Zwei Tore völlig entgegen des Spielverlaufs – und die Bullen führten in Bilbao mit 2:0. Die Hausherren steckten aber nicht auf, dominierten das Spiel über 90 Minuten. Und wenn aus dem Spiel nichts geht, so wie bei Bilbao in dieser Partie, dann müssen es eben Elfmeter richten.
Salzburg? Lief im San Mamés in der üblichen Formation auf. In der defensiven Ausrichtung, in der die Bullen das Spiel anlegten, war das ein 4-1-4-1 mit Wallner vorne, Leonardo links und Zárate rechts und mit Svento aus der Halbposition, der zuweilen aufrückte um etwas Druck zu erzeugen.
Athletic unter Bielsa
Die Geschichte des Spiels bestimmte aber eindeutig die Mannschaft von Marcelo Bielsa. Er war – anders als Gianpiero Gasperini bei Inter – bereit, von seinem präferierten 3-4-3 wegzugehen, weil es seiner Mannschaft und, noch viel mehr, den Gegnern in der spanischen Liga nicht entsprach. So ist das Bilbao unter Bielsa weniger wie das Chile unter ihm, sondern eher wie die spanische U-20 bei der WM in Kolumbien oder die spanische U-21 bei der EM in Dänemark in diesem vergangenen Sommer.
Das heißt: Aus einem grundsätzlichen 4-1-4-1 heraus wird viel weniger horizontal gespielt, als man das von Bielsa-Teams bisher kannte, und vor allem ist beim Mittelfeld-Quartett ein Schlagwort ganz entscheidend: Vertikale Laufwege. Weil die Außenverteiger Iraola und Aurtenetxe viel nach vorne arbeiten, zieht sich die offensive Viererkette in der Mitte zusammen und wechselt die Positionen, dass es unmöglich ist, da immer mitzukommen.
Fluides Mittelfeld
Und doch hatte jeder seine eigene Aufgabe. Susaeta, der eher über die rechte Seite kam, blieb dort zumeist, abgesichert von Iraola, mit der Absicht, den Kanal zwischen Salzburger Abwehr und Mittelfeld zu bearbeiten. Iturraspe war im Atheltic-Mittelfeld noch der einzige, der vornehmlich vertikale Laufwege absolvierte: Er stand, entgegen seinen üblichen Gepflogenheiten, eher hoch und ging immer wieder zurück, um sich neben dem recht defensiv ausgerichteten Sechser Javi Martinez Bälle zu holen.
Oscar de Marcos auf der nominell linken Seite spielte sehr viel im Zentrum, kreuzte oft praktisch parallel zur Mittellinie vor Jungstar Iker Muniain, der so ein wenig der Spielgestalter war. Dabei aber viel unterwegs war, um sich möglicher Manndeckung zu entziehen. Die drei zentralen Mittelfeldspieler der Bullen hatten alle Hände voll zu tun, mit den ständigen Rochaden schritt zu halten.
Bilbao spielt, Salzburg trifft
Sie machten es aber gar nicht schlecht. Schiemer und Co. ließen sich nie so aus der Position ziehen, dass Bilbao einen Weg in den Strafraum fand, hinten standen Sekagya und Pasanen gut – da es den beiden am Tempo fehlt, sie aber beide eine hervorragende Spielübersicht haben, konnten sie Zweikämpfe mit Llorente vermeiden und viel mit gutem Stellungsspiel richten. Auch, weil Llorente sehr viel aus dem Mittelfeld kam, er als statischer Mittelstürmer kaum Bälle gesehen hätte.
So wurden die Bullen im Mittelfeld zwar ordentlich hin und her gescheucht, aber wirklich Angst vor einem Gegentor musste mach eigentlich nie haben. Das hatten auch die Basken nicht. Eine halbe Stunde lang absolut zu Recht, da war Wallner allein auf weiter Flur und komplett kaltgestellt. Ehe er beim ersten wirklichen Konter von Zárate gut angespielt wurde und es ausnützen konnte, dass Ekiza falsch stand – das 1:0 für Salzburg, das Spiel war auf den Kopf gestellt.
Bielsa stellt um
Das war es umso mehr, als kurz darauf Leonardo einen energiegeladenen Lauf nach vorne startete, der Doppelpass mit Wallner funktionierte, und es plötzlich 2:0 für die im Spiel selbst eigentlich komplett unterlegenen Bullen stand – die Strafe für fehlenden Zug zum Tor vom Team aus dem Baskenland. Daher stellte Bielsa in der Pause etwas um. Innerhalb seines Systems zwar, aber Positionen wurden mit Spielern mit anderen Eigenschaften besetzt.
Beim ersten Wechsel zu Beginn der zweiten Hälfte kam mit Gabilondo ein Offensiv-Spieler für Innenverteidiger Ekiza. Dafür ging Javi Martinez zurück in die Viererkette und Iturraspe auf die Sechs. Somit hatte Bilbao nun einen gelernten Mittelfeldspieler, einen echten Ballverteiler, ganz hinten. Nachteil war, dass er sich in klassischen 1-gegen-1-Situationen, wie sie für Innenverteidiger normal sind, schwer tat. Vorteil war, dass es mit Martinez hinten und Iturraspe davor jetzt noch mehr Dominanz geben sollte – zumindest auf dem Papier.
Bilbao gleicht aus
Denn wirklichen Effekt auf das Spiel hatte das nicht: Das Mittelfeld der Basken trieb weiter den Ballbesitz in lichte Höhen, aber auch mit Iturraspe von hinten und Gabilondo in der Vorwärtsbewegung fehlte es an der Torgefahr. Darum stellte Bielsa nach etwa einer Stunde noch einmal um: Diesmal ging Linksverteidiger Iraola raus, für ihn kam mit Ander Herrera (wie Muniain und Martinez) ein U21-Europameister für das Mittelfeld. Oscar de Marcos wechselte dafür von der linken Mittelfeldseite nach rechts hinten. Hintergedanke: Wie bei Martinez, mehr kreativer Druck von hinten.
Dass es nach 75 Minuten 2:2 stand, muss aber nicht zwingend eine Folge dieser Umstellungen gewesen sein – der Anschlusstreffer war ein Elfer nach einem nicht so klaren Vergehen von Sekagya, der Ausgleich nach einem unglaublichen Handspiel von Lindgren. Der Schubser, den er mitbekommen hatte, kann da keine Ausrede sein – dummerweise war es für Lindgren, der für den angeschlagenen Schiemer gekommen war, schon die zweite Verwarnung. Damit war Salzburg nur noch zu zehnt.
Gastgeber dominieren auch Schlussphase
Dass die Wechsel von Bielsa aber zumindest nicht falsch waren, zeigte die Tatsache, dass De Marcos in seiner neuen Rolle als brutal nach vorne schiebender Rechtsverteidiger und Ander Herrera aus dem rechten Halbfeld in der Schlussphase die beiden auffälligsten Akteure seiner Mannschaft waren, in der nach dem hohen Laufpensum insgesamt nun ein wenig die letzte Spritzigkeit fehlte. So war das Bemühen, noch den Siegtreffer zu erzielen, durchaus sichtbar und gegeben. Doch bis zum Schluss galt: Echte Torgefahr sieht anders aus.
Fazit: Trotz 2:0-Führung ein schmeichelhafter Bullen-Punkt
Wie es möglich war, dass die Bullen trotz der kompletten spielerischen Unterlegenheit mit einer 2:0-Führung in die Pause gehen konnte, ist ihnen wohl selbst nicht ganz klar. Die Salzburger haben, das muss man ihnen zweifellos als großen Pluspunkt anrechnen, sehr gut verteidigt und standen dem extrem rochierenden baskischen Mittelfeld mit guter Organisation und Geduld in der Defensiv-Arbeit entgegen. Das änderte sich bis zum Schlusspfiff nicht, gefährliche Aktionen von Athletic aus dem Spiel heraus kann man locker an einer Hand abzählen.
Und doch ist, wenn man das Spiel an sich betrachtet, der Punkt wohl doch etwas schmeichelhaft. Spielerisch war Bilbao zwei Klassen besser, dazu wechselte Bilbao-Trainer Marcelo Bielsa zweimal mit sichtbarem Hintergedanken gut aus und kam so letztlich zum Ausgleich. Natürlich, es waren zwei Elfmeter-Tore. Aber eine Niederlage für die Basken wäre angesischts des Kräfteverhältnisses auf dem Platz nicht korrekt gewesen.
(phe)