Das österreichische U21-Team vergibt einen 3:1-Vorsprung in einem Spiel, das man 75. Minuten lang recht sicher im Griff hatte. Ganz frei von Schuld darf sich Teamchef Herzog mit schlechten Wechseln nicht nehmen – aber Rundherum hat noch einiges mehr nicht gestimmt, als im österreichischen Spiel…
Ja, die Weißrussen starteten flotter – aber schon nach wenigen Minuten bekam das österreichische Team alles recht sicher in den Griff. Das ÖFB-Team brauchte zwar eine halbe Stunde, um aus der deutlichen Feldüberlegenheit auch Kapital zu schlagen (Nuhiu nach Freistoßflanke von Arnautovic zum 1:0, Arnautovic per Elfer nach Foul an Nuhiu zum 2:1, wahrscheinlich Nuhiu nach einem schlimmen Torwartfehler zum 3:1). Der 20-Meter-Hammer von Kapitän Michail Sivakov – der Cagliari-Legionär ist zweifellos einer der talentiertesten Weißrussen – war zwar saublöd (weil die Defensive ihn recht billig gewähren ließ), brachte aber kaum wirkliche Unruhe ins österreichische Spiel.
Torhüter Heinz Lindner war hinten wenig beschäftigt. Ramsebner und Kapitän Margreitter machten über weite Strecken viel zu, Dibon hielt den starken Nikhaitchik gut unter Kontrolle, und Fabian Koch machte auf der für ihn ungewohnten linken Seite auch vieles richtig. David Alaba war der Deligierer im defensiven Mittelfeld, Yasin Pehlivan machte für ihn die Drecksarbeit – und das vor allem in der ersten Hälfte absolut grandios.
Grandios war auch „Nudsch“ – also Atdhe Nuhiu. Der lange Rapid-Stürmer war extram aktiv, erkämpfte sich viele Bälle und glich vor allem zwischen Pause und seinem (viel zu frühen) Austausch die Launen von Arnautovic gut aus. Dieser schlurfte die meiste Zeit nur über den Platz, ließ nur vereinzelt sein Können aufblitzen. Wie in der 39. Minute, als er zwei Weißrussen austanzte und erst an Goalie Khutar (sorry für das Wortspiel, aber Khutar war bis auf das Gegentor zum 1:3 zumeist ein Guter) scheiterte. Wie bei seinem Elfmeter zum 2:1, den er sicher verwertete. Wie bei seiner Freistoßflanke, die Nuhiu zum 1:0 über die Linie nudelte.
In der ersten Hälfte hielt sich Arnautovic noch recht diszipliniert an seine zugewiesene Position – erst auf der linken, nach der Trinkpause in der 23. Minute auf der rechten Seite. In der zweiten Hälfte gingen aber die Gäule mit ihm durch: Mal im zentralen Mittelfeld, mal auf der rechten Seite, mal im Sturmzentrum. Das brachte nicht nur Unordnung in das österreichische Spiel (Grünwald und Burgstaller im Mittelfeld und Nuhiu vorne waren nur noch damit beschäftigt, auf Arnautovic zu reagieren) und dem Bremen-Legionär einen Rüffel von Kapitän Margreitter ein.
Das klappte eine Viertelstunde nach der Pause ganz gut, als dann aber mit Nuhiu einer der besten Österreicher unter tosendem Applaus der 3.600 Zuschauer den Platz für Villain Weimann verließ, war’s aber vorbei. Weimann musste ins linke Mittelfeld, weil Arnautovic nun beschlossen hatte, Sturmspitze zu spielen. Damit waren beide Out of Position: Arnautovic, weil er im Angriffszentrum seine Technik und sein Tempo nicht annähernd so gut ausspielen kann, wie auf den Seiten. Und Weimann, weil das eine für ihn komplett ungewohnte Position ist. Als Herzog dann Drazan (völlig außer Form, schlechtester Mann am Platz) für Grünwald brachte, ging Weimann ins Zentrum. Dort lauerte er auf Zuspiele, die aber nicht kamen. Oder auch nicht kommen konnten, weil Weimann im Abseits herumturnte.
Das Spiel plätscherte vor sich hin und dass die Österreicher kaum noch was nach vorne zu Stande brachten, wurde recht gleichgültig registriert, weil auch die Weißrussen nicht und nicht ins Spiel kamen. Und das, obwohl in dem Team durchaus Talent steckt, nicht nur bei Kapitän und Italien-Legionär Michail Sivakov. Sturmspitze Vladimir Jurtchenko etwa hatte mit einem Tor maßgeblichen Anteil daran, dass Underdog Dnepr Mogilev zuletzt Baník Ostrau aus der Europa-League geworfen hat. Pavel Nikhaitchik spielte mit BATE Borisov schon Champions League – und sicherte vor zwei Jahren mit seinem Tor ebendort ein 1:1 bei Zenit St. Petersburg.
Dann allerdings wurde Dmitri Rekish eingewechselt, und der Linksaußen von Dinamo Minsk (zuletzt immerhin Sieger über Maccabi Haifa) hatte sofortigen Impact. Keine zwei Minuten auf den Platz, traf er aus spitzem Winkel zum 2:3, das aus heiterem Himmel gefallen war. Nachdem das Spiel der Österreicher zuvor recht lange ohne echtes Highlight verlaufen war, wussten alle im Stadion: Oje, jetzt wird’s noch einmal eng! Denn dass der Schalter nun nicht mehr umgelegt werden konnte, war schon vorher ersichtlich.
Und genau so kam es. Vor allem Ramsebner, aber auch Margreitter schwammen in der Innenverteidigung nun königlich, droschen die Bälle nur noch raus. Das Mittelfeld war von den Launen von Arnautovic derart verwirrt, dass sie immer noch mit sich selbst beschäftigt war. Und Alaba und Pehlivan konnten dem Spiel nun nicht mehr die nötige Ruhe verleihen – was sich auch nicht änderte, als Herzog Arnautovic für Patrick Salomon vom Platz nahm. Es spielten nur noch die Weißrussen, und der Ausgleichstreffer lag absolut in der Luft.
Aus einem billigen Freistoß (Margreitter hatte sich aufgestützt) sollte es dann soweit sein: Kurz vor Beginn der Nachspielzeit zielte abermals Linksfuß Dmitri Rekish ins linke Kreuzeck – und Heinz Lindner war geschlagen. Ob der Ball haltbar war oder nicht, darüber debattierten die anwesenden Journalisten auch noch deutlich nach dem Spiel in der Stadionkantine – füllende Antwort konnte keine gefunden werden. So oder so: Schuld an dem verdaddelten Vorsprung war Heinz Lindner sicher nicht…
Fazit: …sondern in erster Linie leider Andi Herzog, der das Spiel nach der Pause vercoachte. Den wichtigen Nuhiu schon nach einer Stunde für Weimann zu bringen, der nie Bindung zum Spiel fand, war die größte Fehlentscheidung. Als dann auch noch der völlig neben sich stehende Christopher Drazan für den recht soliden Grünwald kam, war neben der Spitze auch die linke Seite tot – Drazan war ein Totalausfall. Und das Gegentor zum 2:3 brachte das Spiel dann endgültig zum kippen.
So hatten die Österreicher das Spiel zwar über weite Strecken im Griff, waren aber letztlich – so brutal das klingt – zu blöd, es auch über die Zeit zu bringen. Leider! Aber wenn das Team sich schon von einem Anschlusstor 15 Minuten vor Schluss so aus der Fassung bringen lässt, darf man auch für das abschließende Spiel in Aberdeen (am 7. September übrigen) nicht allzu viel erwarten. Für ein im Falle eines Sieges in Schottland wahrscheinlich anstehende Playoff gilt natürlich selbiges. Eigentlich schade – denn der Kader selbst ist fraglos extrem stark.
Stimmen zum Spiel:
Andi Herzog, Teamchef Österreich: „In der ersten Halbzeit waren wir gut, haben die Vorgaben umgesetzt. Dann ist aber zu viel über die Mitte gegangen, das hat nicht funktioniert. Ich habe gehofft, das wir’s noch drüberbringen, aber es hat nicht funktioniert. Jetzt brauchen wir nicht viel rechenen, sondern müssen in Schottland gewinnen!“
Georgi Kondratsev, Teamchef Weißrussland: „Ich habe meine Mannschaft in der ersten Hälfte nicht wieder erkannt! Erst danach konnten wir unsere Stärken besser ausspielen. Wir hatten unsere Chancen, leider hat es nur für das Unentschieden gereicht. Wir sind jetzt aber in einer guten Position, und wir werden sicher ins Playoff kommen – weil wir nicht noch einmal so schlecht spielen werden wie heute!“
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Österreich – Weißrussland 3:3 (3:1).
Waldstadion, Pasching, 3.600 (ausverkauft), SR Gómez (Esp).
Tore: 1:0 Nuhiu (30.), 1:1 Sivakov (31.), 2:1 Arnautovic (35., Elfmeter), 3:1 Nuhiu (45.), 3:2 Rekish (75.), 3:3 Rekish (90.).
Österreich: Lindner – Dibon, Margreitter, Ramsebner, F. Koch – Pehlivan, Alaba – G. Burgstaller (71. Drazan), Grünwald, Arnautovic (79. Salomon) – Nuhiu (62. Weimann). Weißrussland: Khutar – Veretilo, Filipenko, Politevitch, Astraukh – Sivakov, Dragun – Khardseitchuk (46. Skavish), Vorornkov (73. Rekish), Nikhaitchik – Jurtchenko. Gelb: Alaba – Politevitch.
Tabelle Gruppe 10: Österreich14, Schottland 13, Weißrussland 13, Albanien 4, Aserbaidschan 1. (Aut und Alb noch ein Spiel, die anderen je zwei)
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Anmkerung am Rande: Während das Spiel selbst ganz okay war, mangelte es rundherum an einigem. Dass über 500 Fans mangels Platz im Stadion wieder nach Hause geschickt werden mussten, ist bitter – mit einem vollen Haus hat aber keiner so wirklich gerechnet. Dass es aber keine PK gab, halte ich persönlich schon für einen kleinen Skandal – ebenso wie das Verhalten des (natürlich) angefressenen Andi Herzog, der außer einem Statement dem ORF gegenüber für KEINEN der anwesenden Journalisten zu sprechen war. Die Spieler haben einen Maulkorb verpasst bekommen („Sorry, i darf keine Interviews geben“, so Yasin Pehlivan). Und den weißrussischen Teamchef musste ich am Hinterausgang bei der ersten Zigarette nach zumindest zwei Stunden abpassen – ein Dank an dieser Stelle an den weißrussischen Delegationsleiter, der als Dolmetscher geholfen hat.
Ebenso zweifelhaft war die Entscheidung, den weißrussischen Bus zwar direkt vorm Spielerausgang zu parken, die ÖFB-Kicker aber alle durch eine Traube von Fans mussten, die alle Fotos und Autogramme wollten. Gerade David Alaba wurde regelrecht bestürmt, ohne dass ein Funktionär als ordnende Hand fungiert hat. Den Bayern-Legionär zipfte dieser Spießrutenlauf zwar sichtlich an, er erfüllte aber jeden Wunsch – bis er (endlich) im Kreis seiner Familie untertauchen konnte. Da hat sich dann doch keiner mehr hingetraut.
(phe)