Sie reden zwar nicht miteinander. Aber das hindert U20-Teamchef Andi Heraf natürlich nicht, sich des Gludovatz’schen 3-3-3-1 zu bedienen. Dass das gegen Brasilien nicht funktioniert hat, hat zwei Gründe: Erstens war die Seleção einfach zu gut. Und zweitens braucht es für ein 3-3-3-1 schon auch Flügelspiel.
Beide Teamchefs änderten ihr System gegenüber ihren Auftakt-Unentschieden – auch Brasiliens Ney Franco. Vertraute er beim 1:1 gegen Ägypten noch auf ein 4-2-3-1, so ließ er diesmal LM Alan Patrick draußen, brachte Henrique für die Spitze und ließ sein Mittelfeld in einer Raute auflaufen; mit Oscar links und Casemiro rechts auf den Halbpositionen.
Fehlende Breite nicht ausgenützt
Genau diese fehlende Breite im Spiel der Brasilianer, in dem vor allem Rechtsverteidiger Danilo recht zurückhaltend agierte, hätten die Österreicher ausnützen müssen. Und dafür war das 3-3-3-1, mit dem Andi Heraf seine Mannschaft auf das Feld schickte, eigentlich prädestiniert. Windbichler vervollständigte die Dreier-Abwehr mit Schimpelsberger und Rath, Dilaver gab den linken und Ziegl den rechten Wing-Back. Davor spielten Klem und Farkas als Außenstürmer.
Zumindest nominell – denn beide schmiegten sich sehr recht nahe an den zentral aufgestellten Robert Gucher. Das an sich wäre noch nicht das Problem gewesen, aber auch Ziegl und vor allem Dilaver zogen dahinter schon extrem früh nach innen, was dem österreichischen Spiel jede Breite nahm und den ohnehin nicht direkt auf den Flügelpostierten Mittelfeld-Außen der Brasilianer hervorragend in die Hände spielte.
Die Seleção braucht etwas
Die Brasilianer wirkten zunächst ob des sicherlich unerwarteten Sytems der Österreicher etwas verwirrt, und so dauerte es ein wenig, bis die Favoriten auf Temperatur kamen. Was auch daran lag, dass Alex Sandro (bzw. der früh für ihn eingewechselten Gabriel Silva) und Danilo auf den Außenbahnen, obwohl sie defensiv kaum gefordert waren, nicht besonders konsequent mit nach vorne gingen.
Dafür hatte man Österreich defensiv sehr gut im Griff, weil durch die halbinnen postierten Mittelfeld-Außen die Räume für den Gegner gut zugestellt waren, dem rot-weiß-roten Team so nur noch lange Bälle für die Spieleröffnung blieben und kaum einmal drei Pässe hintereinander ankamen. Die Österreicher hatten in der ganzen ersten Hälfte nur eine wirklich zusammenhängende und auch zum Abschluss gebrachte Aktion.
Weder kann man Andi Weimann in der Spitze eine schlechte Leistung unterstellen, noch haben in die Brasilianer speziell bewacht – es kamen einfach keine Anspiele von hinten. Der Villain war ein armer Hund – nicht ein einziges Mal ging mal ein Österreicher bis zur Grundlinie durch und flankte, nicht ein einziges Mal gelang es, in den Rücken der brasilianischen Viererkette zu kommen, es gab auch kein wirkungsvolles Pressing, mit dem der ballführende Brasilianer unter Druck gesetzt wurde. So hatte die Seleção überhaupt keine Probleme.
Führung dank Klasse
Die Brasilianer machten nach vorne nichts bahnbrechend systematisch durchdachtes, sondern verließen sich eher darauf, dass sie schlicht die klar besseren Fußballer sind. So war es nicht überraschend, als nach 37 Minuten doch die Führung für die Seleção fiel – bei einer Kurzpass-Staffette in den Strafraum ließ sich Schimpelsberger aus der Position ziehen, ein schneller Pass in das entstandene Loch auf Henrique folgte, und dieser erzielte das 1:0.
Das war ein sichtlicher psychischer Rückschlag für die Österreicher, die nun versuchten, ohne weiteren Schaden in die Halbzeit zu kommen. Das zuvor schon zu enge Spiel wurde aus Angst vor einem möglichen zweiten Gegentor wohl eher instiktiv nicht in die Breite gezogen, und doch traf Henrique in der 45. Minute noch die Latte.
Herafs Wechsel verpuffen, Francos Umstellung fruchtet
Beide Teamchefs ließen ihre Grundordnung während der ganzen 90 Minuten unangetastet, dennoch waren ihre Umstellungen innerhalb des Systems durchaus nicht uninteressant. Andreas Heraf wechselte in der Halbzeit den für den verletzten Marko Djuricin nachnominierten Holland-Legionär Radovan Mitrovic ein und stellte auch ihn auf die Zehn. Was genau gar keine Wirkung zeigte: An Mitrovic lief das Spiel genauso vorbei wie an Gucher vor ihm, seine Ballkontakte kann man an einer Hand abzählen.
Ney Franco ließ für den zweiten Durchgang auf der linken Seite Oscar und Gabriel Silva tauschen – der Linksverteidiger Gabriel Silva rückte auf, dafür ging Oscar nach hinten. Damit konnte Silva seinen Offensivdrang ausleben und Oscar sorgte für zusätlichen Druck von hinten, zog zudem immer wieder in die Mitte und verleitete damit Ziegl dazu, seine Position zu verlassen.
Brasilien sorgt für die Entscheidung
Die Folge war erhöhter Druck der Brasilianer, weil es mit Oscar nun einen wirkungsvollen Spieleröffner aus der Tiefe gab, der sich geschickt zwischen den österreichischen Reihen bewegte und beim ÖFB-Team Probleme beim Übergeben provozierte, es war nie wirklich klar, wer sich nun wann um ihn kümmerte. Und dann kamen auch noch in so einem Spiel tödliche Fehler dazu – sich auskontern zu lassen, wenn man eh kaum aus der eigenen Hälfte herauskommt (wie beim 0:2, nachdem der Referee Radlingers Eingreifen als Foul und Coutinho den Elfer verwandelte), darf natürlich nicht passieren.
Heraf nahm nun Ziegl aus dem Spiel und versuchte mit Teigl, für mehr Druck nach vorne zu sorgen. Das hatte gegen Panama ja ganz gut geklappt, war diesmal aber ebenso wirkungslos wie der Versuch, mit dem Hünen Zulj statt des schnellen Weimann einen Zielpunkt für lange Bälle in der Spitze zu bringen. Und als sich die Seleção nach einer Stunde zum von Willian erzielten 3:0 durch die ÖFB-Abwehr kombinierte, war das Spiel gelaufen.
Was man auch an der brasilianischen Formation sah: Denn nun ging Gabriel Silva wieder zurück auf die Position des Linksverteidigers, Oscar rückte wieder etwas auf – und die Südamerikaner schalteten um in den Verwalte-Modus. Dass man die letzten Minuten zu zehnt absolvierten musste, war für das Spiel selbst egal. Der fiese Tritt von Mitrovic auf die Achillessehne von Casemiro (der eben nicht mehr ausgewechselt werden konnte, weil das Kontingent bereits erschöpft war) könnte für den 19-Jährigen vom FC São Paulo aber nachhaltigen Effekt haben.
Fazit: Brasilien besser, Österreich zu eng
Das Hauptproblem am eigenen Spiel der Österreicher war, dass das gegen ein Vierer-Mittelfeld mit Raute durchaus taugliche System des 3-3-3-1 viel zu eng interpretiert wurde. Vor allem Dilaver zog immer viel zu früh ins Zentrum, sodass der Gegner zu keinem Zeitpunkt so auseinander gezogen worden wäre, dass man im Zentrum Platz genereieren hätten können; andererseits gelang es so natürlich auch nicht, über die Flügel für Druck zu sorgen. Das System, mit dem ausgerechnet Andi Herafs Spezialfreund Paul Gludovatz in Ried wunderbare Erfolge feiert, wurde in diesem Spiel schlicht falsch interpretiert.
Natürlich: Die klar überlegene individuelle Klasse der Brasilianer wäre wohl so oder so zu viel gewesen, um zu einem Erfolgserlebnis zu kommen, das muss man ganz klar so anerkennen – die Seleçã war einfach klar besser und hat auch in der Höhe verdient gewonnen.
Was für Österreich aber im Hinblick auf das letzte Gruppenspiel gegen Ägypten (die gegen Panama mit viel Mühe 1:0 gewannen) keinen wirklichen Unterschied macht: Ein Sieg mit zwei Toren Differenz, und man steht fix im Viertelfinale. Ein Sieg mit einem Tor Differenz, und es schaut immer noch gut aus, als Gruppendritter noch durch zu rutschen. Alles andere ist zu wenig.
Die gleiche Ausgangspostion wie vor einem Jahr bei der U19-EM vor dem letzten Gruppenspiel gegen Holland. Und damals hat’s ja geklappt.
(phe)