Cyprus Cup: Sanfter Re-Boot bei den ÖFB-Frauen (plus: WoSo-Roundup)

2017 hat im österreichischen Frauenfußball viel Staub aufgewirbelt. Das Nischenprogramm ist in den Mainstream eingetreten. Aber 2017 ist vorbei. Das neue Länderspieljahr beginnt für die ÖFB-Frauen mit dem Cyprus Cup, live übertragen von ORF Sport plus, mit Spielen gegen alte Bekannte – und mit einer Suche. Einer Suche nach einem erneuerten Selbst.

„Wir brauchen auch eine neue Vision. Wir haben jahrelang darum gekämpft, Anerkennung zu bekommen und den Frauenfußball in Österreich zu etablieren. Nach der EM war das da, man ist präsent, wird geehrt, wird Sport-Team des Jahres. Jetzt muss man neue Visionen schaffen. Das ist ein wesentlicher Faktor. Um diesen inneren Antrieb, warum man das alles tut, am Laufen zu halten.“

Boom.

Für Dominik Thalhammer geht es beim dritten Auftritt der ÖFB-Frauen beim Cyprus Cup (den Österreich 2016 gewonnen hat) nicht nur um Sportliches, sondern vor allem darum, gedanklich wie sportlich nicht im so erfolgreichen Jahr 2017 stecken zu bleiben. „Natürlich will man Spiele gewinnen, aber das will jeder“, sagt der Teamchef. Aber auch er weiß: Die Mentalität war in den letzten sechs Jahren ein wichtiger Baustein auf dem Weg zum Erfolg.

Auch sportliche Re-Orientierung

Das Jahr 2017 endete mit einem zähen 2:0-Sieg über Israel und einem 0:4-Debakel in Spanien. Spiele, in denen es so wirkte, als würde die geistige Frische nach einem intensiven Jahr ohne Sommerpause fehlen. Wie das neudefinierte Fernziel aussehen soll, wird Teil der Arbeit beim Cyprus Cup sein. In gleichem Maße geht es aber auch um sportliches Tuning.

Gerade gegen stärkere Teams (also England und 2x Holland in Tests und gegen Frankreich und 2x Spanien bei der EM bzw. der WM-Quali) agierten den ÖFB-Frauen sehr defensiv. Gerade beim 0:4 auf Mallorca hatte Spanien die verwundbaren Punkte des Systems und der Spielweise aufgedeckt. Österreich – jenes Team, das sich über seine flexible Unberechenbarkeit definierte – war berechenbar geworden.

Darum wird der Fokus auf das Spiel nach vorne gelegt. „Wir müssen im Ballbesitz schon variantenreicher werden“, fordert Thalhammer. Und zwar nicht nur gegen die Israels und Serbiens dieser Welt, sondern auch gegen die richtig Guten. Also auch gegen Spanien.

Wieder mal Spanien

Dass Österreich 2017/18 zweimal gegen Spanien spielen würde – Stichwort WM-Quali – ist schon seit einem Jahr klar. Dann kam das EM-Viertelfinale dazu. Und dann, am 7. Dezember, ergab die Auslosung zum Cyprus Cup ein viertes Spiel gegen diesen Gegner im Zeitraum von Juli 2017 bis April 2018. „Dass Spanien bei uns in der Gruppe ist, ist vielleicht etwas eigenartig“, sagt Thalhammer. Kann man wohl übersetzen mit: Hätte nicht sein müssen.

Wie man das Spiel gegen Spanien anlegt, mit dem es am Mittwoch (28. Februar, 17.00 Uhr MEZ) in Zypern beginnt? „Anders als in Mallorca“, kündigt Thalhammer an. No na. Aber wirklich in die Karten wird er sich auch in Larnaca nicht blicken lassen: „Entscheidend ist, was wir im WM-Quali-Spiel am 10. April in der Südstadt gegen Spanien machen!“

Tschechien und Belgien

Die anderen beiden Gruppengegner sind Tschechien (Freitag, 2. März, 12 Uhr MEZ) und Belgien (Montag, 5. März, 17 Uhr MEZ). In der Weltrangliste (siehe die Klammern in der Übersicht oben) ist Österreich vor diesen beiden Teams klassiert, aber das muss gerade in so einem Testspiel-Turnier nicht viel heißen.

„Tschechien hat sich im Herbst gegen Deutschland gut verkauft“, erinnert sich Thalhammer. Das tschechische Team um Bayern-Legionärin Lucie Vonkova agierte im WM-Qualispiel forsch und frech, presste die Deutschen an und unterlag nur wegen eines reichlich dümmlichen Eigentores mit 0:1.

Belgien debütierte letztes Jahr, wie Österreich, bei der EM und machte trotz des Vorrunden-Aus eine ordentliche Figur – nicht nur beim Sieg gegen Norwegen, sondern auch bei den knappen Niederlagen gegen die späteren Finalisten Holland und Dänemark. „Es sind beide Teams schwere Gegner, bei denen man davon ausgehen kann, dass es schwer wird.“

Aber das ist ja auch der Sinn der Sache.

Am Mittwoch (7. März) folgt noch das Platzierungsspiel gegen eine Mannschaft aus einer anderen Gruppe. Das kann im Grunde jeder sein, auch Nordkorea: Die Asiatinnen sind kurzfristig für das ursprünglich genannte Team aus Trinidad & Tobago eingesprungen. Der einzige Teilnehmer, gegen den die ÖFB-Frauen noch nie gespielt haben, ist Südafrika. Deren Teamchefin Desiree Ellis ist eine von nur zwei weiblichen UND schwarzen Nationaltrainerinnen unter Afrikas Top-Teams (die andere ist Clémentine Touré von der Elfenbeinküste).

100er für Burger, Comeback von Schnaderbeck

Erstmals seit dem EM-Halbfinale gegen Dänemark letzten Sommer ist auch Kapitänin Viktoria Schnaderbeck wieder mit an Bord, sie hat den kompletten Herbst wegen einer Patellasehnenverletzung passen müssen. Zuletzt hat sie schon für Bayern München die ersten beiden Bundesliga-Spiele nach der Winterpause jeweils über 90 Minuten absolviert – so auch bei der 1:3-Niederlage gegen den SC Freiburg mit Sarah Puntigam.

„Sicher fehlt ihr ein halbes Jahr Spielpraxis, aber sie hat ja nun eben schon in der Liga gespielt“, sagt Thalhammer: „und alleine, dass sie wieder dabei ist, ist aufgrund ihrer Persönlichkeit wichtig.“ Es war nicht zuletzt ihre Routine und ihre ordnende Hand, die beim 0:4 in Mallorca gefehlt hat.

Nicht dabei ist neben Flügelstürmerin Lisa Makas (Kreuzbandriss) auch Offensiv-Allrounderin Nici Billa (Grippe) und Angreiferin Simona Koren (Knöchel). Außenspielerin Verena Aschauer ist nicht ganz fit, ein Einsatz in den späteren Spielen dürfte aber möglich sein. Erstmals dabei ist U-19-Teamspielerin Julia Hickelsberger, auch Annelie Leitner könnte ihr Debüt geben.

Und für Nina Burger gibt es gleich zwei spezielle Anlässe: Zum einen wird das Platzierungsspiel ihr 100. Einsatz im Nationalteam sein (wenn sie in allen Partien zum Einsatz kommt, wovon auszugehen ist). Sie wird die erste Österreicherin überhaupt mit einer dreistelligen Länderspiel-Zahl sein. Und: Sie wird auch die erste Spielerin über 30 sein, die in der seit 2011 dauernden Ära von Dominik Thalhammer in der Start-Elf sein wird. Im Dezember hatte sie ihren runden Geburtstag gefeiert und wäre Torhüterin Jasmin Pfeiler letztes Jahr nicht in einem Testspiel eingewechselt worden, wäre Burger überhaupt die erste.

(Nur der Vollständigkeit halber: Die letzte Ü-30-Spielerin in der Start-Elf war Sonja Spieler im August 2010 unter Thalhammers Vorgänger Ernst Weber.)

Kader Österreich: Tor: Jasmin Pal (21, Innsbruck, 0 Länderspiele, 0 Tore), Jasmin Pfeiler (33, Landhaus, 20/0), Manuela Zinsberger (22, Bayern/GER, 39/0). Abwehr: Marina Georgieva (20, Potsdam/GER, 1/0), Gini Kirchberger (24, Duisburg/GER, 54/1), Sophie Maierhofer (21, Univ. Kansas/USA, 17/1), Katharina Naschenweng (20, Sturm Graz, 9/0), Katharina Schiechtl (25, Bremen/GER, 32/4), Viktoria Schnaderbeck (28, Bayern/GER, 59/2), Carina Wenninger (28, Bayern/GER, 74/3). Mittelfeld: Verena Aschauer (24, Sand/GER, 52/6), Barbara Dunst (20, Duisburg/GER, 14/0), Jasmin Eder (25, St. Pölten, 37/1), Laura Feiersinger (24, Sand/GER, 56/8), Julia Hickelsberger (18, Neulengbach, 0/0), Nadine Prohaska (27, St. Pölten, 79/7), Jenny Klein (19, St. Pölten, 1/0), Sarah Puntigam (25, Freiburg/GER, 78/11), Sarah Zadrazil (25, Potsdam, 53/7). Angriff: Nina Burger (30, Sand/GER, 96/52), Stefanie Enzinger (27, St. Pölten, 10/1), Annelie Leitner (21, Univ. Indiana/USA, 0/0), Viktoria Pinther (19, St. Pölten, 13/0). Teamchef: Dominik Thalhammer (47).

Sarah Zadrazil hat ihren Vertrag in Potsdam übrigens um zwei Jahre bis 2020 verlängert, bei den Bayern ist Manu Zinsberger nun die unumstrittene Nummer eins (Finnlands Team-Keeperin Tinni Korpela, die im Herbst schon nur noch auf der Bank saß, ging im Winter zu Vålerenga Oslo) und Viktoria Pinther wird im Sommer in die deutsche Bundesliga zum SC Sand wechseln.

Was passiert 2018 in der WoSo-Welt?

Was große Turniere angeht: Nix („WoSo“ ist im Übrigen eine gängige Abkürzung für „Women’s Soccer“). 2015 war die Weltmeisterschaft (mit dem Titel für die USA), 2016 war Olympia (mit der Goldmedaille für Deutschland zum Abschied von Silvia Neid), 2017 war die Europamesiterschaft (mit dem österreichischen Halbfinal-Einzug und dem Heimtriumph von Holland).

Nach diesem schon traditionellen Dreier-Rhythmus – WM, Olympia, EM – folgt stets ein Zwischenjahr, und zwar immer im Jahr einer Herren-WM. Für die Frauen steht dieses immer ganz im Zeichen der Qualifikation für die kommende Weltmeisterschaft. Das ist auch heuer der Fall: Neben den sieben Quali-Gruppen und dem folgenen Playoff in Europa gibt es dieses Jahr die anderen kontinentalen Turniere, bei denen es auch um die Vergabe der WM-Tickets geht.

Den Anfang machen der Asien-Cup (im April in Jordanien, fünf Tickets) und die Copa América Femenino (im April in Chile, zwei Fix- und ein Playoff-Ticket). Im Oktober spielen die CONCACAF-Teams (drei Fixplätze, ein Playoff-Platz) und schließlich gibt es im November noch den Ozeanien-Cup (ein Ticket, höchstwahrscheinlich für Neuseeland) und den Afrikacup (in Ghana, drei WM-Plätze).

Ein Österreicher ist quasi fix bei der WM

Neben der Europa-Quali ist aus österreichischer Sicht vor allem das Ozeanien-Turnier interessant. Klingt komisch, liegt aber an Andi Heraf: Der Ex-Teamspieler, der als Trainer schon zwei ÖFB-U-20-Weltmeisterschaften bestritten hat, wurde letzten Sommer ja Sportdirektor des neuseeländischen Verbandes und im Winter, nach dem Rücktritt von Tony Readings, auch Teamchef der „Football Ferns“, also des Frauen-Nationalteams.

Da in Ozeanien erstmals Teilnahmepflicht herrscht, sind in der Vorqualifikation (ein Mini-Turnier auf US-Samoa, kein Schmäh) Spiele von der Qualität von bestenfalls heimischen Landesliga-Frauenspielen zu erwarten und beim Turnier selbst einige Resultate, die jeden NFL-Fan die Köpfe schütteln lassen würden (also 24:0 aufwärts).

Dass Neuseeland sich hier selbst dann locker durchsetzen würde, wenn Heraf eine U-17-Auswahl auf das Feld schickt, steht außer Frage. Daher ist es auch wesentlich entscheidender, wie sich Neuseeland bei den diversen Länderspiel-Touren anstellt. Im Rahmen des Trainingslagers in Spanien wird beispielsweise am 4. und 6. März jeweils gegen Schottland getestet.

Die Causa Phil Neville

England war sowohl bei der WM 2015 als auch bei der EM 2017 im Halbfinale, über Fußball wird im Lager der Lionesses aber seit einem halben Jahr schon nicht mehr geredet. Da war erst der Rassismusskandal um Erfolgstrainer Mark Sampson. Dann kam auch noch auf, dass sich Sampson bereits vor seinem Engagement bei der FA einigen Spielerinnen eher unsittlich genährt hat, das spülte ihn endgültig aus dem Amt.

Nicht aber jene Herren bei der FA, welche die (intern wohlbekannten) Vorwürfe ignoriert hatten, als sie Sampson 2014 engagierten. Entsprechend dilettantisch lief dann auch die Suche nach einem Nachfolger. Der Name von Phil Neville soll erstmals zu später Stunde an einer Hotelbar gefallen sein, er selbst hatte sich weder beworben noch sonst irgendwo jemals als Chef-Trainer gearbeitet. Schon gar nicht im Frauenfußball.

Jedenfalls bekam er im Jänner tatsächlich den Zuschlag. Er entfernte noch hastig ein paar (recht offensichtlich augenzwinkernd gemeinte, aber dennoch ausnehmend ungeschickte) frauenfeindliche Tweets aus seiner Timeline und gab sich danach sichtlich Mühe, seine Arbeit möglichst seriös anzugehen. Er holte sich Ex-Lionesses-Kapitänin Casey Stoney als Co-Trainerin – die Liverpool-Verteidigerin absolvierte am Wochenende ihre letzes Spiel als Aktive.

Beim dritten SheBelieves Cup in den USA (diesmal in Columbus, New York und Orlando) trifft England wie immer beim SBC auf die Amerikanerinnen, die Deutschen und die Französinnen.

Dänemark-Streik auch juristisch erledigt

Die Spielerinnen von EM-Finalist Dänemark haben ja im Herbst das Qualifikationsspiel in Schweden platzen lassen – im Streik gegen den Verband. Dieser hatte sich nämlich beharrlich geweigert, die Versicherung für die Spielerinnen während ihrer Zeit beim Nationalteam zu übernehmen, was diese nicht auf sich sitzen lassen wollen.

Der Streit zwischen DBU und Spielerinnen ist beigelegt, das Spiel gegen Schweden wurde mit 0:3 strafbeglaubigt. Dänemark bekam eine Geldstrafe und eine Sperre auf Bewährung. Schweden berief gegen dieses Urteil und ließ es auf einen Ausschluss Dänemarks aus der laufenden WM-Qualifikation ankommen, aber die UEFA hat kürzlich entschieden: Nein, Dänemark darf weiterspielen.

Ein Ausschluss hätte Dänemark mehr geschadet als Schweden genützt – denn durch den 3:0-„Heimsieg“ gegen den Nachbarn auf dem grünen Tisch ist das WM-Ticket für Schweden, WM-Finalist von 2003, ohnehin nur noch Formsache. Gegen die anderen in der Gruppe nicht blamieren und in Dänemark nicht mit minus vier verlieren, das schafft auch ein Schweden im Umbau.

Dänemark nimmt übrigens (wie auch Schweden, Europameister Holland, Norwegen, Kanada, Japan und Australien sowie China) in dieser Woche beim Algarve Cup teil. Der Istrien-Cup, der seit 2013 ausgetragen worden war, ist nicht mehr zustande gekommen – angesichts des dünnen Teilnehmerfeldes und der horrend schlechten Plätze in den letzten Jahren keine Überraschung.

Neu ist dafür der Turkish Women’s Cup in Antalya, bei dem beispielsweise Polen, Rumänien, die Ukraine und auch Mexiko teilnehmen.

Kanada: Zu den Männern degradiert

Einen nicht ganz alltäglichen Wechsel gab es in Kanada. John Herdman, der in seiner sechsjährigen Amtszeit aus einem guten Mitläufer eine auch taktisch sehr interessante Weltklasse-Truppe geformt hatte, ist nicht mehr Teamchef der kanadischen Frauen. Er wurde im Gegenzug zur einer fetten Gehaltserhöhung zu den kanadischen Männern degradiert.

Hä?

Hintergrund ist vermutlich, dass Herdman (ein Engländer) ein sehr interessantes Angebot hatte, Englands Frauen zu übernehmen. Es ist auch genauso möglich (und bei den Dilettanten bei der FA sogar recht wahrscheinlich), dass Herdman KEIN Angebot aus England hatte, aber entweder so tat, als hätte er eines – oder aber, der kanadische Verband machte sich in die Hose, dass Herdman ein Angebot aus England haben könnte.

Long story short: Man bezahlte Herdman viel Geld, dass er die Männer übernimmt und damit dem Verband erhalten bleibt. Kanadas Männer sind sinnlos, vor ein paar Jahren gab es ein 0:8 in Honduras, selbst die Finalrunde der WM-Qualifikation wurde gefühlt seit der Stummfilmzeit nicht mehr erreicht. Ein sportlicher Aufstieg ist der Wechsel nicht.

Ebenso erstaunlich: Die Qualität des Coachings dürfte beim Frauen-Team dennoch nicht schlechter werden, wenn überhaupt. Kenneth Heiner-Møller, der Dänemarks Frauen 2013 als mit Abstand am Besten gecoachtes Team des Turniers ins EM-Halbfinale geführt hatte (hier unser Interview mit ihm von damals) und zuletzt Herdmans Co, übernimmt.

Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.