Lokalaugenschein

Ein regnerischer Sonntag Nachmittag im Oktober, im Süden von Linz: Hier steigt das Spitzenspiel der OÖ-Liga, der vierten Spielklasse. Völlig uninterresant? Nein, mitnichten. Es spielen die LASK Amateure gegen die Zweitverwertung der SV Ried – also im Grunde genommen die Kampfmannschaften von zwei der besten Kaderschmieden Österreichs: Der Fußballakademie Linz und der Akademie OÖ-West in Ried. Dass sich zu diesem viel versprechenden Spiel auf der schmucken Linzer Verbandsanlage kaum mehr 100 Leute einfinden, darunter viel Fachpublikum (Ried-Manager Stefan Reiter ist da, der Coach eines benachbarten Regionalligisten, dazu die üblichen Eltern, usw.), ist zwar schade, war aber kaum anders zu erwarten.

Dieses Spiel ist deshalb interessant, weil dies die derzeit gut funktionierenden Mannschaften sind, die das Bindeglied zwischen Akademien und Bundesliga-Mannschaften darstellen sollen. Dank eines Trainers, der bewusst auf dieses Reservoir zurückgreift, funktionierte das zuletzt in Ried etwas besser. Die Innviertlert gehen jedenfalls als klarer Tabellenführer in dieses Spiel – und mit einer Mittelfeldraute, in der U19-Teamspieler Philipp Huspek der offensive Freigeist ist. Links von ihm steht mit Florian Sturm der Einzige bei den Riedern, der über größere Erfahrung verfügt. Besonderheit: Das Rieder Team besteht durch die Bank aus recht kleinen, aber wendigen Spielern. Bei Standardsituation bedeutet das vorne wie hinten sichtlich keine Vorteile – wohlwollend formuliert.

Bei den Linzern steht hinter den zwei Spitzen (Kragl und Skuletic) eine offensive Dreierkette, die an den Außenpositionen mit zwei gelernten Stürmern (Pichler rechts und Varga links) besetzt ist, zentral der von den Profis abkommandierte Klaus Salmutter. Dahinter steht mit Kreshnik Kelmendi eines der größeren Talente auf der Sechser-Position, mit seinen aber doch schon 21 Jahren muss er den Sprung bald mal schaffen. Hinten rechts ist Florian Hart ob seiner schon absolvierten Bundesliga-Spiele (und wegen der provokanten Lustlosigkeit von Pichler vor ihm) der Chef, im Tor steht mit Lorenz Höbarth ein guter Bursch aus dem U19-Teamkader.

Die Innviertler haben den besseren Start und gehen durch Linksverteidiger Pllana auch schnell mit 1:0 in Führung. Die Außenverteidiger (eben Pllana und auch Grasegger auf der anderen Seite) gehen viel nach vorne, stehen bei Abstößen schon ein schönes Stück in der gegnerischen Hälfte. Der junge Schildberger spielt einen reinen Sechser, der für Huspek die Drecksarbeit erledigt; Holzinger rechts und Sturm links sind die klassischen Adjutanten. Die beiden schnellen Spitzen (Wührer und Hammerer) werden in letzter Konsequenz zwar nur von Huspek (und nicht selten auch von den mitgehenden Außenverteidigern) eingesetzt, obwohl es diesem zuweilen noch an der Spielübersicht fehlt – als er in der Mittelfeldzentrale dem eingerückten Linzer LV den Ball abnimmt, spielt er auf die vollbesetzte rechte Seite, anstatt das Loch links auszunützen). Dennoch haben die Rieder nach der frühen Führung das Spielgeschehen zumeist im Griff. So haben die Linzer zwar recht viel Ballbesitz, zu echten Chancen kommt es aber kaum.

Und wenn doch, ist Torwart Pointner zur Stelle. So wie etwa zehn Minuten vor der Pause, als LASK-Stürmer Skuletic mit Anlauf und Ansage völlig frei einen Eckball Richtung Tor wuchten kann (Stichwort „mangelnde Körpergröße“ und Standardsituationen, wie erwähnt). Das Spiel der Linzer krankt aber vor der Pause nicht nur am guten Defensivverhalten des Rieder Mittelfelds, sondern auch an der wie erwöhnt schon fast beleidigenden Lethargie eines Sascha Pichler (der sich zwischendurch Gelb abholte, weil er lautstark einen (berechtigten) Foulpfiff gegen einen Mitspieler monierte) und der sich auf physische Anwesenheit beschränkende Leistung von Klaus Salmutter. Die Spitzen hängen somit in der Luft, zumal sich Innenverteidiger Höltschl für den Spielaufbau wenig beiträgt und sein Partner Gabriel Schneider zuweilen etwas überfordert wirkt. So ist es vor der Pause nur Florian Hart, der echten Willen zu konstruktivem Spiel zeigt. Sein Pendant auf der rechten Abwehrseite, der schmale Hintringer, traut sich vor der Pause leider kaum etwas zu.

Zur zweiten Halbzeit nimmt LASK-Amateure-Coach Günter Zeller Salmutter vom Platz und bring mit Prandstötter einen etwas defensiveren Spieler, um des zuvor ungestört wirkenden Huspek Herr zu werden. Das gelingt mit dieser Maßnahme hervorragend; auch, weil Huspek selbst nun überhaupt keine Anstalten macht, das Spiel seiner Mannschaft zu lenken – ein Umstand, der Trainer Michael Angerschmid auch nach dem Spiel noch die Zornesröte ins Gesicht trieb. Zwar traf Hammerer für die Rieder kurz nach Wiederanpfiff den Pfosten, aber damit war es um die Innviertler Herrlichkeit geschehen.

Vor allem, als nach einer Stunde den Linzern durch Kragl das 1:1 gelang (Vorarbeit vom in diesem Spiel aber nicht in Bestform agierenden Kelmendi) und kurz darauf auch Pichler zu seiner Auswechslung schlurfen durfte. Von da an spielten nur noch die Linzer Jung-Athletiker, die aber ein ums andere mal am viel zu umständlichen und vor allem viel zu unkosequenten Auftreten im gegnerischen Strafraum scheiterten. So blieb es letztlich beim 1:1, um das die Rieder nach einer wirklich schlechten letzten halben Stunde zwar zittern mussten, sie dank einer äußerst souveränen ersten Hälfte aber nicht unverdient einen Punkt näher an den Regionalliga-Aufstieg bringt.

Aufstellungen:
LASK Amateure: Lorenz Höbarth (18 Jahre) – Florian Hart (19), Gabriel Schneider (19), Thomas Höltschl (19), Gerald Hintringer (18) – Kreshnik Kelmendi (21) – Sascha Pichler (23), Klaus Salmutter (25), Attila Varga (17) – Petar Skuletic (19), Lukas Kragl (19). Wechsel: Christoph Prandstötter (19) für Salmutter in HZ, Florian Gahleitner (20) für Pichler in 61., Stipo Grgic (17) für Skuletic in 74.

SPG Neuhofen-Ried/A.: Stefan Pointner (19) – Martin Grasegger (20), Thomas Reifeltshammer (21), Gabriel Kreuzwirth (20), Jasmin Pllana (20) – Jakob Holzinger (19), Michael Schildberger (18), Philipp Huspek (18), Florian Sturm (27) – Markus Hammerer (20), Lukas Wührer (19). Wechsel: Thomas Stadler (18) für Holzinger in 63., Alexander Iosim (19) für Sturm in 80.

Fazit: Es sind auf beiden Seiten einige Spieler dabei, die absolut das Zeug für die Bundesliga haben, wenn man ihnen die Zeit dazu gibt. Namentlich Höbarth, Hart und mit Abstrichen Kragl beim LASK; Grasegger, Pllana, Huspek (wenn er an seiner Einstellung arbeitet) und der staubtrocken, aber für seine erst knapp 19 Jahre schon unglaublich abgebrüht spielenden Arbeitsbiene Michael Schildberger. Und es wächst die Erkenntnis: Ein, zwei erfahrene Spieler tun solchen Jungspunden schon ganz gut – aber nur, wenn sie auch mit vollem Ernst bei der Sache sind. Das waren mit den Linzern Salmutter und (in ganz besonderem Maße) Sascha Pichler nicht der Fall. Es war beinahe erschreckend wie befreit zum Beispiel in Hintringer agierte, als Salmutter vom Feld war; aber auch der Sechser Kelmendi und der für Salmutter eingewechselte Prandstötter und links im Mittelfeld Varga tauten sichtlich auf, als der Bremser in der Zentrale nicht mehr dabei war.

Den Namen Sascha Pichler, der einst zur damals viertklassigen Fiorentina auszog, um sich fortzubilden, kann man mittlerweile getrost auf den Stapel der hoffnugsvollen Gescheiterten geben, um das auch noch erwähnt zu haben. Leider.

(phe)

Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.