WM-SERIE, Teil 5: JAPAN | In Asien eine große Nummer, auf der Weltbühne nur ein Nümmerchen: Acht Jahre nach der Heim-WM ist der Fußball aus dem Land der aufgehenden Sonne immer noch nicht so richtig angekommen. Auch, weil seit Nakatas Abgang ein Star mit Klasse fehlt.
Hidetoshi Nakata war über Jahre hinweg das Gesicht, mit dem man die japanische Mannschaft in Verbindung brachte. Er spielte in Parma und bei der Roma, und zwar zu einer Zeit, als diese Teams noch zur erweiterten Spitze Europas zählten. Nakata war das Symbol des Aufschwungs in einem Land, dessen Liga lange nur als Ausgedinge alternder Profis galt; ähnlich wie jetzt die arabischen Scheich-Ligen. Er war bei jedem WM-Spiel der Japaner auf dem Feld – 1998 als Jungstar, 2002 als Hype-Figur im eigenen Land, 2006 als routinierter Kopf der Mannschaft. Nakata hat seine Karriere im Nationalteam nach der Weltmeisterschaft in Deutschland beendet.
Das hatte zwar keine außergewöhnlichen Auswirkungen auf die Performance der Mannschaft, sehr wohl aber auf ihre internationale Wahrnehmung. Der einzige verbliebene Japaner, der in Europa eine prominientere Rolle spielt, ist nun Shunsuke Nakamura. Als der Freistoß-Künstler noch bei Celtic Glasgow spielte, war er wenigstens noch international zu bestaunen. Doch seit der 31-Jährige letzten Sommer bei Espanyol Barcelona in der Mittelfeld-Anonymität der spanischen Liga untergetaucht ist, ist er zwar im Liga-Alltag deutlich mehr gefordert als bei Celtic, aber mit der breiten Wahrnehmung ist es endgültig vorbei.
Die verbliebenen Europa-Legionäre pendeln im Jahrestakt von einem (oft mäßig erfolgreichen) Klub zum nächsten, ohne sich bei einem wirklich durchsetzen zu können. Der Boom, mit dem Japaner im Zuge der Heim-WM bei Top-Teams unterkommen konnten, sind längst vorbei. Junichi Inamoto, einst bei Arsenal unter Vertrag, spielt bei Stade Rennes ebenso keine Rolle wie Shinji Ono, der mit Feyenoord immerhin den Uefa-Cup holte, bei Bochum. Außer Nakamura ist nur noch Makoto Hasebe bei einem relevanten europäischen Verein Stammspieler – er ist der rechte Mittelfeldmann beim deutschen Meister Wolfsburg.
Ansonsten bleiben Teamchef Takeshi Okada im Grunde nur noch Spieler, die aus der ordentlichen, aber sicher nicht überragend starken heimischen J-League kommen. Okada, der die Japaner schon bei deren WM-Debut in Frankreich 1998 betreut hatte, übernahm diesen Posten wieder, nachdem sein Vorgänger Ivica Osim im Zuge seines Schlaganfalls nicht mehr zur Verfügung stand. An ihm ist es nun, nach der erwartungsgemäß souverän geschafften Qualifikation die Mannschaft zu besseren Resultaten auf der Weltbühne zu führen, als das zum Beispiel bei der enttäuschenden Endrunde 2006 in Deutschland der Fall war.
Denn während es bei den beiden Asien-Meisterschaften seit der Heim-WM, wo die Japaner zwei Spiele gewannen und letztlich im Achtelfinale gegen die Türkei den Kürzeren zogen, zu einem Titel und einem Semifinal-Einzug reichte, ging darüber hinaus nicht mehr viel weiter. Ein mattes 0:0 gegen Kroatien und Niederlagen gegen Brasilien und Australien waren die Resultate bei der WM in Deutschland. Das soll in Südafrika besser werden – nicht zuletzt deshalb, weil die Japaner neben den Südkoreanern als einzige echte Hoffnung gilt, eine asiatische Mannschaft über einen längeren Zeitraum hinweg in das internationale Spitzenfeld zu bringen. Das zumindest wird mit der aktuellen Mannschaft kaum gelingen können, zu gering ist die Dichte an Klassespielern.
Zwischen den Pfosten vertraut Okada dem routinierten Seigo Narazaki, der bei seinem Klub in Nagoya einst auch mit Ivica Vastic zusammen gespielt hat. Vor ihm organisiert Kapitän Yuki Nakazawa die Viererkette, sein Partner in der Innenverteidigung ist der gebürtige Brasilianer Tulio Tanaka. Beide sind vor allem bei Standardsituationen oft auch als Kopfball-Optionen mit vorne zu finden – kein Wunder, mit 1.87m und 1.85m sind sie für japanische Verhältnisse absolute Hünen. Tulio könnte auch ins defensive Mittelfeld aufrücken, mangels echter Alternativen in der Abwehrzentrale ist das aber eher nicht zu erwarten. Links hinten ist Yuichi Komano gesetzt, rechts ist der Platz von Jungstar Atsuto Uchida: Der 22-Jährige vom amtierenden Meister, den Kashima Antlers wird schon jetzt mit einigen Teams in Europa, darunter Schalke 04, in Verbindung gebracht. Die Abwehr ist zwar das Prunkstück der Japaner – in der Qualifikation war der Gegentorschnitt gegen die überwiegend schwache kontinantale Konkurrenz unter eins pro Partie – aber Testspiele gegen Holland und Ghana (mit jeweils drei Gegentreffern) offenbarten schon Schwächen, wenn es gegen Teams mit WM-Format geht.
Im Mittelfeld sind die dominierenden Figuren natürlich die beiden Europa-Legionäre Makoto Hasebe (rechts) und Shunsuke Nakamura (links). Teamchef Okada lässt üblicherweise mit einem defensiven zentralen Mittelfeld spielen, für das kreative Moment sind die Stars auf den Außenbahnen verantwortlich. In der Zentrale selbst ist Erfahrung Trumpf: Yashuhito Endo (30) und Kengo Nakamura (29) bilden schon seit einigen Jahren das zentrale Zweiergespann.
Das Spiel der Japaner baut hauptsächlich auf Kombinationsspiel, guter Technik und Kondition auf, gegen starke Gegner auch gerne im Konter und vor allem auf die Freistöße von Shunsuke Nakamura, weniger aber auf große körperliche Robustheit. Und, vor allem in der Offensive, überhaupt nicht auf Kopfballstärke! Der größte japanische Angreifer, Italien-Legionär Takayuki Morimoto, ist gerade mal 1.80m groß – und nicht mal erste Wahl. Das sind in der Regel Shinji Okazaki und der erfahrenere Keiji Tamada. Beiden fehlt es jedoch vor allem gegen Abwehrkanten, wie sie in der WM-Gruppe von den Holländern, den Dänen und den Kamerunern zu erwarten sind, eklatant an Durchschlagskraft. Hier kann die Devise nur heißen, die Gegenspieler mit Schnelligkeit zu bezwingen.
So kann man damit rechnen, dass die Japaner nicht gerade viele Tore erzielen werden – schon in der Finalgruppe der Qualifikation gelangen in den acht Spielen gegen teils wirklich schwache Gegner nur elf Treffer. Viel mehr müssen die Asiaten danach trachten, hinten den Laden dicht zu halten und vorne auf geniale Freistoßmomente von Shunsuke Nakamura zu hoffen. Das alles ist natürlich als aussichtsreichste Strategie nicht besonders viel und wird sicherlich auf Dauer nicht reichen, ins internationale Spitzenfeld auch nur vorzustoßen – geschweige denn, sich dort zu etablieren.
Ja, schon in der Gruppe bei der WM-Endrunde ist kaum zu erwarten, dass es mit den vorhandenen Möglichkeiten der Japaner einen großen Schritt nach vorne gegenüber der letzten WM geben kann. Gelänge ein Sieg, wäre das schon fast eine Überraschung. Ginge es ins Achtelfinale, eine Sensation.
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JAPAN
blaues Trikot und weiße Hose, adidas – Platzierung im ELO-Ranking: 17.
Gruppenspiele in Südafrika:
Kamerun (Nachmittagsspiel Mo 14/06 in Bloemfontein)
Niederlande (Mittagsspiel Sa 19/06 in Durban)
Dänemark (Abendspiel Do 24/06 in Rustenberg)
eventuelles Achtelfinale gegen ein Team der Gruppe ITA/PAR/NZL/SVK
TEAM: Tor: Eiji Kawashima (27, Kawasaki), Seigo Narazaki (34, Nagoya), Shosaku Nishikawa (24, Oita). Abwehr: Yuichi Komano (28, Jubilo Iwata), Yasuyuki Konno (27, FC Tokio), Yuto Nagatomo (23, FC Tokio), Yuji Nakazawa (32, Yokohama), Marcus Tulio Tanaka (29, Nagoya), Yuhei Tokunaga (26, FC Tokio), Atsuto Uchida (22, Kashima). Mittelfeld: Yuki Abe (28, Urawa), Yasuhito Endo (30, Osaka), Makoto Hasebe (26, Wolfsburg), Hideo Hashimoto (31, Osaka), Keisuke Honda (24, Venlo), Junichi Inamoto (30, Rennes), Kengo Nakamura (29, Kawasaki), Shunsuke Nakamura (31, Espanyol). Angriff: Takayuki Morimoto (22, Catania), Shinji Okazaki (24, Shimizu), Yoshito Okubo (28, Kobe), Hisato Sato (28, Hiroshima), Keiji Tamada (30, Nagoya).
Teamchef: Takeshi Okada (53, Japaner, seit Dezember 2007)
Qualifikation: 4:1 gegen Thailand, 0:1 in Bahrain, 3:0 gegen und 1:1 im Oman, 3:0 in Thailand, 1:0 gegen Bahrain. 3:2 in Barhrain, 1:1 gegen Usbekistan, 3:0 in Katar, 0:0 gegen Australien, 1:0 gegen Bahrain, 1:0 in Usbekistan, 1:1 gegen Katar, 1:2 in Australien.
Endrundenteilnahmen: 3 (1998 Vorrunde, 2002 Achtelfinale, 06 Vorrunde)
>> Ballverliebt-WM-Serie
Gruppe A: Südafrika, Mexiko, Uruguay, Frankreich
Gruppe B: Argentinien, Nigeria, Südkorea, Griechenland
Gruppe C: England, USA, Algerien, Slowenien
Gruppe D: Deutschland, Australien, Serbien, Ghana
Gruppe E: Holland, Dänemark, Japan, Kamerun
Gruppe F: Italien, Paraguay, Neuseeland, Slowakei
Gruppe G: Brasilien, Nordkorea, Elfenbeinküste, Portugal
Gruppe H: Spanien, Schweiz, Honduras, Chile
* Anm.: Die Platzierungen im ELO-Ranking beziehen sich auf den Zeitpunkt der Auslosung.