Asiencup, Tag 5: Ultimatives Verschieben

Wie spielt man ein 4-4-2 gegen ein Fünfermittelfeld, ohne permanent in Unterzahl zu sein? Die Iraner machten es in der hochinteressanten Partie gegen Titelverteidiger Irak vor: Mit massivem Verschieben! Gegen diese Partie verblasst das 0:0 der VAE gegen Nordkorea richtiggehend.

Irak – Iran 1:2 (1:1)

Irak - Iran 1:2

Es ist eine großen Problemstellungen dieser Zeit im Fußball: Wie interpretiert man ein 4-4-2, wenn es gegen ein Fünfermittelfeld geht? Der iranische Teamchef Afshin Ghotbi (ein US-Amerikaner übrigens, der als Kind mit seiner Familie den Iran verlassen hatte) bot eine Variante an, die sehr laufintensiv ist, aber durchaus funktionert. Mit massivem Verschieben nämlich. Die Außenspieler Rezaei und Mobali gingen oftmals sogar in die andere Platzhälfte, wenn der Ball in jener war; die beiden Zentral-Defensiven Teymourian und Nekounam sowieso. So wurde in der gerade bespielten Platzhälfte permanent die numerische Unterlegenheit im Mittelfeld ausgeglichen und die irakischen Außenverteidiger (genauso wie die Flügelspieler natürlich) in Arbeit verwickelt, sodass diese sich kaum nach vorne entfalten konnten.

Diese Spielweise bringt natürlich eine riesige Verantwortung für die eigenen Außenverteidiger mit sich, denn diese stehen somit oft alleine gegen eine komplette gegnerische Angriffsseite. Die Schwachstellen im iranischen System des totalen Verschiebens wurden nach etwa einer Viertelstunde erstmals wirklich bestraft: Linksverteidiger Hajisafi (der ansonsten eine blitzsaubere Partie machte) war so weit eingerückt, dass hinter ihm am zweiten Pfosten Emad Mohamad völlig frei zum Schuss kam, Kapitän Younes Mahmoud lenkte den Ball zur 1:0-Führung ab. Umso mehr waren die Iraner nun gefragt – und sie ließen sich von dem Rückstand nicht nachhaltig schocken.

Der Titelverteidiger aus dem Irak erkannte die Problematik im iranischen System und schickte die AV durchaus fleißig nach vorne. Die von ihrem deutschen Teamchef Wolfgang Sidka (früher u.a. bei Bremen Trainer) in einem 4-2-3-1 aufgestellten Iraker versuchten, nicht nur mit dem Vorstoßen in entstehende Räume dagegen zu halten (was nicht übermäßig gut gelang, zu aufmerksam waren die Iraner), sondern durchaus auch mit körperlichem Einsatz. Das Resultat: Das erste wirklich hochinteressante Spiel dieses Asiencups!

Die Iraner kamen zu ihrem Glück noch vor der Halbzeit zum verdienten Ausgleich, weil die permanent auch nach vorne marschierenden Außenspieler im Mittelfeld nach vorne gingen und Fehler zu provozieren versuchten. Eine dieser Unachtsamkeiten nützte Gholam Rezaei (der rechte Mittelfeldspieler) – wenn auch aus abseitsverdächtiger Position – zu jenem 1:1, mit dem die Seiten gewechselt wurden.

Ghotbi muss erkannt haben, dass das schnelle Umschalten der starken Iraker von Defensive auf Offensive seiner Mannschaft durchaus Probleme bereitet hat. Seine Reaktion darauf: Neben dem vielen Verschieben kam nun auch noch massives Pressing gegen den Ball hinzu. Damit kamen die Iraker überhaupt nicht zurecht und so verlagerten sich die Spielanteile nun immer mehr zu Gusten der Iraner. Die kamen nun vermehrt zu Tormöglichkeiten und der sehr sichere irakische Torhüter Mohammed Khassid rückte immer mehr in den Mittelpunkt.

Alleine, das Führungstor wollte den Iranern nicht und nicht gelingen – auch nicht, als die irakische Innenverteidigung bei einem zu kurzen Abstoß geschlafen hatte. Man muss den Iranern aber Respekt zollen, dass die Intensität ihrer Spielweise kaum merklich nachließ und sie den Sieg absolut wollten – während die zunehmend müder werdende Mannschaft aus dem Irak, je näher der Schlusspfiff rückte, immer mehr mit dem Punktgewinn zufrieden war.

Dass die Iraner letztlich doch noch als Sieger hervorgingen, haben sie einem Glückstor zu verdanken. Der eben erst eingewechselte Samer Said hielt den für Stürmer Shojaei gekommenen Khalatbari an der Seitenlinie am Trikot fest, der fällige Freistoß von Mobali sprang an allen vorbei und unter Khassids Bein hindurch zum 2:1 ins Tor. Nach dem rechten Mittelfeldmann hatte nun auch der linke getroffen – und die Iraker hatten keine Antwort mehr.

Fazit: Ein tolles Fußballspiel mit einem verdienten Sieger. Die Iraner interpretierten ihr 4-4-2 mit einigem Risiko und dem Mut zur großen Lücke, konnten den Titelverteidiger aber dank großem Einsatzwillen, hohem Laufpensum und durchaus umsichtiger Verteidigung in Schach halten – und auch vom frühen Rückstand ließen sich die Perser nicht aus der Ruhe bringen.

Die Iraker sollten sich aber nicht allzu lange grämen, denn auch die boten eine wunderbare Leistung und zeigten, dass ihr überraschender Titel vor vier Jahren kein kompletter Zufall war. Die in diesem Spiel an den Tag gelegte Klasse sollte reichen können, sowohl Nordkorea als auch die VAE hinter sich lassen zu können.

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Nordkorea – Vereinigte Arabische Emirate 0:0

Nordkorea - VAE 0:0

Ob Kim Jong-Hun, Teamchef der Nordkoreaner bei der WM in Südafrika, nach dem Turnier tatsächlich in ein Arbeitslager gesteckt wurde, wie mancherorts berichtet wurde, ist nur schwer nachzuprüfen. Sicher ist allerdings: Teamchef von Nordkorea ist er nicht mehr, und mit ihm hat sich auch das 5-3-2 der WM-Tage verabschiedet. Der neue Mann an der Seitenlinie, Jo Tong-Sop, setzte auf ein klassisches 4-4-2, und somit auf eine etwas offenere Spielanlage.

Was sich gegen die Vereinigten Arabischen Emirate auch schnell zeigen sollte: Die Nordkoreaner verzeichneten den besseren Start und hätten durch einen Elfmeter in der 8. Minute auch eigentlich in Führung gehen müssen – aber Hong Yong-Jo knallte den Ball an die Latte. In den Eröffnungsminuten zeigten die Koreaner ansprechendes Kurzpass-Spiel, mit dem die Araber zunächst ihre Probleme hatten. Bald jedoch eroberten die vom Slowenen Srecko Katanec (der sein Heimatland schon zur Euro2000 und zur WM 2002 geführt hatte) betreuten VAE die Kontrolle über das Spiel – und zwar, so hatte man den Eindruck, eher aus der Verlegenheit heraus.

Denn die Spielgestaltung klappte zunächst überhaupt nicht und die VAE kamen nur dann gefährlich in den Strafraum, wenn es gelang, mit schnellen Steilpässen aus dem Mittelfeld Sturmspitze Khalil (oder auch den dahinter postierten Matar) mit Tempo zu schicken. Nach zwei, drei dieser Aktionen trauten sich die Nordkoreaner dann nicht mehr so richtig aus ihrem defensiver werdenden Schneckenhaus. Die Außenverteidiger – die etwa bei der WM gegen Portugal noch fleißig mitgingen (zugegeben, mit verheerenden Folgen) – blieben nun hinten kleben, auch die Mittelfeldreihe postierte sich tief und so wurden die Gegner in der eigenen Hälfte erwartet.

Ohne jedoch eine seriöse Form des Pressing zu spielen, weswegen es den VAE nun immer leichter fiel, den Koreanern ihr durchaus ansprechendes Spiel aufzuzwingen. Katanec stellte sein Team in einem 4-2-3-1 auf, und dieses wurde durchaus qualitativ hochwertig interpretiert. Die beiden Sechser waren sehr agil und wechselten häufig die Seiten und die Höhe am Spielfeld, die Flügelspieler rückten oftmals ein und gewährten den aufrückenden Außenverteidigern so Platz um nach vorne zu gehen, die Nordkoreaner hatten dem kaum etwas entgegen zu setzen – auch, weil die Stürmer Jong Tae-Se (vom VfL Bochum) und Kapitän Hong sich praktisch nicht an der Defensivarbeit beteiligten, die VAE-Sechser Amer Abdulrahman und Subait Khater somit unbehelligt blieben und sich um die Spieleröffnung kümmern konnten.

Dieses Bild änderte sich auch nicht, nachdem es mit einem torlosen Remis in die zweite Hälfte ging. Jo Tong-Sop blieb auch nach seinen Wechseln dem recht statischen und nicht allzu flexiblen 4-4-2 treu und hatte in einigen Situationen durchas Glück, nicht in Rückstand zu geraten. Was dem Team aus den VAE allerdings nicht gelang war es, aus dem deutlichen Übergewicht auch wirklich Kapital zu schlagen – denn der letzte Pass kam immer seltener an.

Die Koreaner verlegten sich zunehmend auf lange Bälle nach vorne, weil sie sich weiterhin nur zögerlich trauten, ihren (ganz ordentlich funktionierenden) Defensivverbund aufzulösen. Was nicht zum Erfolg führte – und weswegen es letztlich beim 0:0 blieb.

Fazit: Eine echte Weiterentwicklung gegenüber der WM ist bei den Nordkoreanern trotz sehr ähnlichem Personal nicht zu erkennen. Im Gegenteil, der Punkt schmeichelt ihnen; dem frühen verschossenen Elfmeter zum Trotz. Das Team aus den Vereinigten Arabischen Emiraten dafür machte einen äußerst patenten Eindruck: Jeder Spieler wusste offenkundig ganz genau, wie seine Aufgaben aussehen, das dem Zeitgeist entsprechende System wurde recht ansehnlich mit Leben erweckt – nur das mit dem Toreschießen haben, wie so viele andere Mannschaften bei diesem Asiencup, auch die VAE nicht erfunden.

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.