Österreichs Fußball-Frauen kamen vor allem in der Schlussphase heftig unter Druck und lieferten dem Weltranglisten-Dritten aus Frankreich eine kernige Abwehrschlacht. Sie hielten aber Stand und zitterten das 0:0 über die Zeit. Mit diesem Punkt gegen den Gruppenkopf ist das EM-Ticket für die auf 2022 verschobene Endrunde in England zum Greifen nahe, die ÖFB-Frauen haben nun alles in der eigenen Hand.
Ohne das Tempo einer Julia Hickelsberger (Knie kaputt) und ohne die Routine einer Laura Feiersinger (Sehne im Fuß beleidigt) und ohne die Energie einer Marie Höbinger (Knie lädiert) musste Teamchefin Irene Fuhrmann gegen den Gruppenkopf, der seine letzten 32 EM- und WM-Qualispiele seit 2010 allesamt gewonnen hat (und in Gruppen sogar 46 seit 2007, das 0:0 gegen Italien vor zehn Jahren war im Playoff), auskommen.
Strategie gegen Frankreichs Flügel-Tempo
Da Frankreich seit Jahren konsequent über die Flügel aufbaut und dort auch viel Tempo zur Verfügung steht, war vor allem der Ausfall von Hickelsberger eine Hypothek. Die 21-Jährige, die sich zuletzt in Kasachstan schwer verletzt hatte, ist maßgeblich für das österreichische Spiel geworden. „Auch körperlich können wir nicht 90 Minuten Angriffspressing spielen“, sagte Fuhrmann schon vor einem Monat über das Frankreich-Spiel, „Außerdem sind die mit ihrem Tempo ja weg, überlaufen uns!“ Ein Moped würde es da brauchen, sagte die Teamchefin vor ihrem zweiten Länderspiel scherzhaft.
Also musste eine andere Strategie her. Österreich stellte sich in einem 5-4-1 auf, das seinen klaren Fokus auf die defensive Kontrolle der französischen Flügel hatte. Sprich: Wenn die Französinnen am Flügel schnell sein können, dann soll ihnen das wenigstens nix bringen. Dass sich Frankreichs Teamchefin Diacre mit den Lyon-Spielerinnen überworfen zu haben scheint und ihre zwei schnellsten und trickreichsten Flügelspielerinnen Majri und Cascarino draußen ließ, hat Österreich zumindest nicht geschadet.
3-gegen-2-Situationen herstellen
Gegen das französische 4-1-4-1 konnte Österreich auf den Außenbahnen 3-gegen-2-Situationen herstellen: Die nominelle Flügelstürmerinnen (Enzinger bzw. Dunst) hatten mit den Wing-Backs (Wienroither bzw. Aschauer) und den äußeren Spielerinnen drei Dreierkette (Kirchberger bzw. Schnaderbeck) Überzahl gegen die französischen Flügel-Duos.
„Wir wussten, dass wir die Doppelpässe auf den Flügeln kontrollieren müssen“, so Fuhrmann, „da wurde uns im März bei den beiden Testspielen gegen die Schweiz schon einiges aufgezeigt.“ Dort wurde speziell mit Blick auf das eigentlich im April geplante Match gegen Frankreich probiert, Doppelpässe auf den Außenbahnen relativ tief zu verteidigen.
Torrent und vor allem Karchaoui rückten nun oft weit auf und spielten ihre Doppelpässe mit den schnell antretenden Diani und Asseyi, zumeist war aber irgendwann doch ein österreichisches Bein dazwischen. Die Hereingaben in die grobe Richtung von Zentrumsstürmerin Gauvin wurden Beute von Torhüterin Zinsberger.
Frankreich: Dynamische Antritte, aber statisches Aufbaugefüge
Auf der Sechs spielte bei Frankreich nicht die ausgebootete Amandine Henry, sondern Charlotte Bilbault: Eine 30-Jährige, die im Team nie über den Status der Reservistin hinaus gekommen ist und auf dieser Position aktuell bestenfalls die viertbeste Französin ist (hinter Henry, der aus dem Team zurückgetretenen Bussaglia und Geyoro, die vor ihr auf der Acht spielte). Anders als Henry, die das Spiel exzellent lesen kann und die Angriffe aus der Tiefe orchestriert, war Bilbault einfach nur da. Akzente setzte sie keine, zumeist lief das Spielgeschehen an ihr vorbei, weil Frankreich den Aufbau schon aus der Abwehr heraus auf die Außenbahnen lenkte.
Damit waren zwar die Antritte und die Spielerinnen selbst durchaus dynamisch, das Gefüge war aber sehr statisch und berechenbar. Eugénie Le Sommer, die als Offensiv-Allrounderin sowohl ganz vorne, als hängende Spitze oder auf den Flügeln Weltklasse ist, musste auf der Acht ran, was deutlich nicht ihre Position ist. Sie bemühte sich, es fehlen Frankreich aber dort die Automatismen.
Zudem rückten Le Sommer und Geyoro oft weit auf und verfingen sich zwischen der österreichischen Fünfer-Abwehrkette und dem Vierer-Mittelfeld, dafür war der Rückraum bis auf die zuweilen etwas verloren wirkende Bilbault verwaist. Somit fiel Frankreich oft sogar der simple Seitenwechsel schwer, der mit Henry stets eine zügig gespielte Option ist.
Wenig offensive Entlastung
Frankreich kam in der ersten Hälfte durchaus zu einigen Tormöglichkeiten, nützte diese aber nicht. „Sich einfach nur hinten reinstellen und hoffen, dass nix passiert, geht gegen Frankreich fast zwangläufig schief“, so Fuhrmann schon vor Wochen, „darum müssen wir gerade im Heimspiel auch mal draufgehen!“ Das wurde gemacht, sobald man sich halbwegs in der gegnerischen Hälfte festgestetzt oder dort einen Einwurf herausgeholt hatte.
Im Ganzen gab es aber sehr wenig offensive Entlastung, spätestens der dritte Pass nach vorne war ungenau, wurde abgefangen oder ließ den Gegenangriff anderweitig versanden. Mehr als ein, zwei Halbchancen schauten in der ersten Hälfe für die ÖFB-Frauen nicht heraus. Pauline Peyraud-Magnin, die sich letzte Saison bei Arsenal die Einsatzzeit im Tor mit Manuela Zinsberger teilte, musste einmal eingreifen – bei einem Eckball.
„Grundsätzlich war schon der Plan, öfter höher zu pressen, aber das war körperlich nicht möglich, die Intensität in der Defensive war zu groß“, so Fuhrmann nach dem Spiel, „wichtig war, Frankreich möglichst wenig in offene Spielsituationen kommen zu lassen, weil die auf den ersten Metern so schnell sind.“
Es wird zur Abwehrschlacht
Kurz nach Beginn der zweiten Hälfte musste Sarah Puntigam vom Feld. Die Frankreich-Legionärin hatte sich zuvor in einem Zweikampf verletzt, für sie kam Jasmin Eder. Bei Frankreich wurde zwar auch „nur“ positionsgetreu gewechselt – besonders inhaltlich inspirierend war der Input der schwer umstrittenen Diacre also nicht – aber mit Cascarino (für Asseyi) und De Almeida (für Torrent) kamen nach einer Stunde frische Spielerinnen für die Außenbahnen.
Das zeigte zunehmend Wirkung, zumal eine Viertelstunde vor Schluss auch die flinke Majri (statt Geyoro) kam. Mit ihnen baute das körperlich nun erheblich frischere französische Team zunehmend mehr Druck auf und Österreich konnte endgültig nur noch die Bälle hinten raus dreschen. Kontrolliert in den französische Hälfte kamen die ÖFB-Frauen nicht mehr.
In dieser Phase brauchte es einiges an Glück, gute Nerven und die eine oder andere Heldentat von Torhüterin Manuela Zinsberger, die alleine in der Nachspielzeit noch einen Freistoß fing, den Sarah Zadrazil haarscharf außerhalb des Strafraumes hergegeben hat und in der 95. Minute bekam sie einen Abschluss von Katoto gerade noch zu fassen.
Fazit: Das Glück erzwungen
Bei Corinne Diacres Frankreich drängen sich Vergleiche zu Niko Kovac‘ Bayern geradezu auf: Ein Team mit hoher individueller Qualität, das aber völlig phantasielos gecoacht wird und seine Spiele wegen der Klasse der Spielerinnen gewinnt, aber inhaltlich nichts zu bieten hat. Das war bei der Heim-WM 2019 zu sehen, die für Frankreich sang- und klanglos im Viertelfinale endete und das war unter Diacres Vorgänger Olivier Echouafni auch schon nicht anders. Man erinnere sich an das ratlose 1:1 gegen Österreich bei der EM 2017.
Weil die ÖFB-Frauen nicht mit den französischen Sprinterinnen mitlaufen können, wurde das Spiel defensiv angelegt und damit gebremst. Die Doppelpässe auf den Flügeln wurden nicht immer unterbunden, aber in der Folge wurden die Angriffe doch fast immer gestoppt, ehe der Ball in den Strafraum kam.
Keine Frage, das 0:0 ist aus österreichischer Sicht aufgrund der letzten halben Stunde sehr schmeichelhaft. Aber der Punkt ist auf dem Konto, man hat seit dem EM-Halbfinale 2017 weiterhin nur ein einziges Pflichtspiel verloren und damit ist man in der EM-Qualifikation wieder auf einem sehr guten Weg. Ein 1:1 in Frankreich würde sogar den Weg zum Gruppensieg ebnen. Wahrscheinlicher ist aber, dass es über den Weg der Gruppenzweiten geht.
Die drei besten Zweiten fahren noch direkt zur EM-Endrunde und mit dem 0:0 gegen Frankreich ist Österreich nun sogar ganz vorne in der Wertung. Ein Heimsieg im abschließenden Match gegen Serbien am 1. Dezember wird aber auf jeden Fall noch geholt werden müssen, um sicher zu gehen.