Die Zeit der echten Tester

Bislang ist es ja ziemlich erfreulich gelaufen, für unsere vier Vertreter in der Gruppenphase der EuroLeague. Aber die wahren Tester – vor allem für Salzburg und Rapid – kommen jetzt erst.

Vor allem für die Salzburger. Sechs Punkte aus den Spielen bei Lazio und gegen Villarreal – damit war wahrlich nicht zu rechnen. Grundvoraussetzung für diese Erfolge waren gute Defensivleistungen und besonders in Rom eine ordnentliche Portion Glück. Das ging, weil die Bullen gegen Lazio und Villarreal klarer Außenseiter waren. Doch sich jetzt sich den gleichen Gegnern gegenüber bislang chancenlosen (0:1 in Villarreal, 0:4 gegen Lazio) und in der Liga ins graue Mittelmaß abgestürzten Bulgaren von Levski Sofia hintein reinstellen und auf Konter warten, noch dazu daheim? Nein, das kann Huub Stevens keinem glaubhaft machen. Nicht, dass es ihm nicht dennoch zuzutrauen wäre, aber mit den Erfolgen in den ersten beiden Spielen steigt natürlich die Erwartungshaltung ins Unermessliche. Nach dem Motto: Wer gegen Lazio und Villarreal gewinnt, für den ist Levski nur ein Spaziergang. Aber Vorsicht.

Denn wann immer die Salzburger in dieser Europacup-Saison das Spiel machen mussten – also gegen die Bohemians und zum Teil auch gegen Maccabi Haifa – war das eine mittlere Katastrophe. Abwarten und Kontern kann die oft ultra-defensiv eingestellte Mannschaft gut. Aber das Spiel machen? Schwierig. Und Levski Sofia ist dann eben doch nicht Austria Kärnten. Eben darum ist das Heimspiel gegen Levski Sofia, die vermeintlich leichteste aller Aufgaben, in Wahrheit die schwierigste – weil die Bullen nur verlieren können. Womit wieder das große Wehklagen ausbräche. Weil in Salzburg alles am Resultat gemessen wird: Lässt sich Stevens auf einen defensiven Schweinskick mit den total verunsicherten Bulgaren ein und gewinnt, wird er sich als Genie feiern lassen. Geht das daneben, wird er als „feige Sau“ durchs Dorf getrieben. Geht er mit fliegenden Fahnen unter, weil die Bullen in die Konter laufen, wird die mediale Öffentlichkeit seinen Skalp aber erst recht fordern und ihn wegen den plötzlichen Wechsels der ja so erfolgreichen Grundstrukur geißeln. Wie er’s macht, isses verkehrt. Darum ist die Aufgabe ja auch so undankbar – zumal wenn, wie zu befürchten ist, mit Janko sein formstarker Stoßstürmer und mit Pokrivac eine zentral-defensive Stütze ausfallen würden.

Ungut ist aber auch die Aufgabe für Rapid. 3:0 gegen den HSV, ein respektables 1:1 bei Celtic Glasgow – wer ist da nun schon Hapoel Tel-Aviv? Eine No-Name-Truppe, vermeintlich. Ohne echte Stars, die man auch hierzulande kennen könnte. Zudem ist Kapitän, Abwehrchef und Alt-Internationaler Walid Badir nach seinem Ausschluss in Hamburg gesperrt. Ein Nachteil? Kaum! Badir neigt zur fürchterlichen Schnitzern, zudem gibt es eingie andere, die Rapid ordentliche Probleme bereiten könnten. Torschützenkönig Samuel Yeboah zum Beispiel, der mit dem hüftsteifen Patocka seine Freude haben dürfte, und sein giftiger Sturmpartner Nemanja Vucicevic. Mittelfeld-Antreiber Zurab Menteshashvili, oder auch Flügelflitzer Gil Vermuth – mit ihm dürfte es Veli Kavlak zu tun bekommen. Ja, die Defensive ist ganz klar der Schwachpunkt des mäßig in die Saison gestarteten Israeli. Nur muss Rapid auch erst einmal in die Position kommen, diese auch nützen zu können. Und das mag auswärts sogar leichter gehen, weil Pacult wohl wieder auf sein vor allem auswärts gut funktionierendes Fünfer-Mittelfeld zurückgreifen wird (und Hofmann dort hoffentlich wieder in die Zentrale stellt, nicht wie beim maßlos überbewerteten Spiel bei Sturm wieder auf rechts). Und, weil Rapid auswärts nicht unter dem Druck steht, das Spiel machen zu müssen.

Wie auch Sturm bei Panathinaikos. Die Grazer haben an diesem Spieltag von allen vier österreichischen Teams wohl den Gegner, bei dem ein Scheitern am wenigsten Trauer hervorrufen müsste. Die Grazer können ohne Druck auflaufen, ein echter Hexenkessel wird sie im bestenfalls halbvollen Athener Olympiastadion kaum erwarten. Hinzu kommt, dass die Grazer ein heikles Spiel zuletzt gewonnen haben (das 1:0 gegen Rapid) und sie sich auf internationalem Parkett auch gegen objektiv stärkere Gegner (Metalist Kharkiv, Galatasaray) sehr ordentlich aus der Affäre gezogen haben. Und selbst, wenn es in Athen eine Niederlage gibt: Nicht schlimm. Niemand erwartet Wunderdinge. Ein schönes Freispiel für Sturm an der Stätte eines längst vergilbten Triumphes: Am 20. Februar 2001 gelang Sturm just bei Panathinaikos der bis heute letzte Sieg und gleichzeitig letzte Punktgewinn einer österreichischen Mannschaft in der Champions League. Mit Petr Hlinka wird ein damals spät Eingewechselter auch diesmal dabei sein – Torschütze Mario Haas nach überstandener Verletzung aber zumindest nicht von Beginn an.

Richtig bös erwischt es derzeit aber die Austria. Das Einser-Sturmduo Okotie/Jun fällt geschlossen längerfristig aus, Torhüter Safar und Abwehr-Megatalent Aleks Dragovic zumindest im Heimspiel gegen Werder Bremen. Was die ohnehin schon eher mageren Chancen der Violetten naturgemäß noch weiter in den Keller plumpsen lässt. Denn auch, wenn sich die Austria auf die bislang starke Europacup-Bilanz im Horr-Stadion stützt: Ohne diese vier wird’s verlixt schwer. Klar, Robert Almer kann Safar ordentlich ersetzen. Eine Solospitze Diabang oder Schumacher vor den offensiven Acimovic und Junuzovic das Sturmduo zumindest kurzfristig auch. Aber Ortlechner statt Dragovic innen? Claudio Pizarro freut sich sicherlich schon. Die Austria ist krasser Außenseiter, auch weil es bei den Bremern im Gegensatz zum letzten Jahr auch wieder hervorragend läuft. Die Löcher in der Abwehr sind gestopft, das Mittelfeld mit den „Zauberzwergen“ Özil und Marin wieselflink und vorne macht Pizarro ein Tor nach dem anderen. Oje Austria, das wird schwer…

Alles in allem lässt sich somit sagen: Lieber nicht zu viel erwarten, von diesem Spieltag. Austria wird wohl keine Chance haben, Salzburg wird schrecklich mit anzusehen sein, Rapid wird sich schwer tun und auch für Sturm wird’s richtig schwer. Aber auch in den letzten Wochen waren die heimischen Vertreter ja nicht gerade die Topfavoriten.

(phe)

Europa League, Donnestag 22. Oktober
19.00: Austria Wien – Werder Bremen (Horrstadion, SR Tagliavento (Ita), live Sat.1 und Sky)
19.00: RB Salzburg – Levski Sofia (Bullen-Arena, SR Kaasik (Est), live Sky)
21.05: Panathinaikos – Sturm Graz (Spiros Louis, SR Rasmussen (Den), live Sky)
21.05: Hapoel Tel-Aviv – Rapid Wien (Bloomfield, SR Jakobsson (Isl), live Sky)

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.