Spanien, Spanien, immer wieder Spanien! Doch wie schon letztes Jahr im EM-Halbfinale rettete sich der Welt- und Europameister gegen einen taktisch hervorragend agierenden Gegner nur mit viel Mühe ins Elferschießen und zog über diesen Umweg doch wieder ins Finale ein. Dabei hatte in diesem Confed-Cup-Semifinale Italien eigentlich alles richtig gemacht. Man frustrierte die Spanier, anstatt sie aktiv zu ärgern. Eine etwas bessere Chancen-Verwertung, und der Plan wäre aufgegangen.
Kein europäisches Spitzen-Nationalteam ist, was das verwendete System angeht, so flexibel wie Italien. In der Vorrunde experimentierte Prandelli mit einem 4-3-2-1, in dem mit Marchisio und Aquilani zwei Achter bzw. mit Giaccherini in Wing-Back die Positionen hinter Balotelli einnahmen; danach gab es gegen Brasilien ein 4-4-1-1 mit Diamanti hinter der Solo-Spitze; dazu Candreva – tatsächlich gelernter Flügelstürmer – und wiederum Marchisio auf den Außenbahnen.
Genau angepasstes System
Gegen Spanien packte Prandelli die in Italien weit verbreitete Dreierkette in der Juve-Besetzung aus. Weil sich die Wing-Backs Maggio und Giaccherini im nominellen 3-4-2-1 aber sehr weit zurückzogen und sich Candreva und Marchisio, auf dem Papier hinter Gilardino (der den verletzten Balotelli ersetzte) dafür die zentralen Mittelfeld-Leute Pirlo und De Rossi flankierten, entstand ein 5-4-1, wie es Tahiti bei diesem Confed-Cup verwendete.
Damit passte Prandelli System und Spielweise exakt dem Gegner und den Gegenbenheiten an. Im Zentrum entstand so eine 4-gegen-3-Überzahl der Italiener. Auf der linken Abwehrseite ein 2-gegen-1, weil Arbeloa am Aufbauspiel de facto nicht teilnahm, sondern nur Querpässe auf Piqué oder Xavi ablieferte. Und auf der rechten Abwehrseite gab es im Grunde ebenfalls eine 2-gegen-1-Überzahl für Italien, weil zwar Alba sehr oft vorne auftauchte, David Silva hingegen im Halbfeld untertauchte.
Pressing der Italiener gab es allerdings keines – das war wohl aber wiederum den Gegebenheiten geschuldet. Das EM-Halbfinale gegen Portugal hat ebenso wie das CL-Semifinale von Barça gegen die Bayern gezeigt, dass es die Spanier überhaupt nicht mögen, wenn sich ein Gegner traut, sie aktiv und relativ hoch anzupressen. Bei Temperaturen um die 30 Grad und einer Luftfeuchte von an die 80 Prozent ist das aber schlicht nicht praktikabel. Weshalb Italien nach dem Motto „Frustrieren statt Ärgern“ spielte.
Spanien ratlos
Man hielt Spanien also vom eigenen Tor fern, indem man die Mitte überlud und das (ohnehin bei Spanien nur mäßig ausgeprägte) Flügelspiel unterband. Gleichzeitig wurde kein Druck auf den ballführenden Spanier ausgeübt – allerdings wurde blitzschnell umgeschaltet, sobald die Italiener den Ball hatten. Zwei schnelle Pässe in der Mitte, eine Verlagerung auf Candreva rechts oder Giaccherini links, eine Hereingabe auf Gilardino. Es war gar nicht notwendig, dass mehr als drei Italiener vorne ankamen, gegen das ungewohnt langsame Umschalten der Spanier reichte es aus, um einige gefährliche Situationen zu provozieren.
Wie überhaupt das Spiel der Spanier ungewohnt langsam und behäbig wirkte. Was womöglich auch an den klimatischen Bedingungen lag, vor allem aber zweifelsfrei daran, dass es die Italiener extrem geschickt verstanden, dem Welt- und Europameister jene Dreiecke im Aufbau zuzustellen, die für die Spanier so extrem wichtig sind – ebenso wie die Optionen auf den Steilpass. Torres rieb sich zwischen der Fünfer- und der Viererkette auf, Silva und Pedro hatten permanent drei Gegenspieler, und so fehlten von hinten heraus einfach die Optionen.
Und hinzu kam noch, dass nach dem zweiten, dritten gefährlichen Konter deutlich wurde, dass Spanien eine Heidenangst vorm schnellen italienischen Umschalten hatte und so die Risiko-Pässe nach vorne noch mehr vermied.
De Rossi zurück in die Abwehr
Für die zweite Hälfte brachte Prandelli dann Montolivo statt Barzagli. Damit rückte Daniele de Rossi ins Zentrum der Dreier-Abwehr zurück, wie er das bei der EM schon gegen Spanien und gegen Kroatien gemacht hatte. Damit hatte Italien nun drei Ballverteiler im defensiven Zentrum, außerdem gingen die Wing-Backs nun deutlich mehr nach vorne. Die Spanier waren in der ersten Hälfte so mürbe gemacht worden, dass sie dem italienischen Treiben recht wenig entgegen zu setzen hatten.
Del Bosque versuchte, den entstehenden Platz hinter Giaccherini besser zu nützen, indem er mit Jesus Navas einen echten Flügelstürmer statt David Silva brachte. Der Andalusier konnte diese Vorgabe allerdings überhaupt nicht erfüllen, er war kaum einmal ins Spiel eingebunden. In der zweiten Halbzeit hatte Italien deutlich mehr Ballbesitz als Spanien (!) und konnte so den Gesamtprozentsatz annähernd auf 50 Prozent heben.
Was auch daran lag, dass es bei den Spaniern überhaupt kein Umschalten gab. Viel zu langsam brachte man Spieler vor den Ball, das Spiel wurde nach Ballgewinn nicht beschleunigt, so konnte sich Italien problemlos stellen und so etwas wie Torgefahr kam eigentlich nie auf.
Wilde Variante von Del Bosque
Was zu Beginn aussah wie eine Taktik, die ausgelegt war, nicht zu verlieren, entpuppte sich als taugliches Mittel, gegen Spanien zu gewinnen. Dazu hätte eine der durchaus vorhandenen Torchancen der Italiener aber auch verwertet werden müssen. Das geschah nicht, darum ging es in die Verlängerung.
In der Vicente del Bosque etwas ganz Wildes probierte: Er brachte Javi Martínez, der bei den Bayern eine grandiose Saison als umsichtiger und de facto fehlerfreier Stabilisator im defensiven Mittelfeld absolviert hatte – und der Baske ersetzte Fernando Torres positionsgetreu.
Martínez versuchte, durch seine Laufwege Löcher im italenischen Defensiv-Verbund zu reißen, anders als Torres der eher auf Zuspiele gelauert hatte. Außerdem war er wegen seiner Kopfballstärke ein willkommener Anspielpunkt auch für lange Bälle.
Bis kurz vor Schluss kontrollierte Italien das Geschehen weiterhin recht sicher, wurde aber selbst kaum mehr wirklich gefährlich. Erst in den letzten Minuten vorm Elfmeterschießen kam man noch ziemlich ins Schwitzen, Spanien konnte trotz zwei, drei großer Chancen den Shoot-Out aber nicht mehr verhindern.
In dem alle Schützen sicher trafen, ehe mit Leonardo Bonucci der 13. Spieler scheiterte. Und Spanien damit nach 120 Minuten wohl nicht ganz verdient ins Finale gegen Brasilien einzieht.
Fazit: Italien machte eigentlich alles richtig
Wie schon letztes Jahr in Danzig war Italien auch diesmal der klare taktische Punktsieger, holte wie im Vorrundenspiel der EM ein Remis – und scheiterte letztlich im Elferschießen. Was aber nicht darüber hinweg täuschen darf, dass die Taktik von Prandelli, die von seiner gewohnt italienisch-disziplinierten Truppe fast perfekt umgesetzt wurde, punktgenau passte. Nur ein starker Casillas und eine damit verbunden nicht ausreichende Chancenverwertung verhinderte einen verdienten italienischen Sieg.
Das sah alles nicht spektuakulär aus und vor allem in der 2. Hälfte fehlte der Partie deutlich das Tempo dafür, es wirklich als großes Spiel bezeichnen zu können. Zudem wären beide in gleicher Situation in einem „echten“ Bewerbsspiel sicher mit noch etwas mehr Punch am Werk (wiewohl die tropischen Bedingungen da sicher ein verhinderndes Wort mitgesprochen hätten). Aber es war ein weiteres Beispiel dafür, dass Spanien eben doch nicht unschlagbar ist.
Für die WM nächstes Jahr ja keine ganz unwichtige Erkenntnis.
(phe)