Nochmal Glück gehabt: Erst mit dem Ausgleich in der 89. Minute rettet sich Turnierfavorit Spanien im Halbfinale der U21-EM in die Verlängerung. Dabei hatte man den defensiv hervorragend stehenden Weißrussen, je länger das Spiel ging, immer weniger entgegen zu setzen…
„Meine Mannschaft wird nie wieder so schlecht spielen“, sagte mit Georgi Kondratsev der weißrussische U21-Teamchef gegenüber ballverliebt.eu, nachdem in der Qualifikation 75 Minuten lang von Österreich kontrolliert worden war und in Pasching zu einem eher glücklichen 3:3 gekommen war. Ein knappes Jahr später kann man Kondratsev Recht geben: Denn seine Mannschaft war bis ins Semifinale der U21-EM vorgestoßen.
Acht der Spieler von damals waren auch im Spiel gegen den haushohen Turnierfavoriten aus Spanien noch dabei. Während bei den Iberern mit Juan Mata und Javi Hernández sogar zwei Weltmeister aus Südafrika spielten.
Spanien übernahm, wie nicht anders zu erwarten war, sofort die Kontrolle. Das Sytem von Teamchef Luís Milla ähnelte sehr dem von Barcelona: Viererkette mit offensiven Außenverteidigern, ein Dreier-Mittelfeld und zwei echte Außenstürmer. Die Unterschiede: Zum einen, dass Adrián vorne keinen falschen Neuner, sondern eine echte Spitze gab, und dass im Mittelfeld nicht die beiden Offensiven das Metronom waren (wie Xavi und Iniesta bei Marcelona), sondern der Sechser Javi Hernández.
Der Plan war aber derselbe: Viel Ballbesitz (über 70%), die ständig ihre Seiten tauschenden Mata und Muniain zogen die Viererkette auseinander (oder versuchten es zumindest), dazu spielte vor allem Linksverteidiger Didac Vila war auf seiner Seite eine treibende Kraft und war vom im bisherigen Turnierverlauf überzeugenden Perepetchko nicht unter Kontrolle zu bringen.
Hohes Pressing und das 1:0 – beim Außenseiter
Die Weißrussen pressten nur in der gegnerischen Hälfte und rückten dabei mit der Abwehrkette extrem schnell auf. Waren die Spanier aber mal in der weißrussischen Hälfte, zogen diese zwei tief stehende Viererketten auf und machten die Räume extrem eng. Die Folge: Es gab für die Spanier kein Durchkommen und somit auch praktisch keine echten Torchancen.
Die Weißrussen versuchten, über die Flanken zu kontern, aber zumeist versandeten diese Versuche in ungenauen Abspielen oder wurden durch das spanische Pressing verhindert. Und doch: In Minute 38 kam ein Ball zu Voronkov in die Mitte, dieser setzte sich artistisch per Seitfallzieher gegen Álvaro Domínguez durch, und wie aus heiterem Himmel war Weißrussland 1:0 voran.
Spanier fehlt Plan B
Nach der Pause bot sich das gleiche Bild: Spanien dominiert zwar den Ballbesitz, aber die Weißrussen stehen hinten extrem diszipliniert und verweigerten dem Gegner komplett den Zugriff auf den Strafraum. Daran änderte auch die Personal- und Systemänderung von Luís Milla nichts, als Diego Capel über Herrera kam und das System auf 4-2-3-1 umgestellt wurde – mit Capel links, Muniain rechts und Mata nun in der Mitte, Alcantara als Achte etwas zurückgezogen.
Capel brachte überhaupt nichts und blieb völlig blass, von den Außenverteidigern kam nun auch zusehens weniger. Somit schafften es die immer mehr durch das Zentrum kommenden Spanier nicht mehr, die weißrussische Defensive auseinander zu ziehen. So machte der Außenseiter nicht einmal einen nervösen Eindruck bei den Versuchen, das 1:0 über die Zeit zu bringen.
Dreierkette hinten, zweiter Stürmer vorne
Milla brachte nicht nur Jeffrén für Muniain in einem positionsgetreuen Wechsel, sondern löste auch seine Abwehrreihe auf: Domínguez ging raus Bojan Krkic kam rein. Nun stand Botía alleine hinten im Zentrum, und vorne lauerten zwei Sturmspitzen auf Flanken – die aber nicht kamen. Das Spiel der Spanier erlahmte immer mehr und es sah schon alles nach einem letztlich komfortablen Sieg der Weißrussen aus.
Ehe sich in der 89. Minute die weißrussische Defensive doch noch einmal durcheinander bringen ließ: Außenverteidiger Poliakov zog fälschlicherweise nach innen, der freigespielte Jeffrén hatte Platz zur kurzen Flanke, und Adrián setzte sich i gegen Filipenko durch – der Ausgleich
In Verlängerung macht Spanien alles klar
Mit dem psychologischen Vorteil in der Verlängerung drückte Spanien wieder mit mehr Ordnung und mehr Nachdruck nach vorne, und durch einen simplen Doppelpass ließ sich die weißrussische Hintermannschaft in heilloses Chaos verwandeln. Capels Flanke verwertete erneut Adrián, der von Absteiger Deportivo wohl zu Atlético Madrid wechseln dürfte.
Damit waren die Weißrussen geschlagen, es gelang gegen die nun mit breiter Brust aufspielenden Iberern nun nicht mehr, einen Plan nach vorne zu entwickeln – schließlich gab es den auch schon vorher nicht in einem funktionierenden Ausmaß. So war das 3:1 durch einen wunderbaren Weitschuss von Jeffrén nur noch der Schlusspunkt.
Fazit: Spätes Tor rettet lange enttäuschende Spanier
Die Weißrussen machten defensiv einen wunderbaren Job und hielten beeindruckend unaufgeregt den immer matter werdenden Spaniern Stand. Letztlich rettete die Iberer die Qualität, aus einem angebotenen Fehler mit einer Chance ein Tor zu erzielen. Ein wirklich gutes Spiel zeigte der Favorit aber nicht, weil mit Fortdauer der zweiten Halbzeit immer weniger konsequent agiert wurde und eine 0:1-Niederlage auch nicht unverdient gewesen wäre. Weil ein echter Plan B fehlte und der Ausgleich keine Folge der taktischen Umstellungen war.
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Die Schweizer folgen dem Team aus Spanien ins Endspiel, und auch die Eidgenossen brauchten 120 Minuten dafür. Auch ohne den gesperrten Zehner Granit Xhaka war die Schweiz gegen die Tschechen das spielbestimmende, das bessere Team. Aber die humorlose tschechische Defensive um Marek Suchý hielt gut dagegen.
Statt Xhaka beorderte Pierluigi Tami, Teamchef der Schweizer, mit Xavier Hochstrasser einen Spieler ins Mittelfeld, der als Stammspieler bei Young Boys schon im Europacup gestählt ist. Das Um und Auf bei den Eidgenossen war aber, wie nicht anders zu erwarten war, der großartige Xherdan Shaqiri. Er war Rechtsaußen und Spielgestalter in Personalunion, der unumschränkte Chef auf dem Spielfeld.
Der giftige Mann vom FC Basel spielte eher zurückgezogen und durchaus mit der Tendenz zur Zentrale, was für seinen Hintermann Philippe Koch extrem viel Laufarbeit bedeutete. Der Zürcher löste seine Aufgabe aber ebenso hervorragend wie Brescia-Legionär Gaetano Berardi auf der anderen. Was zur Folge hatte, dass die Schweizer durchaus Breite in ihrem Spiel hatten, obwohl sich im Zentrum viel zusammenzog – und die Tschechen somit keinen geregelten Spielaufbau zusammen brachten.
Die Schweizer schafften es durch ein nicht allzu aggressives, aber sehr geschickt eingesetztes Pressing im Mittelfeld, den Tschechen die kurzen Anspielstationen zu nehmen, wodurch nur Verlegenheitspässe oder lange Bälle blieben. Die Schweizer hatten somit alles im Griff, aber die Versorgung von Solo-Spitze Mehmedi funktionierte nicht. Das lag zum einen am sehr hoch und oftmals zu weit außen für gute Anspiele agierenden Innocent Emeghara, vor allem aber am tschechischen Innenverteidiger Marek Suchý. Dem Mann, der bei Spartak Moskau immerhin Martin Stranzl verdrängt hatte, war die Spielpraxis in der von ultra-defensivem Spiel geprägten russischen Liga deutlich anzumerken. Mehmedi hatte keine Chance gegen ihn.
Spiel schläft ein
Die Schweizer kontrollierten das Spiel somit, bliben aber ohne Durchschlagskraft. So schlief das Spiel nach einer halben Stunde zusehends ein: Die bemühten, aber im Grunde biederen Tschechen brachten das Mittelfeldzentrum in ihre Kontrolle, zudem stellten sich Celustka, Cerny und auch Marecek nun immer besser auf den zuvor ungebremst spielenden Shaqiri ein. Weil aber auch die schweizer Defensive, die im Turnierverlauf noch kein einziges Gegentor kassiert hatte, stand hielt, plätscherte das Spiel im Mittelfeld dahin. Keine wusste so recht, wie der gegnerischen Abwehr beizukommen wäre.
Das Team von Jakub Dovalil ließ auch nach dem Seitenwechsel merkbaren Esprit vermissen, sodass die mit deutlich mehr Schwung aus der Kabine gekommenen Schweizer die Kontrolle wieder an sich rissen. Dovalil tauschte nach einer Stunde den weitgehend unsichtbaren Kozák aus und brachte mit Pekhart eine neue Sturmspitze, von seinem 4-1-4-1 wich er aber zunächst nicht ab.
Späte Wechsel
Es war kein Spiel für Sturmspitzen. Eine Viertelstunde vor Schluss der regulären Spielzeit versuchten dann Trainer, das recht festgefahrene Spiel zu lockern – Tami nahm den fleißigen, aber nach vorne wirkungslosen Fabian Frei aus der Partie; dafür kam mit Gavranovic eine neue Spitze. Mehmedi ging dafür ins Mittelfeldzentrum zurück.
Während die Schweizer damit aber im System blieben, ging Dovalil dafür zu einem 4-4-1-1 über, indem er Mittelfeldmann Morávek rausnahm und mit Jan Chramosta eine hängende Spitze brachte; somit war mit Chramosta und Pekhart jenes Duo wieder vereint, dass mit späten Toren im letzten Gruppenspiel gegen England den Semifinal-Einzug der Tschechen erst fixiert hatte.
Mit dem zweiten Mann in der zentral-defensiven Mittelfeldposition – Marecek spielte nun annähernd auf einer Höhe mit Sechser Gecov – schafften es die Tschechen viel besser, die Schweizer durch die Mitte zu bremsen, über die Flügel kamen sie zwar immer wieder bis zur Grundlinie, brauchbare Flanken konnten aber nicht geschlagen werden. Logische Folge: Verlängerung.
Talentierteres und fleißigeres Team belohnt
Auch in der halben Extra-Stunde wurde klar, dass die Mannschaft aus der Schweiz nicht nur in diesem Spiel das weitaus aktivere, sondern auch die talentiere ist. Die Spielanlage war deutlich reifer, die Ballsicherheit höher, ein gewisses Kreatives Moment, vor allem von Shaqiri ausgehend, erkennbar. All das passierte einen Gang präziser, gedankenschneller, besser als bei den Tschechen. Die allerdings weiterhin zumindest über eine bombenfeste Defensive verfügten – mehr als ein Pfostenschuss von Shaqiri war kaum drin.
Apropos Mehmedi. Der durfte (oder musste) in Minute 111 seine dritte Position in diesem Spiel einnehmen. Weil Emeghara auf dem linken Flügel rausging und durch die hängende Spitze Moreno Costanzo (der vor einem Jahr bei seinem Nati-Debüt gleich den Österreichern das 1:0-Goldtor eingeschenkt hatte) ersetzt wurde, gab Mehmedi in den Schlussphase den Linksaußen. Mit Erfolg – denn nach allem Bemühen um Spielkontrolle und dem erfolglosen Versuchen, die Spitze einzusetzen, war es letztlich ein 25m-Gewaltschuss von Admir Mehmedi, der das verdiente 1:0 für die Schweizer brachte.
Die Tschechen warfen in der verbleibenden Zeit natürlich alles nach vorne, und kamen durch den eingewechselten Kadlec auch tatsächlich fast noch zum Ausgleich – allerdings, nachdem Gavranovic alleine auf Goalie Vaclik zulaufend eingentlich schon das 2:0 hätte machen müssen…
Fazit: Korrekter Sieg in mühsamer Partie
Es waren zumeist eher zähe 120 Minuten, weil sich kein Team ein echtes Chancenplus herausarbeiten konnte. Zu stark standen beide Abwehrreihen. Zu sehr fehlte es den Tschechen an einem Spieler, der etwas Flair verbreiten könnte. Zu sehr fehlte den Schweizern mit Granit Xhaka ein dynamischer Spieler im Zentrum, Hochstrasser ist ein ganz anderer Typ Spieler.
Dennoch fahren die Eidgenossen einen hochverdienten Sieg ein, weil sie nicht nur vom Potenzial her das bessere Team sind, sondern auch in diesem Spiel letztlich klar mehr zeigten, kompakter waren, und bemühter als der Gegner, die Partie für sich zu entscheiden. Gegen die Spanier wird es im Finale aber trotzdem schwer.
Das gilt aber nicht nur für die Schweizer im echten Finale – sondern auch für die Tschechen, die im Endspiel um den Olympia-Platz gegen Weißrussland ran müssen.
(phe)