Südafrika 2010 – Tag 11 | Portugal zeigt nach der Pause, wie man was für die Tordifferenz macht und gewinnt 7:0. Die Spanier (gegen harmlose Honduraner) und die Chilenen (gegen dezimierte Schweizer) zeigen, wie man das nicht macht und verpassen mögliche höhere Siege.
Portugal – Nordkorea 7:0 (1:0)
Da schau her: Die Nordkoreaner zeigten sich gegen die Porugiesen wesentlich frecher als beim 1:2 gegen Brasilien, aus dem 5-3-2 in der Defensive wurde nun über weite Strecken ein 3-5-2, weil die beiden Außenverteitiger Ji und Cha deutlich mehr aufrückten und die Außen der Portugiesen (Cristiano Ronaldo und Simão) schon früh stellen konnten. Vor allem Cristiano Ronaldo (der, anders als gegen die Ivorer, diesmal über die linke Seite kam) war nicht besonders lauffreudig und es wurde schnell deutlich, dass der vor allem langen Bällen auf ihn keinen Schritt entgegen geht – so hatten die aufmerksamen Koreaner wenig Probleme, ihm immer wieder die Bälle zu nehmen, bevor er sie überhaupt hatte.
Zudem hatte man den Eindruck, dass die Portugiesen mit den deutlich mutigeren Koreanern nicht gerechnet hatten, vor allem im Mittelfeld kamen die Favoriten kaum zum Zug, die Außenverteidiger (vor allem Cha rechts) waren ständig nach vorne unterwegs und es gab durchaus die Möglichkeiten, dass die Portugiesen sogar in Rückstand geraten. Diese versuchten zu selten, gegen die Dreierabwehr in den schnellen Vorwärtsbewegung breit zu machen, bevor die Außenverteidiger zurück waren. Doch die Nordkoreaner machten in der Abwehr dann den Fehler, der schon gegen Brasilien zu zwei Gegentoren geführt hat: Halbherziges Stellungsspiel auf der linken Abwehrseite, ein schneller Pass und Meireles stand frei vorm Tor, 1:0. Eine der wenigen gelungenen Aktionen von der Flanke, auf der Simão ansonsten nichts zeigen konnte und .
Nach der Pause machten die Portugiesen vieles besser, was davor nicht zur Zufriedenheit passierte – vor allem das schnelle Spiel über die Außen. Kaum ging Crsitiano Ronaldo mal mit Tempo zur Grundlinie, riss die koreanische Dreierkette auseinander. Dass allerding bei einem Mondball aus dem Mittelfeld selbige auch schon die Orientierung verliert, ist eher erstaunlich – und wieder war es mit Ri Kwang-Chon der linke Innenmann, der den Stellungsfehler beging. Und wieder kam die Aktion zum 2:0 über die recht Seite, die ja zuvor gar nichts zeigte.
Dass Queiroz in der Halbzeit seine Mannschaft ganz offensichtlich darauf aufmerksam machte, „Hallo, wir spielen hier gegen eine Dreierkette – also konsequent ab über die Außen!“, trug früchte. Sowohl beim 3:0 als auf beim 4:0 rissen Coentrão und Cristiano Ronaldo mit beherzten Läufen über die Seite die Dreierkette auseinander, flankten, und der Mann in der Mitte (erst Almeida, dann Thiago) nützten den Platz in der Mitte und sagte „Danke“. Kurz darauf das selbe Spielchen über rechts (wieder über Ronaldo), das hätte schon das 5:0 sein müssen – die Koreaner wussten darauf überhaupt nicht zu reagieren. Darum legten die nun wesentlich sichereren Portugiesen konsequent den Finger in diese Wunde.
Die Koreaner waren nun sichtlich durch mit den Nerven (Ri Kwang-Chon, der schon bei den ersten vier Toren schlecht gestanden war, produzierte den Querschläger, den Liédson zum 5:0 ausnützte), konnten das disziplinierte Spiel wie gegen Brasilien und das mutige der ersten hälte heute nicht mehr aufrecht erhalten. Nur Sturmspitze Jong Tae-Se ließ sich nicht entmutigen, doch sonst ging es für die Nordkoreaner nun nur noch darum, das Ausmaß der sportlichen Katastrophe einzudämmen – was nicht gelang, denn die völlig entnervte Defensive kassierte gegen die nun groß aufspielenden Portugiesen dann noch zwei Treffer. Cristiano Ronaldo durfte seine großartige zweite Hälfte mit dem Ende seiner Torsperre belohnen, beim 6:0 schlief Park Chol-Jin, der rechte Innenverteidiger; und beim 7:0 der sonst so sichere zentrale Mann, Ri Jun-Il.
Fazit: Die Portugiesen enttäuschten vor der Pause gegen freche Koreaner, spielten aber nach der Pause groß auf, weil sie die Schwächen der Asiaten brutal aufdecken konnten. Das höchste WM-Sieg seit dem 8:0 der Deutschen gegen Saudi-Arabien vor acht Jahren hievt Portugal zu 99% ins Achtelfinale. Den Koreanern kann man nur wünschen, dass der „Geliebte Führer“ in der Heimat das Spiel nicht gesehen hat.
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Chile – Schweiz 1:0 (0:0)
Der überraschende Sieg der Schweizer über Spanien bedeutete für Chile: Siegpflicht! Aber die Südamerikaner, die gegen die zwei Schweizer Spitzen mit einer Dreierkette (Medel, Ponce, Isla) verteidigten, kamen gegen die im Mittelfeld sehr aktiven Gegner zu Beginn überhaupt nicht zurecht. Die Eidgenossen waren wie gegen Spanien recht defensiv ausgerichtet, mit Inler und Huggel in der Zentrale, und auch Gelson auf der linken Seite ist eigentlich gelernter defesniver Mittelfeldspieler. So kam die chilenische rechte Seite mit Isla und Sánchez, die gegen Honduras groß aufgespielt hatte, nicht in die Partie, und weil auch Behrami auf der rechten Seite der Schweizer eher defensiv denkt und spielt, konnte auch das Duo Vidal/Beausejour in Schach gehalten werden.
Wollten aber die Schweizer nach vorne spielen, bot sich ihnen ein Spiegelbild: Carmona und seine Kollegen im chilenischen Mittelfeld machten die Räume ebenso eng, sodass es auch für die Schweizer kein Durchkommen gab. Das Resultat war ein wenig ansehnliches Kampf- und Krampfspiel, das sich fast ausschließlich im Mittelfeld abspielte; und weil der arabische Schiedsrichter recht kleinlich agierte, sammelten sich schon früh diverse Verwarnungen an. Bewegung kam erst ins Spiel, als nach einer halben Stunde der Schweizer Valon Behrami für einen Ellbogencheck (völlig zurecht) vom Platz flog.
Nun ging Stürmer Alex Frei auf die Behrami-Position zurück, und die Chilenen reagierten insofern darauf, dass sie sofort die Seite mit Frei und Lichtsteiner anbohrten. Sofort kamen zwei, drei gefährliche Situationen zu Stande, die Hitzfeld noch vor der Pause dazu zwangen, mit Barnetta einen echten Mittelfeldspieler anstatt des defensiv überforderten Frei einzuwechseln.
Für die zweite Hälfte ließ zwar Bielsa nicht, wie eigentlich zu erwarten gewesen wäre, gegen nun nur noch einen Stürmer seine Dreierkette auf, brachte aber mit Valdivia einen spielstärkeren Stürmer für Suazo und mit Mark González einen Linksaußen für Vidal; Beausejour rückte eine Position zurück ins linke Mittefeld. Gegen die dezimierten Schweizer übernahmen die Chilenen nun voll das Kommando, kamen aber auch aufgrund ihrer kleineren Statur gegen die physisch starken Schweizer Abwehrspieler nicht so richtig zum Zug; ein vermeintliches Tor wurde zu Recht wegen Abseits nicht anerkannt.
Nach einer Stunde kam noch Sturmspitze Paredes für Matí Fernández, der als Spielgestalter gegen die vielbeinige gegnerische Abwehr kein Mittel fand, und Bielsa stellte nun doch auf zwei Innenverteidiger um – Jara ging auf die linke Seite. Der spielerische Druck, den die Chilenen ausübten, wurde dann doch noch mit dem 1:0 belohnt (wenn es Abseits gewesen sein sollte, reden wir hier von Millimetern – kein Vorwurf), weswegen Hitzfeld reagierte und mit Bunjaku doch wieder eine zweite nominelle Spitze brachte. Bunjaku brachte zwar die meiste Zeit auf der linken Mittelfeldseite zu, auf der er Gelson ersetzte, die Chilenen gingenaber wieder zurück zur Dreierkette und lauerten auf Konterchancen. Diese boten sich zwar, wurden aber ebenso kläglich vergeben wie Derdiyoks Hundertprozenter kurz vor Schluss für die Schweizer.
Fazit: Die Chilenen feiern einen hochverdienten Sieg, weil sie nach dem Ausschluss das Heft des Handelns in die Hand nahmen. Weil es ihnen aber an der Abgeklärtheit vor dem Tor fehlte, dürfte dieser zweite 1:0-Sieg wohl dennoch zu wenig sein – vorausgesetzt, die Spanier werden ihrer Favoritenrolle gegen Chile gerecht und die Schweizer der ihren gegen Honduras.
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Spanien – Honduras 2:0 (1:0)
Nominell stellte Del Bosque mit Torres und Villa zwei Spitzen auf, er veränderte aber sein 4-2-3-1 nicht, weil Villa die Position auf der linken offensiven Mittelfeldseite einnahm. Das hatte Sinn, weil Villa somit einigen Platz vor sich hatte, um seine Fähigkeiten auszuspielen. Und es funktionierte auch: Vor allem in der Anfangsphase ging jede gefährliche Aktion über Villas linke Seite, folgerichtig auch die schöne Einzelleistung zur 1:0-Führung. Dass über seiner an sich starken Leistung der Makel der Tätlichkeit liegt, die ihn nach einer halben Stunde vom Platz fliegen hätte lassen müssen, ist schade.
Torres agierte als Sturmspitze im Zentrum, bekam einige Bälle und seine Teamkollegen versuchten vor allem nach der Führung, ihren durch viele Verletzungen im Saisonverlauf sichtlich verunsicherten Teamkollegen in Szene zu setzen – dass er nicht ganz auf der Höhe seiner Leistungsfähigkeit ist, wurde aber schon deutlich. Nicht ganz mit Villas Zug zum Tor mithalten konnte der eher diskrete Navas, der mehr damit beschäftigt war, den äußerst umtriebigen Ramos abzusichern, als selbst den unmittelbaren Weg zum Tor zu suchen.
Die Honduraner stellten sich in einem 4-1-4-1 auf, mit Wilson Palacios als Sechser und einer sehr defensiv orientierten Viererkette im Mittelfeld, die (oft erfolglos) versuchte, dem spanischen Kurzpassspiel den Weg zu versperren. Auffälligster Mann nach vorne war Walter Martínez, was nicht nur an seiner bunten Frisur lag, sondern daran, dass er sich nicht sklavisch an seine Position im rechten Halbfeld hielt, sondern auch anderswo Lücken im spanischen Mittelfeld ausnützten wollte. Da aber die Honduraner nur recht zaghaft nach vorne spielten, war David Suazo in der Spitze erwartungsgemäß harmlos – zudem beteiligte er sich zumeist an der Defensivarbeit.
Nach der Pause wurde Honduras mutiger – zumindest nominell: Stürmer Welcome kam für den linken Mittelfeldmann Espinoza, er orientierte sich sofort in die Spitze. Suazo wich ins linke Mittelfeld zurück, Guevara ins defensive Mittelfeld – nun agierte Honduras aus einem 4-2-3-1, und sie spielten nun auch beherzter nach vorne. Die unmittelbare Folge: Mehr Platz für die Spanier, und schon stand’s nur fünf Minuten nach der hondurasnischen Neuausrichtung 0:2. Nachdem Villa den Elfmeter verballert hat, brachte Rueda mit Núñez noch einen Offensiven, stellte auf 4-4-2 um, und die Spanier hatten hinten noch mehr Platz. Fàbregas hätte eine halbe Minute nach seiner Einwechslung (für Xavi) zum 3:0 einschieben müssen – aber die Spanier haben, das bestätigt den Eindruck vom Schweiz-Spiel, einige Schwierigkeiten im Verwerten der Chancen.
Was sich auch in der restlichen Partie nicht besserte, sondern eher noch schlimmer wurde – weil, wohl auch mit der sicheren Führung im Rücken, jeder noch einen Haken machte, noch einmal abgeben wollte, und im Endeffekt keiner tatsächlich auch aufs Tor schoss. Selbst, als die Honduraner dann sogar noch die Viererkette aufgelöst hatten, auf Dreierkette gingen und den (ohnehin nominell stark besetzten) spanischen Außen noch mehr Platz ließen, nahmen die Spanier diese Einladung nicht an – speziell Navas muss als Enttäuschung angesehen werden. Ja, vorne wurde Honduras nicht mehr gefährlich, aber sie können sich durchaus damit rühmen, gegen Chile und Spanien nur drei Tore kassiert zu haben.
Fazit: Die Spanier kamen zu einem leichten Sieg, verpassten es aber, etwas für Selbstvertrauen und Tordifferenz zu tun. Mit einer zum Teil fast schon überheblich schlampigen Offensivleistung wird es gegen Chile nicht gehen. Honduras darf man bescheinigen, nach der Pause durchaus auch nach vorne etwas machen zu wollen – gegen Spanien, wohlgemerkt – und sich auch vom 0:2 darin nicht beirren zu lassen. Den größten Vorwurf bei Spanien muss man aber Villa machen: Seine zwei Tore in allen Ehren, aber die Tätlichkeit liegt wie ein Schatten darüber, und den Elfmeter hätte er Torres überlassen sollen, um diesem den dringend notwenigen Schub zu geben.
(phe)