Österreichs Fußballerinnen unterliegen dem WM-Dritten und EM-Mitfavoriten England in einem Testspiel 0:3. Eine Halbzeit lang funktionierte die ungewohnt defensive Spielanlage der ÖFB-Frauen sehr gut, danach öffneten sich zu viele Räume. So kann man dieses Match in viele Richtungen interpretieren, klare Schwarz-Weiß-Aussagen gibt es aber nicht.
Es gibt in der Frauenfußball-Welt derzeit kein Team, das ein exakteres, besseres und wirkungsvolleres Angriffspressing spielt als England. Was macht man also, wenn man sich dem nicht aussetzen möchte? Genau, man gibt den Lionesses einfach den Ball. Wenn der WM-Dritte von der Insel nämlich selbst etwas gegen einen geschickt und kompakt verteidigenden Gegner gestalten muss, neigt man ein wenig zur Ratlosigkeit.
Vorbild Belgien
Vor praktisch exakt einem Jahr wurde das in der EM-Quali von Belgien eindrucksvoll aufgezeigt. Nach einem frühren Torwart-Fehler von Bardsley war Belgien da in Führung gegangen und sah sich danach an, was England so machte. England braucht ein Garbage Goal in der Schlussphase, um zumindest das 1:1 zu retten. Für England war es das einzige Quali-Spiel seit 2011, das nicht gewonnen wurde.
Recht ähnlich legte es nun in diesem Testspiel ÖFB-Teamchef Dominik Thalhammer an. (Fun fact: Sogar die Schiedsrichterin war die selbe wie letztes Jahr, die Ungarin Gyöngyi Gáal). Was vom Personal eher wie einer 3er/5er-Kette aussah, entpuppte sich in diesem Match rasch als flaches und relativ enges 4-4-2.
Anstatt England hoch anzulaufen, agierte man kompakt im Defensiv-Verbund; anstatt selbst aufbauen zu wollen, gab man bereitwillig den Engländerinnen den Ball. Ab der 10. Minute funktionierte das auch prächtig; dass es da schon 1:0 für England stand – doof, aber für den Sinn der Übung kein Problem. Es ist ja schließlich ein Testspiel.
Kontrollierte erste Hälfte
Bei England spielte vor Zweier-Goalie Siobhan Chamberlain (die aber nicht nennenswert schwächer ist als die Nummer eins, Karen Bardsley) die Einser-Panier in der Abwehrkette. Davor wurden einige personelle Alternativen probiert. Bei Österreich war Kapitänin Viktoria Schnaderbeck nach einem halben Jahr Verletzungspause wieder zurück.
Im diesem mittlerweile kaum noch eingesetzten 4-4-2 und mit der ungewohnt passiven Spielanlage schaffte es Österreich im Laufe der ersten Halbzeit gut, das englische Aufbauspiel zu kontrollieren. Man drängte England auf die Außenbahnen und gewährte den Ballbesitz überwiegend dort, wo er nicht weh tut. Nach dem 1:0 (Prohaska hatte Christiansen flanken lassen, Schnaderbeck verlor das Kopfballduell gegen White) hatte England nur noch eine einzige wirklich gute Torchance in der ersten Hälfte.
Nach vorne passierte nicht viel: Nach Ballgewinn wurde schnell umgeschaltet und der Vertikalpass gesucht, um kein englisches Pressing einzuladen. Diese Bälle in die Spitze waren dementsprchend oft ungenau. Bis auf eine kurze Phase nach einer halben Stunde konnte sich Österreich nicht nachhaltig in der englischen Hälfte festsetzen und ernsthafte Torchancen blieben auch aus.
Fahrige zweite Hälfte
Wie in der ersten Halbzeit war auch der Beginn der zweiten Hälfte von österreichischem Schwimmen begleitet. Manuela Zinsberger machte mit einigen Hexentaten drei riesige englische Chancen zunichte, zudem hätte England einen Elfmeter zugesprochen bekommen müssen. Diese Phase überstand Österreich, aber an den ersten Spielabschnitt konnten die ÖFB-Frauen nicht mehr anschließen.
Es wirkte im Gegenteil vieles recht fahrig. Defensiv war die Kompaktheit nicht mehr so gegeben: Man stand im Verbund höher, hielt aber die Abstände nicht eng genug. Andererseits setzte man die ballführende Engländerin aber auch nicht wirklich unter Druck. Die Folge: England konnte sich über die Halbfelder zu leicht in gefährliche Zonen spielen und bekam auch hinter der österreichischen Viererkette Platz.
Halb durch die zweite Hälfte klärte Schnaderbeck einen Ball zur Mitte, anstatt ihn zur Ecke rausrollen zu lassen und machte die Situation so wieder scharf, Lucy Bronze staubte zum (längst überfälligen) 2:0 für England ab. Die Lionesses hatten im zweiten Spielabschnitt deutlich sichtbar auch körperliche Vorteile, Österreich kam nicht mehr ins Spiel zurück. Aus einem Eckball erzielte England kurz vor Schluss auch noch das 3:0.
Fazit: Ambivalente Erkenntnisse
Einerseits war die Defensivleistung eine Halbzeit lang stark, andererseits hätte es aber auch noch viel schlimmer kommen können als 0:3. Einerseits stellte man England durchaus vor Probleme, andererseits war zu sehen, dass die Lionesses eine große Stufe über Österreich stehen.
Einerseits sind Viktoria Schnaderbeck (6 Monate out) und Lisa Makas (anderthalb Jahre out) nach Verletzungen wieder retour. Andererseits sind sie beide noch weit von ihrer alten Form entfernt. Logisch, so etwas dauert.
Die Zeiten, als man eine Truppe aus internationalen Rookies gegen England schickte, in der Hoffnung, der Favorit möge Gnade walten lassen, sind vorbei. Thalhammer stellte sein Team mit einem klaren Plan auf das Feld und England war deutlich anzumerken, dass man damit 1. nicht gerechnet hatte, weil man Österreich offensiver und aggressiver kennt, und 2. damit durchaus Probleme hatte.
Die ÖFB-Frauen haben einmal mehr gezeigt, dass sie in der Tat mehrere völlig verschiedene Spielanlage drauf haben – hier eben die Variante „Kompakte Defensive“. Und es wurde auch sonst das eine oder andere probiert – etwa Innenverteidigerin Gini Kirchberger auf der RV-Position (womöglich schon als Testlauf für das Duell gegen Frankreichs quirlige LM Amel Majri?).
Wenn es ein klares Signal gibt, welches die Mannschaft mit diesem Spiel in Richtung der EM-Gruppengegner Frankreich, Schweiz und Island geschickt hat, dann dieses: „Ihr werdet keine Ahnung haben, wie wir unser Spiel gegen euch anlegen!“ Und: „Wir sind schon so weit, dass wir ein Spiel gegen England zum testen nützen, und nicht als pure Überlebens-Übung begreifen:“
Davon abgesehen aber kann man aus diesem 0:3 in Milton Keynes Argumente für Stärken und Argumente für Schwächen finden. Es war also ein sehr ambivalenter Test.
Kleiner Blick ins Anderswo
Die WM-Qualifikations-Vorrunde in Europa ist gespielt, und es gab eine große Überraschung: Die Türkei, auf dem Papier das beste Team überhaupt in dieser Ameisenrunde, scheiterte nach einem 1:2 am letzten Gruppenspieltag gegen die Färöer-Inseln. Auch mit dem Aus von Griechenland (1:2-Niederlage gegen Albanien in der Nachspielzeit des letzten Spiels) war nicht zu rechnen.
Für Österreich ist es durchaus möglich, dass man bei der Auslosung am 25. April zum dritten Mal hintereinander Kasachstan bekommt, oder zum zweiten Mal hintereinander Israel. Die Haupt-Qualifikation für die WM 2019 in Frankreich startet im September.
Und in der Asien-Vorrunde hat es den Weltranglisten-Zehnten Nordkorea bereits erwischt: In der Gruppe gegen Südkorea kam man gegen den verhassten Nachbarn zu einem 1:1, gewann die anderen drei Spiele aber „nur“ mit 17:0 – Südkorea schaffte eine Tordifferenz von 20:0 und ist damit für die Asienmeisterschaft qualifiziert, die in genau einem Jahr stattfindet und bei der fünf WM-Plätze vergeben werden.
Japan, Australien und China hatten ein Freilos, neben Südkorea setzten sich in den anderen Quali-Gruppen wie erwartet Thailand, Vietnam, Jordanien und die Philippinen durch. Realistischerweise geht es nur darum, wer neben den vier Favoriten den einen verbleibenden Platz abstaubt. Bei der letzten WM 2015 war das Thailand.