Hauptsache gewonnen. Deutschland war zwar einmal mehr weit von einer überzeugenden Leistung entfernt, für Italien reichte es in diesem EM-Viertelfinale aber. Viel Selbstkritik war nach dem 1:0-Sieg aber nicht zu hören, obwohl es dazu reichlich Grund gegeben hätte – nur eine starke Simone Laudehr rettete mit ihrer sehr präsenten Leistung ein Team, das von der schlechten Vorrunde gezeichnet schien. Am offensivsten war Deutschland, wenn es darum ging, sich für das Halbfinale gegen Schweden in die Außenseiterrolle zu reden.
Neid: „Gewinnt man, ist der Plan immer aufgegangen!“
Das deutsche Spielplan funktionierte immer weniger, je weiter es nach vorne ging. Was aber am wenisten an Simone Laudehr lag. Die durfte spielen, aber nicht auf ihrer angestammten Position im zentralen Mittelfeld, sondern auf der linken Außenbahn. In erster Linie, um Jenny Cramer gegen die starke italienischer Seite mit Gabbiadini zu helfen. Aber die gebürtige Regensburgerin tat noch so viel mehr – sie war die einzige, die von der ersten Minute an wirklich Präsenz zeigte.
Denn der Rest der Mannschaft wirkte gelähmt – was zum Teil am Druck nach der schwachen Vorrunde lag, aber auch an der Spielweise der Italienerinnen lag. Diese achteten nämlich vor allem darauf, dem deutschen Zentrum mit Keßler und Goeßling keine Luft zum Atmen zu geben. Das Wolfsburg-Duo hatte nie Zeit, den Ball ordentlich anzunehmen; von einer sinnvollen Weiterverwertung gar nicht erst zu sprechen. Vor allem Lena Goeßling wirkte ziemlich schnell ziemlich mitgenommen.
Ihres Zentrums beraubt hinkte der deutsche Spielaufbau extrem. Lotzen, wieder einmal auf dem Flügel aufgestellt, zog offensiv früh nach innen und wurde von Maier nicht ordentlich hinterlaufen; die Spitzen Okoyino da Mbabi und Mittag (die statt Marozsan spielte) hingen in der Luft. Doch während Okoyino zumindest versuchte, sich etwas fallenzulassen oder an die Flügel zu gehen, um am Spiel teilzunehmen, war Mittag nur körperlich anwesend – mehr nicht.
Die deutsche Führung fiel aus einem abgefälschten Laudehr-Schuss nach einem Eckball. Anders hätte es auch kaum sein können.
Keßler: „Haben gezeigt, was wir können!“
Das Spiel der Deutschen in der Vorrunde war mau, viel besser war’s auch gegen Italien nicht. Hinten stand die DFB-Elf zwar sicher, das lag aber auch daran, dass Italien – keine neue Erkenntnis – im Spiel nach vorne ziemlich eindimensional ist. Und je länger das Spiel dauerte, umso eindimensionaler wurde es. Vor allem, nachdem Elisa Camporese aus dem Spiel war. Die hatte sich im ersten Gruppenspiel verletzt, pausierte danach und war nun bei ihrer Startelf-Rückkehr ziemlich deutlich ziemlich weit von „fit“ entfernt.
Nach Ballgewinn wurde praktisch immer versucht, den Ball möglichst schnell zu Mittelstürmerin Patrizia Panico zu bringen. Das passierte zumeist sehr überhastet und damit auch sehr ungenau. Krahn hatten kaum Probleme, die 38-Jährige Kapitänin von Italien aus dem Spiel zu halten. Italien war zwar nur ein Tor hinten, hatte aber nicht die Mittel, wirklich für Gefahr zu sorgen.
Neid: „Ein Super-Spiel mit sehr viel Leidenschaft!“
Hätte Italien doch den Ball irgendwie zum Ausgleich über die Linie genudelt, wäre es sehr spannend gewesen, wie genau es in dieser Situation mit dem deutschen Nervenkostüm bestellt gewesen wäre. Zumal es einen eher, nun ja, interessanten Wechsel gab. Dass Marozsán für die völlig unsichtbare Mittag kam, war noch logisch – aber dass für die angesschlagene Célia Okoyino da Mbabi (Hamsting-Zerrung, für das Semifinale gegen Schweden fraglich) eine Sara Däbritz kam, die in die Spitze ging, während die gelernte Mittelstürmerin Lotzen weiter auf dem Flügel ran musste, muss man nicht verstehen.
Zumal es nicht so arg viel gebracht hat. Weiter war es vor allem Laudehr, die mit ihrer Wucht eine verunsicherte und alles andere als gefestigte Mannschaft trug. Die 1:0-Führung wurde gegen ein körperlich zunehmend nachlassendes Team aus Italien über die Zeit gebracht, ein Lattenschuss hätte beinahe noch für die endgültige Entscheidung gesorgt. Letztlich war es ein glanzloser, mühsamer Arbeitssieg einer Mannschaft, die an diesem Tag nur darin offensiv war, sich für das Halbfinale in die Außenseiter-Rolle zu reden.
Angerer: „Sind gegen Schweden kein Favorit!“
Schweden war im anderen Spiel des Tages völlig mühelos über Sensations-Viertelfinalist Island hinweg gefegt. Nach 19 Minuten stand es schon 3:0, am Ende hieß es 4:0. Keine Frage, der Gastgeber befindet sich in Topform und steigerte sich bei diesem Turnier von Spiel zu Spiel, Deutschland spielte schwach gegen Holland, ganz okay gegen Island, schlecht gegen Norwegen und bestenfalls ganz okay gegen Italien.
Auch Italiens Teamchef Antonio Cabrini sieht Schweden in der Favoritenrolle gegen den Sieger der letzten fünf EM-Turniere: „Deutschland mag mehr bessere Einzelspieler haben“, so der Weltmeister von 1982, „aber Schweden macht als Team den besseren Eindruck, befindet sich in Topform!“
Neid: „…mit dieser Asalanta, oder wie die heißt!“
So, wie Bundestrainerin Neid bei der Pressekonferenz über die schwedische Mannschaft sprach, lässt das noch nicht den ganz großen Kenntnisstand erahnen. Neid beteuerte zwar, alle Gruppenspiele von Schweden gesehen zu haben. „Wir sind Außenseiter“, stimmte sie Torfrau Angerer zu, die das zuvor schon gesagt hatte. So weit, so gut.
Dann aber Schwedens Stamm-Stürmerin Kosovare Asllani nicht zu kennen und stattdessen zu sagen, „die haben ein Top-Duo da vorne, mit Schelin und dieser Asalanta, oder wie die heißt“, macht nicht direkt den Eindruck vollen Wissens.
(phe)