstreffer, zehn Minuten vor Schluss. Dann aber auch noch Pech, als der vermeintliche Ausgleich wegen angeblichen Abseits nicht anerkannt wurde – und der Todesstoß durch das 1:3 in der 89. Minute. Das Ende? Immer noch nicht! Mit der ersten Aktion, die tatsächlich nach Fußball aussah, versenkte Quagliarella zum 2:3. Doch der Ausgleich, der zum Achtelfinale gereicht hätte, gelang nicht mehr.

Fazit: Die Italiener waren 80 Minuten lang nicht einmal mit viel Phantansie als amtierender Weltmeister zu erkennen: Uninspiriert, langsam, planlos. Dass das gegen jetzt beim besten Willen nicht überragenden Slowaken beinahe gereicht hätte, traurig genug. Die Slowaken haben aber das Spiel weniger gewonnen, als es die Italiener viel mehr verloren haben.

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Paraguay – Neuseeland 0:0

Paraguay - Neuseeland 0:0

Heute durfte Óscar Cardozo ran – wenn man schon ein Überangebot an Stürmer hat, so wie Paraguay, dann empfielt es sich auch, diese bei Laune zu halten. Alleine, dem Benfica-Torjäger, der für Lucas Barrios in die Mannschaft kam und in einem etwas schiefen 4-4-2 neben Santa Cruz stürmte (Valdéz war mehr linke Mittelfeldspieler), gelang kaum etwas. Er bewegte sich gegen die trockene neuseeländische Defensive ebenso schlecht wie sein Sturmpartner, weswegen die Spieler, die das Duo versorgen hätte sollen, wenig Bälle in die Spitze auch tatsächlich dorthin brachte. Zu gut waren die beiden in der neuseeländischen Dreierkette aufgehoben.

Auf der linken Seite rückte Valdéz, wie erwähnt praktisch ins Mittelfeld zurück und wurde dort vom fleißigen Morel unterstützt. Auf der anderen Seite war es vor allem der eher unterbeschäftigte RV Caniza, der nach vorne ziemlich Betrieb machte – im Verbund mit Riveros, der eher aus dem Halbfeld kam. Die Paraguayer konnte sich den Offensivdrang auf den Seiten leisten, denn auf der einen Seite war in Neuseelands gewohntem 3-4-3 ausschließlich Leo Bertos der Gegenspieler, der defensiv viel zu tun hatte und nach vorne genau gar nichts brachte. Die drei Stürmer verteilten sich mit Schlagseite: Killen und Fallon gaben klassische Center-Forwards, Shane Smeltz einen Linksaußen. Alle drei hingen aber ziemlich in der Luft, weil ihre Kollegen vornehmlich damit beschäftigt waren, Paraguay in Schach zu halten.

Was hervorragend gelang: Elliott und Vicelich machten die Mittelfeldzentrale zu, die Dreierkette hinten nahm die sonst so gefährlichen Paraguay-Stürmer aus dem Spiel. So plätscherte das Spiel ohne Highlights vor sich hin, weil Paraguay zu wenig Willen zur Bewegung an den Tag legte. Das wurde erst nach etwas über einer Stunde ein wenig besser, als Barrios und Benítez für Cardoso und Valdéz kamen und Paraguay in eieem 4-2-4 anzurennen versuchte – mit Barrios und Santa Cruz zentral, Benítez als klassischer Linksaußen und Vera, der nun einen Rechtsaußen gab. Die Neuseeländer wurden so recht gut hinten festgenagelt, und die Albiroja kam zu einigen guten Einschussmöglichkeiten.

Erst in der Schlussphase gingen die Neuseeländer dann auf alles, als der Sieg der Slowaken konkret wurde. Ein Tor hätte den All Whites nun nur noch gewehlt, um sogar Gruppensieger zur werden! Und natürlich musste die Brechstange herhalten gegen einen Gegner, der mit dem 0:0 ja zufrieden war. Die fußballerische Qualität und letztlich auch die Abgeklärtheit der Paraguayer verhinderten aber, dass die Kiwis sogar noch zu einem Sieg kamen.

Fazit: Lange hatte diese Partie den Charakter eines belanglosen Freundschaftsspiels: Paraguay war sich des Achtelfinals sicher, die Neuseeländer glaubten erst ganz zum Schluss wirklich an ihre Chance. Zu spät – so entspricht das 0:0 dem Charakter des Spiels am Besten.

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Das war die Gruppe F: Dass Paraguay das Achtelfinale erreicht, ist wahrlich keine Überraschung – im Gegenteil, es wäre unerwarteter gewesen, hätte die Albiroja das nicht geschafft. Aber dass es das Team von Gerardo Martino sogar als Gruppensieger macht, ist schon ein wenig erstaunlich. Das kommt aber nicht von Ungefähr: In der Defensive stand man sicher, das Mittelfeld zeigte durchaus Qualität, wenn das nötig war, und im Angriff gibt es ohnehin ein Überangebot. Angesichts dieser personellen Besetzung darf man sich schon wundern, dass es noch kein einziges Stürmertor gab.

Die Mannschaft, die Paraguay ins Achtelfinale begleitet, ist jene aus der Slowakei – ja, der WM-Debütant spielte gut organisiert wie man es von einem europäischen Mittelklasse-Team erwarten kann. Aber dass es trotz zweier schlechter Spiele und einem Sieg, der mindestens genauso viel mit der Schwäche des Gegners zu tun hatte, wie mit eigener Stärke, spricht nicht direkt für die Gruppe. So oder so, die Slowaken dürfen sich über den Aufstieg freuen, das Abschneiden von Neuseeland ist aber schlichtweg als Sensation zu bezeichnen. Dass sie All Whites, die letztes Jahr beim Confed Cup noch heillos überfordert waren, bei diesem Turnier ungeschlagen bleiben, ist beinahe sporthistorisch. Mit toller Ordnung hinten und großem Kampfgeist trotzden die Kiwis allen Gruppengegnern  Unentschieden ab. Bravo!

Gar nix mit „Bravo“ ist dafür mit Titelverteidiger Italien. Dass die Squadra Azzurra keine entscheidende Rolle in diesem Turnier spielen würden, deutete sich mit den matten Auftritten bei EM und Confed-Cup ja schon an. Aber sieglos als Gruppenletzter, noch hinter dem vermeintlichen Prügelknaben Neuseeland? Eine unglaubliche Blamage! Die Italiener zeigten Schwächen in der Abwehr, keine Kreativität im Mittelfeld und Harmlosigkeit im Angriff. Alles andere als ein kompletter Schnitt kann jetzt nicht in Frage kommen.

Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.