Ehe Österreichs Nationalteam gegen San Marino (im Happel-Stadion) und in Rumänien antritt, nochmal ein kurzer Blick zurück auf die beiden Matches im September: Das ÖFB-Team gewann dabei 1:0 in Linz gegen Zypern und 2:1 in Zenica gegen Bosnien-Herzegowina, brachte sich damit in eine sehr gute Position im Rennen um den Gruppensieg und damit das direkte Ticket für die WM-Endrunde im kommenden Jahr.
Besonders großen Spaß gemacht haben die beiden Matches aber nicht, vor allem jenes gegen Zypern. Nur: War es wirklich so mau gegen Zypern? War es wirklich so fahrig in diesem hektischen Match in Bosnien? Oder waren es nicht womöglich eher zwei überwiegend seriöse Auftritte, aus denen man sechs Punkte mitgenommen hat und zwei unangenehme Tests, die Österreich letztlich doch bestanden hat – quasi als Zeichen eines verlässlichen Teams?

Das 1:0 gegen Zypern
Die Erinnerung an dieses Match sagt: Ein Loch im Rasen auf der Linzer Gugl, ein softer Elfmeter zum 1:0-Sieg und ein ziemlich mühsames Gewürge. Das ist alles nicht gänzlich falsch, aber was machte denn das Spiel so zäh?
Die Zyprioten zwangen Österreich grundsätzlich den Ballbesitz auf, schlossen die Passwege aus der ersten Reihe und zwangen das ÖFB-Team tendenziell auf die Flügel bzw. in einen brotlosen Ballbesitz (71 Prozent). Sie liefen die Österreicher vorne situativ schon an, aber nur halbherzig – nichts, womit Alaba und Lienhart wirklich Probleme gehabt hätten. Erstaunlich und aus zypriotischer Sicht gefährlich war jedoch, dass die Gäste im Block relativ weit aufrückten, wenn sie vorne doch mal den Ball hatten. Denn das österreichische Gegenpressing griff gut, auch wenn diese Räume selten bis zum Abschluss bespielt werden konnten. Das war eher ein Österreich-Thema als ein Zypern-Thema.
Das hieß aber auch: Zypern brachte aus dem Spiel heraus so gut wie nichts konstruktiv über zwei, drei Stationen oder gar mehr nach vorne, weil sofort zwei, drei Österreicher in Ballnähe Druck ausgeübt haben – die Gäste waren aus Weitschüssen semi-gefährlich, bei Standards sehr gefährlich, aber aus dem Spiel heraus überhaupt nicht.

Durch das Gewühl vor dem Strafraum kam Österreich nicht durch, so brauchte es eben den Elfmeter: Shielis war Baumgartner nach dessen Torschuss eher unglücklich aus der Bewegung als bösartig mit Absicht auf den Fuß getreten, Sabitzer verwertete. Der Favorit war nun nicht mehr zum Risiko oder zum großen Vorwärtsdrang gezwungen und begnügte sich damit, seriös weiterhin die Zyprioten mit Gegenpressing in Schach zu halten. Unterhaltsam war das nicht, aber es gab die drei Pflicht-Punkte.
Das 2:1 in Bosnien
Die Erinnerung an dieses Match sagt: Ralf Rangnick auf dem E-Bike, ein intensives Kampfspiel, Bosnien sehr robust, aber Österreich hält dagegen und erarbeitet sich den 2:1-Sieg in einem Spiel, das womöglich für das WM-Ticket schon vorentscheidend war. Und ja, das trifft’s durchaus.
Die Bosnier liefen nämlich die Österreich wesentlich schärfer und wesentlich konsequenter an, als es die Zyprioten getan haben. Das setzte Alaba und Lienhart sehr wohl unter Druck, weswegen sich Seiwald gerade in der Anfangsphase sehr oft zwischen die beiden fallen ließ, um eine 3-gegen-2-Überzahl gegen Džeko und Demirović zu haben; später ging statt Seiwald dann Xaver Schlager als Hilfe nach hinten.

Weil aber auch die restlichen Bosnier sehr schnell und sehr robust in Ballnähe waren und keinen Zweikampf scheuten, tat sich Österreich schwer im Aufbau und weil die Bosnier sehr rasch sehr vertikal spielten – ohne dabei aber viele blinde Pässe zu produzieren – entzogen sie sich auch dem österreichischen Pressing. Das Resultat war ein extrem intensives, sehr zweikampfbetontes Match.
Die Bosnier wollten Österreich also ein Spiel aufzwingen, das sie selbst gut können. Das ÖFB-Team hielt aber mit cleveren Maßnahmen (eben die abkippende Sechs gegen das hohe Anlaufen) und vor allem mit Einsatz und eigener Robustheit dagegen: Man nahm den Kampf an und ließ sich weder vom aggressiven Gegner noch der dichten Atmosphäre im alten Bilino Polje einschüchtern.
Ein Geniestreich von Marcel Sabitzer führte kurz nach Beginn der zweiten Halbzeit zum 1:0 für Österreich. Edin Džeko glich zwar nur wenige Sekunden nach Wiederanpfiff aus, aber wenig später bot sich einmal ein Loch in der bosnischen Abwehr, Arnautovic‘ Versuch landete bei Laimer und Muharemović hatte das Abseits aufgehoben – das 2:1 für Österreich.
Bosniens Teamchef Sergej Barbarez versuchte, mit einem Dreifach-Wechsel (Alajbegović, Bajraktarević und Bašić nur für das Mittelfeld) die Intensität hochzuhalten. Aber weil Österreich nun selbst – wie nach der Führung gegen Zypern – nicht mehr in dringliche Offensive gezwungen war und mit Grillitsch ein kontrollierendes Element im Zentrum (für Schlager) und mit dem in der Nachspielzeit eher unnötig ausgeschlossenen Wimmer (für Schmid) wiederum frischer Wirbel auf die rechte Außenbahn gebracht wurde, wurde die Aufgabe für Bosnien nicht leichter. In der Schlussphase, mit der Brechstange in der Hand, drückten sie, letztlich hatte Bosnien auch einen Expected-Goals-Vorteil von 1,9 zu 1,3 – aber der Ausgleich fiel nicht mehr.
Was uns diese beiden Spiele sagen…
Schwungvolle Unterhaltung waren die beiden Spiele gegen Zypern und Bosnien nicht, aber es wurden die nötigen Punkte eingefahren. Viel mehr kann man in dieser Phase der Qualifikation gegen diese Gegner nicht verlangen, gerade wenn die eigene Spielweise eher auf Spiele gegen starke Teams ausgerichtet ist.
Zypern hat darauf gesetzt, dass Österreich im Ballbesitz nichts einfällt und Bosnien hat darauf gesetzt, dass man sich dem österreichischen Pressing entzieht und selbst die Intensität des Spiels bestimmt. Beides hat grundsätzlich ganz gut funktioniert, dennoch hat sich Österreich durchgesetzt: Weil man die gewissen Vorteile in der individuellen Klasse hat, vor allem aber weil man cool geblieben ist. Gegen Zypern immer, gegen Bosnien zumindest bis zu 75. Minute.
Die Wahrheit ist aber halt auch: Wenn das österreichische Team in dieser Zusammensetzung in der deutschen Bundesliga spielt, ist es wohl ein Team aus dem gehobenen Mittelfeld. Die Gegner waren ein schon ambitionierter, aber im Vergleich halt auch sehr limitierter guter Drittligist (Zypern) und ein extrem griffiges, ungut zu bespielendes Zweitliga-Spitzenteam (Bosnien – mit z.B. Katić von Schalke, Gigović war letztes Jahr in Kiel, Muharemović ist mit Sassuolo aufgestiegen). Man darf sich schon schwer tun, man sollte das aber schon für sich entscheiden.
…auch im Hinblick auf die nächsten Spiele
Um in diesem Bild zu bleiben, für San Marino spielen Kicker aus der 4. Liga in Italien und der eigenen Meisterschaft, schon ein abgelenktes Österreich lag dort im Juni schon nach einer halben Stunde mit 4:0 in Front, da geht es nur um die Höhe. Und zwar buchstäblich: Da es sich um eine FIFA-Qualifikation handelt, zählt bei Punktgleichheit nicht der Direktvergleich, sondern die Tordifferenz. Bosnien hat in den beiden Spielen gegen San Marino +7 vorgelegt (1:0 und 6:0), Österreich würde diese Marke mit einem Plus-drei-Sieg egalisieren. Es wäre hilfreich, in das abschließende Spiel daheim gegen Bosnien im November mit einem gewissen Polster zu gehen.
Und Rumänien? Im Heimspiel im Juni ist das ÖFB-Team zu einem ungefährdeten 2:1-Sieg gekommen, der wesentlich knapper aussieht, als er war. Nach der Pleite in Wien, der Heimniederlage gegen Bosnien und zuletzt dem 2:2 in Zypern sind die Rumänen de facto aus dem Rennen, zudem gab es ein 0:3 in einem Test gegen Kanada. Teamchef Mircea Lucescu hatte sogar schon seinen sofortigen Rücktritt angeboten, spätestens nach Ende der Qualifikation wird der 80-Jährige den Hut nehmen.
Was ist also von Rumänien zu erwarten? Eine Trotzreaktion oder ist er nur noch lästige Pflicht? Für die 55.000 Menschen fassende Nationalarena von Bukarest wurden jedenfalls erst rund 30.000 Tickets abgesetzt, nachdem die ersten beiden Heimspiele (gegen Bosnien und Zypern) praktisch ausverkauft waren. Im Kader fehlen Stammkräfte wie Linksverteidiger Bancu (gesperrt), Spielgestalter Stanciu und Offensivspieler Drăguș (beide verletzt) sowie Einser-Torhüter Horațiu Moldovan, der bei Oviedo nur Ersatz ist und Routinier Chiricheș, der in Wien auf der Sechs zum Einsatz gekommen war, bei FCSB aber keinen Stammplatz mehr hat. Sehr wohl dabei sind hingegen fünf Akteure, die noch nie im rumänischen Team gespielt haben und weitere zwölf, die bei weniger als zehn Länderspielen stehen.
In Wien waren die Rumänen stark mannorientiert und sie haben versucht – wie Bosnien – den österreichischen Rhythmus zu brechen, daran wird sich auch bei veränderten Personal nicht viel geändert haben, auch auf Zypern hatte Rumänien dem Gegner den Ballbesitz überlassen. Wenn Österreich cool bleibt, wie beim Hinspiel, und im Angriffsdrittel die höhere individuelle Klasse zwei-, dreimal ausnützen kann, wird Österreich gewinnen. Aber Vorsicht bleibt geboten.
Altbekannte Defizite
Und das ist auch eine Erkenntnis aus den beiden Spielen im September, wiewohl es keine neue ist: Die Gruppe ist vergleichsweise schwach, Österreich ist klarer Favorit und wird dieser Rolle bisher auch ganz gut gerecht. Nur braucht es dafür eben die individuellen Momente (der Drehschuss von Sabitzer in Zenica) oder die Fehler des Gegners (Rumänien schläft beim Einwurf, der zyprische Verteidiger steigt Baumgartner auf den Fuß). Der Aufbau spielt in der Rangnick’schen Spielidee nicht die zentralste Rolle, diese Spielidee hat in den dreieinhalb Jahren seiner Amtszeit deutlich mehr Erfolge gebracht als folgenreiche Misserfolge.
Beim Blick in die mittelfristige Zukunft lassen sich aber Bedenken nicht beiseite wischen. Weil eben das Personal für den kontrollierten Aufbau in der österreichischen Ausbildung eher nicht geformt wird und die beiden Stamm-Stürmer ein 31-Jähriger von Brøndby und ein 36-jähriger Wechselspieler von Roter Stern Belgrad sind. Das ist ja auch dem ORF nicht entgangen, auch wenn sich Peter Schöttel in der Runde mit Peter Pacult und Dominik Thalhammer eher mit ruhig vorgetragenen Allgemeinaussagen aus der Affäre zu ziehen versuchte.
Das zu ändern ist eher ein Ziel für die WM in Saudi-Arabien 2034, jetzt geht es erstmal um die Teilnahme an jener in Nordamerika 2026. Hier ist Österreich voll auf Kurs, auch wenn’s nicht immer Spaß gemacht hat. Aber um die Kür geht’s ja auch erst nächsten Sommer. Jetzt wartet erstmal noch die Pflicht.