Day 13 / D – Drucksituationen

Südafrika 2010 – Tag 12 – Gruppe D | Deutschland hält dem Druck stand, Serbien nicht – auf diesen Nenner kann der letzte Spieltag dieser Gruppe gebracht werden. Das Team von Jogi Löw siegt 1:0 gegen Ghana, aber auch die Afrikaner sind durch. Eben weil die Serben gegen Australien hinfallen.

Deutschland – Ghana 1:0 (0:0)

Ghana - Deutschland 0:1

Cacau für den gesperrten Klose – das war die wichtigste Änderung, die Löw (gezwungenermaßen) für das „Gruppenendspiel“ vorgenommen hatte. Der gebürtige Brasilianer lief sehr viel, ließ sich sehr oft sehr weit nach hinten fallen, war dadurch aber nur selten wirklich torgefährlich. Das war aber auch der Abwehrkette Ghanas zu verdanken: Die vier standen in der ersten Hälfte oft extrem hoch, nicht selten beinahe auf Höhe der Mittellinie. Das machte den Raum für das spielstarke deutsche Mittelfeld sehr eng und schränkte vor allem Özil ein. Der Spielmacher, der eigentlich eine hängende Spitze gab und die deutsche Formation zu zu einem 4-4-1-1 machte, wich daher oft auf die Flanken aus. Es gelang allerdings nur selten, Bälle tief in den Lauf Richtung Tor zu spielen, auch weil sich selten einer anbot. Khedira stieß einmal nach vorne, Cacau zuweilen, und in der besten deutschen Chance vor der Pause Özil selbst.

Das deutsche Angriffsspiel krankte vor allem an den Flanken. Müller hatte kein gutes Spiel, und Lahm war ohne ihn und den defensiv in der Zentrale gebundenen Khedira oft auf sich alleine gestellt. Auf der linken Seite ließ der katastrophale Podolski den armen Jerome Boateng hinter ihm defesniv komplett verhungern – ein Mitgrund, warum auch Boatengs Vorgänger Badstuber gegen Serben so schlecht ausgesehen hatte. So musste Schweinsteiger nicht nur Schaltstation in der Mittelfeldzentrale spielen, sondern nebenbei noch die Putzfrau hinter Podolski geben und Boateng helfen. Erstaunlich, wie gut er das hinbekommen hat.

Das Spiel von Ghana war von Anfang an auf Halten des 0:0 ausgelegt, schließlich reichte dieses Resultat den Afrikanern in jedem Fall zum Einzug ins Achtelfinale. Und es gibt keine afrikanische Mannschaft, die das so nüchtern und schnörkellos hinbekommt wie jene aus Ghana: Die Mittelfeldzentrale presste früh auf die beiden Deutschen Sechser Schweinsteiger und Khedira, Özil wurde schon von der Abwehrkette übernommen. Ghana machte vor allem die Mitte dicht, die Seiten waren die alleinige Aufgabe der Außenverteidiger – die mit dem müden Müller und dem unsichtbaren Podolski kaum Probleme hatten. Nach vorne wechselten die drei offensiven Mittelfeldleute im 4-2-3-1 ständig die Positionen, es ging aber nur dann gefährlich vor das Tor, wenn der völlig neben sich stehende Mertesacker einen seiner erschreckend vielen billigen Stellungsfehler leistete.

Nach der Pause ließ sich die Abwehr von Ghana mehr hinten rein drängen, die Wege in den Strafraum wurden aber weiterhin dermaßen gut zugestellt, dass den Deutschen langsam aber sicher die Ideen ausgingen. Dass die Führung nach einer Stunde aus einem Weitschuss von Außerhalb des Strafraums fiel, ist nur folgerichtig. Zu diesem Zeitpunkt war, aufgrund des Spielstands in der Parallelpartie, Ghana in größter Gefahr, und in dieser Situation wurde die große Schwäche dieser Mannschaft offensichtlich: Sie kann nicht torgefährlich und zielgerichtet nach vorne Spielen. Gyan rieb sich mit viel Laufarbeit auf, Kwadwo Asamoah fehlte daher oft die geeignete Anspielstation.

Andrew Ayew nützte die Verunsicherung von Jerome Boateng, der sich auf seiner Position nicht so richtig heimisch fühlte, zu selten aus und Sulley Muntari, der nach dem Rückstand für den Tagoe kam und ins Zentrum rückte, konnte dem Spiel nicht die nötige Struktur verleihen. Der beste Mann in Ghanas Mittelfed war erstaunlicherweise Kevin-Prince Boateng, der einen wundervollen Sechser spielte und zeigte, dass er ein herausragender Fußballer sein kann, wenn er nur will. Seine Ideen verpufften aber ob der guten Arbeit im defensiven Mittelfeld der Deutschen zumeist. Vor allem, nachdem Marcell Jansen neu auf die linke Abwehrposition kam: Er nahm Asamoah endgültig aus dem Spiel und war auch sichtlich bemüht, nach vorne Akzente zu setzen.

Da mittlerweile die Australier im Parallelspiel führten, wurden auch die Offensivbemühungen der Ghanaer schnell wieder merklich weniger. Ein Spiel mit extremem Risiko, schließlich war die serbische Niederlage längst noch nicht besiegelt, aber weil in der deutschen Abwehrzentrale Friedrich Verantwortung übernahm und die vielen Fehler Mertesackers bravurös ausbügelte, und zudem mit Manuel Neuer ein nervenstarker Torhüter im deutschen Gehäuse steht, blieb es letztlich beim nicht unverdienten 1:0.

Fazit: Ghana wollte von Anfang an auf 0:0 spielen, ohne den Geniestreich von Özil wäre das auch gelungen. Die Deutschen haben mehr für das Spiel getan und gewinnen verdient, auch weil die Ghanaer nicht in der Lage waren, aus dem Spiel heraus für mehr als sporadische Torgefahr zu sorgen.

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Australien – Serbien 2:1 (0:0)

Australien - Serbien 2:1

Konsequent über die Außen – das war der Plan der Serben (4-5-1) gegen die in der Zentrale robusten, aber nicht gerade spieltarken Australier (4-2-3-1). Das ging in der ersten Hälfte auch ganz gut auf, wenn auch aus unterschieslichen Gründen. Auf der linken Abwehrseite der Australier war Carney heillos überfordert, sodass Krasić (der bei jedem Ballkontakt ausgebuht wurde, nachdem er in der 2. Minute einen Elfer schinden wollte) ziemlich machen konnte was er wollte. Den Blondschopf zog es, wie schon gegen Ghana, oft in die Mitte. Das machte gegen die Australier aber nichts aus, weil RV Ivanović mit Bresciano und Carney recht locker alleine fertig wurde. So segelten von der rechten serbischen Seite viele Flanken Richtung Žigić, der aber erstaunlich wenig damit machte.

Auf der linken serbischen Angriffsseite stand der Australier Wilkshire zwar nicht ganz so neben sich wie Carney auf der anderen, dafür desöfteren viel zu weit vorne – so hatte der starke Jovanovic ebenso wenig Mühe, das Zentrum zu bedienen. Lediglich in der Mitte machten die Aussies ganz gut zu, sodass vor allem Kuzmanović immer wieder auf die Seiten gehen konnte, vor allem auf jene von Jovanović.

Die Serben bekamen das Spiel nach etwa einer Viertelstunde voll in den Griff, weil sie die vielen Räume im Mittelfeld, welche die Australier ihnen gewährten, nun besser für Spielaufbau und -kontrolle nützten. Die drei Australier, die dezidiert Offensiv dachten (ZM Cahill, RM Emerton und Sturmspitze Kennedy), standen zu weit vor dem Rest der Mannschaft und waren so ziemlich aus dem Spiel. Die schnellen Gegenstöße wurden mit Fortdauer der ersten Hälfte immer seltener. Eine Führung der Serben zur Pause wäre durchaus gerechtfertigt gewesen, schlampige Arbeit vor allem von Žigić vor dem Tor verhinderte dies aber.

Die Australier kamen zu Beginn der zweiten Hälfte wieder besser in die Partie, weil sie im Mittelfeld nun die Räume wieder besser zustellten und die Serben zunehmend die Ordnung und den Plan im Spielaufbau vermissen ließen. Die mit deutlich mehr Einsatz spielenden Aussies nagelten so Ivanović hinten und Kuzmanović im Halbfeld richtig fest, wodurch Krasić die Unterstützung fehlte. Der formschwache Blondschopf war somit komplett aus dem Spiel und wurde nach einer Stunde folgerichtig von Zoran Tošić ersetzt. Logisch angesichts des Spielverlaufs auch, dass der schnelle Konterstürmer Pantelić für die Immobilie Žigić kam.

Die Soceroos setzten nun, wo sie das Spiel im Griff hatten, alles auf eine Karte: Stürmer Holman kam für den  biederen und vor allem nicht allzu schnellen Bresciano, um dem eher statischen Kennedy im Zentrum besser zu helfen. Zudem fand der defensiv schwache LV Carney nun wesentlich besser in die Partie und beackerte die linke Offensivseite, die nach dem Wechsel Holman/Bresciano und der zunemenden Zentrums-Tendenz von Emerton ziemlich verwaist war. Das Tor zum 1:0 für die Australier fiel aber von der Wilkshire-Seite: Dessen Flanke verwertete Cahill zur zu diesem Zeitpunkt nicht mehr unverdienten Führung für Australien. Dass die Kante Vidić das Kopfballduell gegen den um einen Kopf kleineren Cahill verliert, passt zu dessen furchtbarer WM.

Die Serben warfen sofort alles nach vorne, vernachlässigten das defensive Mittelfeld komplett, und wurden gleich darauf mit dem 0:2 bestraft, als Holman in der gegnerischen Hälfte im Konter unfassbar viel Platz hatte. Antić nahm nun in Kuzmanović eine DM raus, brachte mit Lazović einen zweiten Stürmer neben Pantelić und stellte auf 4-4-2 um. Befeuert vom Anschlusstor, einem Abstauber von Pantelić knapp zehn Minuten vor Schluss, starteten die Serben eine verzweifelte Schlussoffensive, der es aber am klaren Blick fehlte – denn die seite von Wilkshire, der verletzt rausmusste, wurde nicht nachbesetzt (weil Stürmer Garcia kam). Doch obwohl Verbeek damit seinem Team jede Ordnung nahm, brachte Australien das 2:1 nicht nur über die Zeit, gegen non völlig kopflose Serben ergaben sich sogar noch Konterchancen auf ein eventuelles 3:1.

Fazit: Die Australier holen aufgrund der deutlichen Steigerung in der zweiten Hälfte einen nicht unverdienten Sieg, weil die Serben aus ihrer Überlegenheit vor der Pause und aus ihrem kopflosen Anrennen in der Schlussphase zu wenig heraus holen konnten.

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Das war die Gruppe D: Wie vor zwei Jahren bei der EM – Deutschland beginnt souverän, fällt danach auf die Schnauze und hält dem enormen Druck in der dritten Partie dann doch stand. Dass es noch diverse Problempositionen gibt (die komplette linke Seite, IV Mertesacker), konnte aber nicht verdeckt werden. Es geht nun in den schwierigeren Ast im K.o.-Bracket, erst mit England und dann würde wohl Argentinien warten. Das muss kein Nachteil sein: Ein Aus gegen diese Teams wäre keine Peinlichkeit, sodass die junge Mannschaft nur positiv überraschen kann.

Mit Ghana kommt, wenn auch mit einigem Glück, zumindest ein Team aus Afrika in die nächste Runde. Die Mannschaft von Teamchef Rajevac war extrem sicher in der Defensive gut im Mittelfeld, aber zu harmlos nach vorne. Mit zwei Elfmetertoren zittern sich die Black Stars in die nächste Runde – wo die USA wartet, und dann der Sieger aus Uruguay-Südkorea. Ein schnelles Aus ist ebenso denkbar wie ein Semifinaleinzug.

Der große Verlierer in dieser Gruppe ist zweifellos Serbien. Was letztlich zum Aus geführt hat: Die völlig verschlafene Auftaktpartie gegen Ghana und mangelnde Chancenverwertung gegen Australien. Ein Sieg gegen den Gruppensieger hilft nun mal nichts, wenn man es gegen die beiden anderen vergeigt. Kontinuierlich, aber letztlich zu wenig gesteigert hat sich Australien: Die Jungs vom fünften Kontinent ließen sich vom 0:4-Desaster gegen Deutschland nicht unterkriegen, trotzten Ghana schon einen verdienten Punkt ab und holten sich wegen ihres Siegeswillens noch einen Sieg gegen die Serben. Ein guter Schlusspunkt unter diese australische Spielergeneration.

(phe)

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.