Südafrika 2010 – Achtelfinals 5 und 6 | Die beiden Favoriten in der oberen Hälfte des WM-Brackets gaben sich keine Blöße: Holland kommt zu einem nie gefährdeten Sieg gegen biedere Slowaken, die Brasilianer zu einem klaren Erfolg gegen allerdings mutige Chilenen.
Holland – Slowakei 2:1 (1:0)
Arjen Robben von Beginn an – das war die große Änderung bei den Holländern. Der Bayern-Star ging auf die rechte Seite im 4-2-3-1, Kuyt rückte dafür auf links. Und die Tatsache, dass der taktisch undisziplinierte Van der Vaart nicht dabei war, tat dem Spiel der Holländer inhaltlich extrem gut: Ohne Van der Vaart, der ständig seine Flanke verließ, spielten die Holländer gleich wesentlich konsequenter über die Außen. Die Holländer wussten, dass sie gegen die Slowakei Favorit sind, und kontrollierten das Spiel von Beginn an. Eine Chance gab es für Van Persie, diese ging nicht hinein – setzte aber den Ton.
Oranje spielte es wie auch in der Vorrunde. Ohne den ganz großen Schwung, aber sehr kontrolliert; abwartend, aber die Slowaken mussten ständig auf der Hut vor dem entscheidenden Pass sein. Einmal war der WM-Debütant zu weit aufgerückt, der lange Ball auf Robben kam an, Van Persie kreuzte und verwirrte die Abwehr, und schon stand es 1:0 – der Schlüssel zum Spiel der Holländer. Denn nun konnten sie den Slowaken das Spiel aufdrängen, das diese partout nicht haben wollten, weil sie es auf diesem Niveau nicht können – nämlich selbst für die Akzente zu sorgen. Sneijder und Co. zogen sich zurück, machten das Mittelfeld dicht, und die Slowaken mussten nun kommen.
Und das taten sich nicht besonders gut. Sechser Kucka fand die Anspielstationen nicht, Hamšík tauchte einmal mehr völlig unter, Trainersohn Weiss konnte in der Zentrale gegen die sichere Defensive der Holländer nichts ausrichten, Jendrišek verließ zu oft seine linke Seite, Stoch brachte von rechts wenig in die Zentrale, und Vittek hing dort in der Luft. So plätscherte das Spiel vor sich hin, die Slowaken waren mit dem Gestalten überfordert, und die Holländer lauerten auf Löcher für den schnellen Gegenstoß.
Die Holländer langweilten sich wohl selbst ein wenig, denn zu Beginn der zweiten Hälfte wurde Oranje wieder aktiver und die Slowaken, bei denen Jendrišek nun in die Spitze ging, Vittek dafür zurück und Weiss nach rechts wurden um nichts besser – da konnten sie sogar bei ihrer Nicht-Leistung gegen Paraguay mehr zeigen. Und als sie nach 20 Minuten in der zweiten Hälfte erstmals wieder wirklich aufgerückt waren, hätten sie sich aus einem schnellen Konter beinahe das 0:2 eingefangen. So signalisierten die Holländer: „Wenn ihr selbst nix macht, trefft ihr nix. Und wenn ihr was macht, kontern wir euch aus. Wir haben euch, und ihr wisst das!“ Die erste wirklich gute Chance für die Slowaken durch Vittek kam nur zu Stande, weil hinten leichtfertig auf Abseits gespielt wurde.
Die Slowaken spürten nun, dass es nicht mehr reichen würden, es drängte nun alles in die Mitte und das zuvor recht disziplinierte Positionsspiel brach komplett in sich zusammen. Und zehn Minuten vor Schluss fingen sie sich das 0:2 dann doch noch ein – der sonst sichere Torhüter Mucha verschätzte sich bei einem 50m-Freistoß komplett, Kuyt schob den Ball unbedrängt in die Mitte und Sneijder verwertete das Zuspiel. Dass Vittek mit dem Schlusspfiff per Elfmeter das 1:2 markierte, war nur noch Kosmetik.
Fazit: Die Holländer zeigten, was sie schon in der Vorrunde zeigten: Das Spiel im Griff, und das unspektakulär und schnörkellos. Den Slowaken fehlten schlicht und einfach die Mittel, den souveränen Gegner ernsthaft in Gefahr zu bringen. Der Sieg ist natürlich hochverdient, aber es wurde nun auch im vierten Spiel nicht klar, zu was die Holländer wirklich in der Lage sind.
————————
Brasilien – Chile 3:0 (2:0)
„Diese kleinen, wuseligen Chilenen“, werden sich die Brasilianer vor dem Spiel gedacht haben, „die bekommen wir nicht auskombiniert.“ Darum hieß das unbrasilianische Konzept von Anfang an: Hohe Bälle, Freistöße, Ecken. So gesehen logisch, dass das 1:0 für die Brasilianer genau aus einem Eckball viel. Aber alles der Reihe nach.
Carlos Dunga spielte diesmal mit einer Raute im Mittelfeld: Dani Alves (statt dem angeschlagenen Elano) rechts, Ramires (statt dem angeschlagenen Felipe Melo) links, Gilberto Silva als klassischer Sechser, und Kaká als echter Zehner hinter den Spitzen Luís Fabiano und Robinho. Die Lücke, die zwischen den drei Offensiven und dem Rest aber immer wieder aufgerissen wurde, war recht groß und das brasilianische Mittelfeld fand gegen die flinken Chilenen zunächt kein echtes Mittel.
Beim Team von Marcelo Bielsa wurde schnell sichtbar, dass man mit Luís Fabiano als Solospitze gerechnet hatte, weil eine Viererkette spielte – und zwar eine völlig umgestellte. Für die gesperrten Medel und Ponce kamen Fuentes und Contreras in die Mannschaft, Isla war der geplante Rechts- und Vidal der geplante Linksverteidiger. Weil aber Robinho in der Tat einen zweiten echten Stürmer gab, musste schnell von Vierer- auf Dreierkette umgestellt werden. Arturo Vidal orientierte sich dafür mehr ins defensive halblinke Mittelfeld. Damit entstand ein Ungleichgewicht: Mit Vidal, González und Beausejour beackerten nun drei Mann die linke Seite, Alexis Sánchez war auf der rechten auf sich alleine gestellt und somit aus dem Spiel.
Die Brasilianer verteidigten das mit zunehmender Spieldauer immer besser, auch weil in der chilenischen Formation der normalerweise immer eingeplante Trequartista, der Spielmacher, im offensiven Zentrum fehlte. Dann kam das angesprochene 1:0, kurz darauf spielte Kaká, Robinho und Luís Fabiano die völlig umformierte Abwehr doch einmal aus und stellten auf 2:0. Damit war das Spiel im Grunde entschieden.
In der Pause stellte Bielsa wieder die gewohnte Grundordnung her: Mit Valdivia (für Contreras) kam nun ein Zehner für einen Verteidiger, Vidal ging dafür vom halblinken Mittelfeld in die Dreierkette und Tello ersetzte Mark González auf der linken Seite. Alleine, die Brasilianer spielten nun trocken ihr Spiel herunter und den Chilenen fehlte nach der engen Vorrunde und ihrem kräfteraubenden Spiel nun neben der individuellen Qualität auch die Luft, die Seleção wirklich noch einmal ins Wanken zu bringen. Die Brasilianer erlaubten mit konsequentem Doppeln und gutem Zustellen der Räume nur noch eine Schein-Druckphase, wie sie etwa die Engländer gegen Deutschland hatte. Torgefahr kam keine auf – und mit dem billigen Solo-Konter von Ramires, den Robinho zum 3:0 abschloss, waren die Chilenen endgültig erlegt.
Die Chilenen können nun mal nicht anders als nach vorne, und darum versuchten sie es gegen nun absolut souveräne Brasilianer weiterhin. Dennoch ist das Spiel mit einem Kampf eines kleinen Bruders gegen einen großen vergleichbar, der den tampferen, aber zu kleinen am ausgestrecken Arm sich austoben lässt. Dunga hatte sogar noch die Gelegenheit, ein paar Reservisten zu bringen. Und auch das Streben der Chilenen nach einem Ehrentor war letztlich nicht mehr von Erfolg gekrönt.
Fazit: Mit den Brasilianer setzte sich die reifere Mannschaft mit der höheren individuellen Qualität durch. Die Chilenen müssen sich aber nicht grämen: Sie haben ein wunderbares Turnier gezeigt und sich auch gegen die übermächtige Seleção nicht versteckt.
(phe)